Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. (Aus Hrn. v. Humboldts hiſtoriſcher Beſchreibung ſeiner Reiſe.) Natuͤrliche Bruͤcken uͤber den Icononzo. Unter den mannigfaltigen majeſtaͤtiſchen Scenen, welchen man in den Cordilleren begegnet, ergreifen die Thaͤler die Einbildungskraft des europaͤiſchen Reiſenden am meiſten. Nur aus einer ſehr anſehnlichen Entfernung und von den Ebenen aus, die ſich von den Kuͤſten bis zum Fuße der Centralkette erſtrecken, kann das Auge die ungeheure Hoͤhe dieſer Gebirge ganz ermeſſen. Die Plateaus, welche von ihren mit ewigem Schnee bedeckten Gipfeln eingefaßt werden, liegen groͤßtentheils 2500 bis 3000 Meter uͤber der Meeresflaͤche. Dieſer Umſtand ſchwaͤcht den Eindruck von Groͤße, welchen die koloſſalen Maſſen des Chimborazo, des Cotopaxi und Antiſana, von den Plateau’s von Riobamba und Quito aus betrachtet, machen, bis auf einen gewiſſen Punkt. Bey den Thaͤlern aber verhaͤlt es ſich anders, als bey den Gebirgen. Tiefer und enger als die Alpen- und Pyrenaͤen- Thaͤler enthalten die Thaͤler der Cordilleren Anſichten, welche den wildeſten Karakter tragen, und die Seele mit Bewunderung und Schauder erfuͤllen. Sie ſind Kluͤſte, deren Grund und Rand mit einer kraftvollen Vegetation geſchmuͤckt, und deren Tiefe oft ſo anſehnlich iſt, daß man den Veſuv und den Puy-de-Dome hineinſtellen koͤnnte, ohne daß ihre Gipfel uͤber der naͤchſten Gebirge Saum wegragten. Durch die merkwuͤrdigen Reiſen des Herrn Ramond iſt das Thal von Ordeſa bekannt geworden, das ſich vom Mont-Perdu herabſenkt, und deſſen mittlere Tiefe ungefaͤhr 900 Meter (459 Toiſen) enthaͤlt. Auf unſrer Reiſe auf dem Ruͤcken der Anden, von Paſto nach der Stadt Ibarra, und beym Herunterſteigen von Lora gegen die Ufer des Amazonen-Stroms haben wir, Herr Bonpland und ich, die beruͤhmten Kluͤfte von Chota und Cutaco durchſchnitten, von denen die eine uͤber 1500, und die andre uͤber 1300 Fuß perpendikulaͤre Tiefe hat. Allein um eine vollſtaͤndigere Idee von der Groͤße dieſer geologiſchen Phaͤnomene zu geben, muß ich bemerken, daß der Grund dieſer Kluͤfte nur um ein Viertheil niedriger uͤber dem Meeresſpiegel ſteht, als die Straßen uͤber den St. Gotthard und den Mont-Cenis. Das Thal von Icononzo oder Pandi iſt weniger merkwuͤrdig wegen ſeiner Dimenſionen, als wegen der ungewoͤhnlichen Form ſeiner Felſen, welche von Menſchenhaͤnden ausgehauen zu ſeyn ſcheinen. Ihre nackten duͤrren Gipfel bilden den mahleriſchſten Kontraſt mit dem Buſchwerk von Baͤumen und kraͤuterartigen Pflanzen, welche den Rand der Kluft bedecken. Der kleine Waldſtrom, welcher ſich durch das Thal von Icononzo Bahn gemacht hat, traͤgt den Namen Rio de la ſumma Paz. Er ſtuͤrzt ſich von der oͤſtlichen Kette der Anden herab, welche im Koͤnigreiche Neu-Granada das Baſſin des Magdalenen-Fluſſes von den ungeheuern Ebenen des Meta, des Guaviar und des Orenoko ſcheidet. Dieſer Waldſtrom iſt in ein beynah unzugaͤngliches Bette eingezwaͤngt, und wuͤrde nur ſchwer zu paſſiren ſeyn, wenn die Natur nicht zwey Felſenbruͤcken uͤber ihn gebildet haͤtte, die man in dem Lande ſelbſt mit allem Rechte fuͤr diejenigen Gegenſtaͤnde anſieht, welche der Aufmerkſamkeit der Reiſenden am wuͤrdigſten ſind. Im Monate September 1801 kamen wir auf unſrer Reiſe von Santa Fe de Bogota nach Popayan und Quito uͤber dieſe natuͤrlichen Bruͤcken von Icononzo. Icononzo iſt der Name eines alten Dorfes der Muyscas-Indianer, welches auf dem ſuͤdlichen Rande des Thales liegt, und wovon nur noch einige zerſtreute Huͤtten uͤbrig ſind. Der am naͤchſten liegende bewohnte Ort iſt heutzutage das kleine Dorf Pandi oder Mercadillo, eine Viertel- Meile nordoͤſtlich. Der Weg von Santa-Fe nach Fuſagaſuga (40 20′ 2″ der nord. Br. u. 50 7′ 14″ der Laͤnge) und von da nach Pandi iſt einer der ſchwierigſten und am wenigſten beſuchten Wege in den Cordilleren; denn man muß ein leidenſchaftlicher Freund von Natur-Schoͤnheiten ſeyn, um die gefahrvolle Straße, welche vom Paramo von San Fortunato, und den Gebirgen von Fuſagaſuga gegen die natuͤrliche Bruͤcke von Icononzo herabſteigt, dem gewoͤhnlichen Wege, der von dem Plateau von Bogota uͤber die Meſa von Juan-Diaz nach den Ufern des Magdalenenſtroms fuͤhrt, vorzuziehen. Die tiefe Kluft, durch welche ſich der Waldſtrom de la ſumma Paz herabſtuͤrzt, macht den Mittelpunkt des Thales von Pandi aus. Bey der Bruͤcke nimmt ſie auf mehr als 4000 Meter Laͤnge ihre Richtung von Oſten nach Weſten. Wo der Fluß weſtwaͤrts von Doa in die Kluft eintritt, und wo er sie in ſeiner Senkung gegen Melgar zu wieder verlaͤßt, bildet er zwey ſchoͤne Kaskaden. Sehr wahrſcheinlich wurde dieſe Kluft durch ein Erdbeben bewirkt. Sie gleicht einem ungeheuern Floͤtz, aus welchem der Gangſtein durch die Arbeit der Bergleute weggenommen worden iſt. Die ſie umgebenden Gebirge beſtehen aus Sandſtein mit einem Thon-Cement, und dieſe Bildung, welche auf dem Thonſchiefer von Villeta ruht, erſtreckt ſich von dem Stein- Salz-Gebirge von Zipaquira bis gegen das Baſſin des Magdalenen-Fluſſes hin. Auch enthaͤlt ſie Lagen der Steinkohlen von Canoas oder Chipa, welche man in der Naͤhe des großen Waſſerfalls von Tequendama bricht. (Der Beſchluß folgt.) Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. Natuͤrliche Bruͤcken uͤber den Icononzo. (Beſchluß.) Im Thale vor Icononzo iſt der Sandſtein aus zwey verſchiedenen Felsarten zuſammengeſetzt. Ein ſehr kompakter und quarziger Sandſtein, mit wenig Cement und beynahe ganz ohne Schichtenſpaltungen, ruht auf ſehr feinkoͤrnigem und in unzaͤhlige ſehr kleine und beynahe horizontale Lagen getheiltem Sandſteinſchiefer. Man darf annehmen, daß die kompakte und quarzige Lage bey der Bildung der Kluft der Gewalt, welche dieſe Gebirge zerriß, widerſtanden hat, und daß nur die ununterbrochene Fortſetzung dieſer Lage die Bruͤcke ausmacht, auf welcher man von einem Theile des Thals nach dem andern gelangt. Dieſer natuͤrliche Bogen hat 14 [Formel] Meter Laͤnge, und 12 M. 7 Breite. Seine Dicke iſt im Mittelpunkte 2 M. 4. Durch ſehr ſorgfaͤltige Verſuche, die wir mit dem Falle von Koͤrpern angeſtellt, und vermittelſt eines Chronometers von Berthoud, haben wir die Hoͤhe der obern