Die Felshoͤhle von Guacharo. Was neben der außerordentlichen Kuͤhle des Klima dem Thal von Caripe am meiſten Auszeichnung und Ruf verſchafft, iſt die große Cueva oder die Felshoͤhle von Guacharo. In einem Land, wo man das Wunderbare liebt, iſt eine Felshoͤhle, aus der ein Fluß entſpringt und die von vielen tauſend Nachtvoͤgeln bewohnt wird, deren Fett in den Miſſionen zur Zubereitung der Speiſen dient, ein unerſchoͤpflicher Gegenſtand fuͤr Unterhaltung und Geſpraͤche. Die Hoͤhle, welche die Eingebornen eine Fettmine nennen, befindet ſich nicht im Thal von Caripe ſelbſt, ſondern in der Entfernung drei kleiner Meilen vom Kloſter, weſt-ſuͤd-weſtlich. Sie oͤffnet ſich in ein Seitenthal, das nach der Sierra del Guacharo auslaͤuft. Wir machten uns auf den Weg nach der Sierra in Begleitung der Alcades oder indianiſchen Magiſtrate, und der meiſten Ordensleute des Kloſters. Ein ſchmaler Fußpfad fuͤhrte uns anfaͤnglich anderthalb Stunden in ſuͤdlicher Richtung durch eine liebliche mit ſchoͤnem Raſen bekleidete Ebene; nachher lenkten wir weſtlich ein, laͤngs eines Baches, welcher aus der Öffnung der Hoͤhle hervorkommt. Waͤhrend drei Viertelſtunden des Emporſteigens ungefaͤhr, folgt man, bald im untiefen Waſſer, bald zwiſchen dem Waldſtrom und einer Felswand, einem ſehr ſchluͤpfrigen und kothigen Pfad. Das Einſinken des Erdreichs, die vereinzelten Baumſtaͤmme, uͤber welche die Maulthiere wegzuſchreiten Muͤhe haben, die Ranken-Pflanzen, von denen der Boden uͤberdeckt iſt, machen dieſen Theil des Wegs ſehr ermuͤdend. Wo man ſich am Fuß des hohen Guacharo Berges, nur noch vierhundert Schritte von der Hoͤhle entfernt befindet, erblickt man jedoch ihre Öffnung noch nicht. Der Waldſtrom fließt in einer vom Gewaͤſſer ausgehoͤhlten Schlucht, und der Pfad fuͤhrt unter einem Felsgeſims hin, deſſen vorſtehender Theil die Ausſicht in die Hoͤhe raubt. Wie der Bach, ſo ſchlaͤngelt ſich auch der Fußſteig; bei der letzten Kruͤmmung ſteht man ploͤtzlich vor dem ſehr geraͤumigen Eingang der Grotte. Dieſer Anblick hat etwas Erhabenes, ſelbſt fuͤr den, welcher an die maleriſchen Bilder der Hochalpen gewoͤhnt iſt. Die Cueva del Guacharo oͤffnet ſich im ſenkrechten Durchſchnitt eines Felſens. Der Eingang ſteht ſuͤdwaͤrts; ihr Gewoͤlbe iſt achtzig Fuß breit auf zwei und ſiebenzig Fuß Hoͤhe. Der Fels, der uͤber der Grotte ſteht, iſt mit Baͤumen von gigantiſchem Wuchſe beſetzt. Der Mamei und der Genipayer (genipa americana) mit breiten, glaͤnzenden Blaͤttern, ſtrecken ihre Äſte ſenkrecht zum Himmel, waͤhrend die des Coubaril und der Erythrina ſich ausbreiten und eine dichte Hausdecke bilden. Pothosgewaͤchſe mit ſaftigem Stengel, Oxalisarten und Orchideen von ſeltſamer Bildung wachſen aus den duͤrreſten Felsritzen hervor, waͤhrend Rankengewaͤchſe, vom Winde gewiegt, vor dem Eingang der Hoͤhle ſich in Feſtons ſchlingen. Wir unterſchieden in dieſen Blumengewinden eine violettblaue Bignonia, den purpurfarbigen Dolichos, und zum erſtenmal die praͤchtige Solandra (Solandra scandens), deren orangengelbe Blume eine uͤber vier Zoll lange fleiſchigte Roͤhre hat. Es verhaͤlt ſich mit den Grotteneingaͤngen, wie mit der Anſicht der Waſſerfaͤlle; die mehr oder minder ausgezeichnete Umgebung ertheilt den vorzuͤglichen Reiz, welcher ſo zu ſagen den