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Alexander von Humboldt: „Pittoreske Ansichten in den Cordilleren“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1810-Pittoreske_Ansichten_in-01> [abgerufen am 26.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1810-Pittoreske_Ansichten_in-01
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Titel Pittoreske Ansichten in den Cordilleren
Jahr 1810
Ort Stuttgart; Tübingen
Nachweis
in: Morgenblatt für gebildete Stände 4:5 (5. Januar 1810), S. 17–18; 4:6 (6. Januar 1810), S. 23; 4:28 (1. Februar 1810), S. 109–110; 4:29 (2. Februar 1810), S. 115–116; 4:86 (10. April 1810), S. 341–342; 4:87 (11. April 1810), S. 346–347; 4:211 (3. September 1810), S. 841–842; 4:212 (4. September 1810), S. 847–848.
Postumer Nachdruck
Der Deutsche in der Landschaft, herausgegeben von Rudolf Borchardt, München: Verlag der Bremer Presse 1927, S. 161–166.
Entsprechungen in Buchwerken
Alexander von Humboldt, Vues des Cordillères et monumens des peuples indigènes de l’Amérique, Paris: F. Schoell 1810, S. 9–13; 13–19; 19–23; 102–107.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.3
Dateiname: 1810-Pittoreske_Ansichten_in-01
Statistiken
Seitenanzahl: 15
Spaltenanzahl: 29
Zeichenanzahl: 49326

Weitere Fassungen
Pittoreske Ansichten in den Cordilleren (Stuttgart; Tübingen, 1810, Deutsch)
Alexander von Humboldts Ansichten über Amerika, und dessen eingeborne Völkerstämme (Stuttgart; Tübingen, 1814, Deutsch)
Über Amerika und dessen eingeborne Völkerstämme (Wien, 1814, Deutsch)
View of America and its native tribes (London, 1814, Englisch)
Researches Concerning the Institutions and Monuments of the Ancient Inhabitants of America; with descriptions and views of some of the most striking scenes in the Cordilleras (London, 1815, Englisch)
Travels in South America (Ipswich, 1815, Englisch)
Ueber die Lage, Form u. s. w. des Kotopaxi, dieses kolossalen Feuerberges (Frankfurt am Main, 1817, Deutsch)
Natuurlijke brug over den Icononzo, een dal in het cordillerisch gebergte (Amsterdam, 1818, Niederländisch)
Gang der Völkercultur der neuen Welt, verglichen mit jenem europäischer Natur, Kunst und Sitte (Brünn, 1819, Deutsch)
The works of god displayed (London, 1820, Englisch)
Cotopaxi (London, 1820, Englisch)
[Über die Anden-Kordillera] (Frankfurt am Main, 1820, Deutsch)
Description of the volcano at Cotopaxi (Chillicothe, Ohio, 1821, Englisch)
Description of the volcano at Cotopaxi (Cincinnati, Ohio, 1821, Englisch)
Cotopaxi (Hartford, Connecticut, 1822, Englisch)
[Researches Concerning the Institutions and Monuments of the Ancient Inhabitants of America; with descriptions and views of some of the most striking scenes in the Cordilleras] (Boston, Massachusetts, 1822, Englisch)
Ancient mexican cities and pyramids (Shrewsbury, 1823, Englisch)
Chimborazo and Cotopaxi (London, 1823, Englisch)
Remarks on the Union of the Atlantic and Pacific Oceans, by a Canal across the Isthmus of Darien or Panama (Montreal, 1824, Englisch)
The works of God displayed in the history of Cotopaxi a mountain in South America (New York City, New York, 1825, Englisch)
Cotopaxi (Black Rock, New York, 1825, Englisch)
[Pittoreske Ansichten in den Cordilleren] (London, 1827, Englisch)
Extrait de l’ouvrage de M. de Humboldt sur les monumens de l’Amérique (London, 1831, Französisch)
Traditions du nouveau monde, en conformité avec nos croyances (Paris, 1832, Französisch)
Calendrier mexicain (Paris, 1833, Französisch)
Cargueroes, or Man-Carriers of Quindiu (Edinburgh, 1836, Englisch)
Extrait des Vues des Cordillières et monuments des peuples indigènes de l’Amérique (Paris, 1836, Französisch)
Cargueroes, or man-carriers of Quindiu (New York City, New York; Boston, Massachusetts; Cincinnati, Ohio, 1837, Englisch)
Humboldt on the Heads of the American Indians (Edinburgh; London; Glasgow; New York City, New York, 1843, Englisch)
Cotopaxi (Philadelphia, Pennsylvania; Boston, Massachusetts; New York City, New York, 1851, Englisch)
Extinct Species (Wells, 1852, Englisch)
Extinct Species (Sligo, 1852, Englisch)
Extinct Species (Belfast, 1852, Englisch)
Extinct Species (Armagh, 1852, Englisch)
The Volcano of Cotopaxi (Hertford, 1853, Englisch)
The Volcano of Cotopaxi (Wells, 1853, Englisch)
Antediluvian America (Hertford, 1853, Englisch)
Antediluvian America (Wells, 1853, Englisch)
Mexique (Paris, 1853, Französisch)
Cotopaxi (Hartford, Connecticut, 1856, Englisch)
Visita del Chimborazo, desde la mesa de Tapia (Panama City, 1858, Spanisch)
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Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. (Aus Hrn. v. Humboldts hiſtoriſcher Beſchrei-bung ſeiner Reiſe.) Natuͤrliche Bruͤcken uͤber den Icononzo.

Unter den mannigfaltigen majeſtaͤtiſchen Scenen, welchenman in den Cordilleren begegnet, ergreifen die Thaͤler die Ein-bildungskraft des europaͤiſchen Reiſenden am meiſten. Nuraus einer ſehr anſehnlichen Entfernung und von den Ebenenaus, die ſich von den Kuͤſten bis zum Fuße der Centralketteerſtrecken, kann das Auge die ungeheure Hoͤhe dieſer Gebirgeganz ermeſſen. Die Plateaus, welche von ihren mit ewigemSchnee bedeckten Gipfeln eingefaßt werden, liegen groͤßten-theils 2500 bis 3000 Meter uͤber der Meeresflaͤche. DieſerUmſtand ſchwaͤcht den Eindruck von Groͤße, welchen diekoloſſalen Maſſen des Chimborazo, des Cotopaxi und An-tiſana, von den Plateau’s von Riobamba und Quito ausbetrachtet, machen, bis auf einen gewiſſen Punkt. Beyden Thaͤlern aber verhaͤlt es ſich anders, als bey den Ge-birgen. Tiefer und enger als die Alpen- und Pyrenaͤen-Thaͤler enthalten die Thaͤler der Cordilleren Anſichten,welche den wildeſten Karakter tragen, und die Seele mitBewunderung und Schauder erfuͤllen. Sie ſind Kluͤſte,deren Grund und Rand mit einer kraftvollen Vegetationgeſchmuͤckt, und deren Tiefe oft ſo anſehnlich iſt, daß manden Veſuv und den Puy-de-Dome hineinſtellen koͤnnte,ohne daß ihre Gipfel uͤber der naͤchſten Gebirge Saum weg-ragten. Durch die merkwuͤrdigen Reiſen des Herrn Ra-mond iſt das Thal von Ordeſa bekannt geworden, das ſich |Spaltenumbruch| vom Mont-Perdu herabſenkt, und deſſen mittlere Tiefeungefaͤhr 900 Meter (459 Toiſen) enthaͤlt. Auf unſrer Reiſeauf dem Ruͤcken der Anden, von Paſto nach der Stadt Ibarra, und beym Herunterſteigen von Lora gegen dieUfer des Amazonen-Stroms haben wir, Herr Bonpland und ich, die beruͤhmten Kluͤfte von Chota und Cutacodurchſchnitten, von denen die eine uͤber 1500, und dieandre uͤber 1300 Fuß perpendikulaͤre Tiefe hat. Allein umeine vollſtaͤndigere Idee von der Groͤße dieſer geologiſchenPhaͤnomene zu geben, muß ich bemerken, daß der Grunddieſer Kluͤfte nur um ein Viertheil niedriger uͤber demMeeresſpiegel ſteht, als die Straßen uͤber den St. Gott-hard und den Mont-Cenis. Das Thal von Icononzo oder Pandi iſt weniger merk-wuͤrdig wegen ſeiner Dimenſionen, als wegen der unge-woͤhnlichen Form ſeiner Felſen, welche von Menſchenhaͤndenausgehauen zu ſeyn ſcheinen. Ihre nackten duͤrren Gipfelbilden den mahleriſchſten Kontraſt mit dem Buſchwerk vonBaͤumen und kraͤuterartigen Pflanzen, welche den Randder Kluft bedecken. Der kleine Waldſtrom, welcher ſichdurch das Thal von Icononzo Bahn gemacht hat, traͤgtden Namen Rio de la ſumma Paz. Er ſtuͤrzt ſichvon der oͤſtlichen Kette der Anden herab, welche im Koͤnig-reiche Neu-Granada das Baſſin des Magdalenen-Fluſſesvon den ungeheuern Ebenen des Meta, des Guaviar unddes