Ueber die isothermischen Linien, von Alexander von Humboldt. (Nach dem Auszuge in den Annales de Chimie et de Physique T. V. S. 102 übersetzt vom Dr. Fahri, Sekretär der physikalischen Gesellschaft von Studierenden in Erlangen.) Der Leser wird am Ende des Heftes eine Karte finden, die wir dem Herrn von Humboldt verdanken, auf welcher er durch Zeichnung einige seiner merkwürdigen Resultate über die Gestalt und Lage der isothermischen Linien, oder der Linien von gleicher Wärme, dargestellt hat. Um die Einsicht darüber zu erleichtern, werden wir einen kurzen Auszug des Aufsatzes beifügen, welchen dieser berühmte Reisende in einen Band der Memoires von Arcueil, der so eben erschienen ist, hat einrücken lassen. Der Gegenstand, womit uns Hr. von Humboldt näher bekannt macht, nicht theoretisch sondern gemäß den neuesten Beobachtungen, ist die Vertheilung der Wärme auf dem Erdball. Zu dem Ende prüft er anfangs die verschiedenen Methoden, denen die Physiker bei der Bestimmung der mittlern Temperatur gefolgt sind. Die mittlere Temperatur eines Tages ist, mathematisch diesen Ausdruck genommen, das Mittel der correspondirenden Temperaturen aus allen Zeitabschnitten, aus denen ein Tag zusammengesetzt ist. Wenn man eine Minute für die Dauer eines dieser Zeitabschnitte annähme, so würde man durch 1440 = 24 × 60 die Summe der 1440 thermometrischen Beobachtungen, die von Minute zu Minute unternommen wurden, dividiren, und man erhielte so die gesuchte Zahl: die Summe aller dieser einzelnen Resultate, durch 365 dividirt, würde die mittlere Temperatur des Jahrs geben. Da aber im Allgemeinen die größten Unterschiede thermometrischer Veränderungen an einem Tage sich sehr nahe kommen, so sieht man ein, daß die nämlichen Wärmegrade einer großen Anzahl von Zeitabschnitten zukommen werden, deren jeder auf das zu entscheidende Mittel nach Maaßgabe seines Werthes und seiner Dauer Einfluß hat. Demnach kann man jene Mittelzahl mit Genauigkeit erhalten, selbst wenn die Zeit zwischen den einzelnen Beobachtungen viel länger ist, als wir so eben hier angenommen haben. Hr. von Humboldt hat aus diesem Gesichtspunkt mehrere Reihen von thermometrischen Beobachtungen, die von Stunde zu Stunde und zu verschiedenen Jahreszeiten unter dem Aequator und zu Paris vorgenommen wurden, genau untersucht. Er verglich die nach der vorhergehenden Methode berechneten Mittelzahlen, wobei die Dauer jeder einzelnen Temperatur in Rechnung kam, mit denen, welche auf die sonst gewöhnliche Weise erhalten werden. Es ging daraus hervor, daß die halbe Summe der höchsten und niedrigsten Temperatur eines jeden Tages (nämlich die um 2 Uhr Nachmittags und die beim Aufgang der Sonne) im Allgemeinen nur um einige Zehntelsgrade von der strengberechneten Mittelzahl abweicht, und an deren Stelle gesetzt werden kann. Indem Herr von Humboldt eine große Menge von Beobachtungen, die er zwischen den 46° und 48° der Breite machte, zusammenrechnete, hat er gefunden, daß der einzige Zeitraum beim Niedergang der Sonne eine mittlere Temperatur giebt, welche nur um einige Zehntelsgrade von derjenigen verschieden ist, welche aus den Beobachtungen beim Aufgang der Sonne und den um 2 Uhr Nachmittags abgeleitet wurde. Da es selten ist, daß Reisende an jedem Orte Gelegenheit haben, Beobachtungen in hinreichender Anzahl zu sammeln, um daraus die mittlere Temperatur des Jahres ableiten zu können, so war es wichtig nachzusuchen, welche Monate sie uns unmittelbar verschaffen können. Die folgende Tafel zeigt, daß bis selbst zu großen Breitengraden, die Monate April und October, aber vorzüglich der letztere, diese Eigenheit haben. Orte. Mittlere Temperatur. Orte. Mittlere Temperatur des Jahres des Octobers des Aprils des Jahres des Octobers des Aprils Cairo ... 