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Alexander von Humboldt: „Ueber den Einfluß der Abweichung der Sonne auf den Anfang der Aequatorial-Regen“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1818-De_l_influence-3> [abgerufen am 25.04.2024].

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Titel Ueber den Einfluß der Abweichung der Sonne auf den Anfang der Aequatorial-Regen
Jahr 1818
Ort Nürnberg
Nachweis
in: Journal für Chemie und Physik 24:1 (1818), S. 71–84.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.48
Dateiname: 1818-De_l_influence-3
Statistiken
Seitenanzahl: 14
Zeichenanzahl: 19857
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
De l’influence de la déclinaison du Soleil sur le commencement des pluies équatoriales (Paris, 1818, Französisch)
[Abhandlung über den Einfluss der Sonnenabweichung auf den Anfang der Aequatorial-Regenzeit] (Stuttgart; Tübingen, 1818, Deutsch)
Ueber den Einfluß der Abweichung der Sonne auf den Anfang der Aequatorial-Regen (Nürnberg, 1818, Deutsch)
Soleil. (Influence de sa déclinaison sur le commencement des pluies équinoxiales) (Paris, 1824, Französisch)
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Ueber den Einfluß der Abweichung der Sonne aufden Anfang der Aequatorial-Regen.VonA. von HUMBOLDT *).Aus dem Annal. de Chim. et de Phys. Tom. VIII. Jun.1818 p. 179. übers. vom Dr. Kapp.

Von allen Wissenschaften, welche die Naturphi-losophie (philosophie naturelle) und die Naturge-schichte der Erde umfassen, ist die Meteorologieam langsamsten fortgeschritten. Dieß rührt indes-sen nicht sowohl von der Unvollkommenheit derInstrumente und der geringen Anzahl genauer Be-obachter her, als von der Unzulänglichkeit der bis-herigen Beobachtungs-Methoden, und der großenSchwierigkeit, die veränderlichen und wechselndenErscheinungen vom Einflusse störender Ursachenzu befreien. Man darf sich nicht schmeicheln, aufeinmal eine Menge so verwickelter Probleme lösenzu können. Alle Veränderungen, welche das vonunter sich innigst verbundenen Umständen abhän-gige Luftmeer darbietet, können wir höchstens bis
*) Auszug aus einer in dem Institut am 29. Jun. 1818 vor-gelesenen Abhandlung.
|72| auf die sogenannten mittleren Bewegungen der Atmo-sphäre bestimmen, um durch die Vergleichung ei-ner großen Anzahl einzelner Beobachtungen einengewissen Typus in der Aufeinanderfolge der Er-scheinungen zu erkennen, und besonders die Wir-kungen der Sonnenthätigkeit als die Ursache ken-nen zu lernen, welche am stärksten auf alle Ver-änderungen der Dichtigkeit, Temperatur, Feuch-tigkeit und electrischen Spannung einwirkt. Ichhabe mich demnach sogleich damit beschäftigt, dieVertheilung der Wärme auf der Erdkugel zu stu-diren und den Einfluß störender localer Ursachenempirischen Gesetzen zu unterwerfen. Das Studiumdieser Gesetze, welche ich in meiner Abhandlungüber die isothermischen Linien *) der Akademie derWissenschaften vorgelegt habe, läßt die Beziehun-gen erkennen, durch welche eine große Anzahlvon Erscheinungen vereinigt werden. Unter denErscheinungen, welche von dem Eintritt der Jahrs-zeit der Aequatorial-Regen an, die ich heute aus-einandersetzen werde, beständig verbunden vorkom-men, giebt es nun eine ähnliche Verwandtschaft.
