In Humboldt’s pittoresken Ansichten der Kordilleren liest man (2. Heft S. 67 ff.) folgendes: Die Andes-Kordillera theilt sich bald in verschiedene Zweige, die durch, der Länge nach sich erstreckende Thäler von einander getrennt sind, bald bildet sie nur eine einzige Masse, welche in vulkaniſche Spizzen ausgezackt ist. Bei unserer früher gegebenen Beschreibung des Uebergangs über den Quindiu versuchten wir einen geologischen Abriß der Verzweigung der Kordilleren im Königreich Neu-Granada, zwischen dem 2° 30′ und dem 5° 15′ der Nordbreite, zu entwerfen. Auch haben wir zugleich bemerkt, wie die großen Thäler zwischen den beiden Seitenästen und der Zentralkette, Basins zweier beträchtlichen Flüsse sind, deren Grund noch niedriger über dem Meeresspiegel steht, als das Bette der Rhone, wo ihr Wasser das Thal von Sive in den Oberalpen ausgegraben hat. Reist man von Popayan südwärts, so sieht man auf dem dürren Plateau der Provinz de los Pastos die drei Ketten-Glieder der Anden in eine Gruppe zusammentreffen, welche sich weit jenseits des Aequators erstreckt. Die im Königreich Quito gelegene Gruppe stellt von dem Flusse Chota an, der sich durch Basaltgebirge hinwindet, bis zum Paramo vom Assuay, auf welchem sich die merkwürdigen Reste peruanischer Baukunst erheben, eine ganz eigene Ansicht dar. Die höchsten Gipfel stehen in zwei Reihen, die einen doppelten Kamm der Kordillera bilden . Die mit Bimsstein bedeckte Ebene ist ein Theil des Plateaus, das den westlichen Kamm von dem östlichen der Anden von Quito scheidet. Diese kolossalen, mit ewigem Schnee bedeckten, Bergspizzen haben den Operazionen der französischen Akademiker, bei ihrer Messung des Aequatorialgrads, zu Signalen gedient. Ihre symmetrische Stellung auf zwei, von Norden nach Süden laufenden, Linien verführte Bouguer ’n, sie als zwei, durch ein, der Länge nach laufendes Thal getrennte Ketten-Glieder anzusehn. Allein, was dieser berühmte Astronom den Grund eines Thals nennt, ist der Rücken der Anden selbst, und ein Plateau, dessen absolute Höhe zweitausend siebenhundert bis zweitausend neunhundert Meter beträgt. Es ist von Wichtigkeit, einen solchen doppelten Gebirgskamm nicht, mit einer wirklichen Verzweigung der Kordilleren zu verwechseln. Betrachtet man den Rücken der Kordilleren als eine ungeheuere, von fernen Gebirgsmassen begrenzte Ebene, so gewöhnt man sich, die Ungleichheiten des Kammes der Anden als eben so viele isolirte Spizzen anzusehn. Der Pichincha, der Kayambe, der Kotopaxi, und alle diese vulkanischen Piks, welche mit eigenen Namen bezeichnet sind, unerachtet sie bis über die Hälfte ihrer ganzen Höhe nur eine Masse ausmachen, scheinen in den Augen der Bewohner von Quito eben so viele einzelne Berge, die sich mitten auf einer waldlosen Ebene erheben, und diese Täuschung wird um so vollständiger, da die Einschnitte des doppelten Kamms der Kordilleren bis zur Fläche der hohen bewohnten Ebenen hinabreichen. Die Anden stellen sich daher auch nur in großer Entfernung, wie von der Küste des großen Ozeans, oder von den Steppen, welche sich an ihrem östlichen Abhange hinstrecken, als eine völlige Kette dar. Steht man hingegen auf dem Rücken der Kordilleren selbst, entweder im Königreich Quito, oder in der Provinz de los Pastos, oder noch nördlicher, im Innern von Neuspanien, so sieht man blos einen Haufen einzelner Berggipfel, und