Über eine Karte von Neuſpanien herausgegeben von Hrn. Arrowsmith, im J. 1810 von Alexander von Humboldt. Ich habe mich vier Jahre lang mit Zuſammenſetzung einer Karte von Mexico beſchäftigt, die zu Paris im September 1809 erſchienen iſt, und zwey Blätter meines großen geographiſchen und phyſiſchen Atlaſſes vom Königreich Neuſpanien ausmacht. Dieſe Karte, von mir zuerſt 1803 in Mexico gezeichnet, iſt in Paris von Aubert dem Vater und Barrière geſtochen worden; ihr Titel iſt: Carte générale du royaume de la Nouvelle-Espagne, dreſſée ſur des obſervations aſtronomiques et ſur l’enſemble des matériaux qui exiſtoient à Mexico au commencement de l’année 1804, par Alexandre de Humboldt. Die aſtronomiſchen Beobachtungen, geodätiſchen Meſſungen, barometriſchen Höhenbeſtimmungen, welche ich während meiner Reiſe in den Aequinoctial-Gegenden der neuen Welt von 1799 bis 1803 gemacht habe, befinden ſich in dem zweyten Theil meines mit Herrn Oltmanns gemeinſchaftlich herausgegebenen Recueil d’obſervations aſtronomiques. Die zahlreichen, im Publicum nicht bekannten Materialien, die den zwanzig im Mexicaniſchen Atlas enthaltenen Karten zu Grundlagen gedient haben, ſind dargelegt und beurtheilt in der Analyſe raiſonnée, die meinem Eſſai politique ſur la nouvelle Espagne (bey Friedr. Schöll, Paris 2 Vol. in 4to) vorausgeht. S. Monatl. Correſpondenz XVIII. S. 116, 164, 201, 313. XIX. 518. XX, 395. XXI, 493. XXIV, 51. XXV. Diese große und mühevolle Arbeit hat Hr. Arrowsmith — ſo unvollkommen ſie dem Verfaſſer auch ſelbſt ſcheint — ſich ganz zugeeignet; er hat meine Carte générale du Mexique getreu copirt, und ſie zu London den 5. Oct. 1810 herausgegeben, ehe noch die engliſche Überſetzung meines Eſſai politique bey Longmann, Hurſt und Orme erſchienen war; er hat dabey ſeinen Namen an die Stelle des meinigen geſetzt. Der Titel heißt: A New Map of Mexico, compiled from original documents, by Arrowſmith. Die Lage der Städte, Dörfer und Bergwerke, die Gränzen der Intendanzen, die Umriſſe der Gebirge, die Anzeige der Höhen in Toiſen, die Anmerkungen über die Wanderungen der Azteken und zur Geſchichte der Schiffahrt, die kleinen bey mehreren Flüſſen angegebenen Pfeile; Alles, ſogar die Richtung der Schraffirung, die im Original mehrmals zu unſicher angegeben iſt, findet ſich in Herrn Arrowsmiths Copie wieder. Ich war genöthigt geweſen, mich hie und da neuer Zeichen zu bedienen, zum Beyſpiel zwey gekreuzter Hämmer, um den Hauptort eines Provinzial-Bergwerks-Raths anzudeuten; indem Herr Arrowsmith meine Bezeichnungsweiſe angenommen hat, hat er auch meine Erklärung davon gegeben, und dieſe hat er abgeſchrieben, ohne ſie zu überſetzen und ohne ein einziges Wort darin zu verändern; auf ſeine engliſche Karte hat er dieſe Erklärung in franzöſiſcher Sprache ſtechen laſſen; doch hat er das Zeichen weggenommen, welches die Orte angibt, an denen ich aſtronomiſche Beobachtungen angeſtellt habe. Sucht man meinen Namen auf der Copie meiner großen Karte, ſo wird man ihn nur auf einem von den drey Ausſchnitten finden, welche ebenfalls ſo viel aus meinem mexicaniſchen Atlas entlehnte Skizzen enthalten. Dieſe kleinen Ausſchnitte enthalten die hydrographiſchen Grundriſſe der Häfen von Veracruz und Acapulco, und die Karte des Thals von Mexico; und nach den Worten Valley of Mexico, iſt hinzugeſetzt: From M. Humboldts Map. Und gerade das, was allein Hr. Arrowsmith ſich nicht zueignen will, gehört auch mir nicht an. Er konnte in meinem mexicaniſchen Atlas und in der geographiſchen Einleitung leſen wie folgt: ”Plan de la Vera Cruz, dreſſé par