Bruͤcke uͤber der Waſſerflaͤche des Waldſtroms zu 97 M. 7 herausgebracht. Ein ſehr aufgeklaͤrter Mann, Don Jorge Lozano, welcher ein angenehmes Landgut in dem ſchoͤnen Thale von Fuſagaſuga beſitzt, hatte ſchon vor uns dieſe Hoͤhe mit dem Senkbley gemeſſen, und ſie von hundert und zwoͤlf Varas (93 M. 4) gefunden, ſo daß die Tiefe des Stroms bey mittlerm Waſſerſtande ſechs Meter zu ſeyn ſcheint. Die Indianer von Pandi haben zur Sicherheit der Reiſenden, welche in dieſem oͤden Lande indeß ſehr ſelten ſind, eine kleine Balluſtrade von Rohren angelegt, die ſich gegen den Weg, der nach der obern Bruͤcke fuͤhrt, verlaͤngert. Zehn Toiſen unter dieſer erſten natuͤrlichen Bruͤcke befindet ſich eine andere, zu der wir auf einem engen Pfade, welcher an dem Rande der Kluft hinabſteigt, gefuͤhrt wurden. Drey ungeheure Felſenmaſſen fielen naͤmlich gerade ſo, daß eine die andre ſtuͤtzt. Die in der Mitte bildet den Schlußſtein des Gewoͤlbes, und dieſer Zufall haͤtte bey den Eingebornen leicht die Idee von Bogenmauerwerk erwecken koͤnnen, das den Voͤlkern der neuen Welt eben ſo unbekannt war, als den alten Bewohnern von Egypten. (Zoega de Obeliscis, S. 407.) Indeß will ich nicht entſcheiden, ob dieſe Bruchſteine von fernher geſchleudert worden, oder ob ſie blos Fragmente eines zum Theil zerſtoͤrten Bogens ſind, welcher urſpruͤnglich der obern natuͤrlichen Bruͤcke aͤhnlich war. Letztere Vermuthung wird durch einen analogen Zufall in dem Koloſſeum zu Rom wahrſcheinlich, wo man an einer halb zuſammengeſtuͤrzten Mauer mehrere Steine bemerkt, die in ihrem Falle dadurch aufgehalten wurden, daß ſie im Sturze zufaͤlliger Weiſe ein Gewoͤlbe bildeten. Mitten in der zweyten Bruͤcke von Icononzo befindet ſich ein Loch von mehr als acht Quadratmetern Umfang, durch welches man in den Abgrund hinabſehen kann, und wo wir auch unſre Verſuche uͤber den Fall der Koͤrper angeſtellt haben. Der Strom ſcheint in einer finſtern Hoͤhle zu fließen, und das klaͤgliche Geraͤuſch, das man hoͤrt, ruͤhrt von einer Menge Nachtvoͤgel her, welche die Kluft bewohnen, und die man im Anfange gern fuͤr die gigantiſchen Fledermaͤuſe halten moͤchte, die in den Aequinoctial- Gegenden ſo bekannt ſind. Man ſieht hier zu Tauſenden uͤber dem Waſſer flattern. Indeß haben uns die Indianer verſichert, daß dieſe Voͤgel von der Groͤße eines Huhns ſind, Eulenaugen und einen gekruͤmmten Schnabel haben. Man nennt ſie Cacas, und die Einfoͤrmigkeit der Faͤrbung ihres Gefieders, das ein braͤunliches Grau iſt, macht mich glauben, daß ſie nicht zu dem Geſchlechte des Caprimulgus gehoͤren, deſſen Gattungen auf den Cordilleren in ſo vieler Mannigfaltigkeit vorhanden ſind. Wegen der Tiefe des Thals iſt es unmoͤglich, ihrer habhaft zu werden, und wir konnten ſie nicht anders unterſuchen, als daß wir Feuerbraͤnde in die Kluͤfte warfen, um ihre Waͤnde zu erhellen. Die Hoͤhe der natuͤrlichen Bruͤcke von Icononzo uͤber dem Meeres-Spiegel iſt achthundert drey und neunzig Meter (458 Toiſen). In den Gebirgen von Virginien, und zwar in der Grafſchaft Rock-Bridge, iſt ein aͤhnliches Phaͤnomen, wie die obere Bruͤcke, die wir eben beſchrieben haben. Es wurde von Hrn. Jefferſon mit der Sorgfalt unterſucht, welche alle Beobachtungen dieſes vortrefflichen Naturkundigen karakteriſirt. (Bemerkungen uͤber Virginien, S. 56.) Die natuͤrliche Bruͤcke von Cedar-Kreck in Virginien, iſt ein Bogen von Kalkſtein, welcher ſieben und zwanzig Meter Oeffnung hat, und ſeine Hoͤhe uͤber der Waſſerflaͤche des Stroms betraͤgt ſiebenzig Meter. Die Erdbruͤcke, (Rumichaca), die wir auf der Senkung der Porphyr-Gebirge von Chumban, in der Provinz de los Paſtos, gefunden haben; die Bruͤcke der Mutter Gottes, Dantcu genannt, bey Totonilco in Mexico, und der durchbrochene Felſen bey Grandola, in der portugieſiſchen Provinz Alentejo, ſind geologiſche Phaͤnomene, welche ſaͤmtlich mit der Bruͤcke von Icononzo einige Aehnlichkeit haben. Indeß zweifle ich, ob man bis jetzt irgendwo auf dem Globus einem ſo außerordentlichen Zufalle begegnet iſt, wie der, welcher durch drey Felsmaſſen, die ſich gegenſeitig ſtuͤtzen, ein natuͤrliches Gewoͤlbe gebildet hat. Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. (Aus Hrn. v. Humboldts hiſtoriſcher Beſchreibung ſeiner Reiſe.) Straße uͤber den Quindiu in der Cordillera der Anden. In dem Koͤnigreiche Neu-Granada vom 2° 30′ bis zum 5° 15′ der noͤrdl. Br. theilt ſich die Anden-Cordillera in drey Parallel-Ketten, von denen blos die auf beyden Seiten liegenden in ſehr betraͤchtlichen Hoͤhen mit Sandſtein und andern ſekondaͤren Bildungen bedeckt ſind. Die oͤſtliche Kette ſcheidet das Thal des Magdalenen-Fluſſes von den Ebenen des Rio Meta. Auf ihrem weſtlichen Abhange befinden ſich die natuͤrlichen Bruͤcken von Icononzo, welche wir ſchon fruͤher beſchrieben haben. Ihre hoͤchſten Gipfel ſind der Paramo de la ſumma Paz, der von Chingaſa, und die Cerras de San- Fernando und von Tuquillo. Indeß erhebt ſich keine bis zur Region des ewigen Schnees, und ihre mittlere Hoͤhe betraͤgt 4000 Meter, alſo 564 Meter mehr, als das hoͤchſte Gebirg in den Pyrenaͤen. Die Central-Kette theilt ihre Waſſer zwiſchen dem Baſſin des Magdalenen-Fluſſes und dem des Rio Canca. Oft erreicht ſie die Region des ewigen Schnees, und uͤberſchreitet ſie ſehr anſehnlich in den koloſſalen Gipfeln des Guanacas, des Baragan, und des Quindiu, welche ſich fuͤnf bis ſechsthalbtauſend Meter uͤber den Meeresſpiegel erheben. Beym Aufgang und Untergang der Sonne gewaͤhrt dieſe Central-Kette den Bewohnern von Santa-Fe ein praͤchtiges Schauſpiel, und erinnert, nur mit weit impoſantern Dimenſionen, an die Alpenanſichten in der Schweiz. Die weſtliche Kette der Anden trennt das Thal des Cauca von der Provinz Choco und den Kuͤſten des Suͤd- Meeres. Ihre Hoͤhe betraͤgt kaum 1500 Meter, und ſie ſenkt ſich zwiſchen den Quellen des Rio Atracto und des Rio San-Juan ſo ſtark, daß man ihre Verlaͤngerung gegen den Isthmus von Panama nur mit Muͤhe verfolgen kann. Dieſe drey Gebirgsketten treffen nordwaͤrts unter dem Parallelkreiſe von Muzo und Antioquia dem 60 und 70 der noͤrdl. Br. zuſammen. Auch bilden ſie im Suͤden von Popayan in der Provinz Paſto