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Alexander von Humboldt: „Ideen zu einer Geographie der Pflanzen“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1809-Geografia_de_las-3> [abgerufen am 20.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1809-Geografia_de_las-3
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Titel Ideen zu einer Geographie der Pflanzen
Jahr 1811
Ort Wien
Nachweis
in: Archiv für Welt-, Erde- und Staatenkunde, ihre Hilfswissenschaften und Litteratur 1:3 (1811), S. 231–270; 1:4 (1811), S. 315–340.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Fußnoten mit Asterisken und Ziffern; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: II.72
Dateiname: 1809-Geografia_de_las-3
Statistiken
Seitenanzahl: 67
Zeichenanzahl: 108674

Weitere Fassungen
Geografía de las Plantas (Bogotá, 1809, Spanisch)
[Geografía de las Plantas] (Frankfurt am Main, 1809, Deutsch)
Ideen zu einer Geographie der Pflanzen (Wien, 1811, Deutsch)
Die Pflanzenwelt der Tropenländer (Brünn, 1819, Deutsch)
Zur geographischen Botanik (Zürich, 1847, Deutsch)
Geografia de las plantas. Prospecto (Paris, 1849, Spanisch)
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Ideen zu einer Geographie der Pflanzen von Alexander von Humbold mit erläuternden Zusätzen und Anmerkungen.


Die Untersuchungen der Naturforscher sind ge-wöhnlich nur auf Gegenstände beschränkt, welcheeinen sehr geringen Theil der Pflanzenkunde um-faßen. Sie beschäftigen sich fast allein mit Auf-suchung neuer Arten, mit Beschreibung der äußernForm derselben, und mit den Kennzeichen, nachderen Aehnlichkeit sie in Klaßen oder Familien ver-einigt werden. Dieses physiognomische Studium der organi-schen Geschöpfe ist unstreitig das wichtigste Fun-dament aller Naturbeschreibung. Ohne daßelbekönnen selbst diejenigen Theile der Botanik, wel-che auf das Wohl der menschlichen Gesellschafteinen mehr unmittelbaren Einfluß zu haben schei-nen, wie die Lehre von den Heilkräften der Pflan-zen, von ihrer Kultur, und ihrem technischen Ge-brauche, keine bedeutenden Fortschritte machen.So wünschenswerth es demnach aber auch ist, daßviele Botaniker sich auschließlich diesem weitum-fassenden Studium widmen mögen; so sehr auch |232| die natürliche Verkettung der Formen einer philo-sophischen Behandlung fähig ist: so ist es dennochnicht minder wichtig, die Geographie der Pflanzenzu bearbeiten, eine Disciplin, von welcher kaumnur der Nahme existirt, und welche die intereßan-testen Materialien zur Geschichte unsers Planetenenthält. *1)
*1) Schon im Jahre 1793 in dem Prodromus zum SpecimenFlor. Fribergensis S. IX und X wies der Hr. Verf. voll-kommen der Natur gemäß, der Geognosie (Erdkunde)einen weiteren Umfang an, und fand es schon damahlsnicht schicklich, daß man die mineralogische Kenntnißder Erdrinde ausschließlich mit dem Nahmen Geogno-sie belegt hatte; da diese Benennung der phytologischenund zoologischen, nicht weniger auch der atmosphäro-logischen Abtheilung mit gleichem Rechte zukommt.Sehr richtig heißt es dort: „Geognosia Naturam anima-tam aeque ac inanimatam, vel, ut vocabulo minus aptoex antiquitate saltem haud petito utar, corpora organi-ca aeque ac inorganica considerat.” „Und darauf gibt erdie besonderen Abtheilungen dieser Lehren an: nähm-lich die oryctologische (beßer wohl, um keine Verwechs-lung zu veranlaßen, die mineralogische) Geographieferner die phytologische und zoologische Geographie.Auch bemerkte damahls schon der Hr. Verf., daßdie natürliche Erdgeschichte der Geognosie näher ver-wandt sey, als der systematischen Beschreibung der be-sondern Naturkörper; es fehlte also zur vollständigenBestimmung des Gebietes der gesammten natürlichenErdkunde oder Geognosie weiter nichts, als daß derHr. Verf der natürlichen Geographie die natürliche Erd-geschichte zur Zwillingsschwester gegeben, und beydeals die constituirenden Theile der gesammten natürlichenGeognosie aufgeführt hätte. Daß dieses Unterordnenbeyder unter eine Hauptrubrik; den natürlichen Verhält-nißen vollkommen angemeßen sey, ersieht man schondaraus, daß der Hr. Verf. oft unvermerkt, aus dem geo-
|233| Sie betrachtet die Gewächse nach dem Ver-hältniße ihrer Vertheilung in den verschiedenenKlimaten. Fast grenzenlos, wie der Gegenstand densie behandelt, enthüllt sie unseren Augen die un-ermeßliche Pflanzendecke, welche, bald dünner,bald dichter gewebt, die allbelebende Natur überden nackten Erdkörper ausgebreitet hat. Sie ver-folgt die Vegetation von den luftdünnen Höhender ewigen Gletscher bis in die Tiefe des Meeres,oder in das Innere des Gesteins, wo in unterirr-dischen Höhlen Kryptogamen wohnen, die nochso unbekannt als die Gewürme sind, welche sienähren. Der obere Rand dieser Pflanzendecke liegt,wie der des ewigen Schnees, höher oder tiefer, nachdem Breitengrade der Orte, oder nach der Schiefeder wärmenden Sonnenstrahlen. *2) Aber die unte-
graphischen Felde, in das geschichtliche übertritt, undsogar oft die geographischen Darstellungen mit histori-schen Ansichten durchwebt, mithin geognostisch schil-dert; und somit wäre die Ueberschrift: Ideen zu einerphytologischen Geognosie oder Erdkunde vielleicht nochpassender als die Gewählte gewesen. Recension dieses Werkes in den allgem. geo-graphischen Ephemeriden 23. Band S. 452. *2) Ungleich ist der Teppich gewebt, den die blüthenrei-che Flora über den nackten Erdkörper ausbreitet; Dich-ter, wo die Sonne höher an dem nie bewölkten Himmelemporsteigt; lockerer gegen die trägen Pole hin, woder wiederkehrende Frost bald die entwickelte Knospetödtet, bald die reifende Frucht erhascht. Doch über-all darf der Mensch sich der nährenden Pflanzen er-freuen. Trennt im Meeresboden ein Vulkan die ko-chende Fluth, und schiebt plötzlich (wie einst zwischenden griechischen Inseln) einen schlackigen Fels empor
|234| re Grenze der Vegetation bleibt uns völlig unbe-kannt: denn genaue Beobachtungen, welche manüber die unterirdischen Gewächse beyder Hemis-
oder erheben (um an eine friedlichere Naturerscheinungzu erinnern) die einträchtigen Nereiden ihre zelligen Woh-nungen, bis sie nach Jahrtausenden über den Waßer-spiegel hervorragend, absterben, und ein flaches Ko-rallen-Eiland bilden: so sind die organischen Kräftesogleich bereit, den todten Fels zu beleben. Was denSaamen so plötzlich herbeyführt: ob wandernde Vögel,oder Winde, oder die Wogen des Meeres; ist bey dergroßen Entfernung der Küsten schwer zu entscheiden.Aber auf dem nackten Steine, sobald ihn zuerst die Luftberührt, bildet sich in den nordischen Ländern ein Ge-webe sammtartiger Fasern, die dem unbewaffneten Augeals farbige Flecken erscheinen. Einige sind durch her-vorragende Linien bald einfach, bald doppelt begränzt;andere sind in Furchen durchschnitten und in Fächergetheilt. Mit zunehmenden Alter verdunkelt sich ihrelichte Farbe. Das fernleuchtende Gelb wird braun, unddas bläuliche Grau der Leprarien verwandelt sich nachund nach in ein staubartiges Schwarz. Die Grenzender alternden Decke fließen in einander, und auf demdunkeln Grunde bilden sich neue zirkelrunde Flechtenvon blendender Weiße. So lagert sich schichtenweiseein organisches Gewebe auf das andere; und wie dassich ansiedelnde Menschengeschlecht bestimmte Stufender sittlichen Kultur durchlaufen muß, so ist die all-mählige Verbreitung der Pflanzen an bestimmte physi-sche Gesetze gebunden. Wo jetzt hohe Waldbäume ihreGipfel luftig erheben, da überzogen einst zarte Flech-ten das erdenlose Gestein. Laubmoose, Gräser, kraut-artige Gewächse und Sträucher, füllen die Kluft der lan-gen, aber ungemeßenen Zwischenzeit aus. Was im Nor-den Flechten und Moose, das bewirken in den Trop-pen Portuluca, Gemphrenum und andere niedrige Ufer-pflanzen. Die Geschichte der Pflanzendecke, und ihre
|235| phären angestellt hat, lehren, daß das Innere derErde überall belebt ist, wo organische Keime Raumzur Entwickelung und eine sauerstoffhaltige Flüßig-keit zur Ernährung gefunden haben. Jene schrof-fen beeisten Klippen, die hoch über der Wolken-schichte hervorragen, sind mit Laubmoosen undFlechtenarten bewachsen. Ihnen ähnliche Krypto-gamen breiten, bald buntgefärbt bald von blen-dender Weiße, ihr weiches faseriges Gewebe, überdie Stalaktiten-Wände unterirdischer Grotten,und über das feuchte Holz der Bergwerke aus. Sonähern sich gleichsam die äußersten Gränzen derVegetation, und bringen Formen hervor, dereneinfacher Bau von den Physiologen noch wenig er-forscht ist.
Aber die Pflanzen-Geographie ordnet die Ge-wächse nicht bloß nach Verschiedenheit der Kli-mate und Berghöhen, in welchen sie sich finden;sie betrachtet dieselben nicht bloß nach den wech-selnden Graden des Luftdruckes, der Temperatur,der Feuchtigkeit und elektrischen Tension, unterwelchen sie sich entwickeln: sie unterscheidet un-ter den zahllosen Gewächsen des Erdkörpers, wieunter den Thieren zwey Klaßen, 3*) die in ihrem
allmählige Ausbreitung über die öde Erdrinde, hat ihreEpochen, wie die Geschichte des spätern Menschenge-schlechts. Anm. zu von Humbold’s Ideen zu einer Physiog-nomik der Gewächse. 3*) Ich habe auf diesen Unterschied, und auf andere Ver-hältniße der Pflanzen-Geographie schon in meiner Flo-ra Fribergensis (1793) aufmerksam gemacht. Anmerkung des Verfaßers.
|236| Verhältniße gegen einander (und so zu sagen in ih-rer Lebensweise) weit von einander abstehen. *4)
Einige wachsen einzeln und zerstreut. So inder gemäßigten Zone in Europa, Solanum dulca-mara, Lychnis dioica, Polygonum bistorta, An-thericum liliago, Crataegus aria, Weißia paludo-sa, Polytrichum piliferum, Fucus sacharinus, Cla-varia pistillaris, und Agaricus procerus: so unterden Wendekreisen, im neuen Kontinent, Theo-phrasta americana, Lysianthus longifolius, Hevea,die meisten Cinchona-Arten, Vallea stipularis,Anacardium caracoli, Quasia simaruba, Spondiasmombin, Manettia reclinata und Gentiana aphylla. Andere Gewächse, gesellig vereinigt, gleichAmeisen und Bienen, bedecken ganze Erdstrecken,von denen sie alle von ihnen verschiedene Pflanzenausschließen. Zu diesen gehört das Heidekraut(Erica vulgaris), die Erdbeeren (Fragaria vesca), Vaccinium myrtillus, Polygonum aviculare, Cy-percus fuscus, Aira anescens, Pinus sylvestris,Sesuvium portulacastrum, Rhizophora mangle,Croton argenteum, Convolvulus brasiliensis, Bra-thys juniperina, Escallonia myrtilloides, Bromeliakaratas, Sphagnum palustre, Politrichum commu-
*4) Der Grund dieser auffallenden Erscheinung, scheint imSaamen selbst zu liegen, daß dieser nähmlich entweder zuschwer ist, um vom Winde weit fortgeführt werden zukönnen, oder daß er entweder leicht vom Hauch desWindes fortgerißen, oder auch durch die Elasticitätseiner Fruchthülle weit weggetrieben wird. Auch ist dieWurzel einiger Gewächse wuchernd, und macht, daßmehrere Pflanzen derselben immer beysammen stehenmüßen. S. Wildenow’s Geschichte der Pflanzen S. 504.
|237| ne, Fucus natans, Sphaeria digitata, Lichen hae-matoma, Cladonia paschalis, und Telephora hir-suta.
Ob ich gleich unter diesen geselligen Pflan-zen, manche südamerikanische mit aufgezählt habe;so ist ihr Vorkommen in den Troppenländern,doch im ganzen seltener als in der gemäßigten Zo-ne, wo ihre Menge den Anblick der Vegetationeinförmiger, und deßhalb unmahlerischer macht.Von dem Ufer des Orinoco, bis zu dem des Amazonen-Stroms und des Ucayale, in einer Ebe-ne von mehr als drey Hundert Meilen, ist dasLand ein ununterbrochener dichter Wald. Hindertennicht trennende Flüße, so könnten Affen, die fast dieausschließlichen Bewohner dieser Einöde sind, oh-ne die Erde zu berühren, von Zweige zu Zweigesich schwingend, aus der nördlichen Hemisphärein die südliche übergehen. Aber diese unermeß-lichen Waldungen biethen dem Auge nicht dasermüdende Schauspiel der geselligen Pflanzen dar.Jeder Theil ist mit andern Formen geschmückt.Hier stehen dicht gedrängt Psychotria, buchen-blätterige Mimosen und immerblühende Melasto-ma: dort verschlingen die hohen Zweige Cesalpi-nien, mit Vanille umränkte Feigenbäume, LecythisArten, und die von gerinnbarer Milch*)stro-tzenden Heveen. Kein Gewächs übt hier verdrän-gende Herrschaft über die anderen aus. Ganz anders sind die Pflanzen in der Gegendder Troppenländer vertheilt, welche an Neu-Me-
*) Kautschuck, durch Absorption des atmosphärischenOxygens sich aus der Milch abscheidend. Anm. des Verfassers.