22°, 4 22°, 4 25°, 5 Göttingen . 8°, 3 8°, 4 6°, 9 Algier .. 21, 0 22, 3 17, 0 Franneker . 11, 3 12, 7 10, 0 Natchez .. 18, 9 20, 2 19, 1 Copenhagen 7, 6 9, 3 5, 0 Rom ... 15, 8 16, 7 13, 0 Stockholm . 5, 7 5, 8 3, 6 Mailand .. 13, 2 14, 5 13, 1 Christiania . 5, 9 4, 0 5, 9 Cincinnati . 12, 0 12, 7 13, 8 Upsala ... 5, 4 6, 3 4, 3 Philadelphia 11, 9 12, 2 12, 0 Quebec .. 5, 5 6, 0 4, 2 Neu York 12, 1 12, 5 9, 5 Petersburg . 3, 8 3, 9 2, 8 Pekin ... 12, 6 13, 0 13, 9 Abo .... 5, 2 5, 0 4, 9 Ofen ... 10, 6 11, 3 9, 5 Drontheim . 4, 4 4, 0 1, 3 London .. 11, 0 11, 3 8, 9 Uléo .... 0, 6 3, 3 1, 2 Paris ... 10, 6 10, 7 9, 0 Uméo ... 0, 7 3, 2 1, 1 Genf ... 9, 6 9, 6 7, 6 Cap Nord. . 0, 0 0, 0 — 1, 0 Dublin .. 9, 2 9, 3 7, 4 Enontekies —2, 8 —2, 5 —3, 0 Edinburg. 8, 8 9, 0 8, 3 Nain .... —3, 1 + 0,6 — 2, 5 Die mittlern Temperaturen der Jahre sind viel gleicher als man nach dem Zeugniß unserer Sinne und der verschiedenen Ergiebigkeit der Ernten annehmen möchte. Die größten Abweichungen betragen kaum 2° der hunderttheiligen Scale. In Paris waren die mittlern Temperaturen der Jahre 1803 bis 1816: +10°, 6 ... 11°, 1 ... 9°, 7. .. 11°, 9 ... 10°, 8 ... 10°, 3 ... 10°, 5 ... 10°, 5 ... 11°, 5 ... 9°, 9 ... 9°, 9 ... 9°, 7 ... 10°, 5 ... 9°, 4. Zu Genf war in den Jahren 1803—1815 die mittlere Temperatur: + 10°, 2 ... 10°, 6 ... 8°, 8 . .. 10°, 8 ... 9°, 6 ... 8°, 3 ... 9°, 4 ... 10°, 6 . .. 10°, 9 ... 8°, 8 ... 9°, 2 ... 9°, 0 ... 10°, 0. Die Differenzen zwischen den Mittelzahlen des Monats Januar steigen bis 7°, die des Monats August erreichen selten 4°. Von der Zeichnung isothermischer Linien. Nachdem wir mit Genauigkeit den Sinn, der mit dem Ausdrucke mittlere Temperatur zu verbinden ist, angezeigt haben, können wir uns mit der Zeichnung der isothermischen Linien, oder der Linien gleicher Wärme, beschäftigen. Man wird von einigen an kleine Oertlichkeiten gebundenen Unregelmäßigkeiten absehen, wie z. B. denjenigen, welche man auf den Küsten des mittelländischen Meeres zwischen Marseille, Genua, Lucca und Rom bemerkt. Es wird späterhin von Nutzen seyn, sie in detaillirten Karten zusammenzufassen. „Die Zeichnung dieser Mittellinien, sagt Herr von Humboldt, wird viel Licht über Erscheinungen verbreiten, die für den Ackerbau und für den gesellschaftlichen Zustand der Einwohner von hoher Wichtigkeit sind. Wenn wir anstatt der geographischen Karten nur Tafeln besäßen, welche die Coordinaten der Breite, der Länge und der Höhe enthielten, so wäre eine große Anzahl merkwürdiger Verhältnisse, welche das feste Land in seiner Gestaltung und den Ungleichheiten seiner Oberfläche darstellt, für immer unbekannt.