Don Bernard de Orta, d’après le plan publié par le Depoſito Hidrografico de Madrid; Plan d’Acapulco (inédit), dreſſé par les Officiers embarqués dans les corvettes la Descubierta et l’Atrevida; Carte de la vallée de Mexico (inédite), esquiſſée ſur les lieux en 1804, par Don Luis Martin, rédigée et corrigée en 1807, d’après les opérations trigonométriques de Don Joacquim de Velasquez, et les obſervations aſtronomiques et les méſures barométriques de M. de Humboldt par J. Oltmanns.” Herr Arrowsmith hat meine Karte in vier Blättern herausgegeben, und dabey einen Maaßſtab angenommen, der faſt um den vierten Theil größer iſt als der meinige. Er hat in den benachbarten Ländern einige Längengrade mehr gegeben, und in dem nördl. Theil des californiſchen Buſens, wie auch zwiſchen den Ebenen von Nabajoa und dem See Teguayo eine kleine Anzahl von Namen hinzugefügt. Die einzelnen Angaben für die Gegenden zwiſchen Veracruz, Mexico und Acapulco, ſind aus den Karten Nr. 5 und Nr. 9 meines mexicaniſchen Atlaſſes genommen, von welchen die erſtere von mir ſelbſt gezeichnet, und die letztere auf die trigonometriſchen Arbeiten der H. H. Garcia-Conde und Coſtanzo gegründet worden iſt. Da der Überſetzer die Karte Nr. 2 in meinem Atlas, die von Port St. François bis nach Philadelphia reicht, nicht gekannt hat; ſo fehlt auf ſeiner Karte eine ganze Provinz: Neu-Californien: Er hat ſie im Allgemeinen mit dem Namen Neu-Albion bezeichnet, und hat noch einen Theil der Nordweſtküſte nach Vancouver’s ſchönen Beobachtungen daran geſetzt. Die Halbinſel Californien iſt ohne Rückſicht auf die koſtbaren Nachrichten gezeichnet, welche die Expedition von Malaspina, und der gelehrte Herausgeber des Viage al Estrecho de Fuca verſchafft haben. Einige Veränderungen habe ich gefunden, in der Geſtalt einer Erdzunge neben dem Buſen von Tamiagua, in der kleinen Inſel Socorro, und in der Ausdehnung von Neuſpanien, zwiſchen Acapulco und Vera Cruz. Aber dieſe Ausdehnung paßt weder auf Ferrer’s Beobachtungen, noch auf die meinigen, noch auf Espinoſas Rechnungen, die 1809 zu Madrid in den Memorias de los Navegantes Espannoles bekannt gemacht wurden. Dieſes ſind die einzigen Veränderungen, die ich nach Unterſuchung von drey bis vierhundert Ortsbeſtimmungen im Innern von Mexico habe wahrnehmen können. Man braucht meine Karte nur einige Minuten lang mit der des Hrn. Arrowsmith zu vergleichen, um zu bemerken, daß die eine von der andern genommen iſt. Dabey iſt die Überſetzung, wie bey allen in der Eile gemachten Nachſtichen, incorrect. Man findet darauf — um nur Namen anzuführen, die denen bekannt ſind, die Robertſons claſſiſches Werk geleſen haben — Tezuco ſtatt Tezcuco, die Republik Tlascaca ſtatt Tlascala, Gholula ſtatt Cholula, u. ſ. w. Hier und da (und daran erkennt man eben nicht, daß die Karte aus Original- alſo ſpaniſchen und mexicaniſchen — Quellen zuſammen gebracht iſt) hier und da iſt franzöſiſch und engliſch unter einander gemengt: ſo lieſt man ganz ausgeſchrieben, wie auf meiner Karte, forêts de Tarifa, pont d’Istla, lac de la Trinité. An andern Stellen verſucht Herr A. das Franzöſiſche ins Spaniſche zu überſetzen, und das mit einer ſo merkwürdigen Einfalt, daß er nur einige Vocale ändert. So iſt aus mines de charbon de terre gemacht: minas de charbon de terra. In der Skizze des Thals von Mexico, die eine der großen leeren Stellen der Copie ausfüllt, findet man nicht ohne Erſtaunen das Wort Océan auf der Höhe der Cordilleren ſelbſt. Herr A. hat ſich nicht die Mühe genommen, einen Satz ganz zu überſetzen. Das Original hat: Le plateau de