Orenoko ſcheidet. Dieſer Waldſtrom iſt in ein beynahunzugaͤngliches Bette eingezwaͤngt, und wuͤrde nur ſchwerzu paſſiren ſeyn, wenn die Natur nicht zwey Felſenbruͤcken |18| |Spaltenumbruch| uͤber ihn gebildet haͤtte, die man in dem Lande ſelbſt mitallem Rechte fuͤr diejenigen Gegenſtaͤnde anſieht, welcheder Aufmerkſamkeit der Reiſenden am wuͤrdigſten ſind.Im Monate September 1801 kamen wir auf unſrer Reiſevon Santa Fe de Bogota nach Popayan und Quito uͤberdieſe natuͤrlichen Bruͤcken von Icononzo. Icononzo iſt der Name eines alten Dorfes der Muys-cas-Indianer, welches auf dem ſuͤdlichen Rande des Thalesliegt, und wovon nur noch einige zerſtreute Huͤtten uͤbrigſind. Der am naͤchſten liegende bewohnte Ort iſt heutzu-tage das kleine Dorf Pandi oder Mercadillo, eine Viertel-Meile nordoͤſtlich. Der Weg von Santa-Fe nach Fuſaga-ſuga (40 20′ 2″ der nord. Br. u. 50 7′ 14″ der Laͤnge) undvon da nach Pandi iſt einer der ſchwierigſten und am wenig-ſten beſuchten Wege in den Cordilleren; denn man muß einleidenſchaftlicher Freund von Natur-Schoͤnheiten ſeyn, umdie gefahrvolle Straße, welche vom Paramo von San For-tunato, und den Gebirgen von Fuſagaſuga gegen die na-tuͤrliche Bruͤcke von Icononzo herabſteigt, dem gewoͤhnlichenWege, der von dem Plateau von Bogota uͤber die Meſa vonJuan-Diaz nach den Ufern des Magdalenenſtroms fuͤhrt,vorzuziehen. Die tiefe Kluft, durch welche ſich der Waldſtrom de laſumma Paz herabſtuͤrzt, macht den Mittelpunkt des Thalesvon Pandi aus. Bey der Bruͤcke nimmt ſie auf mehr als4000 Meter Laͤnge ihre Richtung von Oſten nach Weſten.Wo der Fluß weſtwaͤrts von Doa in die Kluft eintritt,und wo er sie in ſeiner Senkung gegen Melgar zu wiederverlaͤßt, bildet er zwey ſchoͤne Kaskaden. Sehr wahrſchein-lich wurde dieſe Kluft durch ein Erdbeben bewirkt. Siegleicht einem ungeheuern Floͤtz, aus welchem der Gangſteindurch die Arbeit der Bergleute weggenommen worden iſt.Die ſie umgebenden Gebirge beſtehen aus Sandſtein miteinem Thon-Cement, und dieſe Bildung, welche auf demThonſchiefer von Villeta ruht, erſtreckt ſich von dem Stein-Salz-Gebirge von Zipaquira bis gegen das Baſſin des Mag-dalenen-Fluſſes hin. Auch enthaͤlt ſie Lagen der Steinkohlenvon Canoas oder Chipa, welche man in der Naͤhe desgroßen Waſſerfalls von Tequendama bricht. (Der Beſchluß folgt.) |23| |Spaltenumbruch|

Pittoreske Anſichten in den Cordilleren.Natuͤrliche Bruͤcken uͤber den Icononzo. (Beſchluß.)

Im Thale vor Icononzo iſt der Sandſtein aus zweyverſchiedenen Felsarten zuſammengeſetzt. Ein ſehr kom-pakter und quarziger Sandſtein, mit wenig Cement undbeynahe ganz ohne Schichtenſpaltungen, ruht auf ſehr fein-koͤrnigem und in unzaͤhlige ſehr kleine und beynahe hori-zontale Lagen getheiltem Sandſteinſchiefer. Man darf an-nehmen, daß die kompakte und quarzige Lage bey der Bil-dung der Kluft der Gewalt, welche dieſe Gebirge zerriß,widerſtanden hat, und daß nur die ununterbrochene Fort-ſetzung dieſer Lage die Bruͤcke ausmacht, auf welcher manvon einem Theile des Thals nach dem andern gelangt. Die-ſer natuͤrliche Bogen hat 14\( \frac{1}{2} \) Meter Laͤnge, und 12 M.7 Breite. Seine Dicke iſt im Mittelpunkte 2 M. 4. Durchſehr ſorgfaͤltige Verſuche, die wir mit dem Falle von Koͤr-pern angeſtellt, und vermittelſt eines Chronometers von Berthoud, haben wir die Hoͤhe der obern Bruͤcke uͤberder Waſſerflaͤche des Waldſtroms zu 97 M. 7 herausge-bracht. Ein ſehr aufgeklaͤrter Mann, Don Jorge Lo-zano, welcher ein angenehmes Landgut in dem ſchoͤnenThale von Fuſagaſuga beſitzt, hatte ſchon vor uns dieſeHoͤhe mit dem Senkbley gemeſſen, und ſie von hundertund zwoͤlf Varas (93 M. 4) gefunden, ſo daß die Tiefedes Stroms bey mittlerm Waſſerſtande ſechs Meter zuſeyn ſcheint. Die Indianer von Pandi haben zur Si-cherheit der Reiſenden, welche in dieſem oͤden Lande indeßſehr ſelten ſind, eine kleine Balluſtrade von Rohren ange-legt, die ſich gegen den Weg, der nach der obern Bruͤ-cke fuͤhrt, verlaͤngert. Zehn Toiſen unter dieſer erſten natuͤrlichen Bruͤcke be-findet ſich eine andere, zu der wir auf einem engen Pfade,welcher an dem Rande der Kluft hinabſteigt, gefuͤhrt wur-den. Drey ungeheure Felſenmaſſen fielen naͤmlich geradeſo, daß eine die andre ſtuͤtzt. Die in der Mitte bildetden Schlußſtein des Gewoͤlbes, und dieſer Zufall haͤtte beyden Eingebornen leicht die Idee von Bogenmauerwerk er-wecken koͤnnen, das den Voͤlkern der neuen Welt eben ſounbekannt war, als den alten Bewohnern von Egypten.(Zoega de Obeliscis, S. 407.) Indeß will ich nicht ent-ſcheiden, ob dieſe Bruchſteine von fernher geſchleudert wor-den, oder ob ſie blos Fragmente eines zum Theil zerſtoͤr-ten Bogens ſind, welcher urſpruͤnglich der obern natuͤrli- |Spaltenumbruch| chen Bruͤcke aͤhnlich war. Letztere Vermuthung wird durcheinen analogen Zufall in dem Koloſſeum zu Rom wahr-ſcheinlich, wo man an einer halb zuſammengeſtuͤrzten Mauermehrere Steine bemerkt, die in ihrem Falle dadurch auf-gehalten wurden, daß ſie im Sturze zufaͤlliger Weiſe einGewoͤlbe bildeten. Mitten in der zweyten Bruͤcke von Icononzo befindetſich ein Loch von mehr als acht Quadratmetern Umfang,durch welches man in den Abgrund hinabſehen kann, undwo wir auch unſre Verſuche uͤber den Fall der Koͤrper an-geſtellt haben. Der Strom ſcheint in einer finſtern Hoͤhlezu fließen, und das klaͤgliche Geraͤuſch, das man hoͤrt,ruͤhrt von einer Menge Nachtvoͤgel her, welche die Kluftbewohnen, und die man im Anfange gern fuͤr die giganti-ſchen Fledermaͤuſe halten moͤchte, die in den Aequinoctial-Gegenden ſo bekannt ſind. Man ſieht hier zu Tauſendenuͤber dem Waſſer flattern. Indeß haben uns die Indianer verſichert, daß dieſe Voͤ-gel von der Groͤße eines Huhns ſind, Eulenaugen und einengekruͤmmten Schnabel haben. Man nennt ſie Cacas, unddie Einfoͤrmigkeit der Faͤrbung ihres Gefieders, das einbraͤunliches Grau iſt, macht mich glauben, daß ſie nicht zudem Geſchlechte des Caprimulgus gehoͤren, deſſen Gat-tungen auf den Cordilleren in ſo vieler Mannigfaltigkeitvorhanden ſind. Wegen der Tiefe des Thals iſt es unmoͤg-lich, ihrer habhaft zu werden, und wir konnten ſie nichtanders unterſuchen, als daß wir Feuerbraͤnde in die Kluͤftewarfen, um ihre Waͤnde zu erhellen. Die Hoͤhe der natuͤrlichen Bruͤcke von Icononzo uͤber demMeeres-Spiegel iſt achthundert drey und neunzig Meter (458 Toiſen). In den Gebirgen von Virginien, und zwarin der Grafſchaft Rock-Bridge, iſt ein aͤhnliches Phaͤ-nomen, wie die obere Bruͤcke, die wir eben beſchrieben ha-ben. Es wurde von Hrn. Jefferſon mit der Sorgfaltunterſucht, welche alle Beobachtungen dieſes vortrefflichenNaturkundigen karakteriſirt. (Bemerkungen uͤberVirginien, S. 56.) Die natuͤrliche Bruͤcke von Ce-dar-Kreck in Virginien, iſt ein Bogen von Kalkſtein,welcher ſieben und zwanzig Meter Oeffnung hat, und ſeineHoͤhe uͤber der Waſſerflaͤche des Stroms betraͤgt ſiebenzigMeter. Die Erdbruͤcke, (Rumichaca), die wir auf derSenkung der Porphyr-Gebirge von Chumban, in der Pro-vinz de los Paſtos, gefunden haben; die Bruͤcke der Mutter Gottes, Dantcu genannt, bey Totonilco inMexico, und der durchbrochene Felſen bey Grandola, in derportugieſiſchen Provinz Alentejo, ſind geologiſche Phaͤnome-ne, welche ſaͤmtlich mit der Bruͤcke von Icononzo einigeAehnlichkeit haben. Indeß zweifle ich, ob man bis jetztirgendwo auf dem Globus einem ſo außerordentlichen Zu-falle begegnet iſt, wie der, welcher durch drey Felsmaſſen,die ſich gegenſeitig ſtuͤtzen, ein natuͤrliches Gewoͤlbe gebildet hat.
