Hr. von Humboldt liest eine Abhandlung uͤber den Einfluß der Sonnenabweichung auf den Anfang der Aequatorial-Regenzeit. Die gehaltreiche Denkſchrift eroͤffnet ſich mit allgemeinen Betrachtungen uͤber die Meteorologie. „Von allen in die Naturphiloſophie und in die Naturgeſchichte des Erdballs einſchlagenden Wiſſenſchaften (druͤckt ſich Hr. von Humboldt aus) hat die Meteorologie die langſamſten Fortſchritte gewacht. Die Urſache hievon liegt weniger in der unvollkommenen Beſchaffenheit der Werkzeuge und in der kleinen Zahl genauer Beobachter, als vielmehr in den Fehlern des bisher befolgten Beobachtungsverfahrens und in der ſehr großen Schwierigkeit, die wandelbaren und voruͤbergehenden Erſcheinungen vom Einfluß der ſtoͤrenden Urſachen zu ſondern. Man darf nicht hoffen, eine Menge ſo verwickelter Aufgaben gleichzeitig zu loͤſen, und weil alle Veraͤnderungen, welche im Luft-Ozean vorgehen, von genau unter einander zuſammenhaͤngenden Urſachen herruͤhren, ſo muͤſſen wir uns auf die Ausmittlung deſſen beſchraͤnken, was man die Durchſchnittsbewegungen (mouvemens moyens) der Atmoſphaͤre nennen kann; durch Vergleichung einer großen Anzahl partieller Beobachtungen muͤſſen wir eine gewiſſe Ordnung in der Aufeinanderfolge der Erſcheinungen aufzufinden ſuchen, und vorzuͤglich ſollen wir die Wirkungen zu ergruͤnden trachten, welche die Sonne (l’action ſolaire), als die vorherrſchende, auf alle Veraͤnderungen der Dichtigkeit, Temperatur, Fluͤſſigkeit und electriſchen Spannung einfließende Urſache, hervorbringt. Auf dieſem Pfade war ich fruͤher bemuͤht, die Vertheilung der Waͤrme uͤber den Erdball aus zumitteln und den Einfluß der ſtoͤrenden oͤrtlichen Wirkungen auf empiriſche Geſetze zuruͤckzubringen. Die Ergruͤndung dieſer Geſetze, welche ich in meiner Abhandlung uͤber die Iſotherm-Linien darſtellte, hat zur Kenntniß von Verhaͤltniſſen gefuͤhrt, welche eine große Zahl Erſcheinungen zuſammen verknuͤpfen; hier wuͤnſche ich nunmehr eine aͤhnliche Verbindung von Phaͤnomenen darzuſtellen, welche beym Eintritt der Aequatorial- Regenzeit jederzeit zuſammenzutreffen ſcheint. Die Meteorologie der heißen Zone kann der Meteorologie der gemaͤßigten Zone um ſo wichtigere Aufſchluͤſſe gewaͤhren, als bey der Abweſenheit einer bedeutenden Zahl ſtoͤrender Urſachen die Ausmittlung der eigentlich wirkſamen Naturgeſetze, zwiſchen den Wendekreiſen leichter wird. So ſind dann auch wirklich jene, welche die kleinen Horar-Variationen des Barometers begruͤnden, zuerſt in der heißen Zone ausgemittelt worden. Sie waͤren der Aufmerkſamkeit der Naturforſcher noch lange entgangen, wenn die periodiſchen Schwingungen der Atmoſphaͤre nur in der Zone der wandelbaren Climate beobachtet wurden. In dieſen letzteren mag nur aus dem Durchſchnitt einer Menge von Beobachtungen dasjenige hervorgehen, was ſich unter dem Aequator, von Stunde zu Stunde, vom Einfluß der ſtoͤrenden Urſachen geſondert, dem Beobachter darbietet. Wenn man, wie ich erwarte daß es geſchehe, einſt im Stande ſeyn wird, den Einfluß des Mondes auf unſer Luftmeer beſtimmt anzugeben, ſo duͤrfte wohl