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Alexander von Humboldt: „[Über die Anden-Kordillera]“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1810-Pittoreske_Ansichten_in-12> [abgerufen am 19.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1810-Pittoreske_Ansichten_in-12
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Titel [Über die Anden-Kordillera]
Jahr 1820
Ort Frankfurt am Main
Nachweis
in: Mineralogisches Taschenbuch für das Jahr 1820 14:1 (1820), S. 277–284.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kapitälchen; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.3
Dateiname: 1810-Pittoreske_Ansichten_in-12
Statistiken
Seitenanzahl: 8
Zeichenanzahl: 10157

Weitere Fassungen
Pittoreske Ansichten in den Cordilleren (Stuttgart; Tübingen, 1810, Deutsch)
Alexander von Humboldts Ansichten über Amerika, und dessen eingeborne Völkerstämme (Stuttgart; Tübingen, 1814, Deutsch)
Über Amerika und dessen eingeborne Völkerstämme (Wien, 1814, Deutsch)
View of America and its native tribes (London, 1814, Englisch)
Researches Concerning the Institutions and Monuments of the Ancient Inhabitants of America; with descriptions and views of some of the most striking scenes in the Cordilleras (London, 1815, Englisch)
Travels in South America (Ipswich, 1815, Englisch)
Ueber die Lage, Form u. s. w. des Kotopaxi, dieses kolossalen Feuerberges (Frankfurt am Main, 1817, Deutsch)
Natuurlijke brug over den Icononzo, een dal in het cordillerisch gebergte (Amsterdam, 1818, Niederländisch)
Gang der Völkercultur der neuen Welt, verglichen mit jenem europäischer Natur, Kunst und Sitte (Brünn, 1819, Deutsch)
The works of god displayed (London, 1820, Englisch)
Cotopaxi (London, 1820, Englisch)
[Über die Anden-Kordillera] (Frankfurt am Main, 1820, Deutsch)
Description of the volcano at Cotopaxi (Chillicothe, Ohio, 1821, Englisch)
Description of the volcano at Cotopaxi (Cincinnati, Ohio, 1821, Englisch)
Cotopaxi (Hartford, Connecticut, 1822, Englisch)
[Researches Concerning the Institutions and Monuments of the Ancient Inhabitants of America; with descriptions and views of some of the most striking scenes in the Cordilleras] (Boston, Massachusetts, 1822, Englisch)
Ancient mexican cities and pyramids (Shrewsbury, 1823, Englisch)
Chimborazo and Cotopaxi (London, 1823, Englisch)
Remarks on the Union of the Atlantic and Pacific Oceans, by a Canal across the Isthmus of Darien or Panama (Montreal, 1824, Englisch)
The works of God displayed in the history of Cotopaxi a mountain in South America (New York City, New York, 1825, Englisch)
Cotopaxi (Black Rock, New York, 1825, Englisch)
[Pittoreske Ansichten in den Cordilleren] (London, 1827, Englisch)
Extrait de l’ouvrage de M. de Humboldt sur les monumens de l’Amérique (London, 1831, Französisch)
Traditions du nouveau monde, en conformité avec nos croyances (Paris, 1832, Französisch)
Calendrier mexicain (Paris, 1833, Französisch)
Cargueroes, or Man-Carriers of Quindiu (Edinburgh, 1836, Englisch)
Extrait des Vues des Cordillières et monuments des peuples indigènes de l’Amérique (Paris, 1836, Französisch)