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Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. (Aus Hrn. v. Humboldts hiſtoriſcher Beſchrei-bung ſeiner Reiſe.) Straße uͤber den Quindiu in der Cordillerader Anden.

In dem Koͤnigreiche Neu-Granada vom 2° 30′ biszum 5° 15′ der noͤrdl. Br. theilt ſich die Anden-Cordillerain drey Parallel-Ketten, von denen blos die auf beydenSeiten liegenden in ſehr betraͤchtlichen Hoͤhen mit Sandſteinund andern ſekondaͤren Bildungen bedeckt ſind. Die oͤſtliche Kette ſcheidet das Thal des Magdale-nen-Fluſſes von den Ebenen des Rio Meta. Auf ihremweſtlichen Abhange befinden ſich die natuͤrlichen Bruͤckenvon Icononzo, welche wir ſchon fruͤher beſchrieben haben.Ihre hoͤchſten Gipfel ſind der Paramo de la ſummaPaz, der von Chingaſa, und die Cerras de San-Fernando und von Tuquillo. Indeß erhebt ſich keinebis zur Region des ewigen Schnees, und ihre mittlereHoͤhe betraͤgt 4000 Meter, alſo 564 Meter mehr, als dashoͤchſte Gebirg in den Pyrenaͤen. Die Central-Kette theilt ihre Waſſer zwiſchen demBaſſin des Magdalenen-Fluſſes und dem des Rio Canca.Oft erreicht ſie die Region des ewigen Schnees, und uͤber-ſchreitet ſie ſehr anſehnlich in den koloſſalen Gipfeln desGuanacas, des Baragan, und des Quindiu, welche ſichfuͤnf bis ſechsthalbtauſend Meter uͤber den Meeresſpiegelerheben. Beym Aufgang und Untergang der Sonne gewaͤhrtdieſe Central-Kette den Bewohnern von Santa-Fe ein |Spaltenumbruch| praͤchtiges Schauſpiel, und erinnert, nur mit weit impo-ſantern Dimenſionen, an die Alpenanſichten in der Schweiz. Die weſtliche Kette der Anden trennt das Thaldes Cauca von der Provinz Choco und den Kuͤſten des Suͤd-Meeres. Ihre Hoͤhe betraͤgt kaum 1500 Meter, und ſieſenkt ſich zwiſchen den Quellen des Rio Atracto unddes Rio San-Juan ſo ſtark, daß man ihre Verlaͤngerunggegen den Isthmus von Panama nur mit Muͤhe verfolgenkann. Dieſe drey Gebirgsketten treffen nordwaͤrts unter demParallelkreiſe von Muzo und Antioquia dem 60 und 70 dernoͤrdl. Br. zuſammen. Auch bilden ſie im Suͤden vonPopayan in der Provinz Paſto eine einzige Gruppe, eine Maſſe. Uebrigens muß man ſie ja mit der Eintheilungder Cordilleren nicht verwechſeln, wie ſie Bouguer und LaCondamine im Koͤnigreiche Quito vom Aequator bis zum2° der ſuͤdl. Br. beobachtet haben. Die Stadt Santa Fe de Bogota, die Hauptſtadt vonNeu-Granada, liegt weſtlich von dem Paramo von Chin-gaſa auf einem Plateau, das ſich in einer abſoluten Hoͤhevon 2650 Metern auf dem Ruͤcken der oͤſtlichen Cordil-lera hinzieht. Dieſe beſondere Geſtaltung der Andenmacht, daß man, um von Santa-Fe nach Popayan und andie Ufer des Cauca zu kommen, entweder uͤber Meſa oderuͤber Tocayma oder uͤber die natuͤrlichen Bruͤcken vonIcononzo von der oͤſtlichen Kette herabſteigen, dasThal des Magdalenen-Fluſſes durchſchneiden, und die Central-Kette paſſiren muß. Die geſuchteſte Straße |110| |Spaltenumbruch| iſt indeß die vom Paramo de Guanacas, welche Bou-guer auf ſeiner Ruͤckkehr von Quito nach dem amerikani-ſchen Carthagena beſchrieben hat. Auf dieſem Wege legt derReiſende den Kamm der Central-Cordillera mitten in einembewohnten Lande in einem Tage zuruͤck. Indeß habe ichdieſer Straße die uͤber das Quindiu- oder Quindio-Gebirgezwiſchen den Staͤdten Ihague und Carthago vorgezogen.Ich habe dieſe geographiſchen Beſtimmungen fuͤr unerlaͤßlichgehalten, um die Lage eines Ortes kennbar zu machen, denman auf den beſten Karten vom mittaͤglichen Amerika, wiez. B. auf der von La Cruz, vergeblich ſuchen wuͤrde. Das Quindiu-Gebirg (Br. 4° 36′, Laͤnge 5° 12′) wirdals die beſchwerlichſte Straße in der Cordillera der Andenangeſehn. Es iſt ein dichter, voͤllig unbewohnter Wald, denman auch in der beſten Jahreszeit nicht ſchneller als inzehen oder zwoͤlf Tagen zuruͤcklegt. Hier findet man keineHuͤtte, keine Lebensmittel, und die Reiſenden verſehen ſichin jeder Jahrszeit auf einen ganzen Monat mit Vorraͤthen,weil es nur zu oft geſchieht, daß ſie durch das Schmelzendes Schnees und das ploͤtzliche Anſchwellen der Giesbaͤcheſo ſehr abgeſchnitten werden, daß ſie weder auf der Seitevon Carthago noch auf der von Ibague herabkommen koͤnnen.Der hoͤchſte Punkt des Weges, die Garita del Paramo, liegt3505 Meter uͤber der Flaͤche des Ozeans. Da der Fuß desGebirges gegen die Ufer des Cauca hin nicht uͤber 963 Me-ter erhaben iſt, ſo genießt man daſelbſt im Durchſchnitteein ſehr mildes und gemaͤßigtes Klima. Der Pfad uͤberdie Cordillera iſt ſo eng, daß ſeine gewoͤhnliche Breite nichtuͤber 3 bis 4 Decimeter betraͤgt, und er groͤßtentheils eineroffenen, durch den Felſen gehauenen Galerie aͤhnlich iſt. Indieſem Theile der Anden iſt der Fels, wie beynahe faſtuͤberall, mit einer dicken Thonlage bedeckt. Die Waſſer-baͤche, welche von dem Gebirge herabfließen, haben Schluch-ten von 6 bis 7 Meter Tiefe ausgeſpuͤhlt. Dieſe Schluch-ten, in denen ſich der Weg fortzieht, ſind mit Moraſt an-gefuͤllt, und ihre Dunkelheit wird noch durch die dichteVegetation, welche ihren Rand einfaßt, vermehrt. DieOchſen, deren man ſich in dieſen Gegenden gemeiniglich alsSaumthiere bedient, kommen nur mit groͤßter Muͤhe indieſen Galerien fort, welche bis auf 2000 Meter Laͤngehaben. Hat man das Ungluͤck, ſolchen Saumthieren zubegegnen, ſo iſt kein anderes Mittel, ihnen aus dem Wegezu gehen, als den Pfad wieder zuruͤck zu wandeln, oder aufdie Erdmauer zu ſteigen, welche die Schlucht einfaßt, undſich da an den Wurzeln feſtzuhalten, die von dem Baum-werke der Hoͤhen hervorragen. Als wir im Monate Oktober 1801 zu Fuß und mit zwoͤlfOchſen, welche unſre Inſtrumente und Sammlungen trugen,das Quindiu-Gebirge bereisten, litten wir ſehr viel durchdie beſtaͤndigen Platzregen, denen wir die drey oder vierletzten Tage bey unſrem Herabſteigen von dem weſtlichenAbhange der Cordillera ausgeſetzt waren. Der Weg fuͤhrt |Spaltenumbruch| durch ein ſumpfiges, mit Bambusſchilf bedecktes Land. DieStacheln, womit die Wurzeln dieſer gigantesken Grasartbewaffnet ſind, hatten unſre Fußbekleidung ſo ſehr zerriſſen,daß wir genoͤthigt waren, wie alle Reiſende, die ſich nichtvon Menſchen auf dem Ruͤcken tragen laſſen wollen,barfuß zu gehen. Dieſer Umſtand, die beſtaͤndige Feuch-tigkeit, die Laͤnge des Weges, und die Muskelkraft, welcheman, um auf dichtem und ſchlammigem Thone zu gehen,anwenden muß, und die Nothwendigkeit, durch ſehr tiefeGießbaͤche von aͤußerſt kaltem Waſſer zu waten, machendieſe Reiſe gewiß aͤußerſt beſchwerlich; aber in ſo hohemGrade ſie das auch iſt, ſo hat ſie doch keine der Gefahren,womit die Leichtglaͤubigkeit des Volks die Reiſenden ſchreckt.Der Pfad iſt freylich ſchmal, aber die Stellen ſind ſehrſelten, wo er an Abgruͤnden wegfuͤhrt. Da die Ochſen im-mer ihre Beine in dieſelben Fußſtapfen ſtellen, ſo bildetſich dadurch eine Reihe von kleinen Graͤben, welche denWeg durchſchneiden, und zwiſchen denen eine ſehr engeErderhoͤhung ſich anſetzt. Bey ſtarkem Regen ſtehen dieſeDaͤmme unter dem Waſſer, und der Gang des Reiſendenwird nun doppelt unſicher, da er nicht weiß, ob er auf denDamm oder in den Graben ſeinen Fuß ſetzt. (Der Beſchluß folgt.) |115| |Spaltenumbruch|

Pittoreske Anſichten in den Cordilleren.Straße uͤber den Quindiu in der Cordillerader Anden. (Beſchluß.)