“ Um die isothermischen Linien zu ziehen, muß man die Orte auf dem Globus suchen, deren mittlere Temperaturen sich am meisten 0°, 5°, 10°, oder 15°. nähern. Man wird bei dem ersten Anfang schon gewahr, ob die Linien von Süden nach Norden an diesem oder jenem Orte sich hinziehen; um aber solches genau nach den Graden der Breite zu bestimmen, muß man die gewöhnlichen Interpolations-Methoden zu Hülfe nehmen, mit Hülfe der nach Beobachtungen entworfenen Tafeln, woraus für verschiedene Meridiane, einerlei Höhe über der Meeresfläche vorausgesetzt, sich ergiebt, in welcher Art die jährliche mittlere Temperatur von Süden gegen Norden hin abnimmt. Einem Gradunterschied in der mittlern jährlichen Temperatur entsprechen in verschiedenen Zonen folgende Breitengrade: In der neuen Welt innerhalb den Längen von 70° bis 80° östlich. In der alten Welt innerhalb den Längen von 2° bis 17° westlich. Zwischen 30° und 40° nördlicher Breite .... 1°, 24′ 2°, 30′ — — 40° — 50° — — 1°, 6′ 1°, 24′ — — 50° — 60° — — 1°, 18′ 1°, 48′ Gemäß diesen Daten und den genausten Mittelzahlen, die zu erhalten waren (deren 30 auf der Tafel S. 257 angeführt sind) endlich auch mit Rücksicht auf die Höhe der Orte, wo die Beobachtungen vorgenommen wurden, fand Hr. von Humboldt, daß die isothermische Linie von 0° aus 3°, 54′ südlich von Nain in Labrador durch das Centrum von Lappland und 1° nördlich von Uléo durch Soliskamsky geht. Die isothermische Linie von 5° geht 0°, 5 nördlich von Quebec; 1° nördlich von Christiania; 0°,5 nördlich von Upsala; durch Petersburg und Moscau. Die isothermische Linie von 10° geht durch 42° [Formel] in den vereinigten Staaten; 1° südlich von Dublin; 0°,5 nördlich von Paris; 1°,5 südlich von Franecker; 0°,5 südlich von Prag; 1°,5 nördlich von Ofen; 2° [Formel] nördlich von Peking. Die isothermische Linie von 15° geht 4°,5 nördlich von Natchez durch Montpellier; 1° nördlich von Rom; und 1°, 5 nördlich von Nangasacki. Die isothermische Linie von 20° geht 2°,5 südlich von Natchez; 50′ nördlich von Funchal; und so viel man aus den Materialien, welche wir besitzen, schließen kann, durch den 33°,5 der Breite unter dem Meridian von Cypern. Wir haben von den mittlern Temperaturen zu Algier und Cairo keinen Gebrauch gemacht, weil der Sand, von dem sie umgeben sind, sie um 1° oder 2°, wie es uns vorkommt, erhöht. Aus diesen Daten geht hervor, daß die Knoten der isothermischen Linien, oder ihre Durchschnitte mit den Parallelen des Aequators, folgende Lage haben: Isothermischer Streifen von 0°: Länge 94° W.; Breite 54°,12′; — Länge 63°,40′ W.; Br. 53°,15′ — Länge 18° 30′ O.; Br. 65° 15′; — L. 23° O.; Br. 66° 20′; — L. 56° O.; Br. 62° 12′. Ein Zweig geht längs der nördlichen Küsten durch die Länge 18° O., Br. 70°, L. 23° [Formel] , Br. 71°. Isothermischer Streifen von 5°: L. 73°,30′ W.; Br. 47°,20′ — L. 5° [Formel] W. Br. 62° — L. 8° [Formel] O. Br. 61°, 15′ — L. 15°,18′ O. Br. 60°,20′ — L. 20° O. Br. 59°,37′; — L. 35°,12′ O. Br. 57°,45′. Isothermischer Streifen von 10° L. 86°,40′ O., Br. 41°,20′ — L. 73°,30′ W. Br. 42°,45′ — L. 8°,40′ W. Br. 52°,20′ — L. 5° W. Br. 51° L. 3° W. Br. 52° — L. 0°. Br. 51° — L. 12° O. Br. 49°,30′ — L. 16°,40′ O. Br. 48°,50′ — L. 114° O. Br. 43°,30′. Isothermischer Streifen von 15° L. 93° W. Br. 36° — L. 1° O. Br. 43°,30′ — L. 9° O. Br. 43° — L. 127°,30′ O. Br. 34°,15′. Isothermischer Streifen von 20° L. 94° W. Br. 29° — L. 19°,15′ W. Br. 33°,40′ — L. 28° O. Br. 33°,30′. Wirft man einen Blick auf die Fig. 1. der Kupfertafel, so sieht