Gruppen isolirter Gebirge, welche sich von dem Zentral-Plateau los machen; denn je größer die Masse der Kordilleren ist, um so schwerer findet man es, ihren Bau und ihre Form im Ganzen aufzufassen. Und dennoch wird das Studium dieser Form und dieser Gebirgsphysiognomik, durch die Richtung der hohen Ebenen, welche den Rücken der Anden bilden, wunderbarlich erleichtert. Reist man von der Stadt Quito nach dem Paramo Assuay, so sieht man auf einer Länge von sieben und dreißig Meilen nacheinander westwärts die Spizzen des Casitagua, Pichincha, Atacazo, Corazon, Iliniza, Carguairazo, Chimborazo und Cunambay, und gegen Osten die Gipfel des Guamani, Antisana, Passuchoa, Rumminavi, Kotopaxi, Quelendanna, Tungurahna und Gapac-Urcu erscheinen, welche sämmtlich mit Ausnahme von dreien oder vieren erhabner sind, als der Mont-Blanc. Diese Gebirge stehen auf eine Weise da, daß sie, vom Zentral-Plateau aus betrachtet, statt sich gegenseitig zu bedecken, vielmehr in ihrer wahren Gestalt, wie auf das azurne Himmelsgewölbe gemalt, sich darstellen. Man glaubt auf einem und demselben vertikalen Plan ihren ganzen Umriß zu sehen; sie erinnern an den imposanten Anblick der Küsten von Neu- Norfolk und des Cook-Flusses, und gleichen einem schroffen Uferland, das sich aus dem Meere hebt, und um so näher scheint, da kein Gegenstand zwischen ihm und dem Auge des Beobachters steht. Wie sehr indeß der Ban der Kordilleren und die Form des Zentral- Plateaus die geologischen Beobachtungen begünstigen, und wie leicht sie es dem Reisenden machen, die Umrisse des doppelten Kamms der Anden in der Nähe zu untersuchen, so verkleinert die ungeheuere Höhe dieses Plateaus dafür auch die Gipfel, welche auf Inselchen in den weiten Raum der Meere gestellt, wie der Mowna-Roa und der Pic von Teneriffa, durch ihre furchtbare Höhe Staunen erregen würden. Die Ebene von Tapia hat eine absolute Höhe von 2191 Meter (1483 Toisen), ist also nur ein Sechszehntheil niedriger als des Aetna. Der Gipfel des Chimborazo reicht somit blos 3640 Meter über die Höhe dieses Plateaus weg, und demnach 84 Meter weniger als die Spizze des Montblancs über die Priorei von Chamouni; denn die Verschiedenheit des Chimborazo und des Montblancs verhält sich ungefähr wie die der Höhe des Plateaus von Tapia und des Grundes vom Chamouni-Thale. Auch der Gipfel des Pics von Teneriffa ist, gegen die Lage der Stadt Orotava verglichen, höher, als der Chimborazo und der Montblanc über Riobamba und Chamouni. Gebirge, welche uns durch ihre Höhe in Erstaunen sezzen würden, wenn sie am Meeresufer stünden, scheinen auf den Rücken der Kordilleren gestellt, bloße Hügel. Neben allen Wirkungen dieser Täuschung, welche durch die Höhe der Plateaus von Quito, von Mulalo und von Riobamba verursacht wird, würde man den- noch auf den Küsten oder auf dem östlichen Abhange des Chimborazo vergebens eine Stelle suchen, welche eine so prächtige Ansicht der Kordillera gestattete, als man sie von der Ebene von Tapia aus genießt. Steht man auf dem Rücken der Anden, zwischen dem doppelten Kamm, den die kolossalen Spizzen des Chimborazo, der Tungurahua und des Kotopaxi bilden, so ist man ihren Gipfeln immer noch nahe genug, um sie unter sehr ansehnlichen Höhenwinkeln zu sehen. Steigt man aber gegen die Wälder herab, welche den Fuß der Kordilleren einschließen, so werden diese Winkel sehr