Toluca eſt élevé de 1400 Toiſes au deſſus du niveau de l’ Océan. Da nun das letzte Wort auf meinem Atlas eine Zeile allein bildete, ſo ſcheint es der Stecher für den Namen einer Stadt oder eines Dorfes gehalten zu haben. Ich hatte in meinem Eſſai politique ſur la Nouv. Eſp. Th. I. p. XXVI. da ich mehreren unter Hrn. Arrowsmiths Namen erſchienenen Karten gerechtes Lob ertheilte, beklagt, daß auf ſeiner Chart of the Weſt- Indies and Spanish Dominions in North-America, von welcher Hr. Poirſon die kleine Skizze des Sees Nicaragua (T. IV. Nr. 6) entlehnt hat, die Namen von Mexico bis Vera Cruz wie auf gut Glück hingeworfen ſeyen; daß der Pic v. Orizaba, deſſen Lage vor mir ſchon ſehr gut durch Ferrer und Iſasvirivil beſtimmt worden, auf eine für die Schiffer ſehr gefährliche Weiſe eingetragen, und daß die Breite der Hauptſtadt Mexico um 32 Minuten fehlerhaft ſey. Damals war ich weit entfernt zu glauben, daß Hr. A. einſt meine Arbeit im Ganzen ſich aneignen würde, und ich wünſche recht ſehr, daß er mir nicht Anlaß zu neuen Reclamationen geben möge, wenn ich in Kurzem die Karten vom Orenoco und Caſſiquiare, vom Rio Negro, vom Magdalenenfluß und von der Provinz Jaën de Bracamoros herausgebe, die ich an Ort und Stelle aufgenommen habe. Ich weiß nicht, ob ein Reiſender Urſache hat ſich zu beſchweren, wenn ein Theil ſeiner Arbeit in eine Karte verwebt wird, die einen ganzen Erdtheil darſtellt. Es würde mir nicht aufgefallen ſeyn, wenn Herr A. ohne ſeine Quellen zu nennen, eine Karte von Nord-America herausgegeben, und die vereinigten Staaten nach Hutchin und Ellicot, Louiſiana nach Lafon, Neuſpanien nach meinem mexicaniſchen Atlas, und das Königreich Guatimala nach der 1805 von Espinoſa und Bauza entworfenen Karte, darin aufgenommen hätte; denn ſolches Verſchweigen der Quellen iſt faſt hergebracht unter der großen Zahl von Geographen, die ihre Karten nicht mit kritiſchen Erörterungen begleiten, obgleich ihnen mehrere mit Recht berühmte Gelehrte zum Beyſpiel für ein entgegengeſetztes Benehmen hätten dienen können, wie D’Anville, Dalrymple, Fleurieu, Rennell, und neuerlich d’Arcy de la Rochette mit ſeiner ſchönen Karte von Columbia prima, die Faden herausgegeben hat. Aber dann müſſen die Reclamationen eines Reiſenden für gerecht erkannt werden, wenn man ſchlichte Copien ihrer Arbeiten unter fremden Namen verbreitet. Kurze Zeit darauf, als mir die Karte des Hrn. A. bekannt worden war, erhielt ich aus Philadelphia die Reiſe des Major Pike, der bey ſeiner Expedition nach dem Plata- und Arkanſaw-Fluß, und nach den Bergen nördlich von Neu-Mexico ſo viel edeln Muth gezeigt hat. Dieſer Officier hat eine intereſſante Karte vom weſtlichen Louiſiana geliefert; aber die Karten von Mexico, die unter Herrn Pike’s Namen erſchienen, ſind nur Reductionen meiner großen Karte von Neuſpanien, auf welche der Reiſende ſeinen Weg von Santa Fé über Cohahuila nach Nacochdocher gezeichnet, und eine kleine Anzahl Orte hinzugefügt hat, durch welche er kam, und von welchen einige auf der im Jahr 1804 in dem Staats- Secretariat zu Washington niedergelegten Skizze meiner Karte fehlten. Die Namen ſind auf eine entſtellende Weiſe angegeben: man findet da: la Parconception de Calora, ſtatt: la Puriſſima conception de Catorce; le Volcan d’Ozullo, ſtatt: Jorullo; Panami des Surfurcas, ſtatt: Piramides Sulfureas; le lac de la Trinité (ganz Franzöſiſch ausgeſchrieben) u. ſ. w. Das Zeichen der gekreuzten Hämmer bey den Bergwerken hat Herr Pike für das Zeichen von Feſtungen, fortified Towns, angeſehen. Paris, im Sept. 1811. Alexander v. Humboldt.