man, wie die isothermischen Linien von den Parallelkreisen der Erde abweichen. Ihre convexen Gipfel in Europa befinden sich beinahe unter dem nämlichen Meridian. Diese Linien in westlicher Richtung von jenen Punkten aus neigen sich gegen den Aequator, mit welchem sie beinahe, bis an die atlantischen Küsten der neuen Welt, und bis gegen Osten des Mississipi und des Missouri, parallel bleiben; ohne Zweifel erheben sie sich alsdann wieder jenseits der Felsenberge auf den entgegengesetzten Küsten von Asien, zwischen dem 35 und 55 Grad der Breite. Man weiß in der That, daß man längs dem Kanal von St. Barbara, in Neu- Californien, den Oelbaum mit Erfolg cultivirt, und daß zu Noutka, beinahe in der nämlichen Breite von Labrador, vor dem Monat Januar auch die kleinsten Flüsse nicht einfrieren. Die hier beigefügte Tafel thut auf eine nicht weniger auffallende Art dar, daß, von Europa nach Osten hin, die isothermischen Linien sich von neuem senken. Br. Mittlere Temp. Sanct Malo, 48°,39′ + 12°,5 Amsterdam, 52, 22 + 11, 9 Neapel, 40, 50 + 17, 4 Copenhagen 55, 41 + 7, 6 Upsala, 59, 51 + 5, 5 Br. Mittl. Temp. Wien 48°, 11′ + 10°,3 Warschau 52, 14 + 9, 2 Pekin 39, 54 + 12, 7 Moscau 55, 45 + 4, 5 Petersb. 59, 56 + 3, 8 (Die Höhe von Pekin ist wenig beträchtlich. Die von Moscau beträgt 300 Meter.) Es wäre unnütz, bei allgemeinen Folgerungen zu verweilen, welche beim ersten Anblick der Karte sich ergeben; wir wollen jetzt nur einige Resultate erwähnen, welche die Kleinheit des Maaßstabes nicht leicht aufzufinden erlaubt. — Zu der Bemerkung, welche man schon seit mehr als einem Jahrhundert machte, daß die Temperaturen in der ganzen Ausdehnung einer jeden Erdparallele nicht gleich sind, und, daß 70° der Länge östlich oder westlich vom Pariser Meridian entfernt, das Klima viel kälter wird, kann man noch hinzufügen, daß die Unterschiede zwischen den Temperaturen der Oerter, die unter den nämlichen Parallelkreisen liegen, nicht in allen Breiten gleich beträchtlich sind. Br. Mittl. Temp. im Westen der alten Welt. in Mittl. Temp. im Osten der neuen Welt Unterschiede. 30° N. 21°,4 Hundertth. Sc. 19°,4 Hundertth. Sc. 2°, 0 Hundertth. Sc. 40° 17, 3 12, 5 4,8 50° 10, 5 3, 3 7,2 60° 4, 8 -4, 6 9,4 Man wird das Gesetz der Abnahme der mittleren Temperaturen in folgender Tafel finden: Von 0° — 20° Br. in d. alt. Welt 2°; in d. neuen 2° — 20° — 30° ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ 4°; ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ 6° — 30° — 40° ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ 4°; ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ 7° — 40° — 50° ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ 7°; ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ 9° — 50° — 60° ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ 5°,7 ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ 7°,9 Die Zone in den beiden Welten, wo die Abnahme der mittleren Temperaturen am schnellsten ist, befindet sich zwischen den Parallelkreisen des 40 und 45ten Grades. „Dieser Umstand, sagt Hr. von Humboldt, muß einen günstigen Einfluß auf Cultur und Kunstfleis derjenigen Völker, welche die jenem mittlern Parallelkreis benachbarten Länder bewohnen, haben. Es ist der Punkt, wo die Gegenden des Weinstocks, die der Oliven- und Citronenbäume berühren. Nirgends außerdem auf der Erdkugel, von Norden nach Süden hin, sieht man die Temperaturen merklicher zunehmen. Nirgends folgen auch die verschiedenen Erzeugnisse des Pflanzenreichs, und die mancherlei Gegenstände des Ackerbaues rascher auf einander. Daher belebt der große Unterschied der Erzeugnisse aus den Ländern der benachbarten Himmelsstriche den Handel, und vermehrt die Industrie der Ackerbau treibenden Völker.