Die Meteorologie der heißen Zone kann um soviel mehr Licht über die Meteorologie der gemäßig-ten Zone verbreiten, als die Abwesenheit einer gro-ßen Anzahl störender Ursachen zwischen den Wen-dekreisen die wahren Gesetze, welchen die Naturunterworfen ist, leichter erkennen läßt. In derThat hat man die, von welchen die kleinen stünd-lichen Barometer-Veränderungen abhängen, so-gleich unter der heißen Zone gefunden. Sie wür-
*) Vergl. dieses Journal XX. S. 318. Kp.
|73| den noch lange Zeit der Aufmerksamkeit der Phy-siker entgangen seyn, wenn die periodischen Schwin-gungen der Atmosphäre nur in der Zone der ver-änderlichen Climate studiert worden wären. Manbemerkt in diesen Climaten nur im Durchschnittvon einer großen Anzahl Beobachtungen, was sichunter dem Aequator, Stunde für Stunde, frei vomEinflusse störender Ursachen darstellt. Wenn man,wie ich glaube, nicht dahin kommt, die Wirkungdes Mondes auf unsren Luftocean mit Genauigkeitauszumitteln, so wird man diese wichtige Entde-ckung nur den in den Tropenländern gemachtenmittleren Beobachtungen verdanken.
Eben so, wie es über dem Polarkreise zweiJahrszeiten des Tages und der Nacht giebt, theiltsich auch das Jahr in der Aequinoctial-Gegend inzwei große Jahrszeiten, die der Trockenheit unddie der Feuchtigkeit, oder, wie die Indianer amOrenocco in ihrer Sprache sehr bedeutend sagen,die der Sonnen und die der Wolken. Dem Physikerist es äußerst interessant, den Gang der meteoro-logischen Erscheinungen während des Uebergangsvon einer Jahrszeit zur andern zu verfolgen. Dain dem Theile der gemäßigten Zone, wo beinahekein Schnee fällt, und die mittlere Temperatur bisauf 19° oder 20° steigt, die Winter eine wahreRegenzeit sind, so könnte man glauben, daß dieRegen der Tropenländer mit dem Winter dergleichnamig gemäßigten Zone zusammenfallen müß-ten. Man weiß indessen seit langer Zeit, daß esnicht so ist, sondern daß die in der heißen Zoneso regelmäßigen Regen-Epochen an den Lauf derSonne gebunden sind, und daß sie viel häufiger |74| nördlich vom Aequator eintreten, wenn dieses Ge-stirn zum Wendekreise des Krebses kommt. Der Anfang der Regen fällt mit mehrern an-dern Erscheinungen zusammen, z. B. mit der Un-terbrechung der periodischen Winde und mit einerungleichen Vertheilung der electrischen Spannungin der Luft. In dem Maaße als die Sonne in dernördlichen Aequatorial-Zone sich dem Zenith nä-hert, treten Windstillen oder Süd-Ost-Winde andie Stelle der Nord-Ost-Winde. Die Durchsichtig-keit der Luft verringert sich schon, ohne daß ihreTemperatur merklich abnimmt; die Sterne fangenbei 20° Höhe über dem Horizont an zu funkeln,weil nach der, auf das Gesetz der Einschiebungen ge-gründeten, scharfsinnigen Erklärung von Arago dieverschiedenen unter sich parallelen Schichten derAtmosphäre nicht mehr dieselbe Dichtigkeit undgleiche Brechung haben. Dann sammeln sich dieDünste in Wolken, und man findet nicht mehr zujeder Stunde des Tags in den niedern Regionen derAtmosphäre Zeichen von positiver Electricität. DerDonner läßt sich hören; Güsse von Regen fallenbei Tage, und die Windstillen sind nur durch hef-tige Winde unterbrochen, welche vom entgegenge-setzten Pole wehen, d. h. durch Süd-Ost-Windein der nördlichen und Nord-Ost-Winde in dersüdlichen Aequatorial-Zone. Diese Veränderungen sind nicht bloß dem in-nern America eigenthümlich; man bemerkt sie auchim Innern von Africa, wo sie dem Scharfblicke Mungo-Park’s nicht entgangen sind. Dieser verstän-dige Reisende berichtet, daß es nördlich vom Ae-quator zu regnen aufhört, wenn der Süd-West- |75| Wind in den Nord-West-Wind übergeht. Da nundie Passatwinde durch die Sonnenwärme in Ver-bindung mit der Bewegung der Rotation der Erdeentstehen, so habe ich in