eine einzige Gruppe, eine Maſſe. Uebrigens muß man ſie ja mit der Eintheilung der Cordilleren nicht verwechſeln, wie ſie Bouguer und La Condamine im Koͤnigreiche Quito vom Aequator bis zum 2° der ſuͤdl. Br. beobachtet haben. Die Stadt Santa Fe de Bogota, die Hauptſtadt von Neu-Granada, liegt weſtlich von dem Paramo von Chingaſa auf einem Plateau, das ſich in einer abſoluten Hoͤhe von 2650 Metern auf dem Ruͤcken der oͤſtlichen Cordillera hinzieht. Dieſe beſondere Geſtaltung der Anden macht, daß man, um von Santa-Fe nach Popayan und an die Ufer des Cauca zu kommen, entweder uͤber Meſa oder uͤber Tocayma oder uͤber die natuͤrlichen Bruͤcken von Icononzo von der oͤſtlichen Kette herabſteigen , das Thal des Magdalenen-Fluſſes durchſchneiden, und die Central-Kette paſſiren muß. Die geſuchteſte Straße iſt indeß die vom Paramo de Guanacas, welche Bouguer auf ſeiner Ruͤckkehr von Quito nach dem amerikaniſchen Carthagena beſchrieben hat. Auf dieſem Wege legt der Reiſende den Kamm der Central-Cordillera mitten in einem bewohnten Lande in einem Tage zuruͤck. Indeß habe ich dieſer Straße die uͤber das Quindiu- oder Quindio-Gebirge zwiſchen den Staͤdten Ihague und Carthago vorgezogen. Ich habe dieſe geographiſchen Beſtimmungen fuͤr unerlaͤßlich gehalten, um die Lage eines Ortes kennbar zu machen, den man auf den beſten Karten vom mittaͤglichen Amerika, wie z. B. auf der von La Cruz, vergeblich ſuchen wuͤrde. Das Quindiu-Gebirg (Br. 4° 36′, Laͤnge 5° 12′) wird als die beſchwerlichſte Straße in der Cordillera der Anden angeſehn. Es iſt ein dichter, voͤllig unbewohnter Wald, den man auch in der beſten Jahreszeit nicht ſchneller als in zehen oder zwoͤlf Tagen zuruͤcklegt. Hier findet man keine Huͤtte, keine Lebensmittel, und die Reiſenden verſehen ſich in jeder Jahrszeit auf einen ganzen Monat mit Vorraͤthen, weil es nur zu oft geſchieht, daß ſie durch das Schmelzen des Schnees und das ploͤtzliche Anſchwellen der Giesbaͤche ſo ſehr abgeſchnitten werden, daß ſie weder auf der Seite von Carthago noch auf der von Ibague herabkommen koͤnnen. Der hoͤchſte Punkt des Weges, die Garita del Paramo, liegt 3505 Meter uͤber der Flaͤche des Ozeans. Da der Fuß des Gebirges gegen die Ufer des Cauca hin nicht uͤber 963 Meter erhaben iſt, ſo genießt man daſelbſt im Durchſchnitte ein ſehr mildes und gemaͤßigtes Klima. Der Pfad uͤber die Cordillera iſt ſo eng, daß ſeine gewoͤhnliche Breite nicht uͤber 3 bis 4 Decimeter betraͤgt, und er groͤßtentheils einer offenen, durch den Felſen gehauenen Galerie aͤhnlich iſt. In dieſem Theile der Anden iſt der Fels, wie beynahe faſt uͤberall, mit einer dicken Thonlage bedeckt. Die Waſſerbaͤche, welche von dem Gebirge herabfließen, haben Schluchten von 6 bis 7 Meter Tiefe ausgeſpuͤhlt. Dieſe Schluchten, in denen ſich der Weg fortzieht, ſind mit Moraſt angefuͤllt, und ihre Dunkelheit wird noch durch die dichte Vegetation, welche ihren Rand einfaßt, vermehrt. Die Ochſen, deren man ſich in dieſen Gegenden gemeiniglich als Saumthiere bedient, kommen nur mit groͤßter Muͤhe in dieſen Galerien fort, welche bis auf 2000 Meter Laͤnge haben. Hat man das Ungluͤck, ſolchen Saumthieren zu begegnen, ſo iſt kein anderes Mittel, ihnen aus dem Wege zu gehen, als den Pfad wieder zuruͤck zu wandeln, oder auf die Erdmauer zu ſteigen, welche die Schlucht einfaßt, und ſich da an den Wurzeln feſtzuhalten, die von dem Baumwerke der Hoͤhen hervorragen. Als wir im Monate Oktober 1801 zu Fuß und mit zwoͤlf Ochſen, welche unſre Inſtrumente und Sammlungen trugen, das Quindiu-Gebirge bereisten, litten wir ſehr viel durch die beſtaͤndigen Platzregen, denen wir die drey oder vier letzten Tage bey unſrem Herabſteigen von dem weſtlichen Abhange der Cordillera ausgeſetzt waren. Der Weg fuͤhrt durch ein ſumpfiges, mit Bambusſchilf bedecktes Land. Die Stacheln, womit die Wurzeln dieſer gigantesken Grasart bewaffnet ſind, hatten unſre Fußbekleidung ſo ſehr zerriſſen, daß wir genoͤthigt waren, wie alle Reiſende, die ſich nicht von Menſchen auf dem Ruͤcken tragen laſſen wollen, barfuß zu gehen. Dieſer Umſtand, die beſtaͤndige Feuchtigkeit, die Laͤnge des Weges, und die Muskelkraft, welche man, um auf dichtem und ſchlammigem Thone zu gehen, anwenden muß, und die Nothwendigkeit, durch ſehr tiefe Gießbaͤche von aͤußerſt kaltem Waſſer zu waten, machen dieſe Reiſe gewiß aͤußerſt beſchwerlich; aber in ſo hohem Grade ſie das auch iſt, ſo hat ſie doch keine der Gefahren, womit die Leichtglaͤubigkeit des Volks die Reiſenden ſchreckt. Der Pfad iſt freylich ſchmal, aber die Stellen ſind ſehr ſelten, wo er an Abgruͤnden wegfuͤhrt. Da die Ochſen immer ihre Beine in dieſelben Fußſtapfen ſtellen, ſo bildet ſich dadurch eine Reihe von kleinen Graͤben, welche den Weg durchſchneiden, und zwiſchen denen eine ſehr enge Erderhoͤhung ſich anſetzt. Bey ſtarkem Regen ſtehen dieſe Daͤmme unter dem Waſſer, und der Gang des Reiſenden wird nun doppelt unſicher, da er nicht weiß, ob er auf den Damm oder in den Graben ſeinen Fuß ſetzt. (Der Beſchluß folgt.) Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. Straße uͤber den Quindiu in der Cordillera der Anden. (Beſchluß.) Da nur wenige wohlhabende Perſonen in dieſen Klimaten die Gewohnheit haben, 15 bis 20 Tage hinter einander, und auf ſo beſchwerlichen Wegen zu Fuß zu gehen, ſo laͤßt man ſich von Menſchen tragen, welche ſich einen Seſſel auf den Ruͤcken gebunden haben, indem es beym gegenwaͤrtigen Zuſtande der Straße uͤber den Quindiu unmoͤglich waͤre, ſie auf Mauleſeln zuruͤckzulegen. Man ſpricht daher in dieſem Lande von Reiſen auf dem Ruͤcken eines Menſchen (andar en carguero), wie man anderwaͤrts von einer Reiſe zu Pferd redet. Auch verbindet man gar keine erniedrigende Vorſtellung mit dem Gewerbe der Cargueros, und die, welche es treiben, ſind keine Indianer, ſondern Metis, und manchmal ſogar Weiſſe. Oft hoͤrt man mit Erſtaunen nakte Menſchen, welche dieſes in unſern Augen ſo entehrende Handwerk treiben, mitten im Walde ſich herumſtreiten, weil der eine dem andern, welcher eine weiſſere Haut zu haben behauptet, die hochtoͤnenden Titel Don und Sa Merced verweigert. Die Cargueros tragen gewoͤnlich 6 bis 7 Arrobas (75 