dieſe wichtige Entdeckung hinwieder auch aus den in den Tropenlaͤndern angeſtellten Durchſchnitts-Beobachtungen hervorgehen. So wie jenſeits des Polarkreiſes die zwey Jahrszeiten von Tag und Nacht vorkommen, ſo theilt ſich in den Aequinoctial-Gegenden das Jahr in die zwey großen Zeiten der Trockenheit und der Naͤſſe, oder wie die Indianer am Orenoko ſich in ihrer kraͤftigen Sprache ausdruͤcken, in die Sonnen- und in die Wolkenzeit. Dem Naturforſcher iſt es ſehr wichtig, die Aufeinanderfolge der meteorologiſchen Erſcheinungen, waͤhrend des Uebergangs einer Jahrszeit in die andere, zu beobachten. So wie in demjenigen Theil der gemaͤßigten Zone, wo beynahe kein Schnee faͤllt, und deſſen mittlere Temperatur auf 19 bis 20 Grade anſteigt, der Winter eine wahrhafte Regenzeit iſt, ſo moͤchte man glauben, die Regenzeit der Tropenlaͤnder muͤſſe mit dem Winter der gleichnamigen temporirten Zone zuſammentreffen. Man weiß aber laͤngſt, daß dieß nicht der Fall iſt, ſondern daß die im heißen Himmelsſtrich ſo regelmaͤßig eintretende Regenzeit, mit dem Sonnenlauf in Verbindung ſteht, und daß auf der Nordſeite des Aequators der Regen zur Zeit, wo die Sonne den Wendekreis des Krebſes erreicht, in groͤßerer Menge faͤllt.” — Ref. muß ſich begnuͤgen, noch eine Stelle, die gegen den Schluß der Abhandlung, welche eine weitere Analyſe nicht geſtattet, ihr Reſultat kuͤrzlich darſtellt, auszuheben. „Ich halte dafuͤr (ſagt Hr. von Humboldt), daß es keineswegs eine Lokal-Urſache iſt, welche den Anfang der Regenzeit in den Tropenlaͤndern hervorbringt, und daß eine genauere Kenntniß der hoͤheren Luftſtroͤme verſchiedene, dem Anſchein nach ſehr verwickelte, Aufgaben loͤſen wuͤrde. Unſere Beobachtungen muͤſſen ſich auf das, was in den untern Schichten der Atmoſphaͤre vorgeht, beſchraͤnken. Das Andengebirg iſt uͤber zweytauſend Klafter Hoͤhe kaum mehr bewohnt, und auf dieſer Hoͤhe haben die Naͤhe des Erdbodens und die Bergmaſſen, welche die Untiefen (haute-fonds) des Luftmeeres bilden, einen weſentlichen Einfluß auf ihre Luftumgebung. Was auf der Bergebene von Antiſana beobachtet wird, iſt verſchieden von dem, was man in einem uͤber den Llanos oder uͤber der Meeresflaͤche in gleicher Hoͤhe ſchwebenden Luftballon wahrnehmen wuͤrde. Wir ſahen, daß die Jahrszeit der Regen und Stuͤrme, in der noͤrdlichen Aequinoctial-Zone mit den Durchgaͤngen durch den Zenith des Ortes, mit dem Aufhoͤren der Nordoſtwinde oder Briſen, mit den anhaltenden Windſtillen von den Bendaveden (Vgl. A. v. Humboldts Verſuch uͤber den polit. Zuſtand des Koͤnigr. Neu-Spanien) die ſtuͤrmiſche, mit bedecktem Himmel begleitete Suͤdoſt- oder Suͤdweſtwinde ſind, zuſammentrifft. Beym Nachdenken uͤber die allgemeinen Geſetze des Gleichgewichts der luftartigen Maſſen, aus denen unſere Atmoſphaͤre beſteht, ergibt ſich aus der unterbrochenen vom gleichnamigen Pole herkommenden Luftſtroͤmung, aus jener der Lufterneuerung unter der Aequatorial-Zone und aus der unausgeſetzten aufſteigenden Wirkung einer feuchten Stroͤmung, die ſehr einfache Erklaͤrung einer zuſammentreffenden Erſcheinung.“