|238| xico und Louisiana grenzt. Zwischen dem sieb-zehnten und zwey und zwanzigsten Grade nörd-licher Breite ist eine kalte, zwey tausend Meter (6000Fuß) über den Meerespiegel erhabene Gebirgsebene(Anahuac nennen die Eingebohrnen dieses Land),dicht mit Eichen und mit einer Tannen-Art be-wachsen, welche sich dem Pinus strobus naht.Liquidambarbäume, Arbutus madronno und ande-re gesellige Pflanzen bedecken in den anmuthigenThälern von Xalappa den östlichen Abfall der me-xicanischen Gebirgskette. Boden, Klima, Pflan-zen, Formen, ja die ganze Ansicht des Landes,nehmen hier einen Charakter an, welcher der ge-mäßigten Zone anzugehören scheint, und den maninnerhalb der Wendekreise, in gleicher Berghöhe,in Südamerika nirgends beobachtet. Die Ursachedieses sonderbaren Phänomens, liegt wahrschein-lich größtentheils in der Gestalt des neuen Konti-nents, der an Breite übermäßig zunehmend, hochgegen den Nordpol ansteigt; wodurch das Klimavon Anahuac kälter wird, als es nach des LandesLage und Höhe seyn sollte. Canadische Pflan-zen sind so auf dem hohen Gebirgsrücken allmäh-lich gegen Süden gewandert; und nahe am Wende-kreise des Krebses sieht man jetzt die feuerspeyen-den Berge von Mexico mit denselben Tannen be-wachsen, welche den nördlichen Quellen des Gi-la und Mißury eigen sind. *6)

*6) Boden, Lage, Kälte, Hitze, Dürre und Näße habenauf die ganze Vegetation einen großen Einfluß. Esdarf daher keinen befremden, in jeder Gegend des Erd-balls eigene, nur für diese Lage bestimmte Gewächse zufinden. Wenn man also die Pflanzen der Polarländer
|239| In Europa ist die große Katastrophe, welchedurch plötzliches Anschwellen der Binnenwaßererst die Dardanellen, und nachher die Säulen desHercules durchbrochen, und das breite Thal desMittelmeers ausgehöhlt hat, dem Uebergang afri-canischer Pflanzen hinderlich gewesen. Nur diewenigen, welche man in Neapel, in Sicilien, undin dem südlichen Frankreich findet, sind wahr-scheinlich wie die Affen von Gibraltar, vor die-sem Durchbruche eingewandert. Die Kälte der py-renäischen Gebirgspäße beweist, daß sie unmit-telbar von Süden her aus dem Berberen-Lande,und nicht durch Spanien von Südwesten her, gekom-men sind. In den folgenden Jahrtausenden hat dasländerscheidende, aber für Schiffahrt, gegenseiti-gen Verkehr und intellectuelle Kultur des Menschen-geschlechts so wichtige Mittelmeer, diese Einwan-derung unmöglich gemacht, und die südeuropäi-sche Vegetation kontrastirt deßhalb mit der von Nieder-Aegypten und den nordatlantischen Küsten.Nicht so ist die Pflanzenvertheilung zwischen Ca-nada und der mexicanischen Landenge. BeydeLänder haben gleichsam ihre Gewächse gegen ein-ander ausgetauscht, und die Hügel, welche dasThal von Tenochtitlan begränzen, sind fast mitdenselben Bäumen bedeckt, welche unter demfünf und vierzigsten Breitengrade nördlich vom
wieder auf den Gipfeln hoher Gebirge bemerkt; so siehtman daß diese Gewächse nur für kalte Länder bestimmtsind. Eben so wenig ist es zu verwundern, unter ei-nerley Breite in Asien,Afrikaund Amerika, auf ebe-nem Boden viele Gewächse zu finden, die allen drey-en Welttheilen eigen sind. Wildenow Geschichte der Pflanzen.
|240| Kranichgebirge und dem Salz-See von Timpano-gos, vegetiren. Wenn Künstler diesen mexicani-schen Theil der Troppenregion besuchten, um indenselben den Character der Vegetation zu studie-ren, würden sie dort vergebens die Pracht undGestalt-Verschiedenheit der Aequinoctional-Pflan-zen suchen. Sie würden in dem Paralell der west-indischen Inseln, Wälder von Eichen, Tannen,und zweyzeiligen Cypreßen finden; Wälder, wel-che die ermüdende Einförmigkeit der geselligenPflanzen von Canada, Nordasien und Europa dar-bieten.
Es wäre ein interessantes Unternehmen, aufbotanischen Specialkarten die Länderstrecken an-zudeuten, welche diese gesellige Verbindung vonGewächsen einerley Art auf dem Erdboden ein-nehmen. Sie würden sich in langen Zügen dar-stellen, die, Unfruchtbarkeit verbreitend, alle Kul-tur um sich her verdrängen, und bald als Hei-den, bald als unermeßliche Grasfluren (Steppen,Savanen), bald als undurchdringliche Waldungen,dem Verkehre des Menschengeschlechts fast gröſ-sere Hinderniße als Berge und Meer, entgegen-stellen. So beginnt das Heideland, diese Gruppi-rung der Erica vulgaris, Erica tetralix, des Lichenicmadophila und Lichen haematoma, von der Nord-spitze von Jüttland, und dehnt sich südlich, durchHolstein und Lüneburg *7) bis über den zwey undfünfzigsten Breitengrad hinaus. Von da wendet ersich gegen Westen, und reicht durch die Granit-ebenen von Münster und Breda, bis an die Küstendes englischen Oceans. Seit vielen Jahrhunderten
*7) Fast b. 52° 27′
|241| herrschen diese Pflanzen in den nordischen Län-dern. Die Industrie der Anwohner, gegen jeneAlleinherrschaft ankämpfend, hat ihnen bisher nurwenig Raum abgewonnen. Aber diese neugefurch-ten Aecker, diese Eroberungen des Kunstfleißes,die allein wohlthätigen für die Menschheit, bildenInseln von frischem Grün in der öden Heide. Sieerinnern an jene Oasen, welche den Keim des ve-getabilischen Lebens mitten in den todten Sand-wüsten Lybiens bewahren.
Ein Laubmoos, Sphagnum palustre, welches den Tropen und den gemäßigten Klimaten gleicheigen ist, bedeckte ehemahls einen beträchtlichenTheil von Deutschland. Die häufigen Torfmoorein den baltischen und westdeutschen Ländern be-zeugen, wie weit jene gesellige Pflanze dort einstverbreitet war: denn die neueren Moore verdan-ken zwey Sumpf-Kryptogamen, dem Sphagnumund Mnium serpillifolium, ihren Ursprung, wäh-rend daß der Torf älterer Formation aus zusam-men gehäuften Meer-Ulven und kochsalzhaltigenFucus-Arten entstanden ist, und daher oft auf ei-nem Bette kleiner Seemuscheln ruht. Durch Aus-rottung der Wälder haben ackerbauende Völkerdie Näße des Klima vermindert. Die Sümpfe sindnach und nach abgetrocknet, und das Sphagnum,welches den Nomaden des alten Germaniens gan-ze Länderstrecken unbewohnbar machte, ist durchnutzbare Gewächse verdrängt worden. Unerachtet das Phänomen der geselligen Pflan-zen der gemäßigten Zone hauptsächlich und fastausschließlich angehört: so liefern die Tropen-länder doch auch einige Beyspiele davon. Denlangen Rücken der Andeskette in einer Höhe von |242| drey tausend Meter über dem Meere (fast 9300Schuh), bedecken in einförmigen Zügen die gelb-blühende Schichte (Brathys juniperina), Schitima-ni, (Brathys ovata), Jarava, eine Grasart die demPapporophorum verwandt ist, myrtillblättrige Es-calonia, mehrere Arten strauchartiger Molinen,und die Tourretia, deren nährendes Mark der In-dianer oft aus Dürftigkeit den Bären streitig macht.In den brennend heißen Ebenen zwiſchen demChinchipe und dem Amazonenfluße, wachsen ge-sellig silberblättriger Croton, Godoya, und die mitfarbigen Bracteen bedeckte Bougainvillea. In denGrasfluren (Savanen) des Nieder-Orinoco wachsenKillingia, reitzbare Mimosen, und, wo eine Quel-le ausbricht, die fächerige Morizpalme mit purpur-rothen zapfenartigen Früchten. Eben so haben wirim Königreiche Neu-Granada, zwischen Turbacound Mahates, am Madalenen-Strome, wie andem westlichen Abfall der Schnee-Alpen von Quin-diu, fast ununterbrochene Wälder von Bambus-Schilf und pisangblättrigen Heliconien gefunden.Aber diese Gruppen geselliger Pflanzen sind stetsminder ausgedehnt, und seltener unter den Wen-dekreisen, als in der gemäßigten und kalten Zoneder nördlichen Erde. Um über die ehemahlige Verbindung nahege-legener Kontinente zu entscheiden, gründet sichder Geognost auf die ähnliche Structur der Küsten,auf die Schichtung und Lagerung ihrer Gebirgsar-ten, die gleichen Menschen und Thier-Racen,die sie bewohnen, und auf die Untiefen des an-grenzenden Meeres. Die Geographie der Pflanzenkann nicht minder wichtige Materialien für dieseArt der Untersuchungen liefern. Sie betrachtet die |243| Gewächse, welche Ost-Asien mit Kalifornien undMexico gemein hat. Sie macht es wahrscheinlich,daß Südamerica sich vor der Entwickelung orga-nischer Keime auf dem Erdboden, vonAfrikage-trennt, und daß beyde Kontinente mit ihren östli-chen und westlichen Ufern einst gegen den Nord-pol hin, zusammengehangen haben. Durch siegeleitet kann man in das Dunkel eindringen, wel-ches den frühesten Zustand unsers Planeten ein-hüllt, um zu entscheiden, ob nach den chaotischenWaßerfluthen die trocknende Erdrinde an vielenOrten zugleich mit verschiedenen Pflanzenartenbedeckt worden ist, oder ob (nach der uraltenMythe vieler Völker) alle vegetabilischen Keimesich zuerst in einer Gegend entwickelt haben, vonwo sie, auf schwer zu ergründenden Wegen undder Verschiedenheit der Klimate trotzend, nach al-len Weltgegenden gewandert sind. *6) Die Geographie der Pflanzen untersucht, ob manunter den zahllosen Gewächsen der Erde gewißeUrformen entdecken, und ob man die specifischeVerschiedenheit als Wirkung der Ausartung und
*6) Vielleicht bestand der Erdball aus einer Waßerfläche,die nur durch hohe Gebirgsketten unterbrochen warund die Tiefe des Meeres war vielleicht auch geringer.Auf den Gebirgen war die Vegetation der gegenwärtigenLänder vorhanden. Das Meer konnte sich ein tiefe-res Bette wühlen, die Berge wurden verkleinert, undso entstand allmählig das feste Land, was nach undnach von den Gebirgspflanzen und den in den Thälernderselben stehenden Gewächse besäet wurde. Wildenow’s Geschichte der Pflanzen.
|244| als Abweichung von einem Prototypus betrachtenkann. *7)
Sie löset das wichtige und oft bestrittene Pro- |245|blem, ob es Pflanzen gibt, die allen Klimaten, allen Höhen und allen Erdstrichen eigen sind? Wenn ich es wagen dürfte, allgemeine Folge-rungen aus dem zu ziehen, was ich selbst in ei-
nen, nicht leugnen. Die Natur hat aber weislich da-für gesorgt, daß im wilden Zustande so leicht keineVermischung Statt finden kann. Pflanzen, die sich ähn-lich sind, finden wir oft in entfernten Weltgegenden,zu ganz verschiedener Zeit in der Blüthe, und an un-terschiedenen Standörtern. Aehnliche Pflanzen könnensich nur vermischen und Bastarde zeugen, aus diesemGrunde fallen also, wenn nicht viele Arten derselbenGattung in einem Klima wachsen, die Vermischun-gen ganz weg. Nur ein Beyspiel zur Erläuterung die-ses Satzes: Wir haben hier drey Arten Scrophularienwild wachsend, nähmlich: Scrophularia verna, nodosaund aquatica. Die erstere Art stehet um die Dörfer inHecken, sie blüht im Frühjahr. Die zweyte steht auffeuchten Triften, an Gräben und blüht einen Monath spä-ter. Die Dritte wächst in Flüßen, Bächen, Sümpfenund Teichen, und blüht um mehr als einen Monathspäter als die vorige. Andere Arten dieser Gattung diemit diesen Aehnlichkeit haben, wachsen in Italien, Si-birien, im Orient, in Nordamerika u. s. w. Bey allendiesen kann keine Bastarderzeugung im natürlichen Zu-stande vor sich gehen. Setzen wir aber in einem bota-nischen Garten alle wilde und ausländische Arten die-ser Gattung auf einen Fleck beysammen, so ist es wohlkein Wunder, wenn der verschiedene, mancher Art nichtangemeßene Boden, früher oder später die Blume er-scheinen läßt, und wenn das thätige Insectenheer voneiner Art zur andern fliegt, und wider Willen uns Ba-starde bringt, die nie im Freyen entstanden wären?Man wird leicht eine Menge Pflanzen erkennen, dienirgend ursprünglich wild wachsen, und die ihre Ent-stehung nur botanischen Gärten zu danken haben. Wildenow’s Geschichte der Pflanzen.
|246| nem geringen Theile beyder Hemisphären beob-achtet: so sollte ich vermuthen, daß einige kryp-togamische Pflanzen die einzigen sind, welche dieNatur überall *8) hervorbringt. Dicranum scopa-rium, Polytrichum commune, Verrucaria sangui-nea und Verrucaria limitata Scopoli, wachsen un-ter allen Breiten, in Europa wie unter dem Ae-quator, auf dem Rücken hoher Gebirge wie an denMeeresküsten, überall wo sie Schatten und Feuch-tigkeit finden.
Am Ufer des Madalenen-Flußes, zwischenHonda, und der Aegyptiaca, in einer Ebene wodas Thermometer ununterbrochen fünf und zwan-zig bis acht und zwanzig Grade zeigt, am Fußeder Ochroma, und des großblättrigen Macrocne-mums, haben wir Moosdecken gefunden, so dichtgewebt, und von so frischem Grün, als man sienur in schwedischen oder norddeutschen Wäldernbeobachtet. Wenn andere Reisende behaupten,daß Laubmoose, und alle Kryptogamen überhauptin der heißen Zone selten sind: so liegt der Grunddieser Behauptung unstreitig darin, daß sie nichttief genug ins Innere der Wälder eindrangen, son-dern nur dürre Küsten oder kultivirte Inseln be-suchten *9) Von den Flechten finden sich sogar
*8) Auch Herr Schwarz fand europäische Moose, Funariahygrometrica, Dicranum glaucum und Bryum serpillifo-lium, auf den blauen Bergen in Jamaica, deren Höhezwey Tausend zwey Hundert und sechzehn Meter (1138Toisen) beträgt. Anm. des Verfaßers. *9) Moose und Flechten kommen weniger in warmen alsin kalten Klimaten vor. Schweden, Schottland, Hel-vetien und der Harz in Deutschland sind bis jetzt die
|247| viele derselben Art unter allen Graden der Breitein der Nord- und Südzone. Sie scheinen fast un-abhängig vom Einfluße des Klima, wie die Ge-birgsarten, auf denen sie wachsen, und von denenkaum eine irgend einem Theile der Erde ausschließ-lich zugehört.