der ungleichen Verthei-lung der Wärme, welche nach der Veränderungder Abweichung der Sonne wechselt, die Lösungder Aufgabe gesucht, welche der Anfang der Re-genzeit in jeder Hemisphäre darbietet. Bevor ichindessen diese Untersuchung beginne, will ich so-gleich den Gang der atmosphärischen Erscheinun-gen, welche beständig mit ihnen verbunden sind,angeben. Nichts kommt nördlich vom Aequator der Rein-heit der Atmosphäre gleich vom Monat Decemberbis zum Monat Februar. Der Himmel ist dannohne Wolken, und zeigt sich eine, so ist das eineErscheinung, welche die ganze Aufmerksamkeit derEinwohner in Anspruch nimmt. Der Ost- undOst-Nord-Ost-Wind wehet sehr stark. Da erimmer Luft einer und derselben Temperatur her-beiführt, so ist nicht anzunehmen, daß die Dünstedurch Erkältung sichtbar würden. Gegen das Endedes Februars und den Anfang des März ist dasBlau des Himmels weniger stark, das Hygrometerzeigt nach und nach eine größere Feuchtigkeit, dieSterne sind zuweilen durch eine leichte Schicht vonDünsten verhüllt, ihr Licht ist nicht mehr ruhigund planetarisch: man sieht sie von Zeit zu Zeit20° über dem Horizonte funkeln. In dieser Epoche wird der Wind weniger stark,weniger regelmäßig und er ist öfters durch Wind-stillen in den niedern Regionen der Atmosphäre(calmes plats) unterbrochen. Wolken häufen sich |76| gegen Süd-Süd-Ost. Sie erscheinen wie ferneGebirge in scharfen Umrissen. Von Zeit zu Zeitsieht man sie sich vom Horizont entfernen, unddas Himmelsgewölbe mit einer Schnelligkeit durch-laufen, welche der Schwäche des Windes, der inden untern Schichten der Luft herrscht, keines-wegs entspricht. Gegen das Ende des März wirddie südliche Gegend der Atmosphäre durch kleineelectrische Explosionen erhellt. Wie phosphores-cirende Scheine sind sie bloß mit einer Gruppevon Dünsten umgeben. Von nun an streicht vonZeit zu Zeit der Passatwind, und in manchen Stun-den nach West und Südwest. Das ist dort ein si-cheres Zeichen von der Annäherung der Regenzeit,welche am Orenocco gegen das Ende Aprils be-ginnt. Der Himmel fängt an sich zu verhüllen, dasBlau verschwindet, und eine graue Farbe verbrei-tet sich einförmig. Zu gleicher Zeit nimmt dieWärme der Atmosphäre gradweise zu, und baldsind es nicht mehr Wolken, sondern verdichteteDünste, welche das Himmelsgewölbe bedecken. Dieheulenden Affen fangen an, ihr Klaggeschrei langevor Sonnenaufgang hören zu lassen. Die atmo-sphärische Electricität, welche während der Zeitder großen Trockenheit (vom December bis zumMärz) bei Tage ohne Ausnahme eine Abweichungvon 1,7 bis 2 Linien in dem Voltaischen Electro-meter hervorbrachte, wurde vom Monat März anaußerordentlich veränderlich. Während der ganzenTageszeiten habe ich keine bemerkt; während inmanchen Stunden die Hollunderkugeln des Electro-meters auf 3 — 4 Linien divergirten. Die Atmo-sphäre, welche im Allgemeinen, in der heißenZone wie in der gemäßigten, in dem positiv elec- |77| trischen Zustande sich befindet, geht abwechselndwährend acht bis zehn Minuten in dem negativelectrischen über. Die Regenzeit ist die Zeit derGewitter; und doch haben mir eine große Anzahl3 Jahre hindurch angestellter Versuche gezeigt, daßman gerade in dieser Gewitterzeit eine geringereelectrische Spannung in den niedern Gegenden derAtmosphäre findet. Sind die Gewitter die Wir-kung dieser ungleichen Last von verschiedenenübereinander liegenden Luftschichten? Was ver-hindert die Electricität, in eine seit dem MonatMärz feuchter gewordene Luft gegen die Erde zuherabzusteigen? In diesem Zeitpuncte scheint dieElectricität, statt in der ganzen Atmosphäre ver-breitet zu seyn, über der äußern Hülle (enveloppe)auf der Oberfläche der Wolken angehäuft zu seyn.Nach Gay-Lussac führt die Bildung