klein; denn wegen der ungeheuern Masse der Gebirge entfernt man sich, je mehr man sich der Meeresfläche nähert, sehr schnell von den Gipfeln. Die Linie, welche die untere Grenze des ewigen Schnees bezeichnet, ist auf dem Chimborazo und Carguairazo immer noch etwas höher, als der Montblanc; denn dieser Berg würde unter dem Aequator blos zuweilen mit Schnee bedeckt werden. Die sich gleichbleibende Temperatur dieser Zone macht, daß die Grenze des ewigen Eises nicht so unregelmäßig ist, wie in den Alpen und in den Pyrenäen. Auf dem nördlichen Abhange des Chimborazo zieht sich der Weg hin, welcher von Quito nach Guayaquil, gegen die Küsten des stillen Meeres führt. Die mit Schnee bedeckten Auswüchse, welche sich auf dieser Seite erheben, erinnern durch ihre Form an die des Dome du Gouté, vom Chamonni-Thal aus betrachtet . Auf einer schmalen Gräte, welche sich auf der Südseite aus dem Schnee erhebt, versuchten die Herrn v. Humboldt, Bonpland und Montufar die Spizze des Chimborazo zu erreichen. Troz des dicken Nebels und der Schwierigkeit, in der dünnen Luft Athem zu holen, brachten sie doch Instrumente auf eine beträchtliche Höhe. Der Punkt, wo sie stille hielten, um die Inklinazion der Magnetnadel zu beobachten, scheint viel höher, als alle andere, welche je von Menschen auf Gebirgshöhen erreicht worden sind, und liegt 1100 Meter erhabener, als die Spizze des Montblanc, auf der es Saussure, nach Besiegung viel größerer Schwierigkeiten als Besteigung, vorzudringen gelungen ist. Die Anden haben, was ihre Gipfel betrifft, drei verschiedene Arten von Hauptformen. Die noch thätigen Vulkane, welche nur einen einzigen, außerordentlich weiten Krater haben, sind konische Gebirge, mit mehr oder weniger abgestumpfter Spizze, wie der Kotopaxi, der Popocatepec und der Pic von Orizaba. Andere Vulkane, deren Gipfel sich nach einer Menge Erupzionen gesenkt hat, stellen zackigte Kämme, schiefe Spizzen, und zerbrochene, Einsturz drohende Felsen dar. Von der Art sind z. B. der Altar, oder der Kapac-Urcu, ein Gebirg, das einst höher war, als der Chimborazo, und dessen Zerstörung eine, in der Naturgeschichte des neuen Kontinents merkwürdige Epoche bezeichnet; und der Carguairazo, welcher großentheils in der Nacht vom 19. Juli 1698 zusammenstürzte. Wasserströme und Thonauswürfe brachen dazumal aus den geöffneten Seiten des Berges hervor, und machten die ihn umgebenden Gefilde unfruchtbar. Diese schreckliche Katastrophe war überdies von einem Erdbeben begleitet, das Tausende von Einwohnern in den nahen Städten, Hambato und Llactacunga, verschlang. Die dritte und die majestätischste Form der hohen Anden-Gipfel ist die des Chimborazo, dessen Spizze abgerundet ist. Sie erinnert an die kraterlosen Auswüchse, die die elastische Kraft der Dünste in Gegenden auftreibt, wo die grottenreiche Rinde des Globus durch unterirdische Feuer unterminirt ist. Die Ansicht von Granit-Gebirgen hat nur eine schwache Aehnlichkeit mit der des Chimborazo. Die Granit- Cipfel sind abgeplattete Halbkugeln, und die Trapp- Porphyre bilden die hochaufstrebenden Kuppeln. So sieht man an den Küsten der Südsee, wenn die Luft nach den langen Winterregen plözlich sehr durchsichtig geworden ist, den Chimborazo, wie eine Wolke, am Himmel erscheinen. Er hat sich völlig von den, ihm benachbarten, Spizzen losgemacht, und erhebt sich über die ganze Andes-Kette.