Cargueroes, or man-carriers of Quindiu (New York City, New York; Boston, Massachusetts; Cincinnati, Ohio, 1837, Englisch)
Humboldt on the Heads of the American Indians (Edinburgh; London; Glasgow; New York City, New York, 1843, Englisch)
Cotopaxi (Philadelphia, Pennsylvania; Boston, Massachusetts; New York City, New York, 1851, Englisch)
Extinct Species (Wells, 1852, Englisch)
Extinct Species (Sligo, 1852, Englisch)
Extinct Species (Belfast, 1852, Englisch)
Extinct Species (Armagh, 1852, Englisch)
The Volcano of Cotopaxi (Hertford, 1853, Englisch)
The Volcano of Cotopaxi (Wells, 1853, Englisch)
Antediluvian America (Hertford, 1853, Englisch)
Antediluvian America (Wells, 1853, Englisch)
Mexique (Paris, 1853, Französisch)
Cotopaxi (Hartford, Connecticut, 1856, Englisch)
Visita del Chimborazo, desde la mesa de Tapia (Panama City, 1858, Spanisch)
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In Humboldt’s pittoresken Ansichten der Kordilleren liest man (2. Heft S. 67 ff.) folgendes: Die Andes-Kordillera theilt sich bald in verschie-dene Zweige, die durch, der Länge nach sich er-streckende Thäler von einander getrennt sind, baldbildet sie nur eine einzige Masse, welche in vulka-niſche Spizzen ausgezackt ist. Bei unserer früher ge-gebenen Beschreibung des Uebergangs über den Quin-diu versuchten wir einen geologischen Abriß der Ver-zweigung der Kordilleren im Königreich Neu-Granada,zwischen dem 2° 30′ und dem 5° 15′ der Nordbrei-te, zu entwerfen. Auch haben wir zugleich bemerkt,wie die großen Thäler zwischen den beiden Seitenästenund der Zentralkette, Basins zweier beträchtlichenFlüsse sind, deren Grund noch niedriger über demMeeresspiegel steht, als das Bette der Rhone, wo ihrWasser das Thal von Sive in den Oberalpen ausgegra-ben hat. Reist man von Popayan südwärts, so sieht |278| man auf dem dürren Plateau der Provinz de los Pastosdie drei Ketten-Glieder der Anden in eine Gruppe zu-sammentreffen, welche sich weit jenseits des Aequatorserstreckt. Die im Königreich Quito gelegene Gruppe stelltvon dem Flusse Chota an, der sich durch Basaltgebirgehinwindet, bis zum Paramo vom Assuay, auf welchemsich die merkwürdigen Reste peruanischer Baukunst er-heben, eine ganz eigene Ansicht dar. Die höchstenGipfel stehen in zwei Reihen, die einen doppelten Kammder Kordillera bilden *). Die mit Bimsstein bedeckteEbene ist ein Theil des Plateaus, das den westlichenKamm von dem östlichen der Anden von Quito schei-det. Betrachtet man den Rücken der Kordilleren als ei-
*) Diese kolossalen, mit ewigem Schnee bedeckten, Berg-spizzen haben den Operazionen der französischen Aka-demiker, bei ihrer Messung des Aequatorialgrads, zuSignalen gedient. Ihre symmetrische Stellung auf zwei,von Norden nach Süden laufenden, Linien verführte Bouguer ’n, sie als zwei, durch ein, der Länge nachlaufendes Thal getrennte Ketten-Glieder anzusehn.Allein, was dieser berühmte Astronom den Grund einesThals nennt, ist der Rücken der Anden selbst, undein Plateau, dessen absolute Höhe zweitausend sieben-hundert bis zweitausend neunhundert Meter beträgt. Esist von Wichtigkeit, einen solchen doppelten Gebirgs-kamm nicht, mit einer wirklichen Verzweigung der Kor-dilleren zu verwechseln.