Schatzkammern der europäischen Moose und Flechten.So ist es auch auf der südlichen Halbkugel. In Pata-gonien, an der magellanischen Meerenge, und auf demFeuerlande, ist alles mit Moosen bedeckt. Ja dort neh-men wie in Lappland und Island, wegen der Kälte desKlima’s die meisten übrigen Pflanzen ein moosartigesAnsehen an. Die Winteriana war fast der einzige ei-gentliche Baum, den Forster auf der Küste des Feuer-landes bey Cap-Noir fand; alle übrige die antarktischeBirke und Buche, die Arbutus-Arten, die Donatia,waren durchaus zwergartig.Moose, und Flechten kommen aber doch in war-men Ländern, selbst zwischen den Wendekreisen vor,wenn das Land sehr gebirgig ist. Auf Jamaika fandder schwedische Naturforscher Olaus Schwarz eine rei-che Aerndte der schönsten Moose. Was mögen auf denCordilleras, auf den Smaragden-Gebirgen in Habeßi-nien, auf den Alpen, im Königreich Tombuktu, auf denBergen die die Kaffern den Weltrücken nennen, nochfür Tausende von Moosen seyn, die ganz neue Gattun-gen und Arten darstellen! Denn, daßAfricanicht ent-blößt von Moosen ist, hat Desfontaines bewiesen, dervom Atlas eine beträchtliche Menge mitbrachte. Undsollten die gaurischen Gebirge, sollte der alte Imausund Kaukasus, sollten das gebirgige Thibet, China unddie Mongoley nicht noch unzählige neue Arten aus die-ser Familie aufzuweisen haben? Auch Neu-Hollandwird noch einen sehr wichtigen Beytrag liefern, da Dam-pier schon eine beträchtliche Menge Moose von dortmitgebracht hat. Sprengel’s Anleit. zur Kenntniß der Gewächse.
|248| Unter denen phanerogamischen Pflanzen, ken-ne ich keine, deren Organe biegsam genug sind,um sich allen Zonen, und allen Höhen des Stand-orts anzueignen. Mit Unrecht hat man drey Ge-wächsen, der Alsine media, der Fragaria vescaund dem Solanum nigrum, den Vorzug dieser Bieg-samkeit zugeschrieben, deßen sich der Mensch al-lein und einige Hausthiere erfreuen, die ihn umge-ben. Schon die pensylvanische und canadischeErdbeere ist von unserer europäischen verschie-den. Von der letztern glaubten wir zwar, Bonpland und ich, einige Pflanzen in Südamerika entdecktzu haben, als wir zu Fuße über die Schneegebirgevon Quindiu aus dem Madalenen Thale in dasFlußthal des Cauca kamen. Die wilde Natur die-ses Theils der Andeskette, die Einsamkeit jenerWälder von Wachspalmen, duftendem Styrax undbaumartigen Paßifloren, die Unkultur der angren-zenden Gegenden; alle diese Umstände scheinenden Verdacht auszuschließen, als hätten Vögel,oder gar die Hand des Menschen, zufällig den Sa-men dieser Erdbeeren verstreut. Fanden wir aberwirklich Fragaria vesca? Würde die Blüthe, wennwir sie gesehen hätten, uns nicht Verschiedenhei-ten zwischen der andesischen und europäischenFragaria gezeigt haben, da so manche andere Ar-ten dieses Geschlechts durch die feinsten Nuancenvon einander abweichen? Mehrere deutsche undschwedische Gewächse, welche man ehemahls aufden Granitklippen des Feuerlandes, der Staaten-insel, und an den Küsten der magellanischen Meer-enge, beobachtet zu haben glaubte, sind, bey nä-herer Untersuchung des Characters, von Decandol- |249| le, Willdenow *10) und Desfontaines, als analoge,aber von den europäischen verschiedene, Specieserkannt worden. Ich darf wenigstens mit Zuversicht behaupten,daß in den vier Jahren, die ich in Südamerika inbeyden Hemisphären herborisirt, ich nie ein einzigeswild wachsendes, dem neuen Kontinente vor sei-ner Entdeckung zugehöriges, europäisches Gewächsbeobachtet habe. Von vielen Pflanzen z. B. vonAlsine media, Solanum nigrum, Sonchus olerace-us, Apium graveolens, und Portulacca oleracea,darf man bloß behaupten, daß sie, wie die Völ-ker der kaukasischen Race, über einen beträcht-lichen Theil der nördlichen Erdstriche verbreitetsind. Ob sie auch in den südlicheren Ländern exi-stiren, in welchen man sie bisher noch nicht ent-deckt hat, ist eine unzubeantwortende Frage. Natur-forscher sind bisher noch so wenig in das Inneredes afrikanischen, südamerikanischen, und neu-holländischen Kontinents eingedrungen; wir dürfenuns so wenig schmeicheln, die Flora dieser Län-der vollständig zu kennen, während daß man inEuropa täglich unbeschriebene krautartige Gewäch-se, in den vielbesuchten Pensylvanien sogar unbe-schriebene Bäume *11) entdeckt, daß es vorsich-tiger ist, sich über diesen Punkt aller allgemei-nen apodiktischen Aussprüche zu enthalten. Der
*10) Siehe den vortrefflich ausgearbeiteten Abschnitt, Ge-schichte der Pflanzen, in Wildenow’s Grundr. der Kräu-terkunde 1802, S. 504. Anm. des Verfassers. *11) Den Oehl-Nußbaum, Pyrolaria, Michaux. Anm. des Verfassers.
|250| Botaniker würde sonst leicht in den Fehler der Ge-ognosten verfallen, von denen viele den ganzenErdkörper, nach dem Modelle der Hügel *12) kon-struiren, welche ihnen zunächst liegen.
Um über das große Problem von der Wande-rung der Vegetabilien zu entscheiden, steigt dieGeographie der Pflanzen in das Innere der Erde hin-ab, um dort die Denkmähler der Vorzeit zu befra-gen, als: versteintes Holz, Gewächseabdrücke,Torflagen, Steinkohlen, Flötze und Dammerde, *13) welche die Grabstätte der ersten Vegetation unsersPlaneten sind. *14) Betroffen findet sie südindi-
*12) Der Brocken, der Montmartre, der Vesuv, der Pe-ak von Derbyshire, der Saleve und Heinberg. Anm. des Verfassers. *13) Siehe Steffens geistvolle Abhandlung in Schellings Zeitschrift für speculative Physik B 1. S. 160. Anm. des Verfassers. *14) Die Ebenen und Flötzgebirge haben in ihrem Scho-ße eine große Menge versteinerter Knochen, Conchy-lien und anderer Thiere. Der Schiefer und der Sand-stein enthalten viele Abdrücke von Gewächsen. Die-ses alles spricht gar deutlich von Revolutionen, die un-sern Erdball betroffen haben. Wie diese gewaltsameCatastrophen sich ereignet, wenn sie eingetroffen sind?Dieses alles wird uns ein Geheimniß bleiben; da es anBeweisen fehlt, entscheidend diese Fragen zu beantwor-ten.Indeßen sind die Naturforscher nicht müßig ge-wesen. Sie haben sorgfältig diese ehrwürdigen Denk-mähler der Vergangenheit gesammelt, und sie mit de-nen gegenwärtig auf unserer Erde vorhandenen organi-schen Körpern verglichen. Anfangs glaubten sie die-selben wieder zu finden, und konnten es sich nicht er-klären, wie es möglich gewesen war, daß ehemahlsElephanten, Rhinoceros, und Flußpferde unter unserm
|251| sche Früchte, Palmenstämme, baumartige Farren-kräuter, Pisangblätter und den Bambos der Tro-penländer, in den Erdschichten des kalten Nordens
Himmelstrich, und in dem kalten Sibirien haben lebenund gedeihen können, oder wie Palmen und zahlreicheFarrenkräuter unser nördliches Deutschland bewohnenkonnten. Sie suchten durch viele Hypothesen dieseszu erklären, aber verschiedene derselben wurden garbald durch neue ausgegrabene Versteinerungen wider-legt, und andere hatten so wenig Wahrscheinlichkeitfür sich, daß sie gegen alle bekannte Gesetze der Na-tur anstießen.Bey mehrerem Nachforschen wurden aber dieNaturforscher inne, daß die versteinerten Ueberbleibselder Thiere, so wie die Abdrücke der Pflanzen gegen-wärtig nicht mehr auf unserm Planeten lebend anzutref-fen sind. Cuvier, hat eine große Menge von Säugthier-Schädeln gefunden, die unser Erdball nicht mehr hat.Die Chonchyologen lehren uns, daß jetzo die versteiner-ten Muscheln nicht mehr lebend anzutreffen sind unddie schönen Farrenkräuter im Schiefer, die Stämmewelche in Steinkohle oder versteinerten Holz, selbst inkalten Zonen, wo jetzo kein Baum vor Kälte mehrwachsen kann, verwandelt sind, haben wir nicht mehrals lebende sich fortpflanzende Gewächse.Die berühmtesten Naturforscher, als Blumen-bach, Batsch, Lichtenberg, Cuvier u. a. ziehn darausden höchst wahrscheinlichen Schluß, daß wenigstenseine Schöpfung verlohren gegangen sey, und daß diegegenwärtige organische Welt, neuer Entstehung sey.Sie überlaßen es dem Physiker und Astronomendieses große Phänomen zu erklären, glauben aber, daßder leuchtende Nimbus der Sonne, deßem wohlthäti-gem Einfluß wir alles verdanken, sich in großen In-tervallen vermindern und vermehren, ja gänzlich, nachperiodisch eintretenden Gesetzen, verschwinden könne,
|252| vergraben. Sie untersucht, ob diese Pflanzen heiſ-ser Klimate, wie Elephantenzähne, Tapir, Kro-kodill und Didelphis Gerippe, die man neuerdingsin Europa entdeckt hat, zur Zeit allgemeiner Waſ-serbedeckungen, durch die Gewalt der Meeres-ströme vom Aequator her in die gemäßigten Zo-nen angeschwemmt worden sind, oder ob einstdiese nördlichen Klimate selbst Pisanggebüscheund Elephanten, Krokodille, und baumartiges Bam-busschilf erzeugten.
Die Ruhe in der man diese indischen Produk-te oft familienweise geschichtet entdeckt, scheinetder erstern Hypothese, astronomische Gründe schei-nen der letztern entgegen zu stehen. Aber viel-leicht sind große Veränderungen der Klimate mög-lich, ohne zu einer gewaltsamen Bewegung derErdachse und zu Perturbationen seine Zuflucht zunehmen, welche der gegenwärtige Zustand der phy-sikalischen Astronomie wenig wahrscheinlich macht.
und daß alsdann erst bey dem rückkehrenden Glanzeder Sonne, auf den Trümmern der zerstörten Schöpfung,bey der Gährung der Elemente, eine neue anderer Artentstehe. Das periodisch ab- und zunehmende Lichteiniger Fixsterne, so wie das Verschwinden einigervormahls sehr stark glänzenden, scheint dafür zu spre-chen.Es mögen aber die Ueberbleibsel der Vergangen-heit von Thieren und Pflanzen auf diese oder eine an-dere Art bis auf unsere Zeiten erhalten seyn, so bleibtdoch so viel gewiß, daß ihre Originale jetzo nichtmehr zu finden sind, und daß unsere Zeitrechnung nichthinreicht, den Termin anzugeben, wenn sich diese oderandere Veränderungen zugetragen haben. Wildenow’s Geschichte der Pflanzen.
|253| Wenn alle geognostischen Phänomene bezeu-gen, daß die Rinde unsers Planeten noch späthinflüßig war; wenn man aus der Natur und ausder Lagerung der Gebirgsarten schließen darf,daß die Niederschläge und die Erhärtung der Fels-maßen auf den ganzen Erdboden nicht gleichzeitig er-folgt sind: so sieht man ein, wie bey dem Ueber-gange der Materie aus dem flüßigen in den festenZustand, wie bey dem Erstarren und dem An-schuße der Gebirge um gemeinschaftliche Kerne,eine ungeheure Maße von Wärmestoff frey gewor-den ist, und wie diese lokale Entbindung, wenig-stens auf eine Zeit lang, die Lufttemperatur ein-zelner Gegenden, unabhängig vom Stande der Son-ne, hat erhöhen können. Würde aber eine solchetemporäre Erhöhung der Luftwärme von so lan-ger Dauer gewesen seyn, als es die Natur der zuerklärenden Phänomene erheischt? *15)
*15) Wenn nach der Hypothese der Geognosten, alle Ge-birgsarten sich aus einer Flüßigkeit niederschlugen,so mußte bey dem Uebergange der Erdrinde aus demflüßigen in den festen Zustand, eine ungeheure MengeWärme frey werden, welche Ursache neuer Verdampfungund neuer Niederschläge wurde. Diese erfolgten um soschneller, tumultuarischer, unkrystallinischer, je spä-ter sie sich bildeten. Eine solche plötzliche Wärme-entbindung aus der erhärtenden Erdrinde, konnte un-abhängig von der Polhöhe des Ort’s, unabhängig von derLage der Erdachse, Temperaturerhöhungen des Luft-kreises veranlaßen, auf welche manche räthselhafte geog-nostische Erscheinung hinzudeuten scheint. Ich habe die-se Vermuthungen in einer kleinen Abhandlung „über ur-sprüngliche Porosität“ (in Molls Journal der Bergbaukun-de) umständlich entwickelt.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.