Charakter der Landſchaft beſtimmt. Welch ein Contraſt findet ſich zwiſchen der Cueva de Caripe und jenen nordiſchen von Eichen und finſtern Lerchenbaͤumen beſchatteten Hoͤhlen! Dieſer uͤppige Pflanzenwuchs verſchoͤnert jedoch nicht nur die aͤußere Woͤlbung, er iſt auch noch im Vordertheil der Grotte ſichtbar. Mit Erſtaunen bemerkten wir prachtvolle Helikonien mit Piſangblaͤttern, die eine Hoͤhe von achtzehn Fuß erreichen, die Praga-Palme und das Arum arborescens laͤngs dem kleinen Fluß in dieſem unterirdiſchen Standort. Der Pflanzenwachsthum dehnt ſich in die Hoͤhle von Caripe aus, wie in jene tiefen Schluchten der Anden, die nur einem halben Tageslicht zugaͤnglich ſind, und er hoͤrt im Innern der Grotte eher nicht als in der Entfernung von 30—40 Fuß vom Eingang auf. Wir maßen den Weg vermittelſt eines Seils, und hatten vierhundert und dreißig Fuß zuruͤckgelegt, ehe Fackeln anzuzuͤnden erforderlich ward. Das Tageslicht dringt ſo weit vor, weil die Grotte einen einzigen Kanal bildet, der ſich in unveraͤnderter Richtung von Suͤdoſt nach Nordweſt ausdehnt. Hier, wo das Licht zu erloͤſchen anfaͤngt, hoͤrt man noch entfernt das widrige Geſchrei der Nachtvoͤgel, von denen die Eingebornen glauben, ſie werden ausſchließlich in dieſen unterirdiſchen Wohnungen angetroffen. Der Guacharo hat die Groͤße unſrer Huͤhner, den Rachen der Nachtſchwalbe (des Ziegenmelkers), den Wuchs der Geyer, deren krummer Schnabel von ſteifen Seidepinſeln umgeben iſt. Wenn wir mit Hrn. Cuvier die Ordnung der Spechte (Pici) eingehen laſſen, ſo muß dieſer außerordentliche Vogel in’s Geſchlecht der Sperlinge (paſseres) gebracht werden, deren Gattungen durch beinahe unmerkliche Übergaͤnge mit einander verbunden ſind. Ich habe ihn unter dem Namen Steatornis beſchrieben. Er macht eine neue vom Caprimulgus verſchiedene Gattung aus, die ſich durch den Umfang der Stimme ſowohl, als durch den außerordentlich ſtarken mit einem Doppelzahn verſehenen Schnabel, und durch Fuͤße, die zwiſchen den Vorderzehen keine Verbindungshaͤute haben, unterſcheidet. Er liefert das erſte Beiſpiel eines Nachtvogels unter den Zahnſchnaͤblern der Singvoͤgel (passereaux dentirostres). Durch ſeine Lebensart iſt er ſowohl den Nachtſchwalben als den Alpendohlen (corvus Pyrrhocorax) verwandt. Das Gefieder des Guacharo iſt von dunkler blaugrauer Farbe, mit kleinen ſchwarzen Streifen und Punkten vermengt. Große weiße, herzfoͤrmige, ſchwarzgeraͤnderte Flecken kommen am Kopf, auf den Fluͤgeln und am Schwanze vor. Die Augen des Vogels koͤnnen das Tageslicht nicht vertragen; ſie ſind blau und kleiner, als die des Ziegenmelkers oder der Nachtſchwalbe. Die Weite der ausgebreiteten Fluͤgel, die aus 17 bis 18 Ruderfedern (remiges) beſtehen, betraͤgt vierthalb Fuß. Der Guacharo verlaͤßt ſeine Hoͤhle bei Anbruch der Nacht, vorzuͤglich zur Zeit des Mondſcheins. Er iſt faſt der einzige, bis dahin bekannt gewordene, Nachtvogel, der ſich von Koͤrnern naͤhrt; die Bildung ſeiner Fuͤße thut ſattſam dar, daß er nicht, gleich unſern Eulen, Jaͤger iſt. Er naͤhrt ſich mit ſehr harten Kernfruͤchten, gleich dem Nußheher (Corvus caryocatactes) und dem Pyrrhocorax. Der letztere niſtet gleichfalls in Felsſpalten und iſt unter dem Namen Nachtrabe bekannt. Die Indianer verſichern, der Guacharo