|279|ne ungeheuere, von fernen Gebirgsmassen begrenzteEbene, so gewöhnt man sich, die Ungleichheiten desKammes der Anden als eben so viele isolirte Spizzenanzusehn. Der Pichincha, der Kayambe, der Koto-paxi, und alle diese vulkanischen Piks, welche miteigenen Namen bezeichnet sind, unerachtet sie bis überdie Hälfte ihrer ganzen Höhe nur eine Masse ausmachen,scheinen in den Augen der Bewohner von Quito ebenso viele einzelne Berge, die sich mitten auf einer wald-losen Ebene erheben, und diese Täuschung wird umso vollständiger, da die Einschnitte des doppelten Kammsder Kordilleren bis zur Fläche der hohen bewohntenEbenen hinabreichen. Die Anden stellen sich daherauch nur in großer Entfernung, wie von der Küstedes großen Ozeans, oder von den Steppen, welchesich an ihrem östlichen Abhange hinstrecken, als einevöllige Kette dar. Steht man hingegen auf dem Rüc-ken der Kordilleren selbst, entweder im KönigreichQuito, oder in der Provinz de los Pastos, oder nochnördlicher, im Innern von Neuspanien, so sieht manblos einen Haufen einzelner Berggipfel, und Gruppenisolirter Gebirge, welche sich von dem Zentral-Plateaulos machen; denn je größer die Masse der Kordillerenist, um so schwerer findet man es, ihren Bau und ih-re Form im Ganzen aufzufassen. Und dennoch wirddas Studium dieser Form und dieser Gebirgsphysiogno-mik, durch die Richtung der hohen Ebenen, welche |280|den Rücken der Anden bilden, wunderbarlich erleich-tert. Reist man von der Stadt Quito nach dem Para-mo Assuay, so sieht man auf einer Länge von siebenund dreißig Meilen nacheinander westwärts die Spizzendes Casitagua, Pichincha, Atacazo, Corazon, Iliniza,Carguairazo, Chimborazo und Cunambay, und gegenOsten die Gipfel des Guamani, Antisana, Passuchoa,Rumminavi, Kotopaxi, Quelendanna, Tungurahna undGapac-Urcu erscheinen, welche sämmtlich mit Aus-nahme von dreien oder vieren erhabner sind, als derMont-Blanc. Diese Gebirge stehen auf eine Weise da,daß sie, vom Zentral-Plateau aus betrachtet, statt sichgegenseitig zu bedecken, vielmehr in ihrer wahren Ge-stalt, wie auf das azurne Himmelsgewölbe gemalt, sichdarstellen. Man glaubt auf einem und demselben ver-tikalen Plan ihren ganzen Umriß zu sehen; sie erin-nern an den imposanten Anblick der Küsten von Neu-Norfolk und des Cook-Flusses, und gleichen einemschroffen Uferland, das sich aus dem Meere hebt, undum so näher scheint, da kein Gegenstand zwischen ihmund dem Auge des Beobachters steht. Wie sehr indeßder Ban der Kordilleren und die Form des Zentral-Plateaus die geologischen Beobachtungen begünstigen,und wie leicht sie es dem Reisenden machen, die Um-risse des doppelten Kamms der Anden in der Nähe zuuntersuchen, so verkleinert die ungeheuere Höhe diesesPlateaus dafür auch die Gipfel, welche auf Inselchen |281|in den weiten Raum der Meere gestellt, wie der Mow-na-Roa und der Pic von Teneriffa, durch ihre furcht-bare Höhe Staunen erregen würden. Die Ebene vonTapia hat eine absolute Höhe von 2191 Meter (1483Toisen), ist also nur ein Sechszehntheil niedriger alsdes Aetna. Der Gipfel des Chimborazo reicht somitblos 3640 Meter über die Höhe dieses Plateaus weg,und demnach 84 Meter weniger als die Spizze desMontblancs über die Priorei von Chamouni; denn dieVerschiedenheit des Chimborazo und des Montblancsverhält sich ungefähr wie die der Höhe des Plateausvon Tapia und des Grundes vom Chamouni-Thale.Auch der Gipfel des Pics von Teneriffa ist, gegen dieLage der Stadt Orotava verglichen, höher, als derChimborazo und der Montblanc über Riobamba undChamouni. Gebirge, welche uns durch ihre Höhe inErstaunen sezzen würden, wenn sie am Meeresuferstünden, scheinen auf den Rücken der Kordilleren ge-stellt, bloße Hügel.