“ Der Leser wird leicht bemerken, daß in der heissen Zone unter dem Parallelkreis von 30°, die isothermischen Linien nach und nach unter einander und mit dem Aequator der Erde parallel werden, so daß die schon seit langer Zeit angenommene Meinung: die alte Welt sey wärmer als die neue, selbst unter den Tropen, keinen Grund hat. Mittlere Temp. Senegambia (Br. 14°,41′ N.) 26°, 5 Madras (Br. 13°,5′ N.) 26°, 9 Batavia (Br. 6°,12′ S.) 26°, 9 Manilla (Br. 14°,36′ N.) 25°, 6 Cumana (Br. 10°,28′ N.) 27°, 7 Antillen (Br. 16° N.) 27°, 5 Vera Cruz (Br. 19°,12′ N.) 25°, 6 Havanna (Br. 23°,9′) 25°, 6 Nach der Erklärung, welche wir von mittlerer Temperatur gegeben haben, ist es klar, daß eine Quantität von jährlicher Wärme an unterschiedenen Orten sehr ungleich unter die verschiedenen Jahreszeiten vertheilt seyn kann. Die folgende Tafel zeigt, wie die Winter und Sommer unter einander auf allen isothermischen Linien von dem 28° und 30° nördlicher Breite bis zu den Parallelkreisen des 55° und 60° verschieden sind. Man wird auch bemerken, daß in den beiden Streifen der alten und neuen Welt, welche zwei verschiedene Systeme von Klimaten bilden, die Vertheilung der jährlichen Wärme zwischen Sommer und Winter dergestalt geschieht, daß auf der isothermischen Linie von 0° der Unterschied der zwei Jahreszeiten beinahe das Doppelte von demjenigen ist, den man auf der isothermischen von 20° bemerkt. Strich diesseits des atlantischen Meeres Länge 30° westl. und 15° östl. Strich jenseits des atlantischen Meeres Länge 60 — 74° westl. Mittlere Temperatur Unterschied Mittlere Temperatur Unterschied des Winters des Sommers des Winters des Sommers Isothermische Linie 20° 15° 27° 12° 12° 27° 15° 15 7 23 16 4 26 22 10 2 20 18 — 1 22 23 5 — 4 16 20 —10 19 29 0 —10 12 22 —17 13 30 Wenn man anstatt, wie hier oben, die mittleren Temperaturen des Jahreszeiten zu betrachten, die mittleren Temperaturen des kältesten und wärmsten Monates nimmt, so ist das Zunehmen der Unterschiede noch viel größer, als wir so eben gefunden haben. Die Unterschiede zwischen den Jahreszeiten scheinen an die Gestalt der isothermischen Linien gebunden zu seyn; sie sind weniger groß bei den convexen Gipfeln als bei den concaven Gipfeln, so daß die nämliche Ursache, welche die Kurven gegen die Pole erhebt, auch die Temperaturen der Jahreszeiten auszugleichen strebt. Da die mittlere Wärme des Jahres dem Viertel der thermometrischen Summe der Winter-, Frühlings-, Sommer- und Herbst-Temperaturen gleich ist, so haben wir z. B. auf der nämlichen isothermischen Linie von 12° am concaven Gipfel in Amerika (77° Länge westlich von Paris): [Formel] nahe an dem convexen Gipfel in Europa (im Meridian von Paris): [Formel] an dem concaven Gipfel in Asien (114° östliche Länge in Paris): [Formel] Wenn man, anstatt auf einer Karte die isothermischen Linien aufzutragen, daselbst die Linien der