verzehre weder Kaͤfer noch Phalenen, mit denen ſich hingegen die Nachtſchwalbe naͤhrt. Man darf nur die Schnaͤbel des Guacharo und der Nachtſchwalbe miteinander vergleichen, um ſich zu uͤberzeugen, daß ihre Lebensart allerdings ſehr verſchieden ſeyn muß. Observations de Zoologie et d’Anatomie comparée. II. B. Es haͤlt ſchwer, ſich eine richtige Vorſtellung von dem furchtbaren Lerm zu machen, welchen viele Tauſende dieſer Voͤgel in dem finſtern Theil der Hoͤhle verurſachen. Er laͤßt ſich nur mit dem Gelerm unſrer Kraͤhen vergleichen, die in den nordiſchen Tannenwaͤldern in Geſellſchaft leben, und ihre Neſter auf Baͤume bauen, deren Gipfel ſich einander beruͤhren. Die ſcharfe und durchdringende Stimme der Guacharos wird in den Woͤlbungen der Felshoͤhle zuruͤckgeworfen und das Echo wiederhallt im Grunde der Grotte. Die Indianer banden Fackeln an das Ende einer langen Stange, um uns die Neſter dieſer Voͤgel zu zeigen. Sie befanden ſich fuͤnfzig bis ſechzig Fuß uͤber unſern Haͤuptern in trichterfoͤrmigen Loͤchern, welche in Menge an der Decke der Grotte befindlich waren. Das Geraͤuſch wird ſtaͤrker, ſo wie man tiefer hineinkoͤmmt, und die Voͤgel von dem Licht ſcheu werden, das die Copalfackeln verbreiten. Ward es etliche Minuten um uns her ſtille, dann ließen ſich die entfernteren Klagetoͤne der in den Seitengaͤngen der Grotte niſtenden Voͤgel hoͤren. Es war, als ob ihre Schwaͤrme ſich einander wechſelnd antworteten. Die Indianer begeben ſich jaͤhrlich einmal, um das St. Johannis-Feſt, mit Stangen bewaffnet in die Grotte, um den groͤßten Theil der Neſter zu zerſtoͤren. Es werden alsdann viele tauſend Voͤgel getoͤdtet, und die Alten, gleichſam um ihre Brut zu beſchuͤtzen, ſchweben, unter fuͤrchterlichem Geſchrei uͤber den Haͤuptern der Indianer. Die Jungen, welche zu Boden fallen, werden ſogleich ausgeweidet. Ihr Bauchfell iſt reich mit Fett beladen, und eine Schichte von Fett verlaͤngert ſich vom Unterleib bis zur Öffnung des Hintern, und bildet eine Art Knaͤuel zwiſchen den Schenkeln des Vogels. Der Überfluß von Fett bey pflanzenfreſſenden Thieren, die im Finſtern leben und ſich nur wenig Bewegung gaben, erinnert an laͤngſt gemachte Beobachtungen uͤber die Maͤſtung von Gaͤnſen und Ochſen. Man weiß, wie ſehr dieſes Geſchaͤft durch Finſterniß und Ruhe befoͤrdert wird. Die europaͤiſchen Nachtvoͤgel ſind mager, weil, ſtatt ſich mit Fruͤchten zu naͤhren, wie der Guacharo, ſie vom ſpaͤrlichen Ertrag ihrer Jagd leben. In der Jahreszeit, welche vom Volke in Caripe die Einſammlung des Oels genannt wird, bauen ſich die Indianer aus Palmenblaͤttern Huͤtten, theils nahe beim Eingange, theils im Vordertheil der Hoͤhle. Wir ſahen noch einige Überreſte derſelben. Hier wird bei einem mit Buſchwerk unterhaltenen Feuer das Fett der jungen eben erſt getoͤdteten Voͤgel geſchmelzt und in thoͤnernen Gefaͤßen geſammelt. Es iſt dasſelbe unter dem Namen der Butter oder des Oels (manteca oder aceite) vom Guacharo bekannt, halbfluͤſſig, durchſichtig, und geruchlos. Seine Reinheit iſt ſo groß, daß es uͤber ein Jahr aufbewahrt wird, ohne ranzigt zu werden. Im Kloſter von Caripe ward in der Kuͤche der Moͤnche kein anderes Öl gebraucht als das der Grotte, und nie haben wir einen daher ruͤhrenden widrigen Geſchmack oder Geruch an