|254| Die Veränderungen, welche man seit Jahrhun-derten in der Lichtstärke mehrerer Gestirne beob-achtet hat, begünstigen die Vermuthung, daß das-jenige, welches das Centrum unsers Systems aus-macht, ähnlichen Modificationen von Zeit zu Zeitunterworfen ist. Sollte eine vermehrte Intensitätder Sonnenstrahlen einst Tropenwärme über diedem Nordpole nahen Länder verbreitet haben? Sinddiese Veränderungen, welche die Tropenregionenveröden, und Lappland den Aequinoctial-Pflan-zen, den Elephanten und Krokodillen bewohnbarmachen würden, periodisch; oder sind sie Wir-kungen vorüber gehender Perturbationen un-sers Planetar Systems? Alle diese Untersuchun-gen knüpfen die Geographie der Pflanzen andie Geognosie an. Lichtverbreitend über die Ur-geschichte der Erde, biethet sie der Phantasie desMenschen ein weites und fast noch unbearbeitetesFeld dar. Die Pflanzen, welche den Thieren in Hinsichtauf Reizempfänglichkeit der Organe, und auf dieNatur reizender Potenzen so nahe verwandt sind,unterscheiden sich von den Thieren wesentlichdurch die Epoche ihrer Wanderungen. Diese,wenig beweglich in der frühern Kindheit, verlaßenihre Heimath erst wenn sie herangewachsen sind:jene, an den Boden gewurzelt, nach ihrer Entwi-ckelung, stellen ihre Reisen noch im Saamenkornegleichsam im Eye an, welches durch Federkronen,Luftbälge, Flügelansätze, und elastische Ketten(Elater oder Catenula der Morchantien), zu Luftund Waßerreisen geschickt ist. Herbstwinde,Meeresströme und Vögel begünstigen diese Wan-derungen; aber ihr Einfluß, so groß er auch ist, |255| verschwindet gegen den, welchen der Mensch aufdie Verbreitung der Gewächse auf dem Erdbodenausübet. *16)
*16) Auf die Verbreitung der Gewächse über die Erde, ha-ben viele Dinge gewirkt. Verschiedene Samen habenWiderhacken, kleben an das Fell der Thiere, und wer-den von diesen weiter ausgestreut. Die Vögel gehen denverschiednen Gesämen nach, und schleppen diese oftMeilen weit. An dem Gefieder der Waßervögel kleben dieSamen verschiedener Waßergewächse an, und spülensich von denselben, wenn sie in andern Gewäßern sichaufhalten, wieder ab.Der Same der meisten Gewächse sinkt, wenner seine vollkommene Reife erlangt hat, im Waßer zuBoden. Ist er in einer harten Schale eingeschloßen,so erhält er sich lange Zeit frisch. Einige Fuß tief inder Erde, und auf dem Grunde des Meers, bleibt je-der Same lange zum Aufgehen geschickt. Es kann insolche Tiefe keine Luft kommen, und ohne diese wirder nicht zerstört.Daher kommt es, daß Flüße und Meere, Pflan-zen aus weit entlegenen Gegenden führen können. Anden Ufern von Norwegen werden gewöhnlich reife, nochganz frische Samen aus Westindien ausgeworfen. Wä-re ein für diese Gewächse taugliches Klima daselbst,so würden bald Cocosnüße und andere Gewächse heiß-er Zone keimen und zur Vollkommenheit gedeihen.Der Same der Else wird durch unsere Flüße weit um-her getrieben. Viele deutsche Pflanzen werden am schwe-dischen Meeresstrande, verschiedene spanische und fran-zösische an den Ufern von Großbrittanien, viele afri-canische und asiatische an Italien’s Gestaden bemerkt.Der Wind treibt die Samen, welche mit einemFederchen, mit Flügeln oder häutigen Rädern verse-hen sind, so wie die aufgeblasenen Samenkapseln weitumher, daß sie an entlegenen Oertern keimen kön-nen. Deßhalb haben sich einige Gewächse, die leich-ten Samen tragen, nach den gewöhnlichen Strichen die
|256| Wenn der Nomade, sey es durch die nach-ziehende Menge an einen Meeresarm gedrängt, seyes durch andere unübersteigliche Natur-Hinder-
der Wind nimmt verbreitet, und sind weiter fortge-pflanzt, als es wohl sonst geschehen möchte. Den ge-flügelten Samen der Birke (Betula alba) jagt der Windbis auf den Gipfel der Thürme und hoher Felsen, woer auch öfter keimt. Die Birke ist eben wegen ihresleichten Samens auch durch das nördliche Asien ver-breitet, wohin ihr der schwerfällige Same der Eiche(Quercus robur) nicht folgen konnte.Verschiedene Samenkapseln und Früchte sprin-gen mit einer Elasticität auf, und treiben den Samenweit umher, da hingegen wieder andere Früchte nur inder Nähe ihres Geburtsorts bleiben können, wie beson-ders solche die unter der Erde reifen. Das Pistill ei-niger Gewächse dringt nach dem Blühen in die Erde,und wird daselbst zur Vollkommenheit gebracht. Bey-spiele der Art geben: Arachis hypogaea, Glycine subter-ranea, Trifolium subterraneum, Latyrus amphicarpos, Vi-cia subterranea, Cyclamen. Die Beeren, und alle flei-schige Früchte können sich auch nicht selbst verbreiten,sie fallen an die Erde, und ihre saftige Hülle gibt denjungen Pflanzen Nahrung. Verschiedene Vögel und an-dere Thiere nähren sich aber von denselben, schleppensie weit fort, und verzehren den fleischigen Theil, laſ-sen aber den Samen fallen, oder der Same gehtunverdaut durch ihren Darmkanal, und wird so ausge-streut. Auf diese Art, wird Viscum album von einemVogel (Turdus viscivorus) und eben so Juniperus com-munis u. a. vermehrt.Mehr aber noch als Wind, Wetter, Meere,Flüße und Thiere, die Ausbreitung der Gewächse be-fördern, thut dies der Mensch. Er, dem die ganzeNatur zu Gebote steht, der Wüsteneyen in prächtigeGegenden verwandelt, ganze Länder verwüstet, undwieder aus ihrem vorigen Nichts hervorruft, hat durch
|257| niße gezwungen, endlich sein irrendes Leben auf-gibt: so beginnt er sogleich einige zur Nahrungund Kleidung nützliche Thiere und Pflanzen um
mancherley Umstände, die Ausbreitung vieler Pflanzenbegünstigt.Die Kriege, welche verschiedene Nazionen miteinander geführt haben; die Völkerwanderungen; dieRitterzüge nach Palästina; die Reisen verschiedenerKaufleute; der Handel selbst, haben eine große Mengevon Gewächsen zu uns gebracht, so wie sie unsere Pflan-zen in andere Gegenden verbreitet haben. Fast alleunsere Gartengewächse stammen aus Italien und demOrient, so wie auch die meisten Getreidearten densel-ben Weg zu uns genommen haben. Durch die Ent-deckung von Amerika haben wir auch verschiedenePflanzen erhalten, die vormahls gar nicht bekannt wa-ren, jetzt aber allgemein ausgebreitet sind.Der Stechapfel (Datura Stramonium) der jetztfast durch ganz Europa, das kältere Schweden, Lapp-land und Rußland ausgenommen, als ein schädlichesUnkraut bekannt ist, wurde aus Ostindien zu uns ge-bracht, und durch die Zigeuner so allgemein verbrei-tet, die den Samen dieses Gewächses als Brech- undPurgiermittel überall mit sich führten.Die Schminkbohne (Phaseolus vulgaris), dieBrechbohne (Phaseolus nanus), die Balsamine (Impati-ens Balsamina) und die Hirse (Panicum miliaceum) sindaus Ostindien zu uns gekommen.Der Buchweizen, die meisten Getreidearten,und Erbsen haben wir über Italien aus dem Orient er-halten.Aepfel, Birnen, Pflaumen, süße Kirschen (Prun-nus avium) Mespeln (Mespilus germanica) Elsbeeren(Crategus torminalis), und Haselnüße, sind ursprüng-lich deutsche Pflanzen. In wärmern Gegenden aberfindet man sie weit schmackhafter. Die verschiedenenAbarten derselben; nebst den übrigen Obstsorten, ha-
|258| sich zu versammeln. Dieß sind die ersten Spurendes Ackerbaues. Langsam ist bey den nördlichenVölkern dieser Uebergang aus dem Jägerleben zum
ben wir aus Italien, Griechenland und der Levante be-kommen.Die Roßkastanie (Aesculus Hippocastanum)kam durch des Clusius Veranstaltungen im Jahr 1550aus dem nördlichen Asien zuerst nach Europa. DieKaiserkrone (Fritillaria imperialis) erhielten wir 1570zuerst aus Konstantinopel.Nach der Entdeckung von Amerika wurden vie-le Pflanzen von dorther in unserm Himmelsstriche ein-heimisch gemacht. Die Kartoffel wurde zuerst 1590 von Kaspar Bauhin beschrieben, und Walter Raleigh theil-te im Jahre 1623 die ersten aus Virginien mitgebrach-ten in Irrland aus, von wo sie über ganz Europa ver-breitet sind.Die Nachtkerze (Oenothere biennis) führten we-gen ihrer eßbaren Wurzel 1674 die Franzosen ein.Seit der Zeit ist sie so gemein geworden, daß sie fastdurch ganz Europa wildwachsend an Hecken, Zäunenund um die Dörfer gefunden wird.Den Tabak (Nicotiana Tabacum) beschrieb 1584 Conrad Gesner zuerst. Im Jahre 1560 wurde er nachSpanien, und 1564 von Nicot, einem tranzösischen Ge-sandten nach Frankreich gebracht.Die Kohl- und übrigen Gemüsekräuter brachtendie Griechen nach Rom, wo sie sich durch ganz Itali-en verbreiteten, und endlich zu uns gekommen sind.Es würde zu weitläuftig seyn, die Wanderung allerjetzt kultivirten Pflanzen zu bestimmen. Es mag hin-reichend seyn nur einige derselben angezeigt zu ha-ben.Mit den Getreidearten wurden auch viele Pflan-zen zu uns gebracht, die jetzt als einheimisch angese-hen werden. Solche sind die Kornblume (CentaureaCyanus), die Rhade (Agrostemma Githago), der Hede-
|259| Pflanzenbaue: früher ist die Ansiedelung bey vie-len Bewohnern der Tropenländer. In jener wald-reichen Flußwelt, zwischen dem Orinoco und demMaranon, hindert der üppige Pflanzenwuchs denWilden sich ausschließlich von der Jagd zu näh-ren. Die Tiefe und Schnelligkeit der Ströme, Ue-berschwemmungen, Blutgier der Krokodille und Ti-gerschlangen (Boa), machen den Fischfang oft ebenso fruchtlos, als beschwerlich. Die Natur zwingthier den Menschen zum Pflanzenbaue. Nothge-drungen versammelt er einige Pisangstämme, Ca-rica papaya, Jatropha und nährendes Arum umseine Hütte. Dieser Acker, wenn man so die Ver-einigung weniger Gewächse nennen darf, ersetztdem Indianer viele Monathe lang, was Jagd, Fisch-fang, und die wildwachsenden Fruchtbäume desWaldes ihm versagen. So modificiren Klima undBoden, mehr noch als Abstammung, die Lage und
rich (Raphanus Raphanistrum) Leindotter (Myagrumsativum) u. m. a. Diese Gewächse zeigen sich nur al-lein zwischen dem Getreide, und kommen niemahlsan wüste liegenden Ländereyen, wo kein Acker gewe-sen ist, zum Vorschein. Auf eben diese Art sind durchden Anbau des Reißes (Oriza sativa) in Italien vielePflanzen aus Ostindien einheimisch geworden, die sichnur zwischen dem Reiß zeigen. Der Reiß wird erst seit1696 in Italien gebaut.Die Europäer haben bey ihren Anpflanzungenin fremden Welttheilen alle unsere Küchenkräuter mitsich genommen. Durch diese sind viele europäischePflanzen nach Asien,Afrikaund Amerika gekommen,und haben sich, wenn es das Klima zuließ, weiterverbreitet. Wildenow’s Geschichte der Pflanzen.
|260| die Sitten des Wilden. Sie bestimmen den Unter-schied zwischen den beduinischen Hirtenvölkernund den Pelasgern der altgriechischen Eichenwäl-der, zwischen diesen und den jagdliebenden No-maden am Mißißipi.
Einige Pflanzen, welche der Gegenstand desAcker- und Gartenbaues sind, haben seit den fern-sten Jahrhunderten das wandernde Menschenge-schlecht von einem Erdstriche zu dem andern be-gleitet. *17) So folgte in Europa die Weinrebe den
*17) Die Gewächse sind wie die Thiere an gewiße Brei-ten gebunden. Verschiedene aus warmen Himmelsstri-chen, können nach und nach an unser Klima, ja selbstan eine kältere Himmelsgegend gewöhnt werden. Be-sonders können Staudengewächse warmer Klimaten,eher an ein kaltes als gemäßigtes Klima sich gewöhnen.Im kalten Klima fällt mit dem Anfang des Winters einehohe Schneedecke, die erst mit dem wiederkehrendenFrühling schmilzt, wo keine Nachtfröste mehr zu er-warten sind, und welche nur einen Grad Kälte überden natürlichen Frostpunkt annimmt. Im gemäßigtenKlima friert es aber oft scharf, ohne daß Schnee fällt,und die Pflanze muß dabey natürlich zu Grunde ge-hen. Aus eben dem Grunde erfrieren die Polar- undAlpen Pflanzen, welche eine solche Bedeckung vonSchnee an ihrem natürlichen Standort haben, bey uns,wo Fröste oder Schnee sehr häufig sind. Nur diejeni-gen Stauden- und Sommergewächse warmer Zonen,welche eine längere Zeit zur Entwickelung ihrer Trie-be und Blüthen gebrauchen, als der kurze Sommereines kalten Klima’s erlaubt, können dort nicht unter freyem Himmel gezogen werden, so wie solche, wel-che einen hohen Grad von Wärme verlangen.Empfindlicher gegen ein kälteres Klima, zei-gen sich aber doch Bäume und Sträucher, weil ihr dau-ernder Stengel über der Erde erhaben ist, und eher
|261| Griechen, das Korn den Römern, Baumwolle denArabern. Im neuern Kontinente haben die Tulte-ker, aus unbekannten nordischen Ländern über denGila-Strom einbrechend, den Mais über Mexico,und über die südlichen Gegenden verbreitet. Kar-
vom Wechsel der Witterung leidet. Einige die aus ei-nem wärmeren Klima abstammen, haben sich an dasunsrige gewöhnt, vielleicht, weil ihr Zellengewebe zä-her als das anderer Gewächse ist, dahingegen sind abersehr viele Pflanzen, die sich in dieser Rücksicht unbieg-sam zeigen, weil ihre Organisation, keinen großenWechsel der Klimaten erlaubt.Die nutzbarsten Gewächse haben aber, wie dieHausthiere die Eigenschaft in mehreren Zonen gedeihenzu können. Sind aber auch einige an gewiße Himmels-gegenden gebunden, so finden sich dort, wo sie nichtfortkommen können, andere die ihre Stelle vertreten.Unter dem Aequator, und in den Wendezirkeln allerWelttheile kommen in ebener Lage unsere Getreidear-ten nicht fort, an ihrer Stelle aber werden Reiß (Ori-za sativa) indisches Korn (Holcus Sorghum), und tür-kisches Korn (Zea Mays) kultivirt, die ihnen unsereGetreide-Arten entbehrlich machen. In Island, undGrönland können aber weder unsere noch die genann-ten tropischen Getreide-Arten fortkommen; dafür gabihnen aber die Natur den Elymus arenarius in Men-ge, der im Fall der Noth als Roggen behandelt werdenkann.Eßbare Wurzeln und Gemüse fehlen in keinemKlima. Wir haben deren sehr viele wild wachsenddie man unbenutzt laßt, und welche uns die Noth,hätten wir nicht aus dem Orient unsere Gartenpflanzenerhalten, wohl würde kennen gelehrt haben. Alle un-sere Küchenkräuter sind so biegsam gegen die Abwechs-lungen des Klima’s, daß sie meistens den Menschen inalle Zonen gefolgt sind. Wildenow’s Geschichte der Pflanzen.