gleichen Wintertemperatur zöge, (isochimenische Linien), so würde man sogleich bemerken, daß sie sich vielmehr von den Parallelkreisen der Erde als die ersteren, entfernen. „In dem System der europäischen Klimate, sagt Hr. von Humboldt, können die geographischen Breiten zweier Oerter, welche die nämliche jährliche Temperatur haben, nur um 4° bis 5° verschieden seyn, während zwei Oerter, deren mittlere Temperatur im Winter die nämliche ist, in der geographischen Breite um 9° bis 10° verschieden seyn können; je mehr man gegen Osten vorrückt, desto schneller nehmen diese Unterschiede zu.“ „Die Linien des gleichen Sommers (isotherische Linien), folgen einer ganz entgegengesetzten Richtung, als der, der isochimenischen Kurven. Wir finden die nämliche Sommertemperatur zu Moscau, im Mittelpunkt von Rußland, und gegen die Mündung der Loire, ohngeachtet des Unterschiedes von 11 Breitegraden.“ Anstatt auf der Karte alle diese Systeme der Krümmungen zu ziehen, deren vielfache Durchschlingungen nur Verwirrungen hervorbringen würden, hat man sich begnügt, den isothermischen Linien, nahe an ihren Gipfeln, die mittlere Sommer- und Winter- Temperatur beizufügen. So wird man, indem man der Linie von 10° folgt, in Amerika westlich von Boston angemerkt finden, [Formel] ; in England [Formel] ; in Ungarn [Formel] und in China [Formel] Die vorhergehenden Einzelnheiten haben nur Bezug auf die Vertheilung der Hitze an der Fläche der Erdkugel. Man sieht übrigens ein, daß um unter einem jeden Parallelkreise die mittlere Temperatur z. B. von 0° zu finden, es hinreicht, einen hinlänglich über den Horizont erhabenen Ort auszuwählen. Die Größe der Höhe ändert sich mit der Breite. Die Fläche, welche über die Gipfel aller dieser verticalen Coordinaten gienge, würde man die isothermische Fläche von 0° heißen, und ihr Durchschnitt mit der Erdkugel wäre die correspondirende isothermische Linie. In der Figur 2 sind die Einschnitte, welche ein transatlantischer Meridian in die verschiedenen isothermischen Flächen macht, dargestellt. Die Punkte, wo diese Kurven der Erdkugel begegnen müssen, sind durch die vorhergehenden Untersuchungen bekannt; die Punkte, wo sie vom Aequator ausgehen, ihre Höhen durch andere Breitengrade gründen sich auf die genaue Untersuchung einer großen Menge von Beobachtungen, welche sowohl auf dem Rücken der Cordilleren zwischen dem 10° südlicher und dem 10° nördlicher Breite, als auch in unsern Klimaten, vorgenommen wurden. Herr von Humboldt hat daraus folgende Resultate abgeleitet. Höhe. Aequatorealzone von 0° — 10° Breite. Gemäßigte Zone von 45° — 47° Breite. 0 Meter + 27°, 5 + 12°.0 974 + 21, 8 + 5, 0 1949 + 18, 4 — 0, 2 2923 + 14, 3 — 4, 8 3900 + 7, 0 4872 + 1, 5 In der zweiten Figur verhält sich der Maaßstab der Breiten zu dem der Höhen wie 1 zu 1000. In einem der folgenden Hefte werden wir aus der nämlichen Abhandlung die merkwürdigen Resultate, die sie über die vergleichbaren Temperaturen der Erde und Luft unter verschiedenen Breiten enthält, ausziehen , und die physikalische Erklärung beifügen, welche uns Hr. von Humboldt über das Wiederemporsteigen der isothermischen Linien an den westlichen Küsten der alten und neuen Welt gegeben hat. Aus derselben Abhandlung ist die Tafel genommen, welche der Leser am Ende des Heftes findet. Abbildungen