Neben allen Wirkungen dieser Täuschung, welchedurch die Höhe der Plateaus von Quito, von Mulalound von Riobamba verursacht wird, würde man den-noch auf den Küsten oder auf dem östlichen Abhangedes Chimborazo vergebens eine Stelle suchen, welcheeine so prächtige Ansicht der Kordillera gestattete, alsman sie von der Ebene von Tapia aus genießt. Stehtman auf dem Rücken der Anden, zwischen dem dop- |282| pelten Kamm, den die kolossalen Spizzen des Chimbo-razo, der Tungurahua und des Kotopaxi bilden, soist man ihren Gipfeln immer noch nahe genug, umsie unter sehr ansehnlichen Höhenwinkeln zu sehen.Steigt man aber gegen die Wälder herab, welche denFuß der Kordilleren einschließen, so werden dieseWinkel sehr klein; denn wegen der ungeheuern Masseder Gebirge entfernt man sich, je mehr man sich derMeeresfläche nähert, sehr schnell von den Gipfeln. Die Linie, welche die untere Grenze des ewigenSchnees bezeichnet, ist auf dem Chimborazo und Car-guairazo immer noch etwas höher, als der Montblanc;denn dieser Berg würde unter dem Aequator blos zu-weilen mit Schnee bedeckt werden. Die sich gleich-bleibende Temperatur dieser Zone macht, daß dieGrenze des ewigen Eises nicht so unregelmäßig ist,wie in den Alpen und in den Pyrenäen. Auf demnördlichen Abhange des Chimborazo zieht sich derWeg hin, welcher von Quito nach Guayaquil, gegendie Küsten des stillen Meeres führt. Die mit Schneebedeckten Auswüchse, welche sich auf dieser Seiteerheben, erinnern durch ihre Form an die des Domedu Gouté, vom Chamonni-Thal aus betrachtet *).
*) Auf einer schmalen Gräte, welche sich auf der Südseiteaus dem Schnee erhebt, versuchten die Herrn v. Hum-boldt, Bonpland und Montufar die Spizze des Chim-borazo zu erreichen. Troz des dicken Nebels und der
|283| Die Anden haben, was ihre Gipfel betrifft, dreiverschiedene Arten von Hauptformen. Die noch thä-tigen Vulkane, welche nur einen einzigen, außeror-dentlich weiten Krater haben, sind konische Gebirge,mit mehr oder weniger abgestumpfter Spizze, wie derKotopaxi, der Popocatepec und der Pic von Orizaba.Andere Vulkane, deren Gipfel sich nach einer MengeErupzionen gesenkt hat, stellen zackigte Kämme, schie-fe Spizzen, und zerbrochene, Einsturz drohende Fel-sen dar. Von der Art sind z. B. der Altar, oder derKapac-Urcu, ein Gebirg, das einst höher war, alsder Chimborazo, und dessen Zerstörung eine, in derNaturgeschichte des neuen Kontinents merkwürdigeEpoche bezeichnet; und der Carguairazo, welchergroßentheils in der Nacht vom 19. Juli 1698 zusam-menstürzte. Wasserströme und Thonauswürfe brachendazumal aus den geöffneten Seiten des Berges hervor,und machten die ihn umgebenden Gefilde unfruchtbar.Diese schreckliche Katastrophe war überdies von ei-
Schwierigkeit, in der dünnen Luft Athem zu holen,brachten sie doch Instrumente auf eine beträchtlicheHöhe. Der Punkt, wo sie stille hielten, um die Inkli-nazion der Magnetnadel zu beobachten, scheint viel hö-her, als alle andere, welche je von Menschen auf Ge-birgshöhen erreicht worden sind, und liegt 1100 Metererhabener, als die Spizze des Montblanc, auf der es Saussure, nach Besiegung viel größerer Schwierigkeitenals Besteigung, vorzudringen gelungen ist.
|284|nem Erdbeben begleitet, das Tausende von Einwohnern inden nahen Städten, Hambato und Llactacunga, verschlang.
Die dritte und die majestätischste Form der ho-hen Anden-Gipfel ist die des Chimborazo, dessen Spiz-ze abgerundet ist. Sie erinnert an die kraterlosen Aus-wüchse, die die elastische Kraft der Dünste in Gegen-den auftreibt, wo die grottenreiche Rinde des Globusdurch unterirdische Feuer unterminirt ist. Die An-sicht von Granit-Gebirgen hat nur eine schwacheAehnlichkeit mit der des Chimborazo. Die Granit-Cipfel sind abgeplattete Halbkugeln, und die Trapp-Porphyre bilden die hochaufstrebenden Kuppeln. Sosieht man an den Küsten der Südsee, wenn die Luftnach den langen Winterregen plözlich sehr durchsich-tig geworden ist, den Chimborazo, wie eine Wolke,am Himmel erscheinen. Er hat sich völlig von den,ihm benachbarten, Spizzen losgemacht, und erhebtsich über die ganze Andes-Kette.