den Speiſen wahrgenommen. Das Geſchlecht der Guacharos waͤre laͤngſt vertilgt, wenn ſeine Erhaltung nicht durch verſchiedene Umſtaͤnde beguͤnſtigt wuͤrde. Aberglaͤubiſche Begriffe halten die Eingebornen vom tiefern Eindringen in die Grotte gewoͤhnlich ab. Es ſcheint auch, daß benachbarte Hoͤhlen, die ihrer Enge wegen dem Menſchen unzugaͤnglich ſind, durch Voͤgel der nemlichen Art bewohnt werden. Vielleicht wird die große Hoͤhle durch Kolonien aus den kleineren Grotten unterhalten und bevoͤlkert; die Miſſionaͤre bezeugten uns, es ſey bis dahin keine ſpuͤrbare Abnahme in der Zahl der Voͤgel bemerkt worden. Man hat junge Guacharos nach dem Hafen von Cumana verſandt, wo ſie einige Tage am Leben blieben, ohne irgend eine Nahrung zu ſich zu nehmen, indem die Koͤrner, die man ihnen vorlegte, ihnen nicht behagten. Bei Öffnung des Kropfs und des Magens der jungen Voͤgel in der Grotte, finden die Landeseingebornen mancherlei harte und trockene Kernfruͤchte, die unter der ſeltſamen Benennung der Koͤrner oder Semilla del Guacharo ein beruͤhmtes Mittel gegen das Wechſelfieber liefern. Wir folgten, im Fortgang der Hoͤhle, den Ufern des kleinen Fluſſes, der in ihr entſpringt; ſeine Breite betraͤgt 28 — 30 Fuß. Man wandert dem Ufer entlang, ſo weit die aus kalkigten Incruſtirungen gebildeten Huͤgel es geſtatten; oͤfters, wenn der Waldſtrom zwiſchen hohen Stalactiten-Maſſen ſich durchſchlingt, muß man in ſein Bett hinabſteigen, das nicht mehr als zwey Fuß Tiefe hat. Überraſchend war es uns, zu hoͤren, daß dieſer unterirdiſche Fluß der Urſprung des Rio Caripe iſt, welcher, in der Entfernung etlicher Meilen, nachdem er ſich mit dem kleinen Rio de Santa Maria vereint hat, fuͤr Piroguen ſchiffbar iſt. Er ergießt ſich unter dem Namen Canno de Terenzen in den Strom von Areo. Wir fanden am Ufer des unterirdiſchen Fluſſes eine große Menge Palmbaumholz. Es ſind Überbleibſel der Staͤmme, welche die Indianer erklettern, um die an der Decke des Gewoͤlbes der Grotte haͤngenden Vogelneſter zu erreichen. Die von den Überreſten alter Blattſtiele gebildeten Ringe verſehen gleichſam die Stufen einer ſenkrecht ſtehenden Leiter. Die Grotte von Caripe behaͤlt in der genau gemeſſenen Entfernung von 472 Metres oder 1458 Fuß, vom Eingang, noch ihre urſpruͤngliche Richtung, die naͤmliche Weite, und die gleiche Hoͤhe von 60—70 Fuß. Mir iſt auf beiden Feſtlanden keine Berghoͤhle von ſo einfoͤrmiger und regelmaͤßiger Bildung bekannt. Wir hatten Muͤhe, die Indianer zu vermoͤgen, uͤber den Vordertheil der Grotte, welchen ſie alljaͤhrlich zur Einſammlung des Fettes beſuchen, tiefer einzugehen, und es bedurfte des Gewichts und Anſehens der los Padres, um ſie zu der Stelle hinzubringen, wo der Boden ploͤtzlich unter einem Winkel von 60° in die Hoͤhe ſteigt, und wo der Waldſtrom einen kleinen unterirdiſchen Waſſerfall bildet. Die Eingebornen verbinden myſtiſche Vorſtellungen mit dem von Nachtvoͤgeln bewohnten Raum. Sie glauben, die Geiſter ihrer Vorfahren halten ſich im Hintertheil der Grotte auf. Der Menſch, ſagen ſie, ſoll eine heilige Scheu vor Orten tragen, welche weder die Sonne, Zis, noch der Mond, Nana, beſcheint. Zu den Guacharos gehen, bedeutet, zu ſeinen Vaͤtern gehen, oder ſterben. Auch nehmen die Zauberer, Piaches, und die