Da nur wenige wohlhabende Perſonen in dieſen Klima-ten die Gewohnheit haben, 15 bis 20 Tage hinter einan-der, und auf ſo beſchwerlichen Wegen zu Fuß zu gehen,ſo laͤßt man ſich von Menſchen tragen, welche ſich einenSeſſel auf den Ruͤcken gebunden haben, indem es beym ge- |Spaltenumbruch| genwaͤrtigen Zuſtande der Straße uͤber den Quindiu unmoͤg-lich waͤre, ſie auf Mauleſeln zuruͤckzulegen. Man ſprichtdaher in dieſem Lande von Reiſen auf dem Ruͤckeneines Menſchen (andar en carguero), wie man ander-waͤrts von einer Reiſe zu Pferd redet. Auch verbindet mangar keine erniedrigende Vorſtellung mit dem Gewerbe der Cargueros, und die, welche es treiben, ſind keine In-dianer, ſondern Metis, und manchmal ſogar Weiſſe. Ofthoͤrt man mit Erſtaunen nakte Menſchen, welche dieſes inunſern Augen ſo entehrende Handwerk treiben, mitten imWalde ſich herumſtreiten, weil der eine dem andern, wel-cher eine weiſſere Haut zu haben behauptet, die hochtoͤnen-den Titel Don und Sa Merced verweigert. Die Cargueros tragen gewoͤnlich 6 bis 7 Arrobas (75bis 80 Kilogramme); und manche ſind ſo ſtark, daß ſiebis auf 9 Arrobas aufladen. Bedenkt man die ungeheureAnſtrengung dieſer Ungluͤcklichen, welche oft 8 bis 9 Stun-den machen muͤſſen, die ſie taͤglich in dem Gebirgslandezuruͤcklegen; weiß man, daß ihr Ruͤcken manchmal wundgedruͤkt wird, wie der Ruͤcken der Saumthiere, und die Rei-ſenden oft grauſam genug ſind, ſie, wenn ſie krank wer-den, mitten im Walde liegen zu laſſen; weiß man uͤber-dies, daß ſie auf einer Reiſe von Ibague nach Carthago,in einer Zeit von 15, und ſelbſt von 25 bis 30 Tagen, nichtmehr als 12 bis 14 Piaſter (60 bis 70 Fr.) gewinnen, ſobegreift man kaum, wie alle ſtarke, junge Leute, dieam Fuß dieſer Gebirge wohnen, dieſes Gewerbe der Car-gueros, eines der muͤhſeligſten von allen, denen ſich dieMenſchen ergeben, freywillig waͤhlen koͤnnen. Allein derHang zu einem freyen, herumſtreifenden Leben und dieIdee einer gewiſſen Unabhaͤngigkeit in den Waͤldern laſſen ſiedieſe beſchwerliche Beſchaͤftigung den monotonen und Sitz-Arbeiten der Staͤdte vorziehen. Indeß iſt der Weg uͤber das Quindiu-Gebirge nicht dieeinzige Gegend im ſuͤdlichen Amerika, wo man auf demRuͤcken von Menſchen reist. Die ganze Provinz vonAntioquia z. B. iſt mit Gebirgen umgeben, uͤber welche ſoſchwer zu kommen iſt, daß diejenigen, die ſich der Geſchick-lichkeit eines Carguero nicht anvertrauen wollen, undnicht ſtark genug ſind, um den Weg von Santa-Fe de An-tioquia nach der Boca de Nares, oder nach dem Rio Sa-mana zu Fuß zu machen, dieſes Land gar nicht verlaſſenkoͤnnen. Ich habe einen Bewohner dieſer Provinz gekannt,deſſen Koͤrperumfang ungewoͤhnlich groß war. Er hatte nurzwey Metis gefunden, welche im Stande waren, ihn zutragen, und er haͤtte unmoͤglich wieder nach Hauſe zuruͤck-kehren koͤnnen, wenn dieſe beyden Cargueros waͤhrendſeines Aufenthalts an den Ufern des Magdalenenfluſſes inMompox oder in Honda geſtorben waͤren. Der jungenLeute, die ſich im Choco, in Ibague und in Medellin alsLaſtthiere gebrauchen laſſen, ſind ſo viele, daß man oͤfterganzen Reihen von 50 bis 60 begegnet. Als man vor |116| |Spaltenumbruch| einigen Jahren den Plan hatte, den Gebirgsweg von demDorfe Nares nach Antioquia fuͤr die Maulthiere zu bah-nen, ſo machten die Cargueros in aller Form Vorſtel-lungen gegen die Verbeſſerung der Straße, und die Regie-rung war ſchwach genug, ihren Einwendungen zu willfahren.Indeß muß hier auch bemerkt werden, daß die mexikaniſchenBergwerke eine Menſchenklaſſe enthalten, die keine Be-ſchaͤftigung hat, als — Andre auf ihrem Ruͤcken zu tragen.In dieſen Klimaten ſind die Weiſſen ſo traͤge, daß jederBergwerksdirektor einen oder zween Indianer in ſeinem Soldehat, welche ſeine Pferde (cavallitos) heißen, weil ſie ſichalle Morgen ſatteln laſſen, und auf einen kleinen Stock ge-ſtuͤtzt, und mit vorgeworfenem Koͤrper ihren Herrn von ei-nem Theile des Bergwerks nach dem andern tragen. Unterden Cavallitos und Cargueros unterſcheidet und empfieltman den Reiſenden diejenigen, die ſichere Fuͤſſe und einenſanften, gleichen Schritt haben, und es thut einem rechtwehe, von den Eigenſchaften eines Menſchen in Ausdruͤckenreden zu hoͤren, mit welchen man den Gang der Pferde undMaulthiere bezeichnet. Diejenigen, welche ſich auf dem Seſſel eines Carguero tragen laſſen, muͤſſen mehrere Stunden hintereinander un-beweglich und ruͤckwaͤrts den Koͤrper geſenkt daſitzen. Diegeringſte Bewegung wuͤrde den, der ſie traͤgt, ſtuͤrzen ma-chen, und ein Sturz iſt hier um ſo gefaͤhrlicher, da der Carguero, in zu großem Vertrauen auf ſeine Geſchick-lichkeit, oft die ſteilſten Abhaͤnge waͤhlt, oder auf einemſchmalen und glitſchigen Baumaſte uͤber einen Waldſtromſetzt. Indeß ſind Ungluͤcksfaͤlle ſehr ſelten, und muͤſſen,wo ſie auch geſchehen ſind, der Unklugheit der Reiſendenbeygemeſſen werden, welche, durch einen Mißtritt ihres Carguero erſchreckt, von ihrem Seſſel herabgeſprungen ſind. Iſt man in Ibaque angekommen, und ruͤſtet ſich zu derReiſe uͤber den Quindiu, ſo laͤßt man in den benachbartenGebirgen einige hundert Vijao-Blaͤtter ſchneiden, einePflanze aus der Familie der Piſangs, welche ein neues,an das des Thalia graͤnzendes, Geſchlecht bildet, und dieman ja nicht mit der Heliconia Bihai verwechſeln darf. Dieſe Blaͤtter, welche haͤutig und glaͤnzend ſind, wie diedes Muſa, haben eine ovale Form, 54 Centimeter (20 Zoll)Laͤnge, und 37 Centimeter (14 Zoll) Breite. Ihre untereFlaͤche iſt ſilberweiß, und mit einer mehligen Materie be-deckt, die ſich ſchuppenweiſe abloͤst. Dieſer eigenthuͤmlicheFirniß macht, daß ſie dem Regen lange widerſtehen koͤn-nen. Sammelt man ſie, ſo macht man einen Einſchnittin die Haupt-Rippe, welcher die Stelle des Hacken vertritt,an den man ſie aufhaͤngt, wenn man das tragbare Dachaufrichtet; dann dehnt man ſie aus, und rollt ſie ſorgfaͤltigzu einem cylinderfoͤrmigen Packe zuſammen. Um eine Huͤtte,in welcher 6 bis 8 Perſonen ſchlafen koͤnnen, zu bedecken,braucht man 50 bis 60 Kilogramme Blaͤtter. Kommt manmitten in den Waͤldern auf eine Stelle, wo der Bodentrocken iſt, und man die Nacht zubringen will, ſo hauendie Cargueros einige Baumaͤſte, die ſie in Form einesZelts zuſammenſtellen. In einigen Minuten iſt dieſes leichteGebaͤlke mit Lianen- und Agaven-Faſern, die 3 bis 4 De-cimeter von einander parallel laufen, in Quadrate getheilt. |Spaltenumbruch| Waͤhrend dieſer Zeit hat man den Pak von Vijao-Blaͤtternauseinander gerollt, und mehrere Perſonen ſind beſchaͤftigt,ſie an dem Gegitter zu befeſtigen, das ſie am Ende wie dieDachziegel bedecken. Dergleichen