des Gewölksselber die Flüssigkeit gegen die Oberfläche. DasGewitter bildet sich in den Ebenen nach demDurchgang der Sonne durch den Meridian, alsokurz nach dem Augenblick des Maximums der täg-lichen Wärme unter den Wendekreisen. Außerstselten hört man im Innern des Landes während derNacht den Donner rollen, oder am Morgen vorMittag. Die nächtlichen Gewitter sind nur gewis-sen Flußthälern eigen, welche ein besonderes Cli-ma haben. Oder, welches sind die Ursachen von dieserAufhebung des Gleichgewichts in der electrischenSpannung der Luft, von dieser ununterbrochenenVerdichtung der Dünste in Wasser, von dieserUnterbrechung der Winde, diesem Anfang unddieser Dauer der Regenzeit? Ich zweifle, daß die |78| Electricität auf die Bildung der bläschenartigen Dün-ste Einfluß habe. Es ist vielmehr die Bildung die-ser Dünste, welche die electrische Spannung ver-mehrt und modificirt. Nördlich und südlich vomAequator treten die Gewitter oder die großen Ent-ladungen zu gleicher Zeit in der gemäßigten undgleichnamigen äquinoctialen Zone ein. Giebt eseine Wirkung, die sich queer durch’s Luftmeervon der ersten dieser Zonen gegen die Tropen fort-pflanzt? Wie ist es einzusehen, daß unter dieserZone, wo sich die Sonne beständig zu einer so gro-ßen Höhe über den Horizont erhebt, der Durch-gang dieses Himmelskörpers durch den Zenith ei-nen bedeutenden Einfluß auf die meteorologischenVeränderungen haben kann? Ich glaube, daß die Ursache, welche den An-fang des Regens unter den Tropen bedingt, keinelocale ist, und daß eine genauere Kenntniß derhöhern Luftströme die so verwickelt scheinendenProbleme aufhellen würde. Nur, was in den un-tern Schichten der Atmosphäre vorgeht, könnenwir beobachten. Die Anden sind beinahe in einerHöhe von 2000 Toisen noch bewohnt, und in die-ser Höhe wirken die Nähe der Sonne und dieMassen der Gebirge, welche die Untiefen des Luft-Oceans sind, merklich auf die umgebende Luft ein.Was man auf der Hochebene des Antisana beob-achtet, würde man auch bei gleicher Höhe in ei-nem Luftballon finden, wenn man über Llanosoder der Oberfläche des Meeres schwebte. Wir haben bereits gesehen, daß die Regen-und Gewitterzeit in der nördlichen Aequinoctial-Zone mit den Durchgängen der Sonne durch den |79| Zenith *) des Ortes, mit dem Aufhören der Nord-Ost-Winde (brises) und mit den häufigen Wind-stillen und stürmischen, von einem trüben Him-mel begleiteten, Süd-Ost- und Süd-West-Winden (Bendavales) zugleich eintritt **). Re-flectirt man nun auf die allgemeinen Gesetze desGleichgewichts der gasförmigen Massen, welcheunsere Atmosphäre ausmachen, so findet man inder Unterbrechung des Stromes, welcher von ei-nem gleichnamigen Pol herweht, in der Erneue-rung der Luft unter der Aequatorial-Zone und inder stätigen Wirkung eines feuchten aufsteigendenStromes eine sehr einfache Ursache des Zusammen-treffens dieser Erscheinungen. Während im Norden des Aequators der Nord-Ost mit aller Stärke bläst, verhindert er die Atmo-sphäre, welche die äquinoctialen Länder und Mee-re bedeckt, sich mit Dünsten zu sättigen. Diewarme und feuchte Luft der heißen Zone erhebtund kehrt sich gegen die Pole, während un-tere Polar-Strömungen, die trocknere und kältereSchichten mit sich führen, in jedem Augenblickdie in die Höhe steigenden Luftsäulen ersetzen.Durch dieß beständige Spiel zweier entgegengesetz-ter Strömungen wird die Feuchtigkeit, weit ent-fernt, sich zwischen den Tropen anzuhäufen, ge-gen die kalten und gemäßigten Gegenden wegge-
*) Diese Durchgänge finden Statt durch den 5° und 10°nördlicher Breite, zwischen dem 3ten und 16ten Aprilund zwischen dem 27ten August und 8ten September.**) Vergl. meinen politischen Versuch über Neu-SpanienTh. 2. S. 382, 712 und 767.