|262| toffeln und Quinsa findet man überall, wo die Ge-birgsbewohner des alten Kondinamarca *18) durch-gezogen sind. Die Wanderungen dieser eßbarenPflanzen sind gewiß; aber ihr erstes und ursprüng-liches Vaterland bleibt uns ein eben so räthselhaf-tes Problem, als das Vaterland der verschiedenenMenschen-Racen, die wir schon in den frühestenEpochen, zu welchen Völkersagen aufsteigen, fastüber den ganzen Erdboden verbreitet finden. Süd-lich und östlich vom kaspischen Meere, am Uferdes Oxus und in den Thälern von Kurdistan, deſ-sen Berge mit ewigem Schnee bedeckt sind, fin-det man ganze Gebüsche von Citronen-Granat-Birnen und Kirschbäumen. Alle Obstarten, welcheunsere Gärten zieren, scheinen dort wild zu wachsen.Ich sage scheinen, denn ob dieß ihr ursprünglichesVaterland sey, oder ob sie dort einst gepflegt,nachmahls verwildert sind, bleibt um so ungewiſ-ser, als uralt die Kultur des Menschengeschlechtsund daher auch der Gartenbau in diesen Gegendenist. *19)

*18) Das Königreich Neu-Granada. Anm. des Verfassers. *19) Es ist bekannt, daß viele Pflanzen aus einem Lan-de in das andere und aus einem Welttheile in den an-dern versetzt, sich oft an das Klima dergestalt gewöh-nen, daß sie in der Folge fast als einheimisch betrach-tet werden. Der Reiß ist eigentlich in Ostindien zuHause, zu Ende des vorigen Jahrhunderts brachte man ihnnach Italien, und man baut ihn dort bis in Oberitali-en hinein. Die Nachtkerze oder Rapontica ist in Vir-ginien einheimisch, allein jetzt wächst sie fast durchganz Europa ohne alle Kultur. Das canadische Eri-geron ist seit Jahrhunderten schon ein allgemeines Un-
|263| Doch lehrt die Geschichte wenigstens, daßjene fruchtbaren Gefilde, zwischen dem Euphrat und Indus, zwischen dem kaspischen See, unddem persischen Meerbusen, Europa die kostbar-sten vegetabilischen Produkte geliefert haben. Per-
kraut in Europa. Den Stechapfel sollen die Zigeuneraus dem Oriente zu uns gebracht haben, und wie ge-mein ist er jetzt nicht! Und unsere Kartoffel, welcheine Wohlthat der Vorsehung, daß sie sich an unserKlima gewöhnt hat, ungeachtet sie aus Peru zu unsgebracht ist! Ganz hat sie sich freylich nicht der mildenLuft in ihrem Vaterlande entwöhnt, aber sie ist dochviel härter geworden, als ehemahls.Man macht oft mit glücklichem Erfolge mehrereVersuche, schöne und nutzbare Gewächse an unser Kli-ma zu gewöhnen, und es gehört diese Kunst zu dennützlichsten Theilen der Gärtnerey. Die schöne Fuchsiavon den Falklandsinseln, kann man sehr wohl im Frey-en ziehen: der virginische Schneebaum, die südlicheCercis halten sehr gut bey uns im Freyen aus. Dieletztere wächst zwar im nördlichen Afrikain der Nä-he des Wendekreises, aber auf den höchsten Gebirgendes Atlas, und man kann auch bey uns sehen wie gutsie gedeiht. Freylich aber werden diese Versuche mittropischen Gewächsen nie gedeihen. Man wird denKaffeebaum, und das Zuckerrohr zwar an die Luft inunsern Wohnzimmern gewöhnen können, aber nie anunsere freye Atmosphäre. So gelingen wohl gewiß dieVersuche nicht, Pflanzen aus sehr kalten Gegenden anwarme Klimate zu gewöhnen. Ich bin gewiß, daß wirkeine isländische Königia, keine lappländische Dia-pensia bey uns ziehen können. Eben so wenig wirdes gelingen unsern Weinstock in Westindien, oder aufden Molucken mit Erfolg zu kultiviren. Er wächst nuraußer den Wendekreisen bis zum 55sten Grade derBreite. Sprengel’s Anleit. zur Kenntniß der Gewächse.
|264| sien hat uns den Nußbaum und die Pfirsiche; Ar-menien (das heutige Haikia), die Aprikose; Klein-Asien den süßen Kirschbaum und die Kastanie;Syrien, die Feige, die Granate, den Oehl- undMaulbeerbaum geschenkt. Zu Cato’s Zeiten kann-ten die Römer weder süße Kirschen noch Pfirsichenoch Maulbeerbäume. Hesiod und Homer erwäh-nen schon des Oehlbaums, der in Griechenland,und auf den Inseln des ägäischen Meeres kultivirtwurde. Unter Tarquin dem Alten existirte keinStamm deßelben, weder in Italien, noch in Spa-nien, noch in Afrika. Unter dem Consulate des Appius Claudius war das Oehl in Rom noch sehrtheuer, aber zu Plinius Zeiten sehen wir den Oehl-baum schon nach Frankreich und Spanien ver-pflanzt.
Die Weinrebe, welche wir jetzt kultiviren,scheinet Europa fremd zu seyn. Sie wächst wildan den Küsten des kaspischen Meeres, in Arme-nien und Karamanien. Von Asien wanderte sienach Griechenland, von Griechenland nach Sici-lien. Phocäer brachten den Weinstock nach densüdlichen Frankreich, Römer pflanzten ihn an dieUfer des Rheins und der Donau. Auch dieVitis-Arten, welche man wild in Neu-Mexico undCanada findet, und welche dem zuerst von Nor-männern entdeckten Theile von Amerika den Nah-men Winneland verschafften, sind von der jetztüber Pensylvanien, Mexico, Peru und Chili ver-breiteten Vitis vinifera specifisch verschieden. Ein Kirschbaum, mit reichen Früchten bela-den, schmückte den Triumpf des Lucullus. Die Be-wohner Italiens sahen damahls zuerst dieses Asi-atische Produkt, welches der Dictator nach sei- |265| nem Siege über den Mithridates aus dem Pontusmitbrachte. Schon ein Jahrhundert später warenKirschen gemein in Frankreich, in England, undDeutschland. *20) So verändert der Mensch nach Willkür dieursprüngliche Vertheilung der Gewächse, und ver-sammelt um sich, die Erzeugniße der entlegenstenKlimate. In Ost- und Westindien in den Pflanzun-gen der Europäer, biethet ein enger Raum demKaffee aus Jemen, das Zuckerrohr aus China, denIndigo aus Afrika, und viele andere Gewächsedar, welche beyden Hemisphären zugehören: einAnblick, der um so intereßanter ist, als er in diePhantasie des Beobachters, das Andenken an ei-ne wunderbare Verkettung von Begebenheiten her-vorruft, welche das Menschengeschlecht über Meerund Land, durch alle Theile der Erde getriebenhaben. Wenn aber auch der rastlose Fleiß ackerbau-ender Völker eine Zahl nutzbarer Pflanzen ihremvaterländischen Boden entrißen, und sie gezwun-gen hat, alle Klimate und alle Berghöhen zu be-wohnen: so ist durch diese lange Knechtschaftihre ursprüngliche Gestalt doch nicht merklichverändert worden. Die Kartoffel, welche in Chi-li drey tausend und fünf hundert Meter (fast 11000Schuh) hoch über dem Meere kultivirt wird, trägtdieselbe Blüthe, als die, welche man in die Ebe-
*20) Einige Botaniker behaupten, daß die kleine Varie-tät von Prunus avium, in Deutschland wild sey. VonPflaumen und Birnen haben die Römer nur die größe-ren schöneren Abarten aus Syrien eingeführt. Anm. des Verfassers.
|266| nen, von Sibirien verpflanzt hat. Die Gerste,welche die Pferde des Atriden nährte, war unbe-zweifelt dieselbe, als die, welche wir heute nocheinernten. Alle Pflanzen, und Thiere, welchegegenwärtig den Erdboden bewohnen, scheinen seitvielen Jahrtausenden ihre charakteristische Formnicht verändert zu haben. *21) Der Ibis, wel-chen man unter Schlangen und Insekten-Mumienin den ägyptischen Katakomben findet, und deß-en Alter vielleicht selbst über das der Pyramidenhinausreicht; dieser Ibis ist identisch mit dem,welcher gegenwärtig an dem sumpfigen Ufer desNils fischt. *22) Diese Uebereinstimmungen, die-se Beständigkeit der Form, beweisen, daß diekoloßalischen Thiergerippe, und die wunderbargestalteten Pflanzen, welche das Innere der Erde
*21) Pflanzen in ihrem wilden Zustande, pflegen sich im-mer gleich zu bleiben, sie ändern zwar zuweilen ab,indeß sind doch die Abänderungen nicht so häufig, alswenn sie der Kultur unterworfen werden. Es ist son-derbar, daß Thiere und Pflanzen, sobald sie sich imzahmen Zustande befinden, in ihrer Gestalt, Farbe,und Geschmack abändern. Alpen oder Polar-Pflanzenwerden im Thale oder Garten ungleich größer, ihreBlätter gewinnen an Länge und Breite, aber ihre Blu-men sind kleiner, oder vergrößern sich nicht. Gewäch-se wärmerer Himmelsstriche verändern so sehr ihr An-sehen, daß ungeübte Botaniker sie schwerlich in ihremnatürlichen Vaterlande wieder erkennen. Zahllos istdie Menge der Spielarten unserer Obstsorten und Kü-chenkräuter. Wildenow’s Geschichte der Pflanzen. *22) Beyde findet man in dem Musäum der Naturgeschich-te zu Paris, nebeneinander aufgestellt. Anm. des Verfassers.
|267| einschließt, nicht einer Ausartung jetzt vorhan-dener Species zuzuschreiben sind, sondern daß sievielmehr einen Zustand unsers Planeten ahndenlaßen, welcher von der jetzigen Anordnung derDinge verschieden, und zu alt ist, als daß dieSagen des vielleicht später entstandenen Menschen-geschlechts bis zu ihm aufsteigen könnten.
Indem der Ackerbau, die Herrschaft fremdereingewanderter Pflanzen über die einheimischenbegründet, werden diese nach und nach auf einenengen Raum zusammengedrängt. So macht dieKultur den Anblick des europäischen Bodens ein-förmig, und diese Einförmigkeit ist den Wünschendes Landschaftmahlers, wie denen des im Freyenforschenden Botanikers gleich entgegen. Zum Glü-ke für beyde ist aber dieß scheinbare Uebel, nurauf einen kleinen Theil der gemäßigten Zone ein-geschränkt, in welchem Volksmenge und morali-sche Bildung der Menschen am meisten zugenom-men haben. In der Tropenwelt ist menschlicheKraft zu schwach, um eine Vegetation zu besie-gen, welche den Boden unserm Auge entzieht,und nichts unbedeckt läßt, als den Ocean und dieFlüße. Die ursprüngliche Heimath derjenigen Gewäch-se, welche das Menschengeschlecht seit seiner frü-hesten Kindheit zu begleiten scheinen, ist in ebensolches Dunkel vergraben, als das Vaterland dermeisten Hausthiere. Wir wißen nicht, woher jeneGrasarten kamen, auf deren mehlreichen Samen,hauptsächlich die Nahrung aller kaukasischen undmongolischen Völker beruht. Wir kennen nichtdie Heimath der Cerealien, des Weizens, der Ger-ste, des Hafers und des Rockens. Diese letzte |268| Grasart scheint noch nicht ein mahl von den Rö-mern kultivirt worden zu seyn. Zwar suchen alt-griechische Mythen den Ursprung des Weizen inden Fluren von Enna in Sicilien, zwar haben Rei-sende behauptet, die Gerste in Nordasien, amUfer des Samara *23) der in die Wolga fließt, denSpelz in Persien *24) bey Hamadan, und denRocken in Kreta, wildwachsend entdeckt zu ha-ben: aber diese Thatsachen bedürfen einer genau-ern Untersuchung; es ist so leicht, einheimischePflanzen mit fremden zu verwechseln, die der Pfle-ge und Herrschaft des Menschen entflohen, ver-wildernd ihre alte Freyheit in den Wäldern wie-der finden. Auch die Gewächse, auf welchen derReichthum aller Bewohner der heißen Zone be-ruht, Pisang, Melonenbäume, Cocospalmen, Ja-tropha und Mais, hat man noch nirgends ursprüng-lich wildwachsend beobachtet. Freylich habe ichmehrere Stämme der ersteren, fern von mensch-lichen Wohnungen, mitten in den Wäldern amCaßiquiare und Tuamini gesehen: vielleicht aberhat sie doch die Hand des Menschen dahin ver-setzt: denn der Wilde dieser Regionen, düster,ernst und mißtrauischen Gemüths, wählt abgele-gene Schluchten, um seine kleinen Pflanzungen an-zulegen, die er wechselliebend, nach kindischerArt bald wieder verläßt, und mit anderen um-
*23) Im Asiatischen Kaptschak im Lande Orenburg. Anm. des Verfassers. *24) Auf einem Berge, vier Tagreisen von Hamadan, fand Michaux wilden Spelz. Er vermuthete, daß Triticumhybernum, und Triticum aestivum in Persien einst eben-falls wildwachsend entdeckt wurden. Anm. des Verfassers.
|269| tauscht. Die verwilderten Pisangstämme und dieMelonenbäume *25), scheinen dann bald Erzeug-niße des Bodens, auf dem sie sich mit einheimi-schen Gewächsen zusammengesellen. Eben so we-nig habe ich je erfahren können, wo im neuen Kon-tinente die Kartoffel wild wachse; diese wohlthä-tige Pflanze, auf deren Kultur sich größentheilsdie Bevölkerung des unfruchtbaren nördlichen Eu-ropa gründet, hat man nirgends in unkultivirtemZustande gefunden, weder in Nordamerika, nochin der Andeskette von Neu-Granada, Quito, Pe-ru, Chili, und Chiquitos; ungeachtet die Spaniermehreren Gebirgsebenen den täuschenden NahmenParamo de las Papas geben.
Durch diese und ähnliche Untersuchungen ver-breitet die Geographie der Pflanzen, Licht über denUrsprung des Ackerbaues, deßen Objekte so ver-schieden sind, als die Abstammung der Völker,als ihr Kunstfleiß und das Klima unter welchemsie wohnen. In das Gebieth dieser Wissenschaftgehören Betrachtungen über den Einfluß diesermehr oder weniger reitzenden Nahrung auf dieEnergie des Characters, Betrachtungen über langeSeefahrten und Kriege, durch welche ferne Nazi-onen vegetabilische Produkte sich zu verschaffen,oder zu verbreiten suchen. So greifen die Pflan-zen gleichsam in die moralische und politische Ge-schichte des Menschen ein: denn wenn Geschichteder Naturobjekte freylich nur als Naturbeschrei-bung gedacht werden kann; so nehmen dagegen
*25) Ich meine Carisa papaya; den Carica posoposa,glaube ich oft ursprünglich wild gesehen zu haben. Anm. des Verfassers.
|270| dem Ausspruche eines tiefsinnigen Denkers, *26) selbst Naturveränderungen einen echt historischenCharacter an, wenn sie Einfluß auf menschlicheBegebenheiten haben.