Huͤtten ſind ſehr friſchund bequem, ob man ſie gleich in groͤßter Eile auſfuͤhrt.Bemerkt der Reiſende bey Nacht, daß der Regen eindringt,ſo zeigt er nur die Stelle, welche tropft, und ein einzigesBlatt hilft dem Uebelſtande ab. Wir brachten im Thale vonBoquia mehrere Tage unter einem ſolchen Blaͤtterzelt, ohnenaß zu werden, zu, obgleich der Regen ſehr ſtark, und bey-nahe unaufhoͤrlich war. Das Quindiu-Gebirg iſt eine der reichſten Gegenden annuͤzlichen und merkwuͤrdigen Pflanzen. Hier fanden wir denPalmbaum (Ceroxylon andicola), deſſen Stamm mit vege-tabiliſchem Wachs bedeckt iſt; Paſſionsblumen in Baͤumen,und die praͤchtige Mutisia grandiflora, deren ſcharlach-rothe Blumen 16 Centimeter (6 Zoll) lang ſind. Die Wachs-Palme erreicht die ungeheure Hoͤhe von 58 Meter, oder180 Fuß, und der Reiſende erſtaunt, eine Pflanze aus die-ſem Geſchlechte unter einer beynahe kalten Zone, und uͤber2800 Meter uͤber der Meeresflaͤche zu finden. (Siehe mein Essai sur la géographie des plantes, S. 59, und mein Re-cueil d’observations astronomiques, B. II, S. 21, die Plantes équinoxiales décrites et publiées par M. Bonpland, B. I, S. 3, 76 u. 177, Pl. I, XXI u. L.)
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Pittoreske Anſichten in den Cordilleren.Die Kaskade von Tequendama.

Das Plateau, auf welchem die Stadt Santa-Fe deBogota liegt, hat in mehrern Zuͤgen Aehnlichkeit mit dem-jenigen, auf welchem ſich die mexikaniſchen Seen befinden.Beyde ſind hoͤher als das Kloſter auf dem Sankt Bernhard,und zwar iſt das erſte 2660 Meter (1365 Toiſen) und daszweyte 2277 Meter (1168 Toiſen) uͤber dem Meeresſpiegelerhaben. Das Thal von Mexiko iſt mit einer Cirkelmauervon Porphyr-Gebirgen umgeben, und in ſeiner Mitte mitWaſſer bedeckt, indem keiner der vielen Gießbaͤche, die ſichin dieſes Thal herabſtuͤrzen, ehe die Europaͤer den Kanalvon Huehuetoca gegraben hatten, in dem ſelben einen Aus-fluß fand. Das Plateau von Bogota iſt gleichermaßen mithohen Gebirgen eingefaßt, und der wagerechte Zuſtand ſei-nes Bodens, ſeine geologiſche Beſchaffenheit, die Form derFelſen von Suba und Facataliva, die ſich wie Eilande inder Mitte der Steppen erheben, alles ſcheint hier das ehe-malige Daſeyn eines Sees zu verrathen. Der Fluß Funz-ha, welcher gewoͤhnlich Rio de Bogota heißt, hat ſich, nach-dem er alle Waſſer des Thals aufgenommen, durch dieGebirge, die ſuͤdweſtlich von der Stadt Santa-Fe liegen,ein Bette gebrochen. Bey der Paͤchterey Tequendama ver-laͤßt er das Thal, und ſtuͤrzt ſich durch eine enge Oeffnungin eine Kluft, die ſich gegen das Baſſin des Magdalenen-Fluſſes herabzieht. Verſuchte man es, dieſe Oeffnung, dieeinzige in dem Thale von Bogota, zu verſchließen, ſowuͤrden dieſe fruchtbaren Ebenen ſehr bald in einen See, |Spaltenumbruch| welcher den mexikaniſchen Seen aͤhnlich waͤre, verwandeltſeyn. Es iſt gar nicht ſchwer, den Einfluß zu entdecken, welchendieſe geologiſchen Thatſachen auf die Traditionen der altenBewohner der Gegenden gehabt haben. Indeß wollen wirnicht entſcheiden, ob der Anblick dieſer Orte ſelbſt bey Voͤlkern,welche von der Civiliſation nicht mehr ſehr fern waren,auf Hypotheſen uͤber die erſten Revolutionen des Globus ge-leitet hat, oder ob die großen Ueberſchwemmungen im Thalevon Bogota neu genug geweſen ſind, um ſich im Andenkender Menſchen zu erhalten. Ueberall vermiſchen ſich hiſtoriſcheUeberlieferungen mit religioͤſen Meinungen; und es iſtmerkwuͤrdig, hier an diejenigen zu erinnern, welche derEroberer dieſes Landes, Gonzalo Ximenez de Queſada, alser zuerſt in die Gebirge von Cundinamarca eindrang, unterden Muyscas-, Panchas- und Natagaymas-Indianern ver-breitet gefunden hat. (Siehe Lucas Fernandez Piedrahita,Obispo de Panama, Historia general del nuevo Reyno deGrenada, S. 17, ein Werk, das nach Queſada’s Hand-ſchriften ausgearbeitet iſt.) In den aͤlteſten Zeiten, ehe noch der Mond die Erdebegleitete, erzaͤhlt die Mythologie der Muyscas- oderMozcas-Indianer, lebten die Bewohner des Plateau vonBogota als Barbaren, nackt, ohne Ackerbau, ohne Geſetzeund ohne Religion. Ploͤtzlich erſchien aber ein Greis unterihnen, welcher aus den Ebenen oͤſtlich von der Cordilleravon Chingaſa kam, und von einer andern Race zu ſeynſchien, als der der Eingebornen, indem er einen langen |342| |Spaltenumbruch| ſtarken Bart trug. Er war unter drey verſchiedenen Namenbekannt, naͤmlich als Bochica, Nemquetheba und Zuhé. DieſerGreis lehrte die Menſchen, gleich Manco-Capac, ſich zubekleiden, Huͤtten zu bauen, die Erde zu bearbeiten, undſich in Geſellſchaft zu vereinigen. Bey ſich hatte er eineFrau, welcher die Tradition gleichfalls die Namen gibt, undzwar Chia, Yubecayguaya und Huythaca. Dieſes Weib,das außerordentlich ſchoͤn, aber auch eben ſo boshaft war,arbeitete ihrem Manne in Allem, was er zum Gluͤcke derMenſchen unternahm, entgegen. Durch ihre Zauberkuͤnſtemachte ſie den Fluß Funzha anſchwellen, deſſen Waſſer dasThal von Bogota uͤberſchwemmten. In dieſer Fluth kamendie meiſten Einwohner um, und nur einige retteten ſichauf die Spitze der benachbarten Gebirge. In ſeinem Zornehieruͤber verjagte der Greis die ſchoͤne Huythaca weit vonder Erde; ſie wurde zum Mond, der von da an unſernPlaneten bey Nacht beleuchtet. Endlich zerriß Bochica, ſichder auf den Gebirgen umherirrenden Menſchen erbarmend,mit maͤchtiger Hand die Felſen, welche das Thal auf derSeite von Canoas und Tequendama ſchließen, ließ dieWaſſer des Sees von Funzha durch dieſe Oeffnung abfließen,vereinigte die Voͤlker aufs Neue im Thal von Bogota,baute Staͤdte, fuͤhrte die Anbetung der Sonne ein, ernannteOberhaͤupter, unter welche er die geiſtliche und weltlicheMacht vertheilte, und zog ſich am Ende unter dem NamenIdacanzas in das heilige Thal von Iraca bey Tunja zuruͤck,wo er in Uebungen der ſtrengſten Buße noch uͤber 2000 Jahrelang fortlebte. Reiſende, welche die impoſante Lage der großen Kaskadedes Tequendama geſehen haben, werden ſich nicht wundern,daß rohe Voͤlker dieſen Felſen, welche wie von Menſchen-haͤnden durchgehauen ſcheinen, dieſem engen Schlunde, inden ſich ein Fluß ſtuͤrzt, der alle Waſſer des Thals vonBogota aufnimmt, dieſen Regenbogen, die in den ſchoͤnſtenFarben glaͤnzen, und jeden Augenblick ihre Form veraͤndern,dieſer Dunſtſaͤule, die ſich wie eine dicke Wolke erhebt, unddie man in einer Entfernung von 5 Meilen bey einemSpaziergange um die Stadt Santa-Fe noch erkennt: daßſie allem dieſem einen wunderbaren Urſprung gegeben haben.Von ſolchem majeſtaͤtiſchem Schauſpiel kann ein Kupferſtichnur eine ſchwache Vorſtellung geben; denn, wenn es ſchweriſt, die