|80| führt. Während der Zeit der Nord-Ost-Winde,wo die Sonne in den mittäglichen Zeichen steht,bleibt der Himmel in der nördlichen äquinoctialenZone beständig heiter. Die bläschenartigen Dünsteverdichten sich nicht, weil die Luft, unaufhörlicherneuert, sich nicht sättigen kann. In dem Maaßesich die Sonne beim Eintritt in die nördlichen Zei-chen gegen den Zenith erhebt, mäßigt sich derNord-Ost und hört nach und nach ganz auf. DerUnterschied der Temperatur zwischen den Tropenund der gemäßigten nördlichen Zone ist dann mög-lichst unbedeutend: es ist dieß der Sommer desnördlichen Pols: und wenn die mittlere Tempera-tur des Winters unter 42° und 52° nördlicher Brei-te 20° bis 26° des hunderttheiligen Thermometersgeringer ist, als die Wärme unterm Aequator, sobeträgt dieser Unterschied im Sommer kaum 4° bis6°. Befindet sich die Sonne im Zenith und hatder Nord-Ost aufgehört, — Ursachen, welche dieFeuchtigkeit erzeugen und sie in der nördlichenäquinoctionalen Zone anhäufen, so werden sie aufeinmal thätiger. Die Luftsäule, die sich über dieseZone stellt, sättigt sich mit Dünsten, weil sie nichtmehr durch den Polarstrom erneuert wird. DieWolken bilden sich in dieser gesättigten und er-kalteten Luft durch die vereinten Wirkungen desStrahlens und der Ausbreitung der aufsteigendenLuft. Diese Luft vermehrt die Wärmecapacität indem Maaße, als sie sich verdünnt. Mit der Bil-dung und Anhäufung der bläschenartigen Dünstesammelt sich auch die Electricität in den hohenGegenden der Atmosphäre. Das Niederschlagender Dünste dauert bei Tage fort; hört aber ge-wöhnlich bei Nacht auf, und oft schon sogar beim |81| Untergang der Sonne. Die Regengüsse sind dannsehr stark und von electrischen Entladungen beglei-tet, kurz nach dem Maximum der täglichen Wär-me. Dieser Stand der Dinge bleibt derselbe bis dieSonne in die mittäglichen Zeichen tritt, und somitin der nördlichen gemäßigten Zone die Kälte be-ginnt. Von nun an stellt sich die Strömung desNordpols wieder ein, weil der Unterschied zwi-schen der Wärme der äquinoctialen und gemäßig-ten Gegenden von Tag zu Tag größer wird. DerNord-Ost bläst stark, die Luft der Tropen er-neuert sich und kann den Grad der Sättigung nichtmehr erwarten. Der Regen hört folglich auf, derbläschenartige Dunst zerfließt, und der Himmelnimmt seine ganze Reinheit und Azurfarbe wiederan. Die electrischen Entladungen lassen sich nichtmehr hören, weil die Electricität in den hohenLuftregionen ohne Zweifel keine solche Gruppenvon bläschenartigen Dünsten, ich möchte beinahesagen, keine solche Einhüllungen der Wolken mehrfindet, über welchen sich die Flüssigkeit anhäufenkönnte.