bis 80 Kilogramme); und manche ſind ſo ſtark, daß ſie bis auf 9 Arrobas aufladen. Bedenkt man die ungeheure Anſtrengung dieſer Ungluͤcklichen, welche oft 8 bis 9 Stunden machen muͤſſen, die ſie taͤglich in dem Gebirgslande zuruͤcklegen; weiß man, daß ihr Ruͤcken manchmal wund gedruͤkt wird, wie der Ruͤcken der Saumthiere, und die Reiſenden oft grauſam genug ſind, ſie, wenn ſie krank werden, mitten im Walde liegen zu laſſen; weiß man uͤberdies, daß ſie auf einer Reiſe von Ibague nach Carthago, in einer Zeit von 15, und ſelbſt von 25 bis 30 Tagen, nicht mehr als 12 bis 14 Piaſter (60 bis 70 Fr.) gewinnen, ſo begreift man kaum, wie alle ſtarke, junge Leute, die am Fuß dieſer Gebirge wohnen, dieſes Gewerbe der Cargueros, eines der muͤhſeligſten von allen, denen ſich die Menſchen ergeben, freywillig waͤhlen koͤnnen. Allein der Hang zu einem freyen, herumſtreifenden Leben und die Idee einer gewiſſen Unabhaͤngigkeit in den Waͤldern laſſen ſie dieſe beſchwerliche Beſchaͤftigung den monotonen und Sitz- Arbeiten der Staͤdte vorziehen. Indeß iſt der Weg uͤber das Quindiu-Gebirge nicht die einzige Gegend im ſuͤdlichen Amerika, wo man auf dem Ruͤcken von Menſchen reist. Die ganze Provinz von Antioquia z. B. iſt mit Gebirgen umgeben, uͤber welche ſo ſchwer zu kommen iſt, daß diejenigen, die ſich der Geſchicklichkeit eines Carguero nicht anvertrauen wollen, und nicht ſtark genug ſind, um den Weg von Santa-Fe de Antioquia nach der Boca de Nares, oder nach dem Rio Samana zu Fuß zu machen, dieſes Land gar nicht verlaſſen koͤnnen. Ich habe einen Bewohner dieſer Provinz gekannt, deſſen Koͤrperumfang ungewoͤhnlich groß war. Er hatte nur zwey Metis gefunden, welche im Stande waren, ihn zu tragen, und er haͤtte unmoͤglich wieder nach Hauſe zuruͤckkehren koͤnnen, wenn dieſe beyden Cargueros waͤhrend ſeines Aufenthalts an den Ufern des Magdalenenfluſſes in Mompox oder in Honda geſtorben waͤren. Der jungen Leute, die ſich im Choco, in Ibague und in Medellin als Laſtthiere gebrauchen laſſen, ſind ſo viele, daß man oͤfter ganzen Reihen von 50 bis 60 begegnet. Als man vor einigen Jahren den Plan hatte, den Gebirgsweg von dem Dorfe Nares nach Antioquia fuͤr die Maulthiere zu bahnen, ſo machten die Cargueros in aller Form Vorſtellungen gegen die Verbeſſerung der Straße, und die Regierung war ſchwach genug, ihren Einwendungen zu willfahren. Indeß muß hier auch bemerkt werden, daß die mexikaniſchen Bergwerke eine Menſchenklaſſe enthalten, die keine Beſchaͤftigung hat, als — Andre auf ihrem Ruͤcken zu tragen. In dieſen Klimaten ſind die Weiſſen ſo traͤge, daß jeder Bergwerksdirektor einen oder zween Indianer in ſeinem Solde hat, welche ſeine Pferde (cavallitos) heißen, weil ſie ſich alle Morgen ſatteln laſſen, und auf einen kleinen Stock geſtuͤtzt, und mit vorgeworfenem Koͤrper ihren Herrn von einem Theile des Bergwerks nach dem andern tragen. Unter den Cavallitos und Cargueros unterſcheidet und empfielt man den Reiſenden diejenigen, die ſichere Fuͤſſe und einen ſanften, gleichen Schritt haben, und es thut einem recht wehe, von den Eigenſchaften eines Menſchen in Ausdruͤcken reden zu hoͤren, mit welchen man den Gang der Pferde und Maulthiere bezeichnet. Diejenigen, welche ſich auf dem Seſſel eines Carguero tragen laſſen, muͤſſen mehrere Stunden hintereinander unbeweglich und ruͤckwaͤrts den Koͤrper geſenkt daſitzen. Die geringſte Bewegung wuͤrde den, der ſie traͤgt, ſtuͤrzen machen, und ein Sturz iſt hier um ſo gefaͤhrlicher, da der Carguero, in zu großem Vertrauen auf ſeine Geſchicklichkeit, oft die ſteilſten Abhaͤnge waͤhlt, oder auf einem ſchmalen und glitſchigen Baumaſte uͤber einen Waldſtrom ſetzt. Indeß ſind Ungluͤcksfaͤlle ſehr ſelten, und muͤſſen, wo ſie auch geſchehen ſind, der Unklugheit der Reiſenden beygemeſſen werden, welche, durch einen Mißtritt ihres Carguero erſchreckt, von ihrem Seſſel herabgeſprungen ſind. Iſt man in Ibaque angekommen, und ruͤſtet ſich zu der Reiſe uͤber den Quindiu, ſo laͤßt man in den benachbarten Gebirgen einige hundert Vijao-Blaͤtter ſchneiden, eine Pflanze aus der Familie der Piſangs, welche ein neues, an das des Thalia graͤnzendes, Geſchlecht bildet, und die man ja nicht mit der Heliconia Bihai verwechſeln darf. Dieſe Blaͤtter, welche haͤutig und glaͤnzend ſind, wie die des Muſa, haben eine ovale Form, 54 Centimeter (20 Zoll) Laͤnge, und 37 Centimeter (14 Zoll ) Breite. Ihre untere Flaͤche iſt ſilberweiß, und mit einer mehligen Materie bedeckt, die ſich ſchuppenweiſe abloͤst. Dieſer eigenthuͤmliche Firniß macht, daß ſie dem Regen lange widerſtehen koͤnnen. Sammelt man ſie, ſo macht man einen Einſchnitt in die Haupt-Rippe, welcher die Stelle des Hacken vertritt, an den man ſie aufhaͤngt, wenn man das tragbare Dach aufrichtet; dann dehnt man ſie aus, und rollt ſie ſorgfaͤltig zu einem cylinderfoͤrmigen Packe zuſammen. Um eine Huͤtte, in welcher 6 bis 8 Perſonen ſchlafen koͤnnen, zu bedecken, braucht man 50 bis 60 Kilogramme Blaͤtter. Kommt man mitten in den Waͤldern auf eine Stelle, wo der Boden trocken iſt, und man die Nacht zubringen will, ſo hauen die Cargueros einige Baumaͤſte, die ſie in Form eines Zelts zuſammenſtellen. In einigen Minuten iſt dieſes leichte Gebaͤlke mit Lianen- und Agaven-Faſern, die 3 bis 4 Decimeter von einander parallel laufen, in Quadrate getheilt. Waͤhrend dieſer Zeit hat man den Pak von Vijao-Blaͤttern auseinander gerollt, und mehrere Perſonen ſind beſchaͤftigt, ſie an dem Gegitter zu befeſtigen, das ſie am Ende wie die Dachziegel bedecken. Dergleichen Huͤtten ſind ſehr friſch und bequem, ob man ſie gleich in groͤßter Eile auſfuͤhrt. Bemerkt der Reiſende bey Nacht, daß der Regen eindringt, ſo zeigt er nur die Stelle, welche tropft, und ein einziges Blatt hilft dem Uebelſtande ab. Wir brachten im Thale von Boquia mehrere Tage unter einem ſolchen Blaͤtterzelt, ohne naß zu werden, zu, obgleich der Regen ſehr ſtark, und beynahe unaufhoͤrlich war. Das Quindiu-Gebirg iſt eine der reichſten Gegenden an nuͤzlichen und merkwuͤrdigen Pflanzen. Hier fanden wir den Palmbaum (Ceroxylon andicola), deſſen Stamm mit vegetabiliſchem Wachs bedeckt iſt; Paſſionsblumen in Baͤumen, und die praͤchtige Mutisia grandiflora, deren ſcharlachrothe Blumen 16 Centimeter (6 Zoll) lang ſind. Die Wachs- Palme erreicht die ungeheure Hoͤhe von 58 Meter, oder 180 Fuß, und der Reiſende erſtaunt, eine Pflanze aus dieſem Geſchlechte unter einer beynahe kalten Zone, und uͤber 2800 Meter uͤber der Meeresflaͤche zu finden. (Siehe mein Essai sur la géographie des plantes, S. 59, und mein Recueil d’observations astronomiques, B. II, S. 21, die Plantes équinoxiales décrites et publiées par M. Bonpland, B. I, S. 3, 76 u. 177, Pl. I, XXI u. L.) Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. Die Kaskade von Tequendama. Das Plateau, auf welchem die Stadt Santa-Fe de Bogota liegt, hat in mehrern Zuͤgen Aehnlichkeit mit demjenigen, auf welchem ſich die mexikaniſchen Seen befinden. Beyde ſind hoͤher als das Kloſter auf dem Sankt Bernhard, und zwar iſt das erſte 2660 Meter (1365 Toiſen) und das zweyte 2277 Meter (1168 Toiſen) uͤber dem Meeresſpiegel erhaben. Das Thal von Mexiko iſt mit einer Cirkelmauer von Porphyr-Gebirgen umgeben, und in ſeiner Mitte mit Waſſer bedeckt, indem keiner der vielen Gießbaͤche, die ſich in dieſes Thal herabſtuͤrzen, ehe die Europaͤer den Kanal von Huehuetoca gegraben hatten, in dem ſelben einen Ausfluß fand. Das Plateau von Bogota iſt gleichermaßen mit hohen Gebirgen eingefaßt, und der wagerechte Zuſtand ſeines Bodens, ſeine geologiſche Beſchaffenheit, die Form der Felſen von Suba und Facataliva, die ſich wie Eilande in der Mitte der Steppen erheben, alles ſcheint hier das ehemalige Daſeyn eines Sees zu verrathen. Der Fluß Funzha, welcher gewoͤhnlich Rio de Bogota heißt, hat ſich, nachdem er alle Waſſer des Thals aufgenommen, durch die Gebirge, die ſuͤdweſtlich von der Stadt Santa-Fe liegen, ein Bette gebrochen. Bey der Paͤchterey Tequendama verlaͤßt er das Thal, und ſtuͤrzt ſich durch eine enge Oeffnung in eine Kluft, die ſich gegen das Baſſin des Magdalenen- Fluſſes herabzieht. Verſuchte man es, dieſe Oeffnung, die einzige in dem Thale von Bogota, zu verſchließen, ſo wuͤrden dieſe fruchtbaren Ebenen ſehr bald in einen See, welcher den mexikaniſchen Seen aͤhnlich waͤre, verwandelt ſeyn. Es iſt gar nicht ſchwer, den Einfluß zu entdecken, welchen dieſe geologiſchen Thatſachen auf die Traditionen der alten Bewohner der Gegenden gehabt haben. Indeß wollen wir nicht entſcheiden, ob der Anblick dieſer Orte ſelbſt bey Voͤlkern, welche von der Civiliſation nicht mehr ſehr fern waren, auf Hypotheſen uͤber die erſten Revolutionen des Globus geleitet hat, oder ob die großen Ueberſchwemmungen im Thale von Bogota neu genug geweſen ſind, um ſich im Andenken der Menſchen zu erhalten. Ueberall vermiſchen ſich hiſtoriſche Ueberlieferungen mit religioͤſen Meinungen; und es iſt merkwuͤrdig, hier an diejenigen zu erinnern, welche der Eroberer dieſes Landes, Gonzalo Ximenez de Queſada, als er zuerſt in die Gebirge von Cundinamarca eindrang, unter den Muyscas-, Panchas- und Natagaymas-Indianern verbreitet gefunden hat. (Siehe Lucas Fernandez Piedrahita, Obispo de Panama, Historia general del nuevo Reyno de Grenada, S. 17, ein Werk, das nach Queſada’s Handſchriften ausgearbeitet iſt.) In den aͤlteſten Zeiten, ehe noch der Mond die Erde begleitete, erzaͤhlt die Mythologie der Muyscas- oder Mozcas-Indianer, lebten die Bewohner des Plateau von Bogota als Barbaren, nackt, ohne Ackerbau, ohne Geſetze und ohne Religion. Ploͤtzlich erſchien aber ein Greis unter ihnen, welcher aus den Ebenen oͤſtlich von der Cordillera von Chingaſa kam, und von einer andern Race zu ſeyn ſchien, als der der Eingebornen, indem er einen langen ſtarken Bart trug. Er war unter drey verſchiedenen Namen bekannt, naͤmlich als Bochica, Nemquetheba und Zuhé. Dieſer Greis lehrte die Menſchen, gleich Manco-Capac, ſich zu bekleiden, Huͤtten zu bauen, die Erde zu bearbeiten, und ſich in Geſellſchaft zu vereinigen. Bey ſich hatte er eine Frau, welcher die Tradition gleichfalls die Namen gibt, und zwar Chia, Yubecayguaya und Huythaca. Dieſes Weib, das außerordentlich ſchoͤn, aber auch eben ſo boshaft war, arbeitete ihrem Manne in Allem, was er zum Gluͤcke der Menſchen unternahm, entgegen. Durch ihre Zauberkuͤnſte machte ſie den Fluß Funzha anſchwellen, deſſen Waſſer das Thal von Bogota uͤberſchwemmten. In dieſer Fluth kamen die meiſten Einwohner um, und nur einige retteten ſich auf die Spitze der benachbarten Gebirge. In ſeinem Zorne hieruͤber verjagte der Greis die ſchoͤne Huythaca weit von der Erde; ſie wurde zum Mond, der von da an unſern Planeten bey Nacht beleuchtet. Endlich zerriß Bochica, ſich der auf den Gebirgen umherirrenden Menſchen erbarmend, mit maͤchtiger Hand die Felſen, welche das Thal auf der Seite von Canoas und Tequendama ſchließen, ließ die Waſſer des Sees von Funzha durch dieſe Oeffnung abfließen, vereinigte die Voͤlker aufs Neue im Thal von Bogota, baute Staͤdte, fuͤhrte die Anbetung der Sonne ein, ernannte Oberhaͤupter, unter welche er die geiſtliche und weltliche Macht vertheilte, und zog ſich am Ende unter dem Namen Idacanzas in das heilige Thal von Iraca bey Tunja zuruͤck, wo er in Uebungen der ſtrengſten Buße noch uͤber 2000 Jahre lang fortlebte. Reiſende, welche die impoſante Lage der großen Kaskade des Tequendama geſehen haben, werden ſich nicht wundern, daß rohe Voͤlker dieſen Felſen, welche wie von Menſchenhaͤnden durchgehauen ſcheinen, dieſem engen Schlunde, in den ſich ein Fluß ſtuͤrzt, der alle Waſſer des Thals von Bogota aufnimmt, dieſen Regenbogen, die in den ſchoͤnſten Farben glaͤnzen, und jeden Augenblick ihre Form veraͤndern, dieſer Dunſtſaͤule, die ſich wie eine dicke Wolke erhebt, und die man in einer Entfernung von 5 Meilen bey einem Spaziergange um die Stadt Santa-Fe noch erkennt: daß ſie allem dieſem einen wunderbaren Urſprung gegeben haben. Von ſolchem majeſtaͤtiſchem Schauſpiel kann ein Kupferſtich nur eine ſchwache Vorſtellung geben; denn, wenn es ſchwer iſt, die Schoͤnheiten einer Kaskade zu beſchreiben, ſo iſt es noch weit ſchwerer, ſie in einer Zeichnung fuͤhlbar zu machen. Der Eindruck, den ſie auf die Seele des Beobachters machen, haͤngt von mehrern Umſtaͤnden ab. Die Waſſermaſſe, die ſich herabſtuͤrzt, muß