Schoͤnheiten einer Kaskade zu beſchreiben, ſo iſt esnoch weit ſchwerer, ſie in einer Zeichnung fuͤhlbar zu machen.Der Eindruck, den ſie auf die Seele des Beobachters machen,haͤngt von mehrern Umſtaͤnden ab. Die Waſſermaſſe, dieſich herabſtuͤrzt, muß in richtigem Verhaͤltniſſe zur Hoͤheihres Falls ſeyn, und die ſie umgebende Gegend einen ro-mantiſchen wilden Karakter haben. Die Piſſevache und derStaubbach in der Schweiz haben eine ſehr große Hoͤhe, aberihre Waſſermaſſe iſt unbetraͤchtlich. Der Niagara- und derRhein-Fall hingegen zeigen eine ungeheure Waſſermaſſe,aber ihr Fall iſt nicht uͤber 50 Meter Hoͤhe. Eine Kaskade, |Spaltenumbruch| die mit nur wenig erhabenen Huͤgeln umgeben iſt, machtweniger Wirkung, als die Waſſerfaͤlle, die man in dentiefen Thaͤlern der Alpen, der Pyrenaͤen, und beſonders derAnden-Cordillera ſieht. Außer der Hoͤhe und dem Umfangeder Waſſerſaͤule und außer der Geſtaltung des Bodens unddem Anblicke der Felſen gibt die Kraft und die Form derBaͤume und der Graspflanzen, ihre Vertheilung in Gruppenoder einzelne Straͤuße, und der Kontraſt zwiſchen den Stein-maſſen und der friſchen Vegetation, ſolchen großen Natur-ſcenen einen beſondern Karakter. So wuͤrde der Sturz desNiagara noch weit ſchoͤner ſeyn, wenn ſeine Umgebungen,ſtatt ſich unter einer noͤrdlichen Zone in der Gegend derPinien und Eichen zu befinden, mit Heliconia, Palmen undbaumartigem Farrenkraut geſchmuͤckt waͤren. (Der Beſchluß folgt.) |346| |Spaltenumbruch|

Pittoreske Anſichten in den Cordilleren.Die Kaskade von Tequendama. (Beſchluß.)

Der Fall (Salto) des Tequendama vereinigt Alles, waseine Gegend im hoͤchſten Grade mahleriſch machen kann.Indeß iſt er nicht die hoͤchſte Kaskade auf der Erde, wieman im Lande ſelbſt glaubt, (Piedrahita, S. 19. Julian,la Perla de la America, provincia de Santa Martha, 1787,S. 9.) und wie es die Phyſiker in Europa wiederholt ha-ben (Gehler phyſikaliſches Woͤrterbuch, V. IV, S. 655). Der Fluß ſtuͤrzt ſich nicht, wie Bouguer ſagt,(Figure de la terre, S. 92.) in einen Abgrund von fuͤnfbis ſechshundert Meter perpendikulaͤrer Tiefe; aber eswird kaum eine Kaskade geben, welche bey einer ſo anſehn-lichen Fallhoͤhe eine ſo große Waſſermaſſe enthaͤlt. DerRio de Bogota hat, nachdem er die Suͤmpfe zwiſchen denDoͤrfern Facativa und Fontibon getraͤnkt, noch bey Canoas,etwas uͤber dem Salto, eine Breite von vier und vierzigMetern, und iſt alſo halb ſo breit, als die Seine in Pariszwiſchen dem Louvre und dem Palais des arts. Nahe beydem Waſſerfalle ſelbſt, wo die Kluft, die durch ein Erdbe-ben gebildet zu ſeyn ſcheint, nur zehn bis zwoͤlf MeterOeffnung hat, verengt ſich der Fluß ſehr. Aber auch zurZeit der Duͤrre hat die Waſſermaſſe, die ſich in zwey |Spaltenumbruch| Streifen hundert und fuͤnf und ſiebenzig Meter tief her-abſtuͤrzt, ein Profil von neunzig Quadrat-Metern. Aufder Zeichnung dieſer Kaskade hat man zwey Maͤnner alsMasſtab fuͤr die Geſammt-Hoͤhe des Salto angebracht. DerPunkt, auf welchem ſie am obern Rande ſtehen, iſt zweytauſend vierhundert ſieben und ſechszig Meter uͤber denMeeresſpiegel erhaben. Von dieſem Punkte bis an denMagdalenen-Strom hat der kleine Fluß Bogota, welcheram Fuße der Kaskade die Namen Rio de la Meſa, oder deTocayma, oder del Collegio annimmt, noch uͤber zweytau-ſend einhundert Meter Fall, welches uͤber hundert undvierzig Meter auf die gewoͤhnliche Meile betraͤgt. Der Weg, welcher von der Stadt Santa-Fe nach dem Salto des Tequendama fuͤhrt, geht durch das Dorf Suachaund die große Paͤchterey Canoas, welche durch ihre ſchoͤnenWeizen-Ernten bekannt iſt. Man glaubt, daß die unge-heure Dunſtmaſſe, die ſich taͤglich aus der Kaskade erhebt,und durch den Kontakt der kalten Luft wieder niedergeſtuͤrztwird, viel zur großen Fruchtbarkeit dieſes Theils des Pla-teau von Bogota beytraͤgt. In einer kleinen Entfernungvon Canoas, auf der Hoͤhe von Chipa, genießt man einepraͤchtige Ausſicht, welche den Reiſenden durch die Kontra-ſte, die ſie darſtellt, in Erſtaunen ſetzt. Man hat ſo ebendie mit Weizen und Gerſte bebauten Felder verlaſſen, ſiehtnun, außer den Aralia’s, der Alstonia theaeformis, denBegonia und den gelben Fieberrinden-Baum, (Cinchonacordifolia, Mut.) Eichen, Ulmen und andre Pflanzen um ſichher, deren Wuchs an europaͤiſche Vegetation erinnert, undentdeckt, wie von einer Terraſſe herab, ſo zu ſagen zuſeinen Fuͤßen, ein Land, wo Palmen, Piſangs und Zucker-Rohr wachſen. Da die Kluft, in welche ſich der Rio deBogota ſtuͤrzt, an die Ebenen der heiſſen Region (tierracaliente) ſtoͤßt, ſo haben ſich einige Palmen bis an den Fußder Kaskade herangemacht. Wegen dieſes beſondern Um-ſtandes ſagen die Bewohner von Santa-Fe, der Fall desTequendama ſey ſo hoch, daß das Waſſer in Einem Sprungeaus dem kalten Lande (terra fria) in das heiße ſtuͤrze. In-deß ſieht man wol, daß eine Hoͤhen-Verſchiedenheit vonblos hundert fuͤnf und ſiebenzig Metern nicht hinlaͤnglichiſt, um eine fuͤhlbare Veraͤnderung in der Luft-Temperaturhervorzubringen. Wirklich bewirkt die Hoͤhe des Bodensden Kontraſt zwiſchen der Vegetation des Plateau von Ca-noas und der in der Kluft nicht; denn wenn der Fels vonTequendama, welcher ein Sandſtein auf einer Thon-Baſisiſt, nicht ſo ſchroff abgeſchnitten, und das Plateau von Ca-noas eben ſo gut vor Wind und Wetter geſchuͤtzt waͤre, ſohaͤtten ſich die Palmbaͤume, welche am Fuße der Kaskadewachſen, gewiß ſchon an dem obern Rande des Fluſſes fort-gepflanzt. Uebrigens iſt dieſe Vegetation fuͤr die Bewoh-ner des Thals von Bogota um ſo merkwuͤrdiger, da ſie ineinem Klima wohnen, wo der Thermometer ſehr oft aufden Gefrierpunkt herabſinkt. |347| |Spaltenumbruch| Nicht ohne Gefahr iſt es mir gelungen, Inſtrumentein die Kluft ſelbſt bis an den Fuß der Kaskade zu brin-gen. Auf einem engen Pfade (Camino de la Culebra), dernach der Kluft de la Povaſa fuͤhrt, braucht man drey Stun-den zum Hinunterſteigen. Ungeachtet der Fluß in ſeinemSturze eine Menge Waſſer verliert, das ſich in Duͤnſteverwandelt, ſo iſt der Strom unten dennoch ſo reißend, daßſich der Beobachter dem Baſſin, welches ſich der Waſſerfallausgehoͤhlt hat, auf hundert und vierzig Meter nicht naͤ-hern kann. Der Grund dieſer Schlucht wird nur ſchwachvom Tageslicht erleuchtet. Die Einſamkeit des Orts, derReichthum der Vegetation und das ſchreckliche Geraͤuſch,welches man vernimmt, machen den Fuß der Kaskade desTequendama zu einer der wildeſten Gegenden in den Kor-dilleren. |Spaltenumbruch|
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Pittoreske Anſichten in den Cordilleren.Anſicht des Chimborazo und des Carguairazo.