Alle diese Verhältniße sind unstreitig für sichschon hinlänglich, um den weiten Umfang der Dis-ciplin zu schildern, welche wir mit dem nicht ganzpassenden Nahmen einer Pflanzen-Geographie be-legen. Aber der Mensch, der Gefühl für die Schön-heit der Natur hat, freuet sich darinn zugleich auchdie Lösung mancher moralischen und ästhetischenProbleme zu finden. Welchen Einfluß hat die Ver-theilung der Pflanzen auf dem Erdboden, und derAnblick derselben auf die Phantasie und den Kunst-sinn der Völker gehabt? worinn besteht der Cha-racter der Vegetation dieses oder jenes Landes?wodurch wird der Eindruck heiterer oder ernsterStimmung modificirt, welche die Pflanzenwelt indem Beobachter erregt? Diese Untersuchungen sindum so intereßanter, als sie unmittelbar mit dengeheimnißvollen Mitteln zusammenhängen, durchwelche Landschaft-Mahlerey und zum Theil selbstbeschreibende Dichtkunst, ihre Wirkung hervor-bringen. (Die Fortsetzung folgt im folgenden Hefte.)

*26) Schelling’s System des transcendentalen IdealismusS. 413. Anm. des Verfassers.
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Ideen zu einer Geographieder Pflanzen von Alexander von Humbold.(Beschluß.)

Die Natur im Großen betrachtet, der Anblickvon Fluren und Waldung, gewährt einen Genuß,welcher wesentlich von dem verschieden ist, wel-chen die Zergliederung eines organischen Körpers,und das Studium seiner bewundernswürdigstenStruktur erzeugt. Hier reitzt das Einzelne die Wiß-begierde, dort wirken Maßen auf die Phantasie. |316| Wie andere Gefühle erweckt das frische Grün derWiesen, und der dunkle Schatten der Tannen?Wie andere die Wälder der gemäßigten Zone unddie der Tropenländer, in welchem die schlankenStämme der Palmen hoch über dem dickbelaubtemGipfel der Hymenäen gleichsam einen Säulengangbilden? Ist die Verschiedenheit dieser Gefühle inder Natur, und Größe der Maßen, in der absolu-ten Schönheit, oder in dem Kontraste und der Grup-pirung der Pflanzenformen gegründet? Worinn liegtder mahlerische Vorzug der Tropenvegetation?Welche physiognomischen Unterschiede beobachtetman zwischen den afrikanischen Gewächsen, unddenen von Südamerika, zwischen den Alpenpflan-zen der Andeskette, und denen der Pyrenäen oderder Gebirge von Habesch. *27)
*27) Ist auch Fülle des Lebens überall verbreitet; ist derOrganismus auch unabläßig bemüht, die durch den Todentfeßelten Elemente zu neuen Gestalten zu verbinden,so ist diese Lebensfülle und ihre Erneuerung doch nachVerschiedenheit der Himmelsstriche verschieden. Peri-odisch erstarrt die Natur in der kalten Zone; denn Flüß-igkeit ist Bedingniß zum Leben. Thiere und Pflan-zen (Laubmoose, und andere Cryptogamen abgerech-net) liegen hier viele Monathe hindurch im Winterschlafvergraben. In einem großen Theile der Erde habendaher nur solche organische Wesen sich entwickeln kön-nen, welche einer beträchtlichen Entziehung von Wär-mestoff widerstehen, oder einer langen Unterbrechungder Lebensfunctionen fähig sind. Je näher dagegen denTropen, desto mehr nimmt Mannigfaltigkeit der Bil-dungen, Anmuth der Form, und des Farbengemisches,ewige Jugend und Kraft des organischen Lebens zu.
|317| Unter der fast zahllosen Menge von Vegeta-bilien, welche die Erde bedecken, erkennt
Diese Zunahme kann leicht von denen bezwei-felt werden, welche nie unsern Welttheil verlaßen,oder das Studium der allgemeinen Erdkunde vernach-läßigt haben. Wenn man aus unsern dicklaubigen Ei-chenwäldern über die Alpen oder Pyrenäen-Kette nachWelschland oder Spanien hinabsteigt, wenn man garseinen Blick auf die africanischen Küstenländer desMittelmeeres richtet: so wird man leicht zu dem Fehl-schluße verleitet, als sey Baumlosigkeit der Charakterheißer Klimate. Aber man vergißt, daß das südlicheEuropa eine andere Gestalt hatte, als pelasgische, odercarthagische Pflanzvölker sich zuerst darinn festsetz-ten; man vergißt, daß frühere Bildung des Menschen-geschlechts die Waldungen verdrängt, und daß der um-schaffende Geist der Nazionen, der Erde allmählig denSchmuck raubt, der uns in dem Norden erfreut, undder (mehr, als alle Geschichte) die Jugend unserersittlichen Kultur anzeigt. Die große Katastrophe, durchwelche das Mittelmeer sich gebildet, indem es, ein an-schwellendes Binnenwaßer, die Schleußen der Darda-nellen, und die Säulen des Hercules durchbrochen,diese Katastrophe scheint die angränzenden Länder ei-nes großen Theils ihrer Dammerde beraubt zu haben.Was bey den griechischen Schriftstellern von den sa-mothracischen Sagen erwähnt wird, deutet die Neuheitdieser zerstörenden Naturveränderung an. Auch ist inallen Ländern, welche das Mittelmeer begränzt, undwelche die Kalkformation des Jura charakterisirt, eingroßer Theil der Erdoberfläche nackter Fels. Das Mah-lerische italienischer Gegenden beruht vorzüglich aufdiesem lieblichen Kontraste zwischen den unbelebtenöden Gestein, und der üppigen Vegetation, welche in-selförmig darinn aufsproßt. Wo dieses Gestein minderzerklüftet, die Wäßer auf der Oberfläche zusammenhält, wo diese mit Erde bedeckt ist, (wie an den reit-
|318| man bey aufmerksamer Beobachtung einige weni-ge Grundgestalten, auf welche man wahrscheinlichalle übrigen zurückführen kann, und welche eben
zenden Ufern des Albaner-Sees) da hat selbst Italienseine Eichenwälder, so schattig und grün, als der Be-wohner des Norden sie wünscht.Auch die Wüsten jenseits des Atlas, und dieunermeßlichen Ebenen oder Steppen von Südamerika sind als bloße Localerscheinungen zu betrachten. Die-se findet man in der Regenzeit wenigstens, mit Grasund niedrigen fast krautartigen Mimosen bedeckt; jenesind Sand-Meere im Innern des alten Kontinents,große pflanzenleere Räume, mit ewig grünen waldigenUfern umgeben. Nur einzeln stehende Fächerpalmenerinnern den Wanderer, daß diese Einöden, Theile ei-ner belebten Schöpfung sind. Im trügerischen Licht-spiele, daß die strahlende Wärme erregt, sieht manbald den Fuß dieser Palmen frey in der Luft schwe-ben, bald ihr umgekehrtes Bild in den wogenartig zit-ternden Luftschichten wiederhohlt. Auch westlich vonder peruanischen Andeskette, an den Küsten des stillenMeeres, haben wir Wochen gebraucht, um solche waß-erleere Wüsten zu durchstreichen.Der Ursprung derselben, diese Pflanzenlosigkeitgroßer Erdstrecken, in Gegenden, wo umher die kraft-volleste Vegetation herrscht, ist ein wenig beachtetesgeognostisches Phänomen, welches sich unstreitig in al-ten Naturrevoluzionen (in Ueberschwemmungen, odervulkanischen Umwandelungen der Erdrinde) gründet.Hat eine Gegend einmahl ihre Pflanzendecke verloren,ist der Sand beweglich und quellenleer, hindert dieheiße, senkrecht aufsteigende Luft den Niederschlagder Wolken: so vergehen Jahrtausende, ehe von dengrünen Ufern aus, organisches Leben in das Innere derEinöde dringt.Wer demnach die Natur mit einem Blicke zu um-faßen, und von Localphänomenen zu abstrahiren weiß
|319| so viele Familien oder Gruppen bilden. Ichbegnüge mich hier siebzehn derselben zu nennen,
der sieht, wie mit Zunahme der belebenden Wärme,von den Polen zum Aequator hin, sich auch allmähligorganische Kraft und Lebensfülle vermehren. Aber beydieser Vermehrung sind doch jedem Erdstriche beson-dere Schönheiten vorbehalten: den Tropen Mannig-faltigkeit und Größe der Pflanzenformen; dem Nordender Anblick der Wiesen, und das periodische Wieder-erwachen der Natur beym ersten Wehen der Frühlings-lüfte. Jede Zone hat außer den ihr eigenen Vorzügenauch ihren eigenthümlichen Character. So wie man aneinzelnen organischen Wesen eine bestimmte Physiogno-mie erkennt; wie beschreibende Botanik und Zoologieim engern Sinne des Worts, fast nichts als Zergliede-rung der Thier- und Pflanzenformen ist: so gibt es aucheine gewiße Naturphysiognomie, welche jedem Himmels-striche ausschließlich zukommt.Was der Mahler mit den Ausdrücken schweizerNatur, italienischer Himmel, bezeichnet, gründet sichauf das dunkle Gefühl dieses localen Naturcharacters.Himmelsbläue, Beleuchtung, Duft, der auf der Ferneruht, Gestalt der Thiere, Saftfülle der Kräuter, Glanzdes Laubes, Umriß der Berge, — alle diese Elementebestimmen den Total-Eindruck einer Gegend. Zwarbilden unter allen Zonen dieselben Gebirgsarten Fels-gruppen von einerley Physiognomie. Die Grünsteinklip-pen in Südamerika und Mexico gleichen denen des deut-schen Fichtelgebirges, wie unter den Thieren die Formdes Alco, oder der ursprünglichen Hunderace des neu-en Kontinents, mit der, der europäischen Race genauübereinstimmt. Denn die unorganische Rinde der Er-de ist gleichsam unabhängig von klimatischen Einflüß-en; sey es, daß der Unterschied der Klimate neuerals das Gestein ist; sey es, daß die erhärtende Wär-me entbindende Erdmaße sich selbst ihre Temperaturgab, statt sie von außen zu empfangen. Alle Forma-tionen sind daher allen Weltgegenden eigen, und in
|320| deren Studium dem Landschaftsmahler besonderswichtig seyn muß.
I. Bananenform: Pisanggewächse, Musa, He- *28)
allen gleichgestaltet. Ueberall bildet der Basalt Zwil-lings-Berge und abgestumpfte Kegel; überall erscheintder Trapporphyr in grotesken Felsmaßen, der Granitin sanftrundlichen Kuppen. Auch ähnliche Pflanzen-formen, Tannen und Eichen, bekränzen die Berggehängein Schweden, wie die des südlichsten Theils von Me-xico. Und bey aller dieser Uebereinstimmung in denGestalten, bey dieser Gleichheit der einzelnen Umriß-e, nimmt die Gruppirung derselben zu einem Ganzendoch den verschiedensten Character an.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*28) Man muß sorgfältig drey Fragen von einander un-terscheiden: 1) Wie viel Pflanzenarten sind bereits ingedruckten Werken beschrieben? 2) Wie viele sind be-reits entdeckt? 3) Wie viele existiren wahrscheinlichauf dem Erdboden? Murray’s Ausgabe des Linneischen Systems enthält, die Kryptogamen mitgerechnet, nur10042 Species. Herr Wildenow hat in seiner vortreff-lichen Ausgabe, der Species Plantarum von 1797 bis1807 bereits 17,457 Species von Phänerogamen (Mo-nandria bis Polygamia Dioecia beschrieben. Rechnet mandazu 3000 Species kryptogamischer Gewächse, soentsteht die Zahl von 20,000 Arten. Aber außerden bereits in gedruckten Büchern beschriebenen, exi-stiren noch wenigstens acht tausend Species in den Her-barien der Herrn Ruiz, Pavon, Nee, Seße und Mu-tis, in den englischen und französischen, in meinen und Bonpland’s Herbarien, 8000 Species deren Beschreibungentworfen, aber noch nicht publicirt ist. Die Zahl allerbis jetzt von Botanikern unterschiedenen Pflanzenspeciesscheint demnach über 28,000 zu seyn. Wenn man un-sere Unbekanntschaft mit dem Innern von Süd-Ame-rika (Brasilien, Buenos-Ayres, der östliche Abfall der Andeskette, Santa Cruz de la Sierra, alle Länder zwi-schen dem Orinoco, Rio Negro, Amazonenfluß und
|321| conia, Strelitzia. Ein fleischiger, hoher, krautar-tiger Stamm, aus zarten silberweißen oft schwarzgeflammten Lamellen gebildet. Breite, zarte, sei-denartig glänzende, quergestreifte, fast lilienarti-ge Blätter, von denen die jüngeren gelblich grünund eingerollt, senkrecht emporwachsen, indemdie älteren, vom Winde zerrißen, mit den Spit-zen wie die Krone der Palmen, abwärts gebeugtsind. Goldgelbe länglichte Früchte traubenartigzusammengehäuft. *29)

Puruz) mit Afrika, Neu-Holland, Inner und Ost Asi-en (Thibet, Rucharey, China, Malacca) betrachtet, sodrängt sich einem unwillkürlich der Gedanke auf, daßwir noch nicht den dritten, ja wahrscheinlich nicht denfünften Theil der auf der Erde existirenden Gewächsekennen! Ich erinnere nur an die neuen Genera (zumTheil hohe Waldbäume), welche in den, seit 300 Jah-ren von Europäern besuchten, kleinen Antillischen In-seln in der Nähe großer Handelsstädte entdeckt wor-den sind. Doch von 28,000 bereits entdeckten Pflan-zen, kultiviren wir Europäer in unseren botanischenGärten, kaum 6 bis 7000 Species!S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*29) In allen Kontinenten findet man unter den Wende-kreisen, so weit Tradition, und Geschichte reichen,Pisangkultur. Daß Africanische Sclaven einige Abän-derungen der Bananenfrucht nach America übergebracht,ist eben so gewiß, als daß vor Colons Entdeckungdort Pisang von den Eingebornen gebaut ward. DieGuaikeri-Indianer in Cumana haben uns versichert, daßan der Küste Paria, nahe am Golfo triste, der Pisang,wenn man die Früchte am Stamme reifen laße, bis-weilen keimenden Samen bringe. Eben deßhalb, sa-gen sie, finde man in dem Dickigt der Wälder von Pa-ria wilde Pisangstämme, weil die Vögel diesen reifenSamen verstreuen. Auch in Cumana hat man hier und
|322| 2. Palmenform. Ein hoher ungetheilter gerin-gelter und gegen die Mitte oft bauchiger und stach-liger Schaft, auf dem sich eine Krone von gefie-derten, oder fächerartigen Blättern majestätischerhebt. Am Ende des Stammes meist zweyklappi-ge Blumenscheiden, aus welchen die Rispe aus-bricht. *30) 3. Form der baumartigen Farrenkräuter. DenPalmen ähnlich, aber der Schaft minder hoch undschlank, schwarzrißig, mit zarten und schief ge-streiften, hellgrünen, am Rande zierlich gekerb-
da in der Pisangfrucht vollkommen ausgebildeten Samengefunden.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*30) Drey Formen von vorzüglicher Schönheit sind denTropenländern aller Weltgegenden eigenthümlich. Pal-men, Pisanggewächse und baumartige Farrenkräuter.Wo Wärme und Feuchtigkeit gleichzeitig wirken, daist die Vegetation am üppigsten, die Gestaltverschieden-heit am größten. Daher ist Süd-Amerika der schönereTheil der Palmenwelt. In Asien ist die Palmenformseltener, weil der Theil dieses Kontinents, welcherunter dem Aequator lag, in früheren Revoluzionen un-sers Planeten untergegangen zu seyn scheint. Von denafrikanischen Palmen zwischen der Bai von Benin,bis zur Küste Ajan wißen wir nichts. Ueberhaupt ken-nen wir bisher nur eine sehr geringe Zahl afrikanischerPalmenarten. Gesellig lebende Pflanzen sind die Dat-telpalmen, Mauritia und Chamaerops. Isolirt stehenCocos guinensis, Martinezia, Triartea.Die Palmen gewähren Beyspiele des höchstenPflanzenwuchses. Die Wachspalme, welche wir aufdem Andesrücken, zwischen Ibague und Carthago inder Montana de Quindiu entdeckt haben, unser Leroxy-lon andicola, erreicht die ungeheure Höhe von 160 bis180 Fuß. Die riesenmäßigen Eukalyptus-Stämme,
|323| ten, fast kohlartigen Blättern. Keine Blumenschei-den. *31)
4. Aloe-Form. Agave, Aloe, Yuoca, einigeEuphorben, Pourretia. Steife, oft bläulichgrüne,glatte, stehend spitzige Blätter. Hohe Blüthen.Stengel, die aus der Mitte entspringen, und sichbisweilen kandelaberartig theilen. Einige Artenerheben die strahlige Krone auf nackten, gerin-gelten, oft schlangenartig gewundenen Stäm-men. *32) 5. Pothosform. Arum, Pothos, Dracontium.Glänzende, große, oft spieß und pfeilförmigedurchlöcherte Blätter. Lange, hellgrüne, saftige,
welche La Billardiere in Van Diemen’s Land(Insel),maß, haben nur 150 Fuß Höhe.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*31) Baumartige Farrenkräuter finden sich in der nördli-chen Hemisphäre bis 33°, und der südlichen bis 42°Breite. Sonderbar daß gerade Dicksonien in beydenHemisphären sich am meisten dem Pole nahen. Dick-sonia culcita auf Madera und Dicksonia antarctica (mit18 Fuß hohem Stamme) an Van Diemen’s Insel.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*32) Palmen, Aloegewächse, und hochstämmige Farren-kräuter haben in der Nacktheit und Zweiglosigkeit desStammes einige Aehnlichkeit der Physiognomie, soverschieden auch sonst ihr Charakter (Naturausdruck)ist.Das oft 12 Fuß hohe Selinum decipiens (viel-leicht aus Nordasien) gehört einer eigenen wunderbargestalteten Gruppe baumartiger Doldengewächse an,an die sich mit der Zeit wahrscheinlich neue, noch zuentdeckende Pflanzen der nördlichen Erdhälfte anschließ-en werden. Die Gruppe steht den baumartigen Far-renkräutern einigermaßen nahe.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.
|324| meist rankende Stängel. Dicke, längliche Blu-men. Kolben aus weißlichen Scheiden ausbre-chend. *33)
6. Form der Nadelhölzer: alle folia acerosa,Pinus, Taxus, Cupreßus, einige Proteen, selbstBanksien, Erica-Arten und die (durch angeerbteMonstrosität?) ungefiederten Neu-holländischenMimosen grenzen an die Pinus-Form. Die Kronebald pyramidal, wie Lerchenbäume und Cypreßen,bald schirm- fast palmartig sich ausbreitend, wiePinus Pinea. *34)
*33) Mehr dem neuen Continent als dem alten eigenthüm-lich. Caladium und Pothos sind bloß Formen derTropenwelt, Arum gehören mehr der gemäßigten Zonean. InAfrikaist noch kein Dracontium, kein Pothosentdeckt worden. Ostindien hat zwey Pothosarten, P.scandens und P. pinnata, der Physiognomie nach we-niger schön, und weniger üppig aufsprossend, als dieamerikanischen Pothosgewächse. Afrika, so weit wir eskennen, bringt nur zwey Arumarten, A. collocasia undA. arisarum hervor. Dahin gehört auch das einzigeCaladium (Culcasia scandens), welches Hr. Beauvois imKönigreich Benin entdeckt hat. (Flore d’Oware p. 4.t. 3) In der Pothosform dehnt sich das Purenchymabisweilen so sehr aus, daß die Blattfläche löchrig wird,wie in Dracontium pertusum.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*34) Wenn unter den Wendekreisen der Boden sich nichthier und da zu 1000 bis 1500 Toisen Höhe erhöbe,so würde, wenigstens dem Aequator nahe, diese Formgewiß dort ewig unbekannt geblieben seyn. Pinus lon-gifolia, in Ostindien, P. Dammara Lamb. in Amboinasind Tropenpflanzen, aber beyde auf hohen Bergenwachsend. In ganz Süd-Amerika ist mir trotz derHöhe der Andeskette doch unter den Wendekreisen kei-ne Pinusart bekannt. Ein Nadelholzbaum, den wir in
|325| 8. Mimosenform: Mimosa, Gleditschia, Ta-marindus, Porlieria. Alle fein gefiederte Blätterzwischen welchen die Bläue des Himmels ange-nehm durchschimmert. Weitschattige Kronen, oftschirmartig gedrückt. *35)
den Andes von Quindiu entdeckten, war ein Taxus,und zwar unser Taxus montana (Willd. Spec. T. 4. P. 2.p. 857.) Giebt es überhaupt Tannen oder Fichten in Süd-Amerika, z. B. in Chili, im Königreich Buenos-Ayres und gegen die magelianische Meerenge hin? InChili und (wie wir durch die Expedition des Grafen Hoffmannsegg neuerlichst erfahren) auch in Brasilienersetzt Araucaria imbricata die Form der Nadelhölzer.Ueber die obern und untern Grenzen der mexikanischenTanne, welche dem Pinus occidentalis näher, als demP. strobus verwandt ist, S. diesen Verf. m. Pflanzenge-ogr. a. a. O. Auf der Isola de Pinos, südlich vonCuba, wächst eine Tanne (Pinus occidentalis) mit Swi-tenia Mahagony in einer Ebene, eine sonderbare Er-scheinung, die sich einigermaßen aus der Gestalt undNähe des nordamerikanischen Continents, wie aus derdurch Nordstürme oft erkälteten Atmosphäre erklärenläßt.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*35) Die fein gefiederten Blätter der Mimosen, Acacien,Desmanthus-Arten und Schrankien sind recht eigent-lich Formen der Tropenvegetation. Doch finden sicheinige Repräsentanten der Form auch außerhalb derWendekreise. In der nördlichen Hemisphäre kann ichim alten Continent, und zwar in Asien, bloß einenniedrigen Strauch auf weisen, die von Hr. Marschallvon Biberstein beschriebene Acacia Stephaniana. Diesegesellschaftlich lebende Pflanze bedeckt die dürren Ebe-nen der Provinz Schirvan am Kur (Cyrus) bey NeuSchamach bis gegen den Araß (den alten Araxes) hin.Diese Acacia foliis bipinatis, der auch schon Buxbaumerwähnte, wächst also nördlich bis 42° geographischer
|326| 9. Malven-Form: Sterculia, Hibiscus, Ochro-ma, Cavanillesia (Flor. Per) Dickstämmige Bäumemit großen, weichen, meist lappigen Blättern
Breite (Tableau des Provinces situées sur la côte occi-dentale de la mer caspienne entre les fleuves Terek etKour 1798 p. 58. 120) In Afrika drängt Acacia gummifera Willd. bis Mogador, also bis 320 nördlicher Breitevor. In Japan wächst Acacia Nemu um Nangasacki.Im neuen Kontinent schmücken die Ufer des Mißißipiund Tennesee, wie die Savannen der Illinoes, Acaciaglandulosa Mich. und A. brachyloba Willd. Die Schran-kia uncinata fand Michaux von Florida bis Virginiennordwärts vordringen, also bis 37° nordlicher Breite.Gleditschia triacanthos findet sich nach Barton östlichvon den Aleghany Gebirgen bis zum 38sten, westlichbis 41 Grade nördlicher Breite. Gleditschia monospermableibt zwey Grade südlicher. Dieß sind die Grenzender Mimosenform in der nördlichen Erdhälfte. In dersüdlichen finden wir außerhalb des Wendekreises desSteinbocks einfachblättrige Acacien, bis Van Diemen’sInsel, ja die unvollkommen beschriebene Mimosa Ca-ven Molina wächst in Chili zwischen dem 24sten und37sten Grade südlicher Breite (Molina Naturgeschichtevon Chili p. 148) Die feinblättrigste aller Mimosen istdie in Caraccas wachsende Acacia microphylla (Bre-demeyer.) Bis jetzt ist noch keine wahre Mimosa (indem Sinne des Worts, den Wildenow festgesetzt) jakeine Inga in der gemäßigten Zone entdeckt worden.Unter allen Acacien verträgt die orientalische AcaciaJulibrißin Scopoli, die Forschkael mit der Mimosa ar-borea verwechselt hat, die meiste Kälte. Im botani-schen Garten von Padua steht ein hoher Stamm vonbeträchtlicher Dicke im Freyen, und doch ist die mit-lere Wärme von Padua nur 10, 8 Grad Reaum.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.
|327| (foliis lobatis) und prachtvollen Säulenblumen(Colomniferae des Linné.) *36)
10. Rebenform: Lianen, Vitis, Paullinia,Glematis, Mutisia. Rankende Gewächse mit rißi-gen holzigen Stämmen, und vielfach zusammen-
*36) Adanson äußert sein Erstaunen darüber, daß keinerder früheren Reisenden, des riesenmäßigen Boababserwähnt habe. Aber Aloysio Cadamusto erwähnt al-lerdings schon 1504 des hohen Alters dieser Bäume,quarum Eminentia altitudinis non quadrat Magnitudini Cadamusti Navigatio, c. 43. Adanson fand Stämme,deren Höhe 10 bis 12 und deren Umfang 77 Fuß be-trug. Ihre Wurzeln waren 110 Fuß lang. AndereSchriftsteller geben noch größere Dimensionen an. AuchS. George Staunton beobachtete Adansonien auf denCapwerdischen Inseln. Sie hatten 56 Fuß Umfang.„Man darf nicht vergeßen, daß der Boabab, wie die„ganze Familie der Bombax und Ochroma-Arten,„weit schneller wächst als die Dracaena, deren Vege-„tation sehr langsam ist. Die Platanen (Platanus oc-„cidentalis), welche Hr. Michaux am Ufer des Ohio„bey Marietta fand, haben genau denselben Durch-„meßer als der berufene Drachenbaum in Orotava.„Voy. à l’ouest des monts Alleghany 1804 p 93.)„Noch in 20 Fuß Höhe ist ihr Stamm von 47 Fuß Um-„fang. Aber wahrscheinlich bedurften diese Platanen„nicht den 10ten Theil der Zeit, in welcher eine Dra-„caena zu derselben Dicke gelangen würde. „Die vegetabilischen Geschöpfe, welche in al-„len Weltgegenden zu der größten Corpulenz anschwel-„len, sind der Taxus, die echte Kastanie (Fagus Ca-„stanea), mehrere Species von Bombax, die Mimosen,„Caesalpinien, Feigenbäume, Switenien, Hymenea„Courbaril, Cypreßus disticha und Platanus occidenta-„lis.“S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.
|328| gesetzten Blättern. Die Blüthen meist in Dolden-trauben und Rispen.
11. Lilienform: Pancratium, Fritillaria, Iris.Stammlose Gewächse mit langen einfachen hellgrü-nen, zart gestreiften oft schwertförmigen und zwey-zeiligen, aufrecht stehenden Blättern, und mit zartenprachtvollen Blüthen, bald in Scheiden (Spatacaedes Linné) bald ohne Scheiden (Coronariae des Lin-.) *37) 12. Cactusform: die Cerei. Vielkantige flei-schige, blattlose, oft gestachelte, säulenförmigansteigende, theils kronleuchterartig getheilte Ge-wächse, mit schöngefärbten aus der fast unbelebtscheinenden Maße, ausbrechenden Blumen. *38)
*37) Der Hauptsitz dieser Form ist Afrika, dort ist diegrößte Mannigfaltigkeit der Liliengewächse, dort bil-den sie Maßen, und bestimmen den Naturkarakter derGegend. Der neue Continent hat allerdings prachtvollePancratien, Alstroemerien, und Crinumarten. Das er-stere Geschlecht haben wir mit drey neuen Species,Pancratium quitense, tryphyllum und tubulosum ver-mehrt, aber diese americanischen Liliengewächse ste-hen zerstreut, minder gesellig als unsere europäischenlrisarten.S. des Verfaßers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*38) Wenn man gewohnt ist, Cactusarten bloß in unsernTreibhäusern zu sehen, so erstaunt man über die Dich-tigkeit, zu der die Holzfaser in den alten Cactusstäm-men sich verdichtet. Die Indianer wißen, daß Cac-tusholz unverweslich, und zu Rudern und Thürschwel-len vortrefflich zu gebrauchen ist. Dem neuen Ankömm-ling macht kaum irgend eine Pflanzenphysiognomie ei-nen sonderbareren Eindruck, als eine dürre Ebene, wiedie bey Cumana, Neu-Barcellona, Coro und in derProvinz Jaen de Bracamoros, welche mit säulenförmi-gen und candelaberartig getheilten Cactusstämmen dick
|329| 13. Casuarinen-Form: Castrarina Equisetum.Blattlose Gewächse, vom einfachsten äußern Baue,mit weichen dünnen, gegliederten, in der Längegestreiften Stängeln. *39) 14. Gras- und Schilf-Form. *40) 15. Form der Laubmoose. 16. Form der Blätterflechten. 17. Form der Hutschwämme. *41)
besetzt ist. Im alten Continente besonders Afrika, undden nahe gelegenen Inseln, sind einige Euphorbienund Cacalien gleichsam Repräsentanten der amerikani-schen Cactusform.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*39) Der eigentliche Repräsentant der Casuarinenform,C. equisetifolia, wächst in Süd-Asien, und auf denInseln des stillen Meeres. Vier andere sind bloß Neu-Holland eigenthümlich. Die neuentdeckte Casuarinaquadrivalvis Labill. dringt bis 43° südl. Breite auf vanDiemen’s Land vor!S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*40) Baumartige Gräser sind im ganzen selten. Wir ken-nen nur wenige Gattungen derselben, Bambusa, Pani-cum arborescens. Bambusgebüsche sind in der heißenZone über die ganze Erde verbreitet. Sie steigen aufdas Gebirge bis über 700 Toisen Höhe.S. des Verfassers Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse.*41) Da der Hr. Verfasser nicht bloß Formen von groß-en, sondern auch von kleinen Umrißen aufgestellt hat,die mithin mahlerisch nur im Vorgrunde einer Land-schaft gehörig ausgeführt, und deutlich unterscheidbardargestellt werden können: so glaubt man vorzüglichnoch auf die Form der Dolden- oder Schirmblumenge-wächse, auf die der Syngenesisten, wozu die Distelge-wächse gehören, auf die der quirlblüthigen Pflanzen,auf die Nelkenform, auf die Rosenform etc. aufmerk-sam machen zu müßen, bestimmte Hauptformen, wel-
|330| Diese physiognomischen Abtheilungen *42) weichen oft von denen ab, welche die Botanikerin ihren sogenannten natürlichen Systemen aufstel-
che gänzlich von einander abweichen, und häufig genugsind, um Landschaften gewißer Gegenden eigenthümli-che Modificationen zu ertheilen.Recension dieses Werk’s in den allgemeinen geographischen Ephemeriden. *42) In der Abhandlung Ideen zu einer Physiognomik derGewächse, von welcher der Herr Verfasser hier jedoch ab-weicht, führt er mit Uebergehung der Formen der Laub-moose, Blätterflechten und Hutschwämme dagegen jeneder Heidekräuter, Gustavia, Lorbeer, Melastomen,Weiden und Myrthen — überhaupt 19 besondere For-men — auf, und begleitet sie mit folgenden besonderenAnmerkungen:Eine meist africanische Pflanzengruppe sind die Heidekräuter; dahin gehören auch die Adromeda, Paß-erinen und Gnidien, eine Gruppe, die mit der derNadelhölzer einige Aehnlichkeit hat, und eben deßhalbmit dieser, durch die Fülle glockenförmiger Blüthen,desto reitzender contrastirt. Die baumartigen Heide-kräuter, wie einige andere africanische Gewächse, er-reichen das nördliche Ufer des Mittelmeers. Sie schmü-cken Welschland und die Cistus Gebüsche des südli-chen Spaniens. Am üppigsten wachsend habe ich sie aufden africanischen Inseln, am Abhange des Pics vonTheyde gesehen. Bey uns in den baltischen Ländern,und noch nördlicher hin, ist diese Pflanzenform gefürch-tet, Dürre und Unfruchtbarkeit verkündigend. UnsereHeidekräuter, Erica vulgaris und tetralix sind gesell-schaftlich lebende Gewächse, gegen deren fortschrei-tenden Zug die ackerbauenden Völker seit Jahrhunder-ten mit wenigem Glücke ankämpfen. Sonderbar, daßder Hauptrepräsentant dieser Form bloß einer Sei-te unsers Planeten eigen ist. Von den 137 jetzt bekann-ten Arten von Erica findet sich auch nicht eine einzige
|331| len. Bey jenen kommt es allein auf große Umriß-e, auf das an, was den Character der Vegetati-on, und folglich den Eindruck bestimmt, den der
im neuen Kontinent von Pensylvanien und Labrador bisgegen Nootka und Alaschka hin.Laurus, Mammea, Challophyllum. Eine Formder Tropenwelt, und der gemäßigten Zone bis 38 und40° nördlicher Breite. Lorbeerbäume treten unter denWendekreisen als Alpengewächse auf, wie Laurus al-pigena, L. exaltata, L. triandra, L. coriacea, L. mem-branacea, L. patens, L. floribunda und andere, vondem vortrefflichen Swarz in Jamaika beschriebene Spe-cies beweisen.Von dem Hauptrepräsentanten der Form, vonder Weide selbst, sind schon 116 verschiedene Artenbekannt. Sie bedecken die Erde vom Aequator bisLappland. Ihre Zahl und Gestaltverschiedenheit nimmtzu zwischen dem 46. und 70. Grade der Breite, beson-ders in dem, durch frühe Erdrevoluzionen so wunder-bar eingefurchten Theile des nordlichen Europa’s. VonWeiden als Tropengewächse sind erst zwey Arten be-kannt, Roxburg’s Salix tetrasperma von der Küste Ko-romandel, und eine peruanische Species die wir mit-gebracht, und welche Hr. Wildenow Salix Humbold-tiana genannt hat. Vielleicht dringt Salix muctonatavom Vorgebirge der guten Hoffnung nordwärts bis zumWendekreise des Steinbocks vor? Auf den Inselgrup-pen der Südsee ist noch keine Weide entdeckt wor-den.Myrthengewächse geben drey Erdstrichen eineneigenen Charakter: 1) dem südlichen Europa, beson-ders den Inseln (Kalkfelsen) die aus dem Keßel desMittelmeeres hervorragen. 2) dem Neu-holländischenKontinente, der mit Eucalyptus, Metrosideros, Lep-tospermum geschmückt ist, und 3) einem Erdstrich dermitten unter den Wendekreisen, 9 bis 10,000 Fuß überder Meeresfläche erhaben ist, dem hohen Andesrücken
|332| Anblick der Gewächse und ihre Gruppirung aufdas Gemüth des Beobachters macht. Die eigent-lich botanischen Klaßificationen gründen sich da-gegen auf die kleinsten, dem gemeinen Sinne garnicht auffallenden, aber beständigsten und wich-tigsten Theile der Befruchtung. Es wäre gewißein treffliches, eines gebildeten Künstlers würdi-ges Unternehmen, die Physiognomien jener Pflan-zengruppen für deren Beschreibung es selbst denreichsten Sprachen an Ausdrücken fehlt, nicht inBüchern oder Treibhäusern, sondern in der Naturselbst, in ihrem Vaterlande zu studiren, und sietreu und lebendig darzustellen. Hohe Palmen, wel-che die mächtigen federartig gekräuselten Blätterüber ein Gebüsch von Heliconien und Pisangge-wächsen schwingen; dornige, schlangenartig auf-gerichtete Cactusstämme, mitten unter blühendenLiliengewächsen; ein baumartiges Farrenkrautvon mexicanischen Eichen umgeben: welche mah-lerische Gegenstände für den Pinsel eines gefühl-vollen Künstlers!
Auf der Schönheit der einzelnen Formen, aufdem Einklange, oder dem Kontraste, welcher ausihrer natürlichen Gruppirung entsteht, auf der Größ-e der organischen Maßen und der Intensität desGrünes, beruht der Vegetations-Charakter einerZone. Viele Gestalten, und gerade die schönsten,
in Südamerika. Diese Berggegend (in Quito: Paramo,in Peru: Puna genannt), ist ganz mit Bäumen von myr-thenartigen Ansehen bedeckt. In dieser Höhe wachsenEscallonia myrtilloides, E. tubar, Alstonia theaefor-mis, neue Myrica-Arten und die schöne Myrtus micro-phylla.
|333| die der Palmen, der Bananengewächse und derbaumartigen Farrenkräuter und Gräser, fehlen gänz-lich den nördlichen Erdstrichen. Andere, zumBeyspiele die der gefiederten Blätter, sind darinnsehr selten und minder zart. Die Zahl der baum-artigen Pflanzen ist darinn geringer, ihre Kroneminder hoch und belaubt, seltener mit großenprachtvollen Blüthen geziert, als in den Tropen-ländern. In diesen allein hat die gestaltende Na-tur sich ergötzt, alle Pflanzenformen zu vereini-gen. Selbst die der Nadelhölzer, welche auf denersten Anblick zu fehlen scheinen, finden sich nichtbloß auf dem hohen Rücken der Andes, sondernselbst in den wärmeren Thälern von Xalappa,und hier und da *43) bey Loxa.
Die Physiognomie der Vegetation hat unterdem Aequator im ganzen mehr Größe, Majestät undMannigfaltigkeit, als in der gemäßigten Zone.Der Wachsglanz der Blätter *44) ist dort schö-ner, das Gewebe des Parenchyma lockerer, zar-
*43) Tannen, Cypreßen und Juniperus sind drey Ge-schlechter, die sich in Menge in der nördlichen Tro-penzone z. B. in Neu-Spanien finden. Dagegen schei-nen sie in der südlichen, wenn gleich auf dem Gebirgeeben so kalten Tropenzone, sehr selten. In der hohen Andes-Kette von Santa-Fe, Popayan und Quito, ha-be ich kein anderes Nadelholz, als ein paar Stämmeeiner Cupreßus-Art, in den Wäldern von Quindiu undbey Loxa gefunden. Anm. des Verfassers. *44) Ein recht eigentlicher Wachsglanz, da dieses Wachsvon Proust in Madrid chemisch ausgeschieden wordenist. Anm. des Verfassers.
|334|ter und saftvoller. Kolloßalische Bäume prangendort ewig mit größeren, vielfarbigeren, duftenden-ren Blumen, als bey uns niedrige krautartige Stau-den. Alte durch Licht verkohlte Stämme sind mitdem frischen Laube der Paulinien, mit Pothos undmit Orchideen gekränzt, deren Blüthe oft die Ge-stalt *45) und das Gefieder der Colibri nachahmt,welchen sie den Honig darbiethet.
Dagegen entbehren die Tropen fast ganz daszarte Grün der weiten Grasfluren und Wiesen. Ih-re Bewohner kennen nicht das wohlthätige Gefühldes im Frühlinge wieder erwachenden, sich schnellentwickelnden Pflanzenlebens. Die sorgsame Na-tur hat jedem Erdstriche eigene Vorzüge verliehen.Die vegetabilische Fiber, bald dichter bald locke-rer gewebt; Gefäse ausgedehnt, und von Saft stro-tzend, oder früh verengt und zu knorriger Holz-maße erhärtend, größere oder geringere Intensi-tät der Farbe, nach Maßgabe des Desoxidations-Proceßes, welchen der reitzende Lichtstrahl er-regt: diese und ähnliche Verhältniße bestimmenden Character der Vegetation in jeder Zone. *46)
*45) Die Indianer nehmen von dieser vogelähnlichen Ge-stalt der Epidendra oft die specifischen Nahmen her. Anm. des Verfassers. *46) In einer geographischen Breite können auf unsermErdballe, wenn keine Gebirge und andere Umständedie Temperatur verändern, in verschiedenen Welttheileneben die Pflanzen wachsen, aber Gegenden, die in ei-ner Länge liegen, müßen immer verschiedene Pro-dukte des Gewächsreichs erzeugen. Die Mark Bran-denburg, die Küste Labrador, und Kamtschatka liegenziemlich in einer Breite, und haben auch viele Pflanzenmit einander gemein. Berlin, Venedig, Tripolis, und
|335| Die große Höhe zu welcher der Boden sichüber der Wolkenregion unter dem Aequator er-hebt, gewährt den Einwohnern dieser Gegend das
Angola haben fast gleiche Länge, aber die Gewächsesind sehr verschieden.Es ist bekannt, daß Wärme ein nöthiges Erfor-derniß der Vegetation ist. Daraus folgt also ganz na-türlich, daß mit der größeren Wärme des Klima’s, auchdie Zahl der wildwachsenden Pflanzen beträchtlicherseyn muß. Die Verzeichniße der Botaniker über ver-schiedene Gegenden unsers Erdballs zeigen uns, daßdie Vegetation nach den Graden der Wärme vermehrtwird. In Süd-Georgien sind nach sicheren Nachrich-ten nur zwey wildwachsende Pflanzen; in Spitzbergen30; in Lappland 534, in Island 553; in Schweden 1299;in der Mark Brandenburg 2000; im Piemontesischen2800; an der Küste Coromandel ungefähr 4000; auf derInsel Jamaika eben so viel; auf Madagascar über 5000.Fast überall finden sich Gewächse, nur die mit bestän-digen Eise bedeckten Polarländer, die höchsten beei-seten Gebirgsgipfel und die dürren Sandwüsten Africa’s ausgenommen. Auf kahlen, nackten, durch vulca-nisches Feuer verheerten Gegenden, wie z. B. die Insel Ascension, und Kerguelens Land, sproßen nurkümmerlich wenige Pflänzchen empor.Das Klima hat sowohl auf das Wachsthum, alsauf die Gestalt des ganzen Gewächses vielen Einfluß.Die Pflanzen der Polarländer und der Gebirge sind nie-drig, mit sehr kleinen gedrungenen Blättern, und nachVerhältniß großen Blumen. Die Gewächse Europenshaben wenig schöne Blumen, und viele blühen mit Kätz-chen, die asiatischen prangen mit vorzüglich schönen;die afrikanischen haben meistens sehr fette, saftigeBlätter, und bunte Blumen. Amerikanische Pflanzenzeichnen sich durch lange glatte Blätter, und die son-derbare Gestalt der Blumen und Früchte aus. Die Ge-wächse aus Neu-Holland unterscheiden sich durch schma-
|336| sonderbare Schauspiel, daß sie außer den Bana-nengewächsen und Palmen auch von Pflanzenfor-men umgeben sind, welche man oft den europäi-
le trockene Blätter, und eine mehr zusammengezogeneForm. Die Pflanzen des Archipelagus im Mittelländi-schen Meere, sind meistentheils strauchartig und stach-licht. Die Pflanzen Arabiens haben fast alle einenniedrigen verkrüppelten Wuchs. Auf den kanarischenInseln sind die meisten Pflanzen, sogar Gattungen,die in andern Klimaten krautartig sind, Sträucher oderBäume.Auffallend ist aber die Aehnlichkeit zwischenden Bäumen und Sträuchern des nördlichen Asiens undAmerika, da doch die Kräuter und Staudengewächsebeyder Welttheile fast gar nichts in ihrer Gestalt Ue-bereinstimmendes haben. Ein vergleichendes Verzeich-niß mag dieß bestätigen.
Im nördlichen Asien wächst. Diesen sind in Nordamerika ähnlich:
Acer cappadocicum — Acer sacharinum
— pseudoplatanus — — montanum
Azalea pontica — Azalea viscosa
Betula davurica — Betula populifolia
Alnus glutinosa — Alnus serulata
Corylus Colurna — Corylus rostrata
Crataegus sanquinea Pall — Crataegus coccinea
Cornus sanquinea — Cornus alba
Fagus sylvatica — Fagus latifolia
— Castanea — — pumila
Juniperus lycia — Juniperus virginiana
Liquidambat imberbe — Liquidambar styraciflua
Morus nigra — Morus rubra
Lonicera Peryclymenum — Lonicere sempervirens
Pinus sylvestris — Pinus inops
— Cembra — — strobus
Platanus orientalis — Platanus occidentalis
Prunus laurocerasus — Prunus Caroliniana
|337| schen und nordasiatischen Klimaten eigen glaubt. Die heißen Thäler der Andeskette sind mit Heli-conien und feinblättrigen Mimosen geschmückt.
Im nördlichen Asien wächst. Diesen sind in Nordamerika ähnlich:
Rhododendrum ponticum — Rhododendrum punctatum
Rhus coriaria — Rhus typhinum
Ribes nigrum — Ribes floridum
Rubus fructicosus — Rubus occidentalis
Sambucus nigra — Sambucus Canadensis
Styrax officinale — Styrax laevigatum
Thuja orientalis — Thuja occidentalis
Tilia europaea — Tilia americana
Ulmus pumila — Ulmus americana
Viburnