Das Klima von Mexico's Haupthafen Veracruz. (Aus F. A. Humboldt's Neuspanien. 4. Bd.) Die Lage von Veracruz hat viele Aehnlichkeit mit der von Panama, von Amerikanisch Cartagena und mit der von Portobelo und Omoa. Die Wälder, welche den östlichen Abhang der Cordillere bedecken, dehnen sich kaum bis an den Pachthof del Encero; hier fängt ein minder dichtes Gehölz an, das sich allmählig, 5 bis 6 Meilen weit von den Seeküsten, verbreitet. Die Umgebungen von Veracruz sind daher abscheulich dürre. Kommt man auf dem Wege von Xalapa an, so findet man bei Antigua nur einige Kokosstämme, welche die Gärten dieses Dorfs zieren; aber dieses sind auch die letzten grössern Bäume, welche man in dieser Wüste findet. Die ausserordentliche Hitze von Veracruz wird überdies noch durch Hügel von Flugsand (Meganos), welche sich durch die Nordwinde bilden und die Stadt auf der Süd- und auf der Südwestseite umgeben, vermehrt. Diese Dünen von konischer Form haben bis auf 45 Fuss Höhe; da sie im Verhältniss ihrer Masse sehr stark erhitzt werden, so behalten sie auch bei Nacht die Temperatur, welche sie am Tage erhielten. Blos durch eine progressive Vermehrung der Hitze kann es geschehn, dass der hundertgradige Thermometer, wenn er im July in den Sand gesteckt wird, auf 48° oder 50° steigt, während er in freier Luft und im Schatten sich auf 30° hält. Die Meganos können daher als eigentliche Oefen angesehen werden, welche die umgebende Luft erhitzen, und sie wirken nicht nur, weil sie den Wärmestoff in jedem Sinn ausströmen, sondern auch, weil sie durch ihre Zusammenstellung die freie Cirkulation der Luft hindern. Aber dieselbe Ursache, die sie geboren hat, zerstört sie auch eben so leicht wieder, und diese Dünen verändern ihre Stelle jedes Jahr, wie man es besonders in dem Theil der Wüste sieht, welcher Meganos de Catalina, Meganos del Coyle und Ventorillos heisst. Unglücklicherweise aber für die noch nicht akklimatisirten Bewohner von Veracruz sind die Sandebnen, welche die Stadt umgeben, statt ganz dürre zu seyn, durch Sumpfboden unterbrochen, in welchem sich das Regenwasser sammelt, welches durch die Dünen filtrirt wird. Diese Behälter von trübem, stehendem Wasser werden von den Herren Comoto, Ximenes, Mocinno und andern einsichtsvollen Aerzten, welche vor mir die Ursachen der Ungesundheit von Veracruz untersucht haben, als eben so viele Bildungspunkte der Ansteckung angesehn. Am Fusse der Dünen findet man nichts, als niedriges Gesträuch, deren Stengel und Blüthen kaum aus dem dürren Sand, welcher sie bedeckt, herausreichen. Ueberall, wo der Sand durch das Lachwasser, welches in der Regenzeit austritt, genetzt wird, wird die Vegetation auch stärker. Die Rhizophora Mangle, die Arumarten und andere Pflanzen, welche einen feuchten, mit Salztheilchen geschwängerten Boden lieben, bilden dichtes Gewächse. Diese niedrigen und sumpfigen Stellen sind um so mehr zu fürchten, da sie nicht immer mit Wasser bedeckt bleiben. Die Schichte von welken Blättern, mit Früchten, Wurzeln, Insektenlarven und andern Resten animalischer Materien vermischt, geräth in Gährung, so wie sie von den Strahlen einer glühenden Sonne erhitzt wird. An einem andern Orte werde ich die Versuche beschreiben, die ich während meines Aufenthalts in Cumana, über die Wirkung der Wurzeln des Mangle-Baumes auf die sie umgebende Luft, so lange sie leicht benetzt sind, angestellt habe. Diese Versuche werden einiges Licht über das merkwürdige, schon längst in beiden Indien beobachtete Phänomen verbreiten, dass von allen Orten, wo der Manzanillo- und Mangle-Baum wachsen, die ungesündesten diejenigen sind, wo die Wurzeln dieser Bäume nicht unaufhörlich mit Wasser bedeckt bleiben. Im Durchschnitt ist die Faulung der vegetabilischen Stoffe in den Tropenländern um so mehr zu fürchten, je beträchtlicher die Menge der adstringirenden Pflanzen ist, und je mehr diese Pflanzen in ihrer Rinde und ihren Wurzeln vielen animalischen Stoff, in Verbindung mit Gerbestoff, enthalten, z. B. Cacao, Vanille &c. Wenn es ausser Zweifel ist, dass in dem, die Stadt Veracruz umgebenden Boden Ursachen der Ungesundheit der Luft vorhanden sind, so kann man auch nicht läugnen, dass sich andere im Umkreise derselben selbst vorfinden. Die Bevölkerung der Stadt selbst, ist für den kleinen Raum, auf welchem sie steht, viel zu gross. 16000 Einwohner sind auf 500,000 #Meters Boden beschränkt; denn Veracruz bildet einen Halbcirkel, dessen Radius nicht 600 Meters hält. Da die meisten Häuser nur einen Stock über dem Erdgeschoss haben, so folgt, dass unter dem niedrigen Volke eine beträchtliche Zahl von Menschen ein Zimmer bewohnen müssen. Die Strassen sind zwar breit, gerade, und die längsten von Nord-Westen nach Süd- Osten gezogen; die kürzesten, oder die Durchschnittstrassen gehen von Süd-Westen nach Nord-Osten. Allein da die Stadt mit einer hohen Mauer umgeben ist, so findet beinah gar keine Cirkulation der Luft Statt. Den regelmässigen Wind (la brise), welcher im Sommer nur schwach von Süd-Osten und von Ost- Süd-Osten weht, fühlt man nur auf den Terrassen der Häuser, und die Einwohner, die vor dem Nordwind des Winters oft nicht durch die Strassen gehen können, athmen in der grossen Hitze blos eine glühende, stillestehende Luft ein. Die Fremden, welche Veracruz besuchen, haben die Unreinlichkeit der Bewohner sehr übertrieben. Auch die Polizei hat seit einiger Zeit Maassregeln getroffen, um die Luft gesund zu erhalten. Veracruz ist bereits minder unreinlich, als viele Städte des südlichen Europa's; aber da die Stadt von Tausenden von Europäern besucht wird, welche noch nicht akklimatisirt sind, da sie unter einem glühenden Himmel liegt und von Sümpfen umgeben ist, deren Ausdünstungen die umgebende Luft verderben, so wird sie die schädlichen Folgen der Epidemien nicht früher vermindert sehen, als bis die Polizei ihre Thätigkeit eine lange Reihe von Jahren fortgesetzt hat. Man bemerkt auf den Küsten von Mexiko eine genaue Verbindung zwischen dem Gang der Krankheiten und den Abwechselungen der Temperatur der Atmosphäre. In Veracruz kennt man nur zwei Iahrszeiten, die Nord-Stürme (los Nortes), vom Herbst- Aequinoktium bis zum Frühlings-Aequinoktium, und die Süd-Ostwinde (Brizas), welche vom März bis in den September ziemlich regelmässig wehen. Der Monat Januar ist der kälteste im ganzen Jahr, weil er von den beiden Epochen am entferntesten ist, in welchen die Sonne durch den Zenith von Veracruz geht. Das Vomito fängt im Durchschnitt nicht früher in dieser Stadt zu wüthen an, als wenn die mittlere Temperatur der Monate 40° erreicht hat. Im December, Januar und Februar steht die Hitze unter dieser Gränze; auch ist es ausserordentlich selten, dass das gelbe Fieber in dieser Jahrszeit, wo man oft eine empfindliche Kälte verspürt, nicht ganz verschwindet. Die starke Hitze beginnt im Monat März, und mit ihr die Plage der Epidemie. Unerachtet der May heisser ist, als der September und October, so richtet das Vomito doch in den letztern Monaten die grössten Verwüstungen an; denn bei allen Epidemien braucht es eine gewisse Zeit, bis sich der Keim derselben in seiner ganzen Kraft entwickelt, und die Regen, welche vom July bis in den September dauern, wirken ohne Zweifel auch auf die Erzeugung der Miasmen, die sich in den Umgebungen von Veracruz bilden. Den Anfang und das Ende der Regenjahrszeit fürchtet man daher auch am meisten in den Tropenländern, weil eine zu grosse Feuchtigkeit das Fortschreiten der Fäulniss von vegetabilischen und animalischen Substanzen, die an Sumpfstellen sich gehäuft haben, beinah eben so aufhält, als eine grosse Dürre. In Veracruz fallen jährlich über 1870 Millimeters Regenwasser, und im Monat July 1803 hat ein genauer Beobachter, der Obrist vom Ingenieurcorps, Herr von Costanzo, über 380 Millimeters gesammelt, also ein Drittheil weniger, als zu London das ganze Jahr hindurch Regen fällt. In der Verdünstung des Regenwassers muss man daher den Grund suchen, warum der Wärmestoff beim zweiten Durchgang der Sonne durch den Zenith von Veracruz nicht stärker in der Luft angehäuft ist, als beim ersten. Die Europäer, welche der Epidemie des Vomito zu unterliegen fürchten, sehen Jahre, wo der Nordwind bis in den März stark weht, und schon vom Monat September an verspürt wird, auch für sehr glücklich an. Um den Einfluss der Temperatur auf die Fortschritte des gelben Fiebers noch weiter zu bekräftigen, habe ich während meines Aufenthalts in Veracruz die Tabellen von mehr wie 21,000 Beobachtungen aufs genaueste untersucht, welche der Hafen-Capitain, Don Bernardo de Orta, in den letzten vierzehn Jahren vor 1803 daselbst gemacht hat. Ich verglich die Thermometer dieses unermüdeten Beobachters mit denen, welche ich während meiner Expedition gebraucht habe. Glücklicherweise sind jedoch die Fälle, wo die Krankheit im Winter sporadisch ist, sehr selten, und eine eigentliche Epidemie entwickelt sich in Veracruz blos, wenn die Sommerhitze fühlbar wird, und das Thermometer häufig über 24° steigt. Denselben Gang des gelben Fiebers bemerkt man auch in den Vereinigten Staaten. Zwar hat Herr Carey die Beobachtung gemacht, dass diejenigen Wochen, in welchen die Temperatur zu Philadelphia am höchsten stand, nicht immer diejenigen waren, wo die Sterblichkeit am stärksten war; allein diese Beobachtung beweiset blos, dass die Wirkungen der Temperatur und der Feuchtigkeit der Atmosphäre auf die Erzeugung der Miasmen und den Zustand der Reizbarkeit der Organe nicht immer augenblicklich sind. Ich bin weit entfernt, einen hohen Grad von Hitze als die eigentliche und wahre Ursache des Vomito anzusehen; aber wer möchte behaupten, dass an Orten, wo dieses Uebel endemisch ist, nicht eine innige Verbindung zwischen dem Zustand der Atmosphäre und dem Gang der Epidemie Statt finde? Es ist unbestreitbar, dass das Vomito in Veracruz nicht ansteckend ist. In den meisten Ländern sieht das Volk Krankheiten, die diesen Charakter nicht haben, doch für ansteckend an; aber in Mexiko verbietet keine Volksmeinung dem nichtakklimatisirten Fremden die Annäherung zum Bette der Vomito-Kranken. Man führt kein Beispiel an, welches wahrscheinlich machen könnte, dass die unmittelbare Berührung, oder der Athem des Sterbenden für nichtakklimatisirte Personen, welche den Kranken warten, gefährlich ist. Auf dem Continent des äquinoktialen Amerika's ist das gelbe Fieber nicht mehr ansteckend, als es die Wechselfieber in Europa sind. Bei Veracruz ist die Pachtung vom Encero, die ich 928 Meters über der Fläche des Oceans gefunden habe, die obere Gränze des Vomito. Bis hieher reichen die Mexikanischen Eichen herab, die nicht mehr in einer Hitze gedeihen können, die zur Entwickelung vom Keim des gelben Fiebers geeignet ist. Leute, in Veracruz geboren und erzogen, sind dieser Krankheit nicht unterworfen. Dies ist auch bei den Bewohnern von Havana, welche ihr Vaterland nicht verlassen, der Fall. Allein Kaufleute, die auf der Insel Cuba geboren sind und lange daselbst lebten, werden zuweilen vom Vomito prieto befallen, wenn ihre Geschäfte sie nöthigen, den Hafen von Veracruz während der Monate August und September zu besuchen, in welchen die Epidemie am stärksten wüthet. So hat man Amerikanische Spanier, die von Veracruz gebürtig waren, auf der Havana, auf Jamaica und in den Vereinigten Staaten an dem Vomito sterben gesehen. Die Weissen und die Mestizen, welche das Innere von Mexico bewohnen, wo die mittlere Temperatur von 16° oder 17° ist, und das Thermometer oft unter den Gefrierpunkt sinkt, werden viel leichter vom Vomito befallen, wenn sie vom Encero in den Plan del Rio und von da nach Antigua und in den Hafen von Veracruz kommen, als die Europäer und die Nordamerikaner, welche zur See anlangen. Letztere, die allmählig in die südlichen Breiten übergehen, gewöhnen sich nach und nach an die grosse Hitze, welche sie bei ihrer Landung finden; die Mexikanischen Spanier hingegen verändern die Luft plötzlich, wenn sie in Zeit von einigen Stunden von der gemässigten in die heisse Zone übergehn. Die Mortalität ist hauptsächlich unter zwei, in ihren Sitten und Lebensweisen sehr verschiedenen Menschenklassen besonders gross, nemlich: unter den Maulthiertreibern (Arrieros), welche beim Herabsteigen mit ihren Saumthieren durch Wege, gleich denen vom Gotthard, ausserordentliche Beschwerlichkeiten erdulden, und den Rekruten, welche die Garnison von Veracruz ergänzen müssen. Man hat in neuern Zeiten alle mögliche Sorgfalt an diese unglücklichen jungen Leute, die auf dem Mexikanischen Plateau, in Guanaxuato, Toluca oder Puebla geboren waren, verwendet, ohne dass es gelungen ist, sie vor dem Einfluss der tödtlichen Miasmen der Küsten bewahren zu können. Man liess sie mehrere Wochen in Xalapa, um sie nach und nach an eine höhere Temperatur zu gewöhnen; liess sie zu Pferde und bei Nacht nach Veracruz herabkommen, damit sie bei ihrem Zug durch die dürren Ebnen von Antigua der Sonne nicht ausgesetzt wären; man gab ihnen in Veracruz sehr luftige Wohnungen; allein man fand nie, dass das gelbe Fieber sie darum weniger schnell und stark befallen hätte, als die übrigen Soldaten, bei denen man diese Vorsicht nicht gebraucht hatte. Vor wenigen Jahren erlebte man, dass durch ein Zusammentreffen ausserordentlicher Umstände von dreihundert Mexikanischen Soldaten in drei Monaten zweihundert und zwei und siebzig, lauter Leute von achtzehn bis fünf und zwanzig Jahren, starben. Die Regierung war daher auch bei meiner Abreise von Mexiko gesonnen, endlich den Plan auszuführen, die Vertheidigung der Stadt und des Castels von S. Juan de Ulua Compagnien von akklimatisirten Negern und farbigen Menschen zu vertrauen. In der Jahrszeit, in welcher das Vomito sehr stark herrscht, reicht der kürzeste Aufenthalt in Veracruz oder der, die Stadt umgebenden Atmosphäre für nichtakklimatisirte Menschen hin, um davon befallen zu werden. Die Einwohner von Mexiko, welche nach Europa reisen wollen, und sich vor den ungesunden Küsten fürchten, halten sich gewöhnlich bis zum letzten Augenblick ihrer Abreise in Xalapa auf; sie begeben sich sodann während der Nachtkühlung auf den Weg, und passiren Veracruz in einer Sänfte, bis sie sich in der Schaluppe, welche sie an dem Molo erwartet, einschiffen. Demungeachtet sind die Vorsichtsmassregeln zuweilen vergeblich, und es geschieht, dass dergleichen Personen unter allen Reisenden dem Vomito, während der ersten Tage der Ueberfahrt, zuerst unterliegen. Man könnte annehmen, dass sie die Krankheit in diesem Fall an Bord des Schiffes, welches in dem Hafen von Veracruz gelegen hat, und tödliche Miasmen enthält, erhalten haben; allein die Schnelligkeit der Ansteckung ist viel unbestreitbarer durch die häufigen Beispiele von wohlhabenden Europäern bewiesen, welche an dem Vomito gestorben sind, unerachtet sie bei ihrer Ankunft am Molo von Veracruz bereits Sänften bestellt vorfanden, um sogleich die Reise ins Innere vorzunehmen. Diese Thatsachen scheinen auf den ersten Blick für das System zu sprechen, dem zufolge das gelbe Fieber unter allen Zonen für ansteckend angesehen wird. Aber wie ist es zu beweisen, dass eine Krankheit sich in grossen Entfernungen mittheilt, während die in Veracruz entschieden durch unmittelbare Berührung nicht kontagiös ist? Nimmt man nicht besser an, dass die Atmosphäre von Veracruz faule Dünste enthält, welche beim kürzesten Einathmen derselben die Lebensfunktionen in Unordnung bringen? Die meisten neuangekommenen Europäer fühlen während ihres Aufenthalts in Veracruz die ersten Symptome des Vomito, das sich durch einen Schmerz in den Lendengegenden, durch die Gelbfärbung des Weissen im Auge und durch Anzeichen von Congestionen gegen den Kopf ankündigt. Bei mehreren Jndividuen erklärt sich die Krankheit erst wenn sie in Xalapa oder auf den Gebirgen in der Region der Pinien und Eichen 1600 bis 1700 Meters über der Meresfläche gekommen sind. Leute, die lange in Xalapa gelebt haben, glauben es den Zügen der Reisenden, welche von den Küsten auf das Plateau im Innern heraufkommen, anzusehn, wenn sie, ohne es selbst zu fühlen, bereits den Keim der Krankheit in sich tragen. Die Niedergeschlagenheit des Geistes und die Furcht vermehren natürlich die Prädisposition der Organe, um die Miasmen aufzunehmen; und diese Ursachen machen den Anfang des gelben Fiebers viel heftiger, wenn man dem unvorsichtigerweise die Gefahr verkündigt, der er ausgesetzt ist. Ich kann in dieser Rücksicht einen um so merkwürdigern Zug anführen, da er zugleich das Phlegma und die Gleichgültigkeit der Eingebornen von der kupferfarbigen Race schildert. Ein Mann, mit dem ich während meines Aufenthalts in Mexiko in genauer Bekanntschaft stand, war auf seiner ersten Reise von Europa nach Amerika nur sehr kurze Zeit in Veracruz geblieben, und kam in Xalapa an, ohne etwas zu spüren, das ihn über die Gefahr, die auf ihn wartete, belehrt hätte. "Sie kriegen das Vomito heut' Abend;" sagte ein Indianischer Barbier, indem er ihn einseifte, zu ihm; "die Seife trocknet, wie ich sie auflege. Dieses ist ein sicheres Zeichen; denn schon zwanzig Jahre rassire ich alle Chapetons, die durch unsere Stadt nach Mexiko gehen. Von fünfen sterben immer drei." Dieses Todesurtheil machte natürlich einen starken Eindruck auf den Reisenden. Er mochte dem Indianer vorstellen, wie er wollte, dass seine Rechnung übertrieben sei, und dass eine erhitzte Haut keine Infektion beweise; der Barbier blieb bei seiner Behauptung. Und wirklich äusserte sich die Krankheit wenige Stunden nachher, und der Reisende, welcher sich schon auf dem Weg nach Perote befand, musste sich nach Xalapa zurückbringen lassen, wo er beinahe der Heftigkeit des Vomito unterlag. Anm. d. Vf. Beispiele von Individuen, die in den ersten 30 bis 40 Stunden nach dem Anfall des Vomito sterben, sind unter der heissen Zone viel seltener, als unter der gemässigten. In Spanien hat man Kranke in sieben Stunden gesund und todt gesehen. In diesem Fall zeigt sich die Krankheit in ihrer ganzen Einfachheit, und scheint blos auf das Nervensystem zu wirken. Dem Reiz dieses Systems folgt ein gänzlicher Umsturz der Kräfte; das Lebensprincip erlischt mit furchtbarer Schnelligkeit; die Gallenkomplikationen können sich alsdann nicht äussern, und der Kranke stirbt an heftigen Blutergüssen, aber ohne dass sich seine Haut gelb färbt, und ohne dass er jene Materien erbricht, welche man schwarze Galle nennt. Im Durchschnitt dauert das gelbe Fieber in Veracruz über 6 bis 7 Tage, und diese Zeit reicht für den Reiz des Verdauungssystems hin, um, so zu sagen, den wahren Charakter des adynamischen Fiebers zu maskieren. Eine Menge von Mexikanischen Maulthiertreibern, von Matrosen und jungen Leuten (Polizones), welche sich in den Häfen Spaniens einschifften, um ihr Glück in Mexiko zu suchen, starben im Dorf Antigua, auf dem Pachthof vom Muerto, in der Rinconada, in Cerro Gordo und selbst in Xalapa, wenn der Anfall der Krankheit zu schnell war, um sie noch in die Hospitäler von Veracruz transportiren zu können, oder wenn sie erst bei dem Hinaufreisen an den Cordilleren von derselben ergriffen wurden. Die Mortalität ist aber alsdann ganz besonders gross, wenn in den Sommermonaten auf einmal mehrere Kriegsschiffe und eine gute Anzahl Kauffahrer in dem Hafen ankommen. Es giebt Jahre, wo die Zahl der Todten innerhalb der Stadt und in ihren Umgebungen auf 1800 bis 2000 steigt. Dieser Verlust ist um so niederschlagender, da er eine Klasse von arbeitsamen Menschen von kräftiger Constitution und beinah alle in der Blüthe ihres Alters trifft. Aus den traurigen Erfahrungen, welche das grosse Hospital der Religiosen von San Juan de Dios in den letzten 15 Jahren zeigt, ergiebt sich, dass die Mortalität überall, wo die Kranken auf einem kleinen Raum vereinigt sind und nicht sorgfältig behandelt werden, in grossen Epidemien auf 30 bis 35 von 100 steigt; da sie hingegen da, wo man alle Hülfe anwendet, und der Arzt seine Behandlung nach den verschiedenen Formen, welche die Krankheit in dieser oder jener Jahrszeit annimmt, einrichten kann, nicht über 12 bis 15 von 100 geht. Einsichtsvolle Männer haben schon daran gedacht, den Hafen Veracruz während der heissen Monate zu schliessen und die Schiffe nur im Winter einlaufen zu lassen, wo die Europäer beinah nichts in demselben vom gelben Fieber zu fürchten haben. Diese Massregel scheint sehr weise, wenn man nur die Gefahr berücksichtigt, welche die schon im Hafen angekommenen Seeleute zu laufen haben; allein man darf auch nicht vergessen, dass diese Nordwinde, welche die Atmosphäre abkühlen, und den Keim der Infektion ersticken, die Schiffahrt im Golf von Mexiko sehr gefährlich machen. Würden alle Schiffe, welche jährlich in den Hafen von Veracruz einlaufen, im Winter ankommen, so dürften die Schiffbrüche, sowohl auf den Amerikanischen, als auf den Europäischen Küsten, äusserst häufig werden. Aus diesen Betrachtungen ergiebt es sich also, dass, bevor man zu so ungewöhnlichen Maassregeln schreitet, erst alle andere Mittel versucht werden müssen, die Ungesundheit einer Stadt zu vermindern, deren Erhaltung nicht nur mit dem individuellen Glück ihrer Bewohner, sondern auch mit dem allgemeinen Wohl von Neuspanien zusammenhängt.