Das Verschwinden der Nord-Ost-Winde ha-ben wir eben als die Hauptursache *) der Aequa-torial-Regen betrachtet. Diese Regen dauern imNorden und Süden der Linie ebenfalls nur so lan-ge, als die Sonne mit der Halbkugel eine gleich-
*) Ich habe in dieser Untersuchung die gewagten Hypo-thesen über die Verbindungen des Sauerstoffs mit demWasserstoff und über die der Electricität beigelegteEigenschaft, bläschenartige Dünste zu bilden und nie-derzuschlagen, absichtlich übergangen.
|82| namige Abweichung hat. Dabei muß ich bemer-ken, daß, wenn der Nord-Ost nicht weht, nichtimmer eine niedrige (plat) Windstille erfolgt, daßaber die Windstille, besonders nach der Länge aufder Westseite von Amerika durch die Bendavalesoder Süd-West- und Süd-Ost-Winde, oft unter-brochen wird. Diese Erscheinung scheint anzu-deuten, daß die feuchten Luft-Säulen, die sich inder Aequatorial-Zone erheben, zuweilen gegen denSüdpol abweichen. In der That zeigen die nörd-lich und südlich vom Aequator in der heißen Zonegelegenen Länder, während ihres Sommers, so lan-ge die Sonne durch ihren Zenith geht, das Maxi-mum des Temperatur-Unterschieds mit der Luftdes entgegengesetzten Pols. Die gemäßigte südlicheZone hat ihren Winter, während es im Nordendes Aequators regnet, und dort eine mittlere Wär-me Statt findet, die um 5° — 6° größer ist, als inder Zeit der Trockenheit, wo die Sonne am nie-drigsten steht *). Die Fortdauer des Regens, wäh-rend die Süd-West- und Süd-Ost-Winde wehen,beweist, daß die Strömungen des entferntesten Polsin der nördlichen Aequinoctial-Zone, wegen derso großen Feuchtigkeit des südpolaren Stromes,nicht so wirken, wie die Strömungen des nächstenPols. Die Luft, welche diese Strömung mit sichführt, kommt von einer beinahe ganz wasservollenHemisphäre. Sie durchströmt, um mit dem 8° der
*) Vom Aequator bis zu 10° nördlicher Breite weichendie mittleren Temperaturen der Sommer- und Win-termonate kaum um 2° — 3° ab; aber auf der Gränzeder heißen Zone gegen den Wendekreis des Krebsessteigen die Unterschiede bis auf 8° — 9°.
|83| nördlichen Breite parallel zu werden, die ganzesüdliche Aequatorial-Zone; sie ist folglich wenigertrocken, weniger kalt und weniger geeignet, wieein Gegenstrom zu wirken, die Aequinoctial-Luftzu erneuern und ihre Sättigung zu verhindern, alsder südliche Polar-Strom oder der Nord-Ost-Wind *). Man kann annehmen, daß die Benda-vales stürmische Winde auf einigen Küsten sind,z. B. auf denen von Guatimala, weil sie nicht dieWirkung eines regelmäßigen und fortschreitendenAbweichens der Tropenluft gegen den Südpol sind,sondern weil sie mit Windstillen abwechseln, vonelectrischen Explosionen begleitet sind, und in ei-gentlichen Windstößen ein wiederholtes Stoßen, ei-ne ungestümme und augenblickliche Aufhebung desGleichgewichts im Luftocean anzeigen.
Ich habe somit eine der wichtigsten Erschei-nungen der Meteorologie der Tropenländer unter-sucht, indem ich sie in ihrer größten Allgemein-heit auffaßte. So wie die Gränzen der Passatwin-de mit dem Aequator keine Parallelkreise bilden **),so läßt sich auch die Wirkung der polaren Strö-mungen unter verschiedenen Meridianen verschie-den wahrnehmen. In derselben Halbkugel sind oft
*) In den zwei gemäßigten Zonen verliert die Luft ihreDurchsichtigkeit jedesmal, wenn der Wind von dementgegengesetzten Pole weht, d. h. von dem Pole, dernicht dieselbe Benennung hat, wie die Halbkugel, inder er sich wahrnehmen läßt.**) S. die histor. Beschreibung meiner Reise Th. I. S. 199und 237 und meine Abhandlung über die isothermi-schen Linien S. 114.
|84| in den Gebirgsketten und am Ufer entgegengesetzteJahrszeiten. Ich könnte mehrere Beispiele dieserAnomalien anführen; allein, um die Gesetze derNatur zu entdecken, muß man, bevor man dieUrsachen localer Strömungen prüft, den mittlernStand der Atmosphäre und den beständigen Typusihrer Veränderungen kennen.