Die Anden-Cordillera theilt ſich bald in verſchiedeneZweige, welche durch der Länge nach ſich erſtreckende Thä-ler von einander getrennt ſind, bald bildet ſie nur eineeinzige Maſſe, welche in vulkaniſche Spitzen ausgezackt iſt.Die großen Thäler zwiſchen den beyden Seiten-Aeſtenund der Central-Kette ſind Baſſins zweyer beträchtlicherFlüſſe, deren Grund noch niedriger über dem Meeres-ſpiegel ſteht, als das Bett der Rhone, wo ihr Waſſerdas Thal von Sion in den Ober-Alpen ausgegraben hat.Reist man von Popayan ſüdwärts, ſo ſieht man auf demdürren Plateau der Provinz de los Paſtos die drey Ketten-Glieder der Anden in einer Gruppe zuſammentreffen, wel-che ſich weit jenſeits des Aequators erſtreckt. Dieſe im Königreiche Quito gelegene Gruppe ſtellt vondem Fluſſe Chota an, der ſich durch Baſalt-Gebirge hin-windet, bis zum Paramo vom Aſſuay, auf welchem ſichdie merkwürdigen Reſte peruaniſcher Baukunſt erheben, eineganz eigene Anſicht dar. Die höchſten Gipfel ſtehen in zweyReihen, die einen doppelten Kamm der Cordillera bilden,und dieſe koloſſalen, mit ewigem Schnee bedeckten Berg-ſpitzen haben den Operationen der franzöſiſchen Akademikerbey ihrer Meſſung des Aequatorial-Grades zu Signalengedient. Ihre ſymmetriſche Stellung auf zwey von Nordennach Süden laufenden Linien verführte Bouguer’n ſie alszwey durch ein der Länge nach laufendes Thal getrennte |Spaltenumbruch| Ketten-Glieder anzuſehen: Allein, was dieſer berühmteAſtronom den Grund eines Thals nennt, iſt der Rückender Anden ſelbſt, und ein Plateau, deſſen abſolute Höhezweytauſend ſiebenhundert bis zweytauſend neunhundertMeter beträgt. Es iſt von Wichtigkeit, einen ſolchendoppelten Gebirgs-Kamm nicht mit einer wirklichen Ver-zweigung der Cordilleren zu verwechſeln. Die mit Bimsſtein bedeckte Ebene, welche den erſtenPlan der Zeichnung bildet, die wir hier beſchreiben, iſtein Theil des Plateau, welches den weſtlichen Kammvon dem öſtlichen der Anden von Quito ſcheidet. Indieſen Ebenen iſt die Bevölkerung des wunderbaren Landesvereinigt, und hier liegen die Städte, welche dreißig bis fünfzigtauſend Einwohner zählen. Hat man einige Mo-nate auf dieſem hohen Plateau gelebt, wo ſich der Baro-meter immer auf 0m, 54 hält, ſo wird man von einerunwiderſtehlichen Täuſchung hingeriſſen, und vergißt esnach und nach völlig, daß Alles, was den Beobachterumgibt, daß dieſe Dörfer mit der Induſtrie eines Ge-birgsvolks, dieſe mit Lama’s und europäiſchen Schafenbedeckten Weiden, dieſe mit lebendigem Gehege von Du-ranta und Barnadeſia eingefaßten Obſtgärten, dieſe ſorg-fältig bearbeiteten und reiche Ernten verſprechenden Aeckergleichſam in die hohen Regionen der Atmoſphäre aufge-knüpft ſind; und man erinnert ſich kaum, daß der Boden,den man bewohnt, höher über den nahen Küſten des ſtillenMeeres liegt, als der Gipfel des Canigu über dem Baſſindes mittelländiſchen Meeres. |842| |Spaltenumbruch| Betrachtet man den Rücken der Cordilleren als eineungeheure, von fernen Gebirgsmaſſen begränzte Ebene,ſo gewöhnt man ſich, die Ungleichheiten des Kamms derAnden als eben ſo viele iſolirte Spitzen anzuſehen. DerPichincha, der Cayambe, der Cotopaxi, und alle dieſevulkaniſchen Piks, welche mit eigenen Namen bezeichnetſind, unerachtet ſie bis über die Hälfte ihrer ganzenHöhe nur eine Maſſe ausmachen, ſcheinen in den Augender Bewohner von Quito eben ſo viele einzelne Berge,die ſich mitten auf einer waldloſen Ebene erheben, unddieſe Täuſchung wird um ſo vollſtändiger, da die Ein-ſchnitte des doppelten Kamms der Cordilleren bis zu derFläche der hohen bewohnten Ebenen herabreichen. DieAnden ſtellen ſich daher auch nur in großer Entfernung,wie von den Küſten des großen Oceans oder von denSteppen, welche ſich an ihrem öſtlichen Abhange hin-ſtrecken, als eine völlige Kette dar. Steht man hingegenauf dem Rücken der Cordilleren ſelbſt, entweder im König-reiche Quito, oder in der Provinz de los Paſtos, odernoch nördlicher im Innern von Neu-Spanien, ſo ſiehtman blos einen Haufen einzelner Berggipfel und Gruppeniſolirter Gebirge, welche ſich von dem Central-Plateaulosmachen; denn je größer die Maſſe der Cordilleren iſt,um ſo ſchwerer findet man es, ihren Bau und ihre Formim Ganzen aufzufaſſen. Und dennoch wird das Studium dieſer Form und dieſerGebirgs-Phyſionomie, wenn ich den Ausdruck wagen darf,durch die Richtung der hohen Ebenen, welche den Rückender Anden bilden, wunderbarlich erleichtert. Reist manvon der Stadt Quito nach dem Paramo von Aſſuay, ſo ſiehtman auf einer Länge von ſieben und dreißig Meilen nacheinander weſtwärts die Spitzen des Caſitagua, Pichincha,Atacazo, Corazon, Iliniza, Carguairazo, Chimborazound Cunambay, und gegen Oſten die Gipfel des Guama-ni, Antiſana, Paſſuchoa, Ruminaoi, Cotopari, Quelen-danna, Tungurahua und Capa-Urcu erſcheinen, welcheſämmtlich, mit Ausnahme von dreyen oder vieren, höherſind, als der Montblanc. Dieſe Gebirge ſtehen auf eineWeiſe da, daß ſie, vom Central-Plateau aus betrachtet,ſtatt ſich gegenſeitig zu bedecken, vielmehr in ihrer wahrenGeſtalt ſich, wie auf das azurne Himmelsgewölbe gemahlt,darſtellen. Man glaubt auf einem und demſelben verti-kalen Plane ihren ganzen Umriß zu ſehen; ſie erinnern anden impoſanten Anblick der Küſten von Neu-Norfolk unddes Cook-Fluſſes, und gleichen einem ſchroffen Uferlande,das ſich aus dem Meere hebt, und um ſo näher ſcheint,da kein Gegenſtand zwiſchen ihm und dem Auge des Beob-achters ſteht. Wie ſehr indeß der Bau der Cordilleren und die Formdes Central-Plateau die geologiſchen Beobachtungen be-günſtigen, und wie leicht ſie es dem Reiſenden machen,die Umriſſe des doppelten Kamms der Anden in der |Spaltenumbruch| Nähe zu unterſuchen, ſo ſehr verkleinert die ungeheureHöhe dieſes Plateau dafür auch die Gipfel, welche,auf Inſelchen in den weiten Raum der Meere geſtellt,wie der Mowna-Roa, und der Pik von Teneriffa, durchihre furchtbare Höhe Staunen erregen würden. DieEbene von Tapia hat eine abſolute Höhe von zweytauſend,einhundert und ein und neunzig Metern (vierzehnhun-dert und drey und achtzig Toiſen); iſt alſo nur ein Sechs-zehentheil niedriger, als der Aetna. Der Gipfel desChimborazo reicht ſomit blos dreytauſend ſechshundert undvierzig Meter über die Höhe dieſes Plateaus weg, unddemnach vier und achtzig Meter weniger, als die Spitzedes Mont-Blanc über die Priorey von Chamonix; denndie Verſchiedenheit des Chimborazo und des Mont-Blancverhält ſich ungefähr wie jene der Höhe des Plateau vonTapia und des Grundes vom Chamonis-Thale. Auch derGipfel des Pik von Teneriffa iſt, gegen die Lage derStadt Orotava verglichen, höher, als der Chimborazo undder Mont-Blanc über Riobamba und Chamonix. (Der Beſchluß folgt.) |847| |Spaltenumbruch| |Spaltenumbruch|

Pittoreske Anſichten in den Cordilleren. (Beſchluß.)