Giftmiſcher, Imorons, ihre naͤchtlichen Gauklerkuͤnſte am Eingange der Grotte vor, um den Haͤuptling der boͤſen Geiſter, Ivorokiamo, zu beſchwoͤren. So gleichen ſich einander unter allen Himmelsſtrichen die fruͤheſten Dichtungen der Voͤlker, vorzuͤglich jene, welche die zwey weltregierenden Grundſaͤtze, das Leben der Seelen nach dem Tode, das Gluͤck der Gerechten und die Beſtrafung der Suͤnder betreffen. Die verſchiedenſten und die roheſten Sprachen enthalten eine Anzahl Bilder, welche ſich einander uͤberall aͤhnlich ſind, weil ihre Quelle in unſerm Verſtand und in unſern Empfindungen liegt. Die Finſterniß geſellt ſich allenthalben der Vorſtellung vom Tode bey. Die Grotte von Caripe iſt der Griechen Unterwelt (Tartaros) und die uͤber dem unterirdiſchen Fluß ſchwebenden, Klagetoͤne ausſtoßenden Guacharos, erinnern an die ſtygiſchen Voͤgel. An der Stelle, wo der Fluß den unterirdiſchen Waſſerfall bildet, ſtellt ſich die der Grottenoͤffnung gegenuͤberliegende, reich bewachſene Landſchaft auf eine ſehr maleriſche Weiſe dar. Man erblickt ſie am Ausgang eines geradlinigten, 240 Toisen langen Kanals. Die vom Gewoͤlbe herabhaͤngenden und in der Luft ſchwebenden Saͤulen gleichenden Stalactiten ſtellen ſich auf der gruͤnen Flaͤche wunderſam dar. Die Öffnung der Grotte erſcheint um die Mitte des Tages ſehr verengt, und wir ſahen ſie in jener hellen Beleuchtung, die das gleichzeitige Zuruͤckwerfen des Lichts vom Himmel von Pflanzen und Felſen hervorbringt. Die ferne Tageshelle ſtand in gewaltigem Abſtiche mit der uns in dieſen unterirdiſchen Raͤumen umzingelnden Finſterniß. Wir hatten unſere Flinten faſt zufaͤllig, da wo Voͤgelgeſchrey und Fluͤgelſchlag uns das Beyſammenſtehen vieler Neſter vermuthen ließen, losgebrannt. Nach mehreren vergeblichen Verſuchen gelang es dem Herrn Bonpland zwey Guacharos zu treffen, die, vom Fackellichte geblendet, uns zu verfolgen ſchienen. Dieſer Umſtand ſetzte mich in den Stand, den bis dahin den Naturforſchern unbekannt gebliebenen Vogel zu zeichnen. Wir erſtiegen mit einiger Muͤhe den kleinen Huͤgel, von welchem der unterirdiſche Bach herabfließt. Wir ſahen die Grotte ſich merklich verengern, indem ſie nur noch 40 Fuß Hoͤhe hat, und ſich nordoſtwaͤrts verlaͤngert, ohne von ihrer urſpruͤnglichen Richtung abzuweichen, die mit dem großen Thal von Caripe parallel laͤuft. In dieſem Theil der Hoͤhle ſetzt das Waſſer des Fluſſes eine ſchwaͤrzlichte Erde ab, welche derjenigen aͤhnlich iſt, die man in der Grotte von Muggendorf in Franken Opfererde der Grotte des hohlen Bergs nennt. Wir konnten nicht entſcheiden, ob dieſe feine und lockere Erdart durch Spalten, die mit der Oberflaͤche des Bodens zuſammenhaͤngen, herabfaͤllt, oder ob ſie von dem in die Hoͤhle dringenden Regenwaſſer angeſchwemmt wird. Es war eine Miſchung von Kieſel-, Thon- und Damm-Erde. Wir wanderten durch dichten Koth bis zu einer Stelle, wo wir mit Erſtaunen die Fortſchritte des unterirdiſchen Pflanzenwachsthums wahrnahmen. Die Fruͤchte, welche die Voͤgel zur Speiſung ihrer Jungen in die Grotte tragen, keimen uͤberall, wo ſie ſich in dem die kalkigten Inkruſtirungen deckenden Erdreich befeſtnen koͤnnen. Duͤnn aufgeſchoſſene, mit einigen Blaͤtterſpuren verſehene Staͤmmchen hatten eine Hoͤhe von zwey Fuß erreicht. Es war