in richtigem Verhaͤltniſſe zur Hoͤhe ihres Falls ſeyn, und die ſie umgebende Gegend einen romantiſchen wilden Karakter haben. Die Piſſevache und der Staubbach in der Schweiz haben eine ſehr große Hoͤhe, aber ihre Waſſermaſſe iſt unbetraͤchtlich. Der Niagara- und der Rhein-Fall hingegen zeigen eine ungeheure Waſſermaſſe, aber ihr Fall iſt nicht uͤber 50 Meter Hoͤhe. Eine Kaskade, die mit nur wenig erhabenen Huͤgeln umgeben iſt, macht weniger Wirkung, als die Waſſerfaͤlle, die man in den tiefen Thaͤlern der Alpen, der Pyrenaͤen, und beſonders der Anden-Cordillera ſieht. Außer der Hoͤhe und dem Umfange der Waſſerſaͤule und außer der Geſtaltung des Bodens und dem Anblicke der Felſen gibt die Kraft und die Form der Baͤume und der Graspflanzen, ihre Vertheilung in Gruppen oder einzelne Straͤuße, und der Kontraſt zwiſchen den Steinmaſſen und der friſchen Vegetation, ſolchen großen Naturſcenen einen beſondern Karakter. So wuͤrde der Sturz des Niagara noch weit ſchoͤner ſeyn, wenn ſeine Umgebungen, ſtatt ſich unter einer noͤrdlichen Zone in der Gegend der Pinien und Eichen zu befinden, mit Heliconia, Palmen und baumartigem Farrenkraut geſchmuͤckt waͤren. (Der Beſchluß folgt.) Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. Die Kaskade von Tequendama. (Beſchluß.) Der Fall (Salto) des Tequendama vereinigt Alles, was eine Gegend im hoͤchſten Grade mahleriſch machen kann. Indeß iſt er nicht die hoͤchſte Kaskade auf der Erde, wie man im Lande ſelbſt glaubt, (Piedrahita, S. 19. Julian, la Perla de la America, provincia de Santa Martha, 1787, S. 9.) und wie es die Phyſiker in Europa wiederholt haben (Gehler phyſikaliſches Woͤrterbuch, V. IV, S. 655). Der Fluß ſtuͤrzt ſich nicht, wie Bouguer ſagt, (Figure de la terre, S. 92.) in einen Abgrund von fuͤnf bis ſechshundert Meter perpendikulaͤrer Tiefe; aber es wird kaum eine Kaskade geben, welche bey einer ſo anſehnlichen Fallhoͤhe eine ſo große Waſſermaſſe enthaͤlt. Der Rio de Bogota hat, nachdem er die Suͤmpfe zwiſchen den Doͤrfern Facativa und Fontibon getraͤnkt, noch bey Canoas, etwas uͤber dem Salto, eine Breite von vier und vierzig Metern, und iſt alſo halb ſo breit, als die Seine in Paris zwiſchen dem Louvre und dem Palais des arts. Nahe bey dem Waſſerfalle ſelbſt, wo die Kluft, die durch ein Erdbeben gebildet zu ſeyn ſcheint, nur zehn bis zwoͤlf Meter Oeffnung hat, verengt ſich der Fluß ſehr. Aber auch zur Zeit der Duͤrre hat die Waſſermaſſe, die ſich in zwey Streifen hundert und fuͤnf und ſiebenzig Meter tief herabſtuͤrzt, ein Profil von neunzig Quadrat-Metern. Auf der Zeichnung dieſer Kaskade hat man zwey Maͤnner als Masſtab fuͤr die Geſammt-Hoͤhe des Salto angebracht. Der Punkt, auf welchem ſie am obern Rande ſtehen, iſt zwey tauſend vierhundert ſieben und ſechszig Meter uͤber den Meeresſpiegel erhaben. Von dieſem Punkte bis an den Magdalenen-Strom hat der kleine Fluß Bogota, welcher am Fuße der Kaskade die Namen Rio de la Meſa, oder de Tocayma, oder del Collegio annimmt, noch uͤber zweytauſend einhundert Meter Fall, welches uͤber hundert und vierzig Meter auf die gewoͤhnliche Meile betraͤgt. Der Weg, welcher von der Stadt Santa-Fe nach dem Salto des Tequendama fuͤhrt, geht durch das Dorf Suacha und die große Paͤchterey Canoas, welche durch ihre ſchoͤnen Weizen-Ernten bekannt iſt. Man glaubt, daß die ungeheure Dunſtmaſſe, die ſich taͤglich aus der Kaskade erhebt, und durch den Kontakt der kalten Luft wieder niedergeſtuͤrzt wird, viel zur großen Fruchtbarkeit dieſes Theils des Plateau von Bogota beytraͤgt. In einer kleinen Entfernung von Canoas, auf der Hoͤhe von Chipa, genießt man eine praͤchtige Ausſicht, welche den Reiſenden durch die Kontraſte, die ſie darſtellt, in Erſtaunen ſetzt. Man hat ſo eben die mit Weizen und Gerſte bebauten Felder verlaſſen, ſieht nun, außer den Aralia’s, der Alstonia theaeformis, den Begonia und den gelben Fieberrinden-Baum, (Cinchona cordifolia, Mut.) Eichen, Ulmen und andre Pflanzen um ſich her, deren Wuchs an europaͤiſche Vegetation erinnert, und entdeckt, wie von einer Terraſſe herab, ſo zu ſagen zu ſeinen Fuͤßen, ein Land, wo Palmen, Piſangs und Zucker- Rohr wachſen. Da die Kluft, in welche ſich der Rio de Bogota ſtuͤrzt, an die Ebenen der heiſſen Region (tierra caliente) ſtoͤßt, ſo haben ſich einige Palmen bis an den Fuß der Kaskade herangemacht. Wegen dieſes beſondern Umſtandes ſagen die Bewohner von Santa-Fe, der Fall des Tequendama ſey ſo hoch, daß das Waſſer in Einem Sprunge aus dem kalten Lande (terra fria) in das heiße ſtuͤrze. Indeß ſieht man wol, daß eine Hoͤhen-Verſchiedenheit von blos hundert fuͤnf und ſiebenzig Metern nicht hinlaͤnglich iſt, um eine fuͤhlbare Veraͤnderung in der Luft-Temperatur hervorzubringen. Wirklich bewirkt die Hoͤhe des Bodens den Kontraſt zwiſchen der Vegetation des Plateau von Canoas und der in der Kluft nicht; denn wenn der Fels von Tequendama, welcher ein Sandſtein auf einer Thon-Baſis iſt, nicht ſo ſchroff abgeſchnitten, und das Plateau von Canoas eben ſo gut vor Wind und Wetter geſchuͤtzt waͤre, ſo haͤtten ſich die Palmbaͤume, welche am Fuße der Kaskade wachſen, gewiß ſchon an dem obern Rande des Fluſſes fortgepflanzt. Uebrigens iſt dieſe Vegetation fuͤr die Bewohner des Thals von Bogota um ſo merkwuͤrdiger, da ſie in einem Klima wohnen, wo der Thermometer ſehr oft auf den Gefrierpunkt herabſinkt. Nicht ohne Gefahr iſt es mir gelungen, Inſtrumente in die Kluft ſelbſt bis an den Fuß der Kaskade zu bringen. Auf einem engen Pfade (Camino de la Culebra), der nach der Kluft de la Povaſa fuͤhrt, braucht man drey Stunden zum Hinunterſteigen. Ungeachtet der Fluß in ſeinem Sturze eine Menge Waſſer verliert, das ſich in Duͤnſte verwandelt, ſo iſt der Strom unten dennoch ſo reißend, daß ſich der Beobachter dem Baſſin, welches ſich der Waſſerfall ausgehoͤhlt hat, auf hundert und vierzig Meter nicht naͤhern kann. Der Grund dieſer Schlucht wird nur ſchwach vom Tageslicht erleuchtet. Die Einſamkeit des Orts, der Reichthum der Vegetation und das ſchreckliche Geraͤuſch, welches man vernimmt, machen den Fuß der Kaskade des Tequendama zu einer der wildeſten Gegenden in den Kordilleren. Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. Anſicht des Chimborazo und des Carguairazo. Die Anden-Cordillera theilt ſich bald in verſchiedene Zweige, welche durch der Länge nach ſich erſtreckende Thäler von einander getrennt ſind, bald bildet ſie nur eine einzige Maſſe, welche in vulkaniſche Spitzen ausgezackt iſt. Die großen Thäler zwiſchen den beyden Seiten-Aeſten und der Central-Kette ſind Baſſins zweyer beträchtlicher Flüſſe, deren Grund noch niedriger über dem Meeresſpiegel ſteht, als das Bett der Rhone, wo ihr Waſſer das Thal von Sion in den Ober-Alpen ausgegraben hat. Reist man von Popayan ſüdwärts, ſo ſieht man auf dem dürren Plateau der Provinz de los Paſtos die drey Ketten- Glieder der Anden in einer Gruppe zuſammentreffen, welche ſich weit jenſeits des Aequators erſtreckt. Dieſe im Königreiche Quito gelegene Gruppe ſtellt von dem Fluſſe Chota an, der ſich durch Baſalt-Gebirge hinwindet, bis zum Paramo vom Aſſuay, auf welchem ſich die merkwürdigen Reſte peruaniſcher Baukunſt erheben, eine ganz eigene Anſicht dar. Die höchſten Gipfel ſtehen in zwey Reihen, die einen doppelten Kamm der Cordillera bilden, und dieſe koloſſalen, mit ewigem Schnee bedeckten Bergſpitzen haben den Operationen der franzöſiſchen Akademiker bey ihrer Meſſung des Aequatorial-Grades zu Signalen gedient. Ihre ſymmetriſche Stellung auf zwey von Norden nach Süden laufenden Linien verführte Bouguer’n ſie als zwey durch ein der Länge nach laufendes Thal getrennte Ketten-Glieder anzuſehen: Allein, was dieſer berühmte Aſtronom den Grund eines Thals nennt, iſt der Rücken der Anden ſelbſt, und ein Plateau, deſſen abſolute Höhe zweytauſend ſiebenhundert bis zweytauſend neunhundert Meter beträgt. Es iſt von Wichtigkeit, einen ſolchen doppelten Gebirgs-Kamm nicht mit einer wirklichen Verzweigung der Cordilleren zu verwechſeln. Die mit Bimsſtein bedeckte Ebene, welche den erſten Plan der Zeichnung bildet, die wir hier beſchreiben, iſt ein Theil des Plateau, welches den weſtlichen Kamm von dem öſtlichen der Anden von Quito ſcheidet. In dieſen Ebenen iſt die Bevölkerung des wunderbaren Landes vereinigt, und hier liegen die Städte, welche dreißig bis fünfzigtauſend Einwohner zählen. Hat man einige Monate auf dieſem hohen Plateau gelebt, wo ſich der Barometer immer auf 0m, 54 hält, ſo wird man von einer unwiderſtehlichen Täuſchung hingeriſſen, und vergißt es nach und nach völlig, daß Alles, was den Beobachter umgibt, daß dieſe Dörfer mit der Induſtrie eines Gebirgsvolks, dieſe mit Lama’s und europäiſchen Schafen bedeckten Weiden, dieſe mit lebendigem Gehege von Duranta und Barnadeſia eingefaßten Obſtgärten, dieſe ſorgfältig bearbeiteten und reiche Ernten verſprechenden Aecker gleichſam in die hohen Regionen der Atmoſphäre aufgeknüpft ſind; und man erinnert ſich kaum, daß der Boden, den man bewohnt, höher über den nahen Küſten des ſtillen Meeres liegt, als der Gipfel des Canigu über dem Baſſin des mittelländiſchen Meeres. Betrachtet man den Rücken der Cordilleren als eine ungeheure, von fernen Gebirgsmaſſen begränzte Ebene, ſo gewöhnt man ſich, die Ungleichheiten des Kamms der Anden als eben ſo viele iſolirte Spitzen anzuſehen. Der Pichincha, der Cayambe, der Cotopaxi, und alle dieſe vulkaniſchen Piks, welche mit eigenen Namen bezeichnet ſind, unerachtet ſie bis über die Hälfte ihrer ganzen Höhe nur eine Maſſe ausmachen, ſcheinen in den Augen der Bewohner von Quito eben ſo viele einzelne Berge, die ſich mitten auf einer waldloſen Ebene erheben, und dieſe Täuſchung wird um ſo vollſtändiger, da die Einſchnitte des doppelten Kamms der Cordilleren bis zu der Fläche der hohen bewohnten Ebenen herabreichen. Die Anden ſtellen ſich daher auch nur in großer Entfernung, wie von den Küſten des großen Oceans oder von den Steppen, welche ſich an ihrem öſtlichen Abhange hinſtrecken, als eine völlige Kette dar. Steht man hingegen auf dem Rücken der Cordilleren ſelbſt, entweder im Königreiche Quito, oder in der Provinz de los Paſtos, oder noch nördlicher im Innern von Neu-Spanien, ſo ſieht man blos einen Haufen einzelner Berggipfel und Gruppen iſolirter Gebirge, welche ſich von dem Central-Plateau losmachen; denn je größer die Maſſe der Cordilleren iſt, um ſo ſchwerer findet man es, ihren Bau und ihre Form im Ganzen aufzufaſſen. Und dennoch wird das Studium dieſer Form und dieſer Gebirgs-Phyſionomie, wenn ich den Ausdruck wagen darf, durch die Richtung der hohen Ebenen, welche den Rücken der Anden bilden, wunderbarlich erleichtert. Reist man von der Stadt Quito nach dem Paramo von Aſſuay, ſo ſieht man auf einer Länge von ſieben und dreißig Meilen nach einander weſtwärts die Spitzen des Caſitagua, Pichincha, Atacazo, Corazon, Iliniza, Carguairazo, Chimborazo und Cunambay, und gegen Oſten die Gipfel des Guamani, Antiſana, Paſſuchoa, Ruminaoi, Cotopari, Quelendanna, Tungurahua und Capa-Urcu erſcheinen, welche ſämmtlich, mit Ausnahme von dreyen oder vieren, höher ſind, als der Montblanc. Dieſe Gebirge ſtehen auf eine Weiſe da, daß ſie, vom Central-Plateau aus betrachtet, ſtatt ſich gegenſeitig zu bedecken, vielmehr in ihrer wahren Geſtalt ſich, wie auf das azurne Himmelsgewölbe gemahlt, darſtellen. Man glaubt auf einem und demſelben vertikalen Plane ihren ganzen Umriß zu ſehen; ſie erinnern an den impoſanten Anblick der Küſten von Neu-Norfolk und des Cook-Fluſſes, und gleichen einem ſchroffen Uferlande, das ſich aus dem Meere hebt, und um ſo näher ſcheint, da kein Gegenſtand zwiſchen ihm und dem Auge des Beobachters ſteht. Wie ſehr indeß der Bau der Cordilleren und die Form des Central-Plateau die geologiſchen Beobachtungen begünſtigen, und wie leicht ſie es dem Reiſenden machen, die Umriſſe des doppelten Kamms der Anden in der Nähe zu unterſuchen, ſo ſehr verkleinert die ungeheure Höhe dieſes Plateau dafür auch die Gipfel, welche, auf Inſelchen in den weiten Raum der Meere geſtellt, wie der Mowna-Roa, und der Pik von Teneriffa, durch ihre furchtbare Höhe Staunen erregen würden. Die Ebene von Tapia hat eine abſolute Höhe von zweytauſend, einhundert und ein und neunzig Metern (vierzehnhundert und drey und achtzig Toiſen); iſt alſo nur ein Sechszehentheil niedriger, als der Aetna. Der Gipfel des Chimborazo reicht ſomit blos dreytauſend ſechshundert und vierzig Meter über die Höhe dieſes Plateaus weg, und demnach vier und achtzig Meter weniger, als die Spitze des Mont-Blanc über die Priorey von Chamonix; denn die Verſchiedenheit des Chimborazo und des Mont-Blanc verhält ſich ungefähr wie jene der Höhe des Plateau von Tapia und des Grundes vom Chamonis-Thale. Auch der Gipfel des Pik von Teneriffa iſt, gegen die Lage der Stadt Orotava verglichen, höher, als der Chimborazo und der Mont-Blanc über Riobamba und Chamonix. (Der Beſchluß folgt.) Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. (Beſchluß.) Gebirge, welche uns durch ihre Höhe in Erſtaunen ſetzen würden, wenn ſie am Meeres-Ufer ſtünden, ſcheinen, auf den Rücken der Cordilleren geſtellt, bloße Hügel. Quito z. B. lehnt ſich an einen kleinen Kegel, Javirac genannt, der den Bewohnern dieſer Stadt nicht höher vorkommt, als der Mont-Martre oder die Höhen von Meudon den Pariſern; und dennoch hat er, nach meinen Meſſungen, dreytauſend einhundert und ein und zwanzig Meter (1600 Toiſen) abſolute Höhe, und erhebt ſich demnach beynahe ſo hoch, als der Gipfel des Marboré, einer der höchſten Spitzen der Pyrenäen-Kette. Neben allen Wirkungen dieſer Täuſchung, welche durch die Höhe der Plateaus von Quito, von Mutalo und von Riobamba verurſacht wird, würde man dennoch auf den Küſten oder auf dem öſtlichen Abhange des Chimborazo vergebens eine Stelle ſuchen, welche eine ſo prächtige Anſicht der Cordillera geſtattete, als ich ſie, mehrere Wochen lang, von der Ebene von Tapia aus genoſſen habe. Sieht man auf dem Rücken der Anden, zwiſchen dem doppelten Kamme, welchen die koloſſalen Spitzen des Chimborazo, des Pungurakua und des Cotopaxi bilden, ſo iſt man ihren Gipfeln immer noch nahe genug, um ſie unter ſehr anſehnlichen Höhenwinkeln zu ſehen. Steigt man aber gegen die Wälder herab, welche den Fuß der Cordilleren einſchließen, ſo werden dieſe Winkel ſehr klein; denn wegen der ungeheuren Maſſe der Gebirge entfernt man ſich, je mehr man ſich der Meeresfläche nähert, ſehr ſchnell von den Gipfeln. Ich (Humboldt) habe die Umriſſe des Chimborazo und des Carguairazo mit Anwendung derſelben geographiſchen Mittel gezeichnet, wie ich ſie bey der Beſchreibung meiner Zeichnung des Cotopaxi angegeben habe. Die Linie, welche die untern Gränze des ewigen Schnees bezeichnet, iſt immer noch etwas höher, als der Mont-Blanc; denn dieſer Berg würde unter dem Aequator blos zuweilen mit Schnee bedeckt werden. Die ſich gleich bleibende Temperatur dieſer Zone macht die Wirkung, daß die Gränze des ewigen Eiſes nicht ſo unregelmäßig iſt, wie in den Alpen und in den Pyrenäen. Auf dem nördlichen Abhange des Chimborazo, zwiſchen dieſem Berge und dem Carguairazo, zieht ſich der Weg hin, welcher von Quito nach Guayaquil gegen die Küſten des ſtillen Meeres führt. Die mit Schnee bedeckten Auswüchſe, welche ſich auf dieſer Seite erheben, erinnern durch ihre Form an die des Dome du Gouté, vom Chamonix-Thale aus betrachtet. Auf einer ſchmalen Gräthe, welche ſich auf der Süd-Seite aus dem Schnee erhebt, verſuchten wir, Hr. Bonpland, Hr. Montufar und ich, die Spitze des Chimborazos zu erreichen. Trotz des dicken Nebels und der Schwierigkeit, in der dünnen Luft Athem zu holen, brachten wir doch Inſtrumente auf eine beträchtliche Höhe. Der Punkt, wo wir ſtille hielten, um die Inklination der Magnetnadel zu beobachten, ſcheint viel höher, als alle andere, welche je von Menſchen auf Gebirgeshöhen erreicht worden ſind, und liegt eilfhundert Meter erhabener, als die Spitze des Mont-Blanc, auf die es Hrn. Sauſſure, dem gelehrteſten und beherzteſten Reiſenden, nach Beſiegung viel größerer Schwierigkeiten, als wir auf unſrer Beſteigung des Chimborazo fanden, vorzudringen gelungen iſt. Solche mühvolle Unternehmungen, deren Erzählung gewöhnlich die Aufmerkſamkeit des Publikum im höchſten Grade anzieht, werfen indeß nur wenige Reſultate für die Wiſſenſchaften ab; denn der Reiſende befindet ſich auf einem mit Schnee bedeckten Boden, in einer Schichte von Luft, deren chemiſche Miſchung der in den niedrigern Gegenden gleich kommt, und in einer Lage, wo feinere Verſuche nicht mit der nöthigen Genauigkeit angeſtellt werden können. Die noch thätigen Vulkane, welche nur einen einzigen außerordentlich weiten Krater haben, ſind koniſche Gebirge, mit mehr oder weniger abgeſtumpfter Spitze, wie der Cotopaxi, der Popocateyec und der Pik von Orizaba. Andre Vulkane, deren Gipfel ſich nach einer Menge Eruptionen geſenkt hat, ſtellen zackige Kämme, ſchiefe Spitzen, und zerbrochene, Einſturz drohende Felſen dar. Von der Art ſind z. B. der Altar, oder der Capac-Urcu, ein Gebirge, das einſt höher war, als der Chimborazo, und deſſen Zerſtörung eine, in der Natur-Geſchichte des neuen Continents merkwürdige Epoche bezeichnet; und der Carguairazo, welcher großentheils in der Nacht vom 19 Juli 1698 zuſammenſtürzte. Waſſerſtröme und Thonauswürfe brachen dazumal aus den geöffneten Seiten des Berges hervor, und machten die ihn umgebenden Gefilde unfruchtbar. Dieſe ſchreckliche Kataſtrophe war überdies von einem Erdbeben begleitet, das Tauſende von Einwohnern in den nahen Städten Hambato und Llactacunga verſchlang. Die dritte und die majeſtätiſchſte Form der hohen Anden-Gipfel iſt die des Chimborazo, deſſen Spitze abgerundet iſt. Sie erinnert an die kraterloſen Auswüchſe, welche die elaſtiſche Kraft der Dünſte in Gegenden auftreibt, wo die grottenreiche Rinde des Globus durch unterirdiſche Feuer unterminirt iſt. Die Anſicht von Granit-Gebirgen hat nur eine ſchwache Aehnlichkeit mit jener des Chimborazo. Die Granit-Gipfel ſind abgeplattete Halbkugeln, und die Trapp-Porphyrs bilden die hochauſſtrebenden Kuppeln. So ſieht man an der Küſte der Süd-See, wenn die Luft nach den langen Winterregen plötzlich durchſichtig geworden iſt, den Chimborazo, wie eine Wolke, am Himmel erſcheinen. Er hat ſich völlig von den ihm benachbarten Spitzen losgemacht, und erhebt ſich über die ganze Anden- Kette, wie jener majeſtätiſche Dom, das Werk von Michael Angelos Genie, über die antiken Denkmahle, welche das Kapitol einfaſſen.