Gebirge, welche uns durch ihre Höhe in Erſtaunenſetzen würden, wenn ſie am Meeres-Ufer ſtünden, ſchei-nen, auf den Rücken der Cordilleren geſtellt, bloße Hügel.Quito z. B. lehnt ſich an einen kleinen Kegel, Javiracgenannt, der den Bewohnern dieſer Stadt nicht höhervorkommt, als der Mont-Martre oder die Höhen vonMeudon den Pariſern; und dennoch hat er, nach meinenMeſſungen, dreytauſend einhundert und ein und zwanzigMeter (1600 Toiſen) abſolute Höhe, und erhebt ſich dem-nach beynahe ſo hoch, als der Gipfel des Marboré, einerder höchſten Spitzen der Pyrenäen-Kette. Neben allen Wirkungen dieſer Täuſchung, welche durchdie Höhe der Plateaus von Quito, von Mutalo und vonRiobamba verurſacht wird, würde man dennoch auf denKüſten oder auf dem öſtlichen Abhange des Chimborazovergebens eine Stelle ſuchen, welche eine ſo prächtige An-ſicht der Cordillera geſtattete, als ich ſie, mehrere Wo-chen lang, von der Ebene von Tapia aus genoſſen habe.Sieht man auf dem Rücken der Anden, zwiſchen dem doppel-ten Kamme, welchen die koloſſalen Spitzen des Chimborazo,des Pungurakua und des Cotopaxi bilden, ſo iſt man ih-ren Gipfeln immer noch nahe genug, um ſie unter ſehranſehnlichen Höhenwinkeln zu ſehen. Steigt man abergegen die Wälder herab, welche den Fuß der Cordillereneinſchließen, ſo werden dieſe Winkel ſehr klein; dennwegen der ungeheuren Maſſe der Gebirge entfernt manſich, je mehr man ſich der Meeresfläche nähert, ſehr ſchnellvon den Gipfeln. Ich (Humboldt) habe die Umriſſe des Chimborazo unddes Carguairazo mit Anwendung derſelben geographiſchenMittel gezeichnet, wie ich ſie bey der Beſchreibung mei-ner Zeichnung des Cotopaxi angegeben habe. Die Linie,welche die untern Gränze des ewigen Schnees bezeichnet,iſt immer noch etwas höher, als der Mont-Blanc; denndieſer Berg würde unter dem Aequator blos zuweilen mitSchnee bedeckt werden. Die ſich gleich bleibende Tempe-ratur dieſer Zone macht die Wirkung, daß die Gränzedes ewigen Eiſes nicht ſo unregelmäßig iſt, wie in denAlpen und in den Pyrenäen. Auf dem nördlichen Abhangedes Chimborazo, zwiſchen dieſem Berge und dem Car-guairazo, zieht ſich der Weg hin, welcher von Quito nachGuayaquil gegen die Küſten des ſtillen Meeres führt.Die mit Schnee bedeckten Auswüchſe, welche ſich auf |848| |Spaltenumbruch| dieſer Seite erheben, erinnern durch ihre Form an die desDome du Gouté, vom Chamonix-Thale aus betrachtet. Aufeiner ſchmalen Gräthe, welche ſich auf der Süd-Seite ausdem Schnee erhebt, verſuchten wir, Hr. Bonpland, Hr. Montufar und ich, die Spitze des Chimborazoszu erreichen. Trotz des dicken Nebels und der Schwie-rigkeit, in der dünnen Luft Athem zu holen, brachten wirdoch Inſtrumente auf eine beträchtliche Höhe. Der Punkt,wo wir ſtille hielten, um die Inklination der Magnetna-del zu beobachten, ſcheint viel höher, als alle andere,welche je von Menſchen auf Gebirgeshöhen erreicht wor-den ſind, und liegt eilfhundert Meter erhabener, alsdie Spitze des Mont-Blanc, auf die es Hrn. Sauſſure, dem gelehrteſten und beherzteſten Reiſenden, nach Be-ſiegung viel größerer Schwierigkeiten, als wir auf unſrerBeſteigung des Chimborazo fanden, vorzudringen ge-lungen iſt. Solche mühvolle Unternehmungen, derenErzählung gewöhnlich die Aufmerkſamkeit des Publikumim höchſten Grade anzieht, werfen indeß nur wenige Re-ſultate für die Wiſſenſchaften ab; denn der Reiſende be-findet ſich auf einem mit Schnee bedeckten Boden, ineiner Schichte von Luft, deren chemiſche Miſchung der inden niedrigern Gegenden gleich kommt, und in einer La-ge, wo feinere Verſuche nicht mit der nöthigen Genauig-keit angeſtellt werden können. Die noch thätigen Vulkane, welche nur einen einzigenaußerordentlich weiten Krater haben, ſind koniſche Gebir-ge, mit mehr oder weniger abgeſtumpfter Spitze, wie derCotopaxi, der Popocateyec und der Pik von Orizaba.Andre Vulkane, deren Gipfel ſich nach einer MengeEruptionen geſenkt hat, ſtellen zackige Kämme, ſchiefeSpitzen, und zerbrochene, Einſturz drohende Felſen dar.Von der Art ſind z. B. der Altar, oder der Capac-Urcu,ein Gebirge, das einſt höher war, als der Chimborazo,und deſſen Zerſtörung eine, in der Natur-Geſchichte desneuen Continents merkwürdige Epoche bezeichnet; undder Carguairazo, welcher großentheils in der Nacht vom19 Juli 1698 zuſammenſtürzte. Waſſerſtröme und Thon-auswürfe brachen dazumal aus den geöffneten Seiten desBerges hervor, und machten die ihn umgebenden Gefildeunfruchtbar. Dieſe ſchreckliche Kataſtrophe war überdiesvon einem Erdbeben begleitet, das Tauſende von Ein-wohnern in den nahen Städten Hambato und Llactacungaverſchlang. Die dritte und die majeſtätiſchſte Form der hohen An-den-Gipfel iſt die des Chimborazo, deſſen Spitze abgerun-det iſt. Sie erinnert an die kraterloſen Auswüchſe, wel-che die elaſtiſche Kraft der Dünſte in Gegenden auftreibt,wo die grottenreiche Rinde des Globus durch unterirdiſcheFeuer unterminirt iſt. Die Anſicht von Granit-Gebirgenhat nur eine ſchwache Aehnlichkeit mit jener des Chimbora-zo. Die Granit-Gipfel ſind abgeplattete Halbkugeln, und |Spaltenumbruch| die Trapp-Porphyrs bilden die hochauſſtrebenden Kuppeln.So ſieht man an der Küſte der Süd-See, wenn die Luftnach den langen Winterregen plötzlich durchſichtig gewordeniſt, den Chimborazo, wie eine Wolke, am Himmel er-ſcheinen. Er hat ſich völlig von den ihm benachbartenSpitzen losgemacht, und erhebt ſich über die ganze Anden-Kette, wie jener majeſtätiſche Dom, das Werk von Michael Angelos Genie, über die antiken Denkmahle, welchedas Kapitol einfaſſen.