unmoͤglich, die durch den Mangel des Lichtes in Form, Farbe und Geſtalt voͤllig veraͤnderten Pflanzenarten zu unterſcheiden. Dieſe Spuren organiſcher Bildung mitten in der Finſterniß hatten die Neugier der faſt ſo ſtumpfſinnigen und ſchwer aufzuregenden Eingebornen in hohem Grade geweckt. Sie beobachteten dieſelben mit der ſtillen Aufmerkſamkeit, welche ein ihnen furchtbarer Ort veranlaßte. Es kam uns beinahe vor, als glaubten ſie, in dieſen unterirdiſchen, blaſſen und entſtellten Gewaͤchſen von der Oberflaͤche der Erde verwieſene Schatten zu ſehen. Zu noch weiterem Vordringen in der Grotte konnten die Indianer durch alles Anſehen der Miſſionare nicht vermocht werden. So wie die Woͤlbung des unterirdiſchen Raumes niedriger ward, nahm das Geſchrey der Voͤgel einen durchdringenderen Ton an. Wir mußten der Furchtſamkeit unſerer Wegweiſer nachgeben und umkehren. Ein Biſchof aus St. Thomas in Gujana war, wie es ſcheint, weiter als wir vorgedrungen. Er hatte vom Eingang bis zu der Stelle, wohin er gelangte, wo aber die Hoͤhle noch nicht zu Ende ging, beinahe 2500 Fuß (960 Varas) gemeſſen. Man hatte die Erinnerung dieſer Thatſache im Kloſter von Caripe aufbewahrt, ohne ihre Zeit genau angeben zu koͤnnen. Der Biſchof fuͤhrte große Kerzen von weißem caſtillaniſchem Wachs mit ſich; wir hatten nur Fackeln aus inlaͤndiſcher Baumrinde und Harz. Der dicke Rauch, welchen dieſe Fackeln in einem engen unterirdiſchen Raume hervorbringen, wird den Augen laͤſtig, und macht das Athemholen beſchwerlich. Wir folgten dem Lauf des Bergwaſſers nach der Öffnung der Grotte zu. Ehe noch unſere Augen vom Tageslichte geblendet wurden, ſahen wir außer der Grotte das zwiſchen Laubwerk durchſchimmernde Waſſer. Es glich einem fern ausgeſtellten Gemaͤlde, dem die Öffnung der Grotte zum Rahme diente. Am Ausgang endlich eingetroffen, ſetzten wir uns ans Ufer des Fluſſes, um von dem ermuͤdenden Gange auszuruhen. Wir waren froh des widrigkreiſchenden Geſchreies der Voͤgel entledigt zu ſeyn, und einen Ort zu verlaſſen, deſſen Dunkelheit den Reiz der Stille und Ruhe keineswegs gewaͤhrt. Es kam uns faſt unbegreiflich vor, daß der Name der Grotte von Caripe bis dahin in Europa voͤllig unbekannt geblieben ſeyn ſollte. Die Guacharos waren fuͤr ſich allein ſchon hinreichend, ihn beruͤhmt zu machen. Außer den Bergen von Caripe und Cumanacoa hat man dieſe Nachtvoͤgel bis dahin nirgends wo angetroffen. Die Miſſionare hatten uns am Eingang der Hoͤhle ein Mahl geruͤſtet. Biſangblaͤtter und die ſilberglaͤnzenden Blaͤtter des Vijao (Heliconia bihai), dienten, nach Landesſitte, als Tafeltuch. Nichts mangelte unſerm Genuſſe, auch ſogar geſchichtliche Erinnerungen nicht, welche ſonſt in dieſen Gegenden ſo ſelten ſind, wo die Geſchlechtsfolgen erloͤſchen und untergehen, ohne Spuren ihres Daſeyns zuruͤckzulaſſen. Unſere Hauswirthe erzaͤhlten, wie die erſten Ordensgeiſtlichen, die in dieſem Bergland das kleine Dorf Santa Maria gruͤndeten, waͤhrend eines Monats in der Hoͤhle wohnten, und wie hier, bey Fackelſchein, auf einem Felsſtuͤcke religioͤſe Myſterien von ihnen gefeyert wurden. Der einſame Ort diente den Miſſionaren zur Fluchtſtaͤtte gegen die Verfolgungen eines an den Ufern des Rio Caripe gelagerten kriegeriſchen Anfuͤhrers der Tuapocans. Alex. v. Humboldt.