Pittoreske Ansichten in den Cordilleren. (Aus Hrn. v. Humboldts historischer Beschreibung seiner Reise.) Natürliche Brücken über den Icononzo. Unter den mannigfaltigen majestätischen Scenen, welchen man in den Cordilleren begegnet, ergreifen die Thäler die Einbildungskraft des europäischen Reisenden am meisten. Nur aus einer sehr ansehnlichen Entfernung und von den Ebenen aus, die sich von den Küsten bis zum Fuße der Centralkette erstrecken, kann das Auge die ungeheure Höhe dieser Gebirge ganz ermessen. Die Plateaus, welche von ihren mit ewigem Schnee bedeckten Gipfeln eingefaßt werden, liegen größtentheils 2500 bis 3000 Meter über der Meeresfläche. Dieser Umstand schwächt den Eindruck von Größe, welchen die kolossalen Massen des Chimborazo, des Cotopaxi und Antisana, von den Plateau's von Riobamba und Quito aus betrachtet, machen, bis auf einen gewissen Punkt. Bey den Thälern aber verhält es sich anders, als bey den Gebirgen. Tiefer und enger als die Alpen- und Pyrenäen- Thäler enthalten die Thäler der Cordilleren Ansichten, welche den wildesten Karakter tragen, und die Seele mit Bewunderung und Schauder erfüllen. Sie sind Klüste, deren Grund und Rand mit einer kraftvollen Vegetation geschmückt, und deren Tiefe oft so ansehnlich ist, daß man den Vesuv und den Puy-de-Dome hineinstellen könnte, ohne daß ihre Gipfel über der nächsten Gebirge Saum wegragten. Durch die merkwürdigen Reisen des Herrn Ramond ist das Thal von Ordesa bekannt geworden, das sich vom Mont-Perdu herabsenkt, und dessen mittlere Tiefe ungefähr 900 Meter (459 Toisen) enthält. Auf unsrer Reise auf dem Rücken der Anden, von Pasto nach der Stadt Ibarra, und beym Heruntersteigen von Lora gegen die Ufer des Amazonen-Stroms haben wir, Herr Bonpland und ich, die berühmten Klüfte von Chota und Cutaco durchschnitten, von denen die eine über 1500, und die andre über 1300 Fuß perpendikuläre Tiefe hat. Allein um eine vollständigere Idee von der Größe dieser geologischen Phänomene zu geben, muß ich bemerken, daß der Grund dieser Klüfte nur um ein Viertheil niedriger über dem Meeresspiegel steht, als die Straßen über den St. Gotthard und den Mont-Cenis. Das Thal von Icononzo oder Pandi ist weniger merkwürdig wegen seiner Dimensionen, als wegen der ungewöhnlichen Form seiner Felsen, welche von Menschenhänden ausgehauen zu seyn scheinen. Ihre nackten dürren Gipfel bilden den mahlerischsten Kontrast mit dem Buschwerk von Bäumen und kräuterartigen Pflanzen, welche den Rand der Kluft bedecken. Der kleine Waldstrom, welcher sich durch das Thal von Icononzo Bahn gemacht hat, trägt den Namen Rio de la summa Paz. Er stürzt sich von der östlichen Kette der Anden herab, welche im Königreiche Neu-Granada das Bassin des Magdalenen-Flusses von den ungeheuern Ebenen des Meta, des Guaviar und des Orenoko scheidet. Dieser Waldstrom ist in ein beynah unzugängliches Bette eingezwängt, und würde nur schwer zu passiren seyn, wenn die Natur nicht zwey Felsenbrücken über ihn gebildet hätte, die man in dem Lande selbst mit allem Rechte für diejenigen Gegenstände ansieht, welche der Aufmerksamkeit der Reisenden am würdigsten sind. Im Monate September 1801 kamen wir auf unsrer Reise von Santa Fe de Bogota nach Popayan und Quito über diese natürlichen Brücken von Icononzo. Icononzo ist der Name eines alten Dorfes der Muyscas-Indianer, welches auf dem südlichen Rande des Thales liegt, und wovon nur noch einige zerstreute Hütten übrig sind. Der am nächsten liegende bewohnte Ort ist heutzutage das kleine Dorf Pandi oder Mercadillo, eine Viertel- Meile nordöstlich. Der Weg von Santa-Fe nach Fusagasuga (40 20' 2" der nord. Br. u. 50 7' 14" der Länge) und von da nach Pandi ist einer der schwierigsten und am wenigsten besuchten Wege in den Cordilleren; denn man muß ein leidenschaftlicher Freund von Natur-Schönheiten seyn, um die gefahrvolle Straße, welche vom Paramo von San Fortunato, und den Gebirgen von Fusagasuga gegen die natürliche Brücke von Icononzo herabsteigt, dem gewöhnlichen Wege, der von dem Plateau von Bogota über die Mesa von Juan-Diaz nach den Ufern des Magdalenenstroms führt, vorzuziehen. Die tiefe Kluft, durch welche sich der Waldstrom de la summa Paz herabstürzt, macht den Mittelpunkt des Thales von Pandi aus. Bey der Brücke nimmt sie auf mehr als 4000 Meter Länge ihre Richtung von Osten nach Westen. Wo der Fluß westwärts von Doa in die Kluft eintritt, und wo er sie in seiner Senkung gegen Melgar zu wieder verläßt, bildet er zwey schöne Kaskaden. Sehr wahrscheinlich wurde diese Kluft durch ein Erdbeben bewirkt. Sie gleicht einem ungeheuern Flötz, aus welchem der Gangstein durch die Arbeit der Bergleute weggenommen worden ist. Die sie umgebenden Gebirge bestehen aus Sandstein mit einem Thon-Cement, und diese Bildung, welche auf dem Thonschiefer von Villeta ruht, erstreckt sich von dem Stein- Salz-Gebirge von Zipaquira bis gegen das Bassin des Magdalenen-Flusses hin. Auch enthält sie Lagen der Steinkohlen von Canoas oder Chipa, welche man in der Nähe des großen Wasserfalls von Tequendama bricht. (Der Beschluß folgt.) Pittoreske Ansichten in den Cordilleren. Natürliche Brücken über den Icononzo. (Beschluß.) Im Thale vor Icononzo ist der Sandstein aus zwey verschiedenen Felsarten zusammengesetzt. Ein sehr kompakter und quarziger Sandstein, mit wenig Cement und beynahe ganz ohne Schichtenspaltungen, ruht auf sehr feinkörnigem und in unzählige sehr kleine und beynahe horizontale Lagen getheiltem Sandsteinschiefer. Man darf annehmen, daß die kompakte und quarzige Lage bey der Bildung der Kluft der Gewalt, welche diese Gebirge zerriß, widerstanden hat, und daß nur die ununterbrochene Fortsetzung dieser Lage die Brücke ausmacht, auf welcher man von einem Theile des Thals nach dem andern gelangt. Dieser natürliche Bogen hat 14 [Formel] Meter Länge, und 12 M. 7 Breite. Seine Dicke ist im Mittelpunkte 2 M. 4. Durch sehr sorgfältige Versuche, die wir mit dem Falle von Körpern angestellt, und vermittelst eines Chronometers von Berthoud, haben wir die Höhe der obern Brücke über der Wasserfläche des Waldstroms zu 97 M. 7 herausgebracht. Ein sehr aufgeklärter Mann, Don Jorge Lozano, welcher ein angenehmes Landgut in dem schönen Thale von Fusagasuga besitzt, hatte schon vor uns diese Höhe mit dem Senkbley gemessen, und sie von hundert und zwölf Varas (93 M. 4) gefunden, so daß die Tiefe des Stroms bey mittlerm Wasserstande sechs Meter zu seyn scheint. Die Indianer von Pandi haben zur Sicherheit der Reisenden, welche in diesem öden Lande indeß sehr selten sind, eine kleine Ballustrade von Rohren angelegt, die sich gegen den Weg, der nach der obern Brücke führt, verlängert. Zehn Toisen unter dieser ersten natürlichen Brücke befindet sich eine andere, zu der wir auf einem engen Pfade, welcher an dem Rande der Kluft hinabsteigt, geführt wurden. Drey ungeheure Felsenmassen fielen nämlich gerade so, daß eine die andre stützt. Die in der Mitte bildet den Schlußstein des Gewölbes, und dieser Zufall hätte bey den Eingebornen leicht die Idee von Bogenmauerwerk erwecken können, das den Völkern der neuen Welt eben so unbekannt war, als den alten Bewohnern von Egypten. (Zoega de Obeliscis, S. 407.) Indeß will ich nicht entscheiden, ob diese Bruchsteine von fernher geschleudert worden, oder ob sie blos Fragmente eines zum Theil zerstörten Bogens sind, welcher ursprünglich der obern natürlichen Brücke ähnlich war. Letztere Vermuthung wird durch einen analogen Zufall in dem Kolosseum zu Rom wahrscheinlich, wo man an einer halb zusammengestürzten Mauer mehrere Steine bemerkt, die in ihrem Falle dadurch aufgehalten wurden, daß sie im Sturze zufälliger Weise ein Gewölbe bildeten. Mitten in der zweyten Brücke von Icononzo befindet sich ein Loch von mehr als acht Quadratmetern Umfang, durch welches man in den Abgrund hinabsehen kann, und wo wir auch unsre Versuche über den Fall der Körper angestellt haben. Der Strom scheint in einer finstern Höhle zu fließen, und das klägliche Geräusch, das man hört, rührt von einer Menge Nachtvögel her, welche die Kluft bewohnen, und die man im Anfange gern für die gigantischen Fledermäuse halten möchte, die in den Aequinoctial- Gegenden so bekannt sind. Man sieht hier zu Tausenden über dem Wasser flattern. Indeß haben uns die Indianer versichert, daß diese Vögel von der Größe eines Huhns sind, Eulenaugen und einen gekrümmten Schnabel haben. Man nennt sie Cacas, und die Einförmigkeit der Färbung ihres Gefieders, das ein bräunliches Grau ist, macht mich glauben, daß sie nicht zu dem Geschlechte des Caprimulgus gehören, dessen Gattungen auf den Cordilleren in so vieler Mannigfaltigkeit vorhanden sind. Wegen der Tiefe des Thals ist es unmöglich, ihrer habhaft zu werden, und wir konnten sie nicht anders untersuchen, als daß wir Feuerbrände in die Klüfte warfen, um ihre Wände zu erhellen. Die Höhe der natürlichen Brücke von Icononzo über dem Meeres-Spiegel ist achthundert drey und neunzig Meter (458 Toisen). In den Gebirgen von Virginien, und zwar in der Grafschaft Rock-Bridge, ist ein ähnliches Phänomen, wie die obere Brücke, die wir eben beschrieben haben. Es wurde von Hrn. Jefferson mit der Sorgfalt untersucht, welche alle Beobachtungen dieses vortrefflichen Naturkundigen karakterisirt. (Bemerkungen über Virginien, S. 56.) Die natürliche Brücke von Cedar-Kreck in Virginien, ist ein Bogen von Kalkstein, welcher sieben und zwanzig Meter Oeffnung hat, und seine Höhe über der Wasserfläche des Stroms beträgt siebenzig Meter. Die Erdbrücke, (Rumichaca), die wir auf der Senkung der Porphyr-Gebirge von Chumban, in der Provinz de los Pastos, gefunden haben; die Brücke der Mutter Gottes, Dantcu genannt, bey Totonilco in Mexico, und der durchbrochene Felsen bey Grandola, in der portugiesischen Provinz Alentejo, sind geologische Phänomene, welche sämtlich mit der Brücke von Icononzo einige Aehnlichkeit haben. Indeß zweifle ich, ob man bis jetzt irgendwo auf dem Globus einem so außerordentlichen Zufalle begegnet ist, wie der, welcher durch drey Felsmassen, die sich gegenseitig stützen, ein natürliches Gewölbe gebildet hat. Pittoreske Ansichten in den Cordilleren. (Aus Hrn. v. Humboldts historischer Beschreibung seiner Reise.) Straße über den Quindiu in der Cordillera der Anden. In dem Königreiche Neu-Granada vom 2° 30' bis zum 5° 15' der nördl. Br. theilt sich die Anden-Cordillera in drey Parallel-Ketten, von denen blos die auf beyden Seiten liegenden in sehr beträchtlichen Höhen mit Sandstein und andern sekondären Bildungen bedeckt sind. Die östliche Kette scheidet das Thal des Magdalenen-Flusses von den Ebenen des Rio Meta. Auf ihrem westlichen Abhange befinden sich die natürlichen Brücken von Icononzo, welche wir schon früher beschrieben haben. Ihre höchsten Gipfel sind der Paramo de la summa Paz, der von Chingasa, und die Cerras de San- Fernando und von Tuquillo. Indeß erhebt sich keine bis zur Region des ewigen Schnees, und ihre mittlere Höhe beträgt 4000 Meter, also 564 Meter mehr, als das höchste Gebirg in den Pyrenäen. Die Central-Kette theilt ihre Wasser zwischen dem Bassin des Magdalenen-Flusses und dem des Rio Canca. Oft erreicht sie die Region des ewigen Schnees, und überschreitet sie sehr ansehnlich in den kolossalen Gipfeln des Guanacas, des Baragan, und des Quindiu, welche sich fünf bis sechsthalbtausend Meter über den Meeresspiegel erheben. Beym Aufgang und Untergang der Sonne gewährt diese Central-Kette den Bewohnern von Santa-Fe ein prächtiges Schauspiel, und erinnert, nur mit weit imposantern Dimensionen, an die Alpenansichten in der Schweiz. Die westliche Kette der Anden trennt das Thal des Cauca von der Provinz Choco und den Küsten des Süd- Meeres. Ihre Höhe beträgt kaum 1500 Meter, und sie senkt sich zwischen den Quellen des Rio Atracto und des Rio San-Juan so stark, daß man ihre Verlängerung gegen den Isthmus von Panama nur mit Mühe verfolgen kann. Diese drey Gebirgsketten treffen nordwärts unter dem Parallelkreise von Muzo und Antioquia dem 60 und 70 der nördl. Br. zusammen. Auch bilden sie im Süden von Popayan in der Provinz Pasto eine einzige Gruppe, eine Masse. Uebrigens muß man sie ja mit der Eintheilung der Cordilleren nicht verwechseln, wie sie Bouguer und La Condamine im Königreiche Quito vom Aequator bis zum 2° der südl. Br. beobachtet haben. Die Stadt Santa Fe de Bogota, die Hauptstadt von Neu-Granada, liegt westlich von dem Paramo von Chingasa auf einem Plateau, das sich in einer absoluten Höhe von 2650 Metern auf dem Rücken der östlichen Cordillera hinzieht. Diese besondere Gestaltung der Anden macht, daß man, um von Santa-Fe nach Popayan und an die Ufer des Cauca zu kommen, entweder über Mesa oder über Tocayma oder über die natürlichen Brücken von Icononzo von der östlichen Kette herabsteigen , das Thal des Magdalenen-Flusses durchschneiden, und die Central-Kette passiren muß. Die gesuchteste Straße ist indeß die vom Paramo de Guanacas, welche Bouguer auf seiner Rückkehr von Quito nach dem amerikanischen Carthagena beschrieben hat. Auf diesem Wege legt der Reisende den Kamm der Central-Cordillera mitten in einem bewohnten Lande in einem Tage zurück. Indeß habe ich dieser Straße die über das Quindiu- oder Quindio-Gebirge zwischen den Städten Ihague und Carthago vorgezogen. Ich habe diese geographischen Bestimmungen für unerläßlich gehalten, um die Lage eines Ortes kennbar zu machen, den man auf den besten Karten vom mittäglichen Amerika, wie z. B. auf der von La Cruz, vergeblich suchen würde. Das Quindiu-Gebirg (Br. 4° 36', Länge 5° 12') wird als die beschwerlichste Straße in der Cordillera der Anden angesehn. Es ist ein dichter, völlig unbewohnter Wald, den man auch in der besten Jahreszeit nicht schneller als in zehen oder zwölf Tagen zurücklegt. Hier findet man keine Hütte, keine Lebensmittel, und die Reisenden versehen sich in jeder Jahrszeit auf einen ganzen Monat mit Vorräthen, weil es nur zu oft geschieht, daß sie durch das Schmelzen des Schnees und das plötzliche Anschwellen der Giesbäche so sehr abgeschnitten werden, daß sie weder auf der Seite von Carthago noch auf der von Ibague herabkommen können. Der höchste Punkt des Weges, die Garita del Paramo, liegt 3505 Meter über der Fläche des Ozeans. Da der Fuß des Gebirges gegen die Ufer des Cauca hin nicht über 963 Meter erhaben ist, so genießt man daselbst im Durchschnitte ein sehr mildes und gemäßigtes Klima. Der Pfad über die Cordillera ist so eng, daß seine gewöhnliche Breite nicht über 3 bis 4 Decimeter beträgt, und er größtentheils einer offenen, durch den Felsen gehauenen Galerie ähnlich ist. In diesem Theile der Anden ist der Fels, wie beynahe fast überall, mit einer dicken Thonlage bedeckt. Die Wasserbäche, welche von dem Gebirge herabfließen, haben Schluchten von 6 bis 7 Meter Tiefe ausgespühlt. Diese Schluchten, in denen sich der Weg fortzieht, sind mit Morast angefüllt, und ihre Dunkelheit wird noch durch die dichte Vegetation, welche ihren Rand einfaßt, vermehrt. Die Ochsen, deren man sich in diesen Gegenden gemeiniglich als Saumthiere bedient, kommen nur mit größter Mühe in diesen Galerien fort, welche bis auf 2000 Meter Länge haben. Hat man das Unglück, solchen Saumthieren zu begegnen, so ist kein anderes Mittel, ihnen aus dem Wege zu gehen, als den Pfad wieder zurück zu wandeln, oder auf die Erdmauer zu steigen, welche die Schlucht einfaßt, und sich da an den Wurzeln festzuhalten, die von dem Baumwerke der Höhen hervorragen. Als wir im Monate Oktober 1801 zu Fuß und mit zwölf Ochsen, welche unsre Instrumente und Sammlungen trugen, das Quindiu-Gebirge bereisten, litten wir sehr viel durch die beständigen Platzregen, denen wir die drey oder vier letzten Tage bey unsrem Herabsteigen von dem westlichen Abhange der Cordillera ausgesetzt waren. Der Weg führt durch ein sumpfiges, mit Bambusschilf bedecktes Land. Die Stacheln, womit die Wurzeln dieser gigantesken Grasart bewaffnet sind, hatten unsre Fußbekleidung so sehr zerrissen, daß wir genöthigt waren, wie alle Reisende, die sich nicht von Menschen auf dem Rücken tragen lassen wollen, barfuß zu gehen. Dieser Umstand, die beständige Feuchtigkeit, die Länge des Weges, und die Muskelkraft, welche man, um auf dichtem und schlammigem Thone zu gehen, anwenden muß, und die Nothwendigkeit, durch sehr tiefe Gießbäche von äußerst kaltem Wasser zu waten, machen diese Reise gewiß äußerst beschwerlich; aber in so hohem Grade sie das auch ist, so hat sie doch keine der Gefahren, womit die Leichtgläubigkeit des Volks die Reisenden schreckt. Der Pfad ist freylich schmal, aber die Stellen sind sehr selten, wo er an Abgründen wegführt. Da die Ochsen immer ihre Beine in dieselben Fußstapfen stellen, so bildet sich dadurch eine Reihe von kleinen Gräben, welche den Weg durchschneiden, und zwischen denen eine sehr enge Erderhöhung sich ansetzt. Bey starkem Regen stehen diese Dämme unter dem Wasser, und der Gang des Reisenden wird nun doppelt unsicher, da er nicht weiß, ob er auf den Damm oder in den Graben seinen Fuß setzt. (Der Beschluß folgt.) Pittoreske Ansichten in den Cordilleren. Straße über den Quindiu in der Cordillera der Anden. (Beschluß.) Da nur wenige wohlhabende Personen in diesen Klimaten die Gewohnheit haben, 15 bis 20 Tage hinter einander, und auf so beschwerlichen Wegen zu Fuß zu gehen, so läßt man sich von Menschen tragen, welche sich einen Sessel auf den Rücken gebunden haben, indem es beym gegenwärtigen Zustande der Straße über den Quindiu unmöglich wäre, sie auf Mauleseln zurückzulegen. Man spricht daher in diesem Lande von Reisen auf dem Rücken eines Menschen (andar en carguero), wie man anderwärts von einer Reise zu Pferd redet. Auch verbindet man gar keine erniedrigende Vorstellung mit dem Gewerbe der Cargueros, und die, welche es treiben, sind keine Indianer, sondern Metis, und manchmal sogar Weisse. Oft hört man mit Erstaunen nakte Menschen, welche dieses in unsern Augen so entehrende Handwerk treiben, mitten im Walde sich herumstreiten, weil der eine dem andern, welcher eine weissere Haut zu haben behauptet, die hochtönenden Titel Don und Sa Merced verweigert. Die Cargueros tragen gewönlich 6 bis 7 Arrobas (75 bis 80 Kilogramme); und manche sind so stark, daß sie bis auf 9 Arrobas aufladen. Bedenkt man die ungeheure Anstrengung dieser Unglücklichen, welche oft 8 bis 9 Stunden machen müssen, die sie täglich in dem Gebirgslande zurücklegen; weiß man, daß ihr Rücken manchmal wund gedrükt wird, wie der Rücken der Saumthiere, und die Reisenden oft grausam genug sind, sie, wenn sie krank werden, mitten im Walde liegen zu lassen; weiß man überdies, daß sie auf einer Reise von Ibague nach Carthago, in einer Zeit von 15, und selbst von 25 bis 30 Tagen, nicht mehr als 12 bis 14 Piaster (60 bis 70 Fr.) gewinnen, so begreift man kaum, wie alle starke, junge Leute, die am Fuß dieser Gebirge wohnen, dieses Gewerbe der Cargueros, eines der mühseligsten von allen, denen sich die Menschen ergeben, freywillig wählen können. Allein der Hang zu einem freyen, herumstreifenden Leben und die Idee einer gewissen Unabhängigkeit in den Wäldern lassen sie diese beschwerliche Beschäftigung den monotonen und Sitz- Arbeiten der Städte vorziehen. Indeß ist der Weg über das Quindiu-Gebirge nicht die einzige Gegend im südlichen Amerika, wo man auf dem Rücken von Menschen reist. Die ganze Provinz von Antioquia z. B. ist mit Gebirgen umgeben, über welche so schwer zu kommen ist, daß diejenigen, die sich der Geschicklichkeit eines Carguero nicht anvertrauen wollen, und nicht stark genug sind, um den Weg von Santa-Fe de Antioquia nach der Boca de Nares, oder nach dem Rio Samana zu Fuß zu machen, dieses Land gar nicht verlassen können. Ich habe einen Bewohner dieser Provinz gekannt, dessen Körperumfang ungewöhnlich groß war. Er hatte nur zwey Metis gefunden, welche im Stande waren, ihn zu tragen, und er hätte unmöglich wieder nach Hause zurückkehren können, wenn diese beyden Cargueros während seines Aufenthalts an den Ufern des Magdalenenflusses in Mompox oder in Honda gestorben wären. Der jungen Leute, die sich im Choco, in Ibague und in Medellin als Lastthiere gebrauchen lassen, sind so viele, daß man öfter ganzen Reihen von 50 bis 60 begegnet. Als man vor einigen Jahren den Plan hatte, den Gebirgsweg von dem Dorfe Nares nach Antioquia für die Maulthiere zu bahnen, so machten die Cargueros in aller Form Vorstellungen gegen die Verbesserung der Straße, und die Regierung war schwach genug, ihren Einwendungen zu willfahren. Indeß muß hier auch bemerkt werden, daß die mexikanischen Bergwerke eine Menschenklasse enthalten, die keine Beschäftigung hat, als -- Andre auf ihrem Rücken zu tragen. In diesen Klimaten sind die Weissen so träge, daß jeder Bergwerksdirektor einen oder zween Indianer in seinem Solde hat, welche seine Pferde (cavallitos) heißen, weil sie sich alle Morgen satteln lassen, und auf einen kleinen Stock gestützt, und mit vorgeworfenem Körper ihren Herrn von einem Theile des Bergwerks nach dem andern tragen. Unter den Cavallitos und Cargueros unterscheidet und empfielt man den Reisenden diejenigen, die sichere Füsse und einen sanften, gleichen Schritt haben, und es thut einem recht wehe, von den Eigenschaften eines Menschen in Ausdrücken reden zu hören, mit welchen man den Gang der Pferde und Maulthiere bezeichnet. Diejenigen, welche sich auf dem Sessel eines Carguero tragen lassen, müssen mehrere Stunden hintereinander unbeweglich und rückwärts den Körper gesenkt dasitzen. Die geringste Bewegung würde den, der sie trägt, stürzen machen, und ein Sturz ist hier um so gefährlicher, da der Carguero, in zu großem Vertrauen auf seine Geschicklichkeit, oft die steilsten Abhänge wählt, oder auf einem schmalen und glitschigen Baumaste über einen Waldstrom setzt. Indeß sind Unglücksfälle sehr selten, und müssen, wo sie auch geschehen sind, der Unklugheit der Reisenden beygemessen werden, welche, durch einen Mißtritt ihres Carguero erschreckt, von ihrem Sessel herabgesprungen sind. Ist man in Ibaque angekommen, und rüstet sich zu der Reise über den Quindiu, so läßt man in den benachbarten Gebirgen einige hundert Vijao-Blätter schneiden, eine Pflanze aus der Familie der Pisangs, welche ein neues, an das des Thalia gränzendes, Geschlecht bildet, und die man ja nicht mit der Heliconia Bihai verwechseln darf. Diese Blätter, welche häutig und glänzend sind, wie die des Musa, haben eine ovale Form, 54 Centimeter (20 Zoll) Länge, und 37 Centimeter (14 Zoll ) Breite. Ihre untere Fläche ist silberweiß, und mit einer mehligen Materie bedeckt, die sich schuppenweise ablöst. Dieser eigenthümliche Firniß macht, daß sie dem Regen lange widerstehen können. Sammelt man sie, so macht man einen Einschnitt in die Haupt-Rippe, welcher die Stelle des Hacken vertritt, an den man sie aufhängt, wenn man das tragbare Dach aufrichtet; dann dehnt man sie aus, und rollt sie sorgfältig zu einem cylinderförmigen Packe zusammen. Um eine Hütte, in welcher 6 bis 8 Personen schlafen können, zu bedecken, braucht man 50 bis 60 Kilogramme Blätter. Kommt man mitten in den Wäldern auf eine Stelle, wo der Boden trocken ist, und man die Nacht zubringen will, so hauen die Cargueros einige Baumäste, die sie in Form eines Zelts zusammenstellen. In einigen Minuten ist dieses leichte Gebälke mit Lianen- und Agaven-Fasern, die 3 bis 4 Decimeter von einander parallel laufen, in Quadrate getheilt. Während dieser Zeit hat man den Pak von Vijao-Blättern auseinander gerollt, und mehrere Personen sind beschäftigt, sie an dem Gegitter zu befestigen, das sie am Ende wie die Dachziegel bedecken. Dergleichen Hütten sind sehr frisch und bequem, ob man sie gleich in größter Eile ausführt. Bemerkt der Reisende bey Nacht, daß der Regen eindringt, so zeigt er nur die Stelle, welche tropft, und ein einziges Blatt hilft dem Uebelstande ab. Wir brachten im Thale von Boquia mehrere Tage unter einem solchen Blätterzelt, ohne naß zu werden, zu, obgleich der Regen sehr stark, und beynahe unaufhörlich war. Das Quindiu-Gebirg ist eine der reichsten Gegenden an nüzlichen und merkwürdigen Pflanzen. Hier fanden wir den Palmbaum (Ceroxylon andicola), dessen Stamm mit vegetabilischem Wachs bedeckt ist; Passionsblumen in Bäumen, und die prächtige Mutisia grandiflora, deren scharlachrothe Blumen 16 Centimeter (6 Zoll) lang sind. Die Wachs- Palme erreicht die ungeheure Höhe von 58 Meter, oder 180 Fuß, und der Reisende erstaunt, eine Pflanze aus diesem Geschlechte unter einer beynahe kalten Zone, und über 2800 Meter über der Meeresfläche zu finden. (Siehe mein Essai sur la geographie des plantes, S. 59, und mein Recueil d'observations astronomiques, B. II, S. 21, die Plantes equinoxiales decrites et publiees par M. Bonpland, B. I, S. 3, 76 u. 177, Pl. I, XXI u. L.) Pittoreske Ansichten in den Cordilleren. Die Kaskade von Tequendama. Das Plateau, auf welchem die Stadt Santa-Fe de Bogota liegt, hat in mehrern Zügen Aehnlichkeit mit demjenigen, auf welchem sich die mexikanischen Seen befinden. Beyde sind höher als das Kloster auf dem Sankt Bernhard, und zwar ist das erste 2660 Meter (1365 Toisen) und das zweyte 2277 Meter (1168 Toisen) über dem Meeresspiegel erhaben. Das Thal von Mexiko ist mit einer Cirkelmauer von Porphyr-Gebirgen umgeben, und in seiner Mitte mit Wasser bedeckt, indem keiner der vielen Gießbäche, die sich in dieses Thal herabstürzen, ehe die Europäer den Kanal von Huehuetoca gegraben hatten, in dem selben einen Ausfluß fand. Das Plateau von Bogota ist gleichermaßen mit hohen Gebirgen eingefaßt, und der wagerechte Zustand seines Bodens, seine geologische Beschaffenheit, die Form der Felsen von Suba und Facataliva, die sich wie Eilande in der Mitte der Steppen erheben, alles scheint hier das ehemalige Daseyn eines Sees zu verrathen. Der Fluß Funzha, welcher gewöhnlich Rio de Bogota heißt, hat sich, nachdem er alle Wasser des Thals aufgenommen, durch die Gebirge, die südwestlich von der Stadt Santa-Fe liegen, ein Bette gebrochen. Bey der Pächterey Tequendama verläßt er das Thal, und stürzt sich durch eine enge Oeffnung in eine Kluft, die sich gegen das Bassin des Magdalenen- Flusses herabzieht. Versuchte man es, diese Oeffnung, die einzige in dem Thale von Bogota, zu verschließen, so würden diese fruchtbaren Ebenen sehr bald in einen See, welcher den mexikanischen Seen ähnlich wäre, verwandelt seyn. Es ist gar nicht schwer, den Einfluß zu entdecken, welchen diese geologischen Thatsachen auf die Traditionen der alten Bewohner der Gegenden gehabt haben. Indeß wollen wir nicht entscheiden, ob der Anblick dieser Orte selbst bey Völkern, welche von der Civilisation nicht mehr sehr fern waren, auf Hypothesen über die ersten Revolutionen des Globus geleitet hat, oder ob die großen Ueberschwemmungen im Thale von Bogota neu genug gewesen sind, um sich im Andenken der Menschen zu erhalten. Ueberall vermischen sich historische Ueberlieferungen mit religiösen Meinungen; und es ist merkwürdig, hier an diejenigen zu erinnern, welche der Eroberer dieses Landes, Gonzalo Ximenez de Quesada, als er zuerst in die Gebirge von Cundinamarca eindrang, unter den Muyscas-, Panchas- und Natagaymas-Indianern verbreitet gefunden hat. (Siehe Lucas Fernandez Piedrahita, Obispo de Panama, Historia general del nuevo Reyno de Grenada, S. 17, ein Werk, das nach Quesada's Handschriften ausgearbeitet ist.) In den ältesten Zeiten, ehe noch der Mond die Erde begleitete, erzählt die Mythologie der Muyscas- oder Mozcas-Indianer, lebten die Bewohner des Plateau von Bogota als Barbaren, nackt, ohne Ackerbau, ohne Gesetze und ohne Religion. Plötzlich erschien aber ein Greis unter ihnen, welcher aus den Ebenen östlich von der Cordillera von Chingasa kam, und von einer andern Race zu seyn schien, als der der Eingebornen, indem er einen langen starken Bart trug. Er war unter drey verschiedenen Namen bekannt, nämlich als Bochica, Nemquetheba und Zuhe. Dieser Greis lehrte die Menschen, gleich Manco-Capac, sich zu bekleiden, Hütten zu bauen, die Erde zu bearbeiten, und sich in Gesellschaft zu vereinigen. Bey sich hatte er eine Frau, welcher die Tradition gleichfalls die Namen gibt, und zwar Chia, Yubecayguaya und Huythaca. Dieses Weib, das außerordentlich schön, aber auch eben so boshaft war, arbeitete ihrem Manne in Allem, was er zum Glücke der Menschen unternahm, entgegen. Durch ihre Zauberkünste machte sie den Fluß Funzha anschwellen, dessen Wasser das Thal von Bogota überschwemmten. In dieser Fluth kamen die meisten Einwohner um, und nur einige retteten sich auf die Spitze der benachbarten Gebirge. In seinem Zorne hierüber verjagte der Greis die schöne Huythaca weit von der Erde; sie wurde zum Mond, der von da an unsern Planeten bey Nacht beleuchtet. Endlich zerriß Bochica, sich der auf den Gebirgen umherirrenden Menschen erbarmend, mit mächtiger Hand die Felsen, welche das Thal auf der Seite von Canoas und Tequendama schließen, ließ die Wasser des Sees von Funzha durch diese Oeffnung abfließen, vereinigte die Völker aufs Neue im Thal von Bogota, baute Städte, führte die Anbetung der Sonne ein, ernannte Oberhäupter, unter welche er die geistliche und weltliche Macht vertheilte, und zog sich am Ende unter dem Namen Idacanzas in das heilige Thal von Iraca bey Tunja zurück, wo er in Uebungen der strengsten Buße noch über 2000 Jahre lang fortlebte. Reisende, welche die imposante Lage der großen Kaskade des Tequendama gesehen haben, werden sich nicht wundern, daß rohe Völker diesen Felsen, welche wie von Menschenhänden durchgehauen scheinen, diesem engen Schlunde, in den sich ein Fluß stürzt, der alle Wasser des Thals von Bogota aufnimmt, diesen Regenbogen, die in den schönsten Farben glänzen, und jeden Augenblick ihre Form verändern, dieser Dunstsäule, die sich wie eine dicke Wolke erhebt, und die man in einer Entfernung von 5 Meilen bey einem Spaziergange um die Stadt Santa-Fe noch erkennt: daß sie allem diesem einen wunderbaren Ursprung gegeben haben. Von solchem majestätischem Schauspiel kann ein Kupferstich nur eine schwache Vorstellung geben; denn, wenn es schwer ist, die Schönheiten einer Kaskade zu beschreiben, so ist es noch weit schwerer, sie in einer Zeichnung fühlbar zu machen. Der Eindruck, den sie auf die Seele des Beobachters machen, hängt von mehrern Umständen ab. Die Wassermasse, die sich herabstürzt, muß in richtigem Verhältnisse zur Höhe ihres Falls seyn, und die sie umgebende Gegend einen romantischen wilden Karakter haben. Die Pissevache und der Staubbach in der Schweiz haben eine sehr große Höhe, aber ihre Wassermasse ist unbeträchtlich. Der Niagara- und der Rhein-Fall hingegen zeigen eine ungeheure Wassermasse, aber ihr Fall ist nicht über 50 Meter Höhe. Eine Kaskade, die mit nur wenig erhabenen Hügeln umgeben ist, macht weniger Wirkung, als die Wasserfälle, die man in den tiefen Thälern der Alpen, der Pyrenäen, und besonders der Anden-Cordillera sieht. Außer der Höhe und dem Umfange der Wassersäule und außer der Gestaltung des Bodens und dem Anblicke der Felsen gibt die Kraft und die Form der Bäume und der Graspflanzen, ihre Vertheilung in Gruppen oder einzelne Sträuße, und der Kontrast zwischen den Steinmassen und der frischen Vegetation, solchen großen Naturscenen einen besondern Karakter. So würde der Sturz des Niagara noch weit schöner seyn, wenn seine Umgebungen, statt sich unter einer nördlichen Zone in der Gegend der Pinien und Eichen zu befinden, mit Heliconia, Palmen und baumartigem Farrenkraut geschmückt wären. (Der Beschluß folgt.) Pittoreske Ansichten in den Cordilleren. Die Kaskade von Tequendama. (Beschluß.) Der Fall (Salto) des Tequendama vereinigt Alles, was eine Gegend im höchsten Grade mahlerisch machen kann. Indeß ist er nicht die höchste Kaskade auf der Erde, wie man im Lande selbst glaubt, (Piedrahita, S. 19. Julian, la Perla de la America, provincia de Santa Martha, 1787, S. 9.) und wie es die Physiker in Europa wiederholt haben (Gehler physikalisches Wörterbuch, V. IV, S. 655). Der Fluß stürzt sich nicht, wie Bouguer sagt, (Figure de la terre, S. 92.) in einen Abgrund von fünf bis sechshundert Meter perpendikulärer Tiefe; aber es wird kaum eine Kaskade geben, welche bey einer so ansehnlichen Fallhöhe eine so große Wassermasse enthält. Der Rio de Bogota hat, nachdem er die Sümpfe zwischen den Dörfern Facativa und Fontibon getränkt, noch bey Canoas, etwas über dem Salto, eine Breite von vier und vierzig Metern, und ist also halb so breit, als die Seine in Paris zwischen dem Louvre und dem Palais des arts. Nahe bey dem Wasserfalle selbst, wo die Kluft, die durch ein Erdbeben gebildet zu seyn scheint, nur zehn bis zwölf Meter Oeffnung hat, verengt sich der Fluß sehr. Aber auch zur Zeit der Dürre hat die Wassermasse, die sich in zwey Streifen hundert und fünf und siebenzig Meter tief herabstürzt, ein Profil von neunzig Quadrat-Metern. Auf der Zeichnung dieser Kaskade hat man zwey Männer als Masstab für die Gesammt-Höhe des Salto angebracht. Der Punkt, auf welchem sie am obern Rande stehen, ist zwey tausend vierhundert sieben und sechszig Meter über den Meeresspiegel erhaben. Von diesem Punkte bis an den Magdalenen-Strom hat der kleine Fluß Bogota, welcher am Fuße der Kaskade die Namen Rio de la Mesa, oder de Tocayma, oder del Collegio annimmt, noch über zweytausend einhundert Meter Fall, welches über hundert und vierzig Meter auf die gewöhnliche Meile beträgt. Der Weg, welcher von der Stadt Santa-Fe nach dem Salto des Tequendama führt, geht durch das Dorf Suacha und die große Pächterey Canoas, welche durch ihre schönen Weizen-Ernten bekannt ist. Man glaubt, daß die ungeheure Dunstmasse, die sich täglich aus der Kaskade erhebt, und durch den Kontakt der kalten Luft wieder niedergestürzt wird, viel zur großen Fruchtbarkeit dieses Theils des Plateau von Bogota beyträgt. In einer kleinen Entfernung von Canoas, auf der Höhe von Chipa, genießt man eine prächtige Aussicht, welche den Reisenden durch die Kontraste, die sie darstellt, in Erstaunen setzt. Man hat so eben die mit Weizen und Gerste bebauten Felder verlassen, sieht nun, außer den Aralia's, der Alstonia theaeformis, den Begonia und den gelben Fieberrinden-Baum, (Cinchona cordifolia, Mut.) Eichen, Ulmen und andre Pflanzen um sich her, deren Wuchs an europäische Vegetation erinnert, und entdeckt, wie von einer Terrasse herab, so zu sagen zu seinen Füßen, ein Land, wo Palmen, Pisangs und Zucker- Rohr wachsen. Da die Kluft, in welche sich der Rio de Bogota stürzt, an die Ebenen der heissen Region (tierra caliente) stößt, so haben sich einige Palmen bis an den Fuß der Kaskade herangemacht. Wegen dieses besondern Umstandes sagen die Bewohner von Santa-Fe, der Fall des Tequendama sey so hoch, daß das Wasser in Einem Sprunge aus dem kalten Lande (terra fria) in das heiße stürze. Indeß sieht man wol, daß eine Höhen-Verschiedenheit von blos hundert fünf und siebenzig Metern nicht hinlänglich ist, um eine fühlbare Veränderung in der Luft-Temperatur hervorzubringen. Wirklich bewirkt die Höhe des Bodens den Kontrast zwischen der Vegetation des Plateau von Canoas und der in der Kluft nicht; denn wenn der Fels von Tequendama, welcher ein Sandstein auf einer Thon-Basis ist, nicht so schroff abgeschnitten, und das Plateau von Canoas eben so gut vor Wind und Wetter geschützt wäre, so hätten sich die Palmbäume, welche am Fuße der Kaskade wachsen, gewiß schon an dem obern Rande des Flusses fortgepflanzt. Uebrigens ist diese Vegetation für die Bewohner des Thals von Bogota um so merkwürdiger, da sie in einem Klima wohnen, wo der Thermometer sehr oft auf den Gefrierpunkt herabsinkt. Nicht ohne Gefahr ist es mir gelungen, Instrumente in die Kluft selbst bis an den Fuß der Kaskade zu bringen. Auf einem engen Pfade (Camino de la Culebra), der nach der Kluft de la Povasa führt, braucht man drey Stunden zum Hinuntersteigen. Ungeachtet der Fluß in seinem Sturze eine Menge Wasser verliert, das sich in Dünste verwandelt, so ist der Strom unten dennoch so reißend, daß sich der Beobachter dem Bassin, welches sich der Wasserfall ausgehöhlt hat, auf hundert und vierzig Meter nicht nähern kann. Der Grund dieser Schlucht wird nur schwach vom Tageslicht erleuchtet. Die Einsamkeit des Orts, der Reichthum der Vegetation und das schreckliche Geräusch, welches man vernimmt, machen den Fuß der Kaskade des Tequendama zu einer der wildesten Gegenden in den Kordilleren. Pittoreske Ansichten in den Cordilleren. Ansicht des Chimborazo und des Carguairazo. Die Anden-Cordillera theilt sich bald in verschiedene Zweige, welche durch der Länge nach sich erstreckende Thäler von einander getrennt sind, bald bildet sie nur eine einzige Masse, welche in vulkanische Spitzen ausgezackt ist. Die großen Thäler zwischen den beyden Seiten-Aesten und der Central-Kette sind Bassins zweyer beträchtlicher Flüsse, deren Grund noch niedriger über dem Meeresspiegel steht, als das Bett der Rhone, wo ihr Wasser das Thal von Sion in den Ober-Alpen ausgegraben hat. Reist man von Popayan südwärts, so sieht man auf dem dürren Plateau der Provinz de los Pastos die drey Ketten- Glieder der Anden in einer Gruppe zusammentreffen, welche sich weit jenseits des Aequators erstreckt. Diese im Königreiche Quito gelegene Gruppe stellt von dem Flusse Chota an, der sich durch Basalt-Gebirge hinwindet, bis zum Paramo vom Assuay, auf welchem sich die merkwürdigen Reste peruanischer Baukunst erheben, eine ganz eigene Ansicht dar. Die höchsten Gipfel stehen in zwey Reihen, die einen doppelten Kamm der Cordillera bilden, und diese kolossalen, mit ewigem Schnee bedeckten Bergspitzen haben den Operationen der französischen Akademiker bey ihrer Messung des Aequatorial-Grades zu Signalen gedient. Ihre symmetrische Stellung auf zwey von Norden nach Süden laufenden Linien verführte Bouguer'n sie als zwey durch ein der Länge nach laufendes Thal getrennte Ketten-Glieder anzusehen: Allein, was dieser berühmte Astronom den Grund eines Thals nennt, ist der Rücken der Anden selbst, und ein Plateau, dessen absolute Höhe zweytausend siebenhundert bis zweytausend neunhundert Meter beträgt. Es ist von Wichtigkeit, einen solchen doppelten Gebirgs-Kamm nicht mit einer wirklichen Verzweigung der Cordilleren zu verwechseln. Die mit Bimsstein bedeckte Ebene, welche den ersten Plan der Zeichnung bildet, die wir hier beschreiben, ist ein Theil des Plateau, welches den westlichen Kamm von dem östlichen der Anden von Quito scheidet. In diesen Ebenen ist die Bevölkerung des wunderbaren Landes vereinigt, und hier liegen die Städte, welche dreißig bis fünfzigtausend Einwohner zählen. Hat man einige Monate auf diesem hohen Plateau gelebt, wo sich der Barometer immer auf 0m, 54 hält, so wird man von einer unwiderstehlichen Täuschung hingerissen, und vergißt es nach und nach völlig, daß Alles, was den Beobachter umgibt, daß diese Dörfer mit der Industrie eines Gebirgsvolks, diese mit Lama's und europäischen Schafen bedeckten Weiden, diese mit lebendigem Gehege von Duranta und Barnadesia eingefaßten Obstgärten, diese sorgfältig bearbeiteten und reiche Ernten versprechenden Aecker gleichsam in die hohen Regionen der Atmosphäre aufgeknüpft sind; und man erinnert sich kaum, daß der Boden, den man bewohnt, höher über den nahen Küsten des stillen Meeres liegt, als der Gipfel des Canigu über dem Bassin des mittelländischen Meeres. Betrachtet man den Rücken der Cordilleren als eine ungeheure, von fernen Gebirgsmassen begränzte Ebene, so gewöhnt man sich, die Ungleichheiten des Kamms der Anden als eben so viele isolirte Spitzen anzusehen. Der Pichincha, der Cayambe, der Cotopaxi, und alle diese vulkanischen Piks, welche mit eigenen Namen bezeichnet sind, unerachtet sie bis über die Hälfte ihrer ganzen Höhe nur eine Masse ausmachen, scheinen in den Augen der Bewohner von Quito eben so viele einzelne Berge, die sich mitten auf einer waldlosen Ebene erheben, und diese Täuschung wird um so vollständiger, da die Einschnitte des doppelten Kamms der Cordilleren bis zu der Fläche der hohen bewohnten Ebenen herabreichen. Die Anden stellen sich daher auch nur in großer Entfernung, wie von den Küsten des großen Oceans oder von den Steppen, welche sich an ihrem östlichen Abhange hinstrecken, als eine völlige Kette dar. Steht man hingegen auf dem Rücken der Cordilleren selbst, entweder im Königreiche Quito, oder in der Provinz de los Pastos, oder noch nördlicher im Innern von Neu-Spanien, so sieht man blos einen Haufen einzelner Berggipfel und Gruppen isolirter Gebirge, welche sich von dem Central-Plateau losmachen; denn je größer die Masse der Cordilleren ist, um so schwerer findet man es, ihren Bau und ihre Form im Ganzen aufzufassen. Und dennoch wird das Studium dieser Form und dieser Gebirgs-Physionomie, wenn ich den Ausdruck wagen darf, durch die Richtung der hohen Ebenen, welche den Rücken der Anden bilden, wunderbarlich erleichtert. Reist man von der Stadt Quito nach dem Paramo von Assuay, so sieht man auf einer Länge von sieben und dreißig Meilen nach einander westwärts die Spitzen des Casitagua, Pichincha, Atacazo, Corazon, Iliniza, Carguairazo, Chimborazo und Cunambay, und gegen Osten die Gipfel des Guamani, Antisana, Passuchoa, Ruminaoi, Cotopari, Quelendanna, Tungurahua und Capa-Urcu erscheinen, welche sämmtlich, mit Ausnahme von dreyen oder vieren, höher sind, als der Montblanc. Diese Gebirge stehen auf eine Weise da, daß sie, vom Central-Plateau aus betrachtet, statt sich gegenseitig zu bedecken, vielmehr in ihrer wahren Gestalt sich, wie auf das azurne Himmelsgewölbe gemahlt, darstellen. Man glaubt auf einem und demselben vertikalen Plane ihren ganzen Umriß zu sehen; sie erinnern an den imposanten Anblick der Küsten von Neu-Norfolk und des Cook-Flusses, und gleichen einem schroffen Uferlande, das sich aus dem Meere hebt, und um so näher scheint, da kein Gegenstand zwischen ihm und dem Auge des Beobachters steht. Wie sehr indeß der Bau der Cordilleren und die Form des Central-Plateau die geologischen Beobachtungen begünstigen, und wie leicht sie es dem Reisenden machen, die Umrisse des doppelten Kamms der Anden in der Nähe zu untersuchen, so sehr verkleinert die ungeheure Höhe dieses Plateau dafür auch die Gipfel, welche, auf Inselchen in den weiten Raum der Meere gestellt, wie der Mowna-Roa, und der Pik von Teneriffa, durch ihre furchtbare Höhe Staunen erregen würden. Die Ebene von Tapia hat eine absolute Höhe von zweytausend, einhundert und ein und neunzig Metern (vierzehnhundert und drey und achtzig Toisen); ist also nur ein Sechszehentheil niedriger, als der Aetna. Der Gipfel des Chimborazo reicht somit blos dreytausend sechshundert und vierzig Meter über die Höhe dieses Plateaus weg, und demnach vier und achtzig Meter weniger, als die Spitze des Mont-Blanc über die Priorey von Chamonix; denn die Verschiedenheit des Chimborazo und des Mont-Blanc verhält sich ungefähr wie jene der Höhe des Plateau von Tapia und des Grundes vom Chamonis-Thale. Auch der Gipfel des Pik von Teneriffa ist, gegen die Lage der Stadt Orotava verglichen, höher, als der Chimborazo und der Mont-Blanc über Riobamba und Chamonix. (Der Beschluß folgt.) Pittoreske Ansichten in den Cordilleren. (Beschluß.) Gebirge, welche uns durch ihre Höhe in Erstaunen setzen würden, wenn sie am Meeres-Ufer stünden, scheinen, auf den Rücken der Cordilleren gestellt, bloße Hügel. Quito z. B. lehnt sich an einen kleinen Kegel, Javirac genannt, der den Bewohnern dieser Stadt nicht höher vorkommt, als der Mont-Martre oder die Höhen von Meudon den Parisern; und dennoch hat er, nach meinen Messungen, dreytausend einhundert und ein und zwanzig Meter (1600 Toisen) absolute Höhe, und erhebt sich demnach beynahe so hoch, als der Gipfel des Marbore, einer der höchsten Spitzen der Pyrenäen-Kette. Neben allen Wirkungen dieser Täuschung, welche durch die Höhe der Plateaus von Quito, von Mutalo und von Riobamba verursacht wird, würde man dennoch auf den Küsten oder auf dem östlichen Abhange des Chimborazo vergebens eine Stelle suchen, welche eine so prächtige Ansicht der Cordillera gestattete, als ich sie, mehrere Wochen lang, von der Ebene von Tapia aus genossen habe. Sieht man auf dem Rücken der Anden, zwischen dem doppelten Kamme, welchen die kolossalen Spitzen des Chimborazo, des Pungurakua und des Cotopaxi bilden, so ist man ihren Gipfeln immer noch nahe genug, um sie unter sehr ansehnlichen Höhenwinkeln zu sehen. Steigt man aber gegen die Wälder herab, welche den Fuß der Cordilleren einschließen, so werden diese Winkel sehr klein; denn wegen der ungeheuren Masse der Gebirge entfernt man sich, je mehr man sich der Meeresfläche nähert, sehr schnell von den Gipfeln. Ich (Humboldt) habe die Umrisse des Chimborazo und des Carguairazo mit Anwendung derselben geographischen Mittel gezeichnet, wie ich sie bey der Beschreibung meiner Zeichnung des Cotopaxi angegeben habe. Die Linie, welche die untern Gränze des ewigen Schnees bezeichnet, ist immer noch etwas höher, als der Mont-Blanc; denn dieser Berg würde unter dem Aequator blos zuweilen mit Schnee bedeckt werden. Die sich gleich bleibende Temperatur dieser Zone macht die Wirkung, daß die Gränze des ewigen Eises nicht so unregelmäßig ist, wie in den Alpen und in den Pyrenäen. Auf dem nördlichen Abhange des Chimborazo, zwischen diesem Berge und dem Carguairazo, zieht sich der Weg hin, welcher von Quito nach Guayaquil gegen die Küsten des stillen Meeres führt. Die mit Schnee bedeckten Auswüchse, welche sich auf dieser Seite erheben, erinnern durch ihre Form an die des Dome du Goute, vom Chamonix-Thale aus betrachtet. Auf einer schmalen Gräthe, welche sich auf der Süd-Seite aus dem Schnee erhebt, versuchten wir, Hr. Bonpland, Hr. Montufar und ich, die Spitze des Chimborazos zu erreichen. Trotz des dicken Nebels und der Schwierigkeit, in der dünnen Luft Athem zu holen, brachten wir doch Instrumente auf eine beträchtliche Höhe. Der Punkt, wo wir stille hielten, um die Inklination der Magnetnadel zu beobachten, scheint viel höher, als alle andere, welche je von Menschen auf Gebirgeshöhen erreicht worden sind, und liegt eilfhundert Meter erhabener, als die Spitze des Mont-Blanc, auf die es Hrn. Saussure, dem gelehrtesten und beherztesten Reisenden, nach Besiegung viel größerer Schwierigkeiten, als wir auf unsrer Besteigung des Chimborazo fanden, vorzudringen gelungen ist. Solche mühvolle Unternehmungen, deren Erzählung gewöhnlich die Aufmerksamkeit des Publikum im höchsten Grade anzieht, werfen indeß nur wenige Resultate für die Wissenschaften ab; denn der Reisende befindet sich auf einem mit Schnee bedeckten Boden, in einer Schichte von Luft, deren chemische Mischung der in den niedrigern Gegenden gleich kommt, und in einer Lage, wo feinere Versuche nicht mit der nöthigen Genauigkeit angestellt werden können. Die noch thätigen Vulkane, welche nur einen einzigen außerordentlich weiten Krater haben, sind konische Gebirge, mit mehr oder weniger abgestumpfter Spitze, wie der Cotopaxi, der Popocateyec und der Pik von Orizaba. Andre Vulkane, deren Gipfel sich nach einer Menge Eruptionen gesenkt hat, stellen zackige Kämme, schiefe Spitzen, und zerbrochene, Einsturz drohende Felsen dar. Von der Art sind z. B. der Altar, oder der Capac-Urcu, ein Gebirge, das einst höher war, als der Chimborazo, und dessen Zerstörung eine, in der Natur-Geschichte des neuen Continents merkwürdige Epoche bezeichnet; und der Carguairazo, welcher großentheils in der Nacht vom 19 Juli 1698 zusammenstürzte. Wasserströme und Thonauswürfe brachen dazumal aus den geöffneten Seiten des Berges hervor, und machten die ihn umgebenden Gefilde unfruchtbar. Diese schreckliche Katastrophe war überdies von einem Erdbeben begleitet, das Tausende von Einwohnern in den nahen Städten Hambato und Llactacunga verschlang. Die dritte und die majestätischste Form der hohen Anden-Gipfel ist die des Chimborazo, dessen Spitze abgerundet ist. Sie erinnert an die kraterlosen Auswüchse, welche die elastische Kraft der Dünste in Gegenden auftreibt, wo die grottenreiche Rinde des Globus durch unterirdische Feuer unterminirt ist. Die Ansicht von Granit-Gebirgen hat nur eine schwache Aehnlichkeit mit jener des Chimborazo. Die Granit-Gipfel sind abgeplattete Halbkugeln, und die Trapp-Porphyrs bilden die hochausstrebenden Kuppeln. So sieht man an der Küste der Süd-See, wenn die Luft nach den langen Winterregen plötzlich durchsichtig geworden ist, den Chimborazo, wie eine Wolke, am Himmel erscheinen. Er hat sich völlig von den ihm benachbarten Spitzen losgemacht, und erhebt sich über die ganze Anden- Kette, wie jener majestätische Dom, das Werk von Michael Angelos Genie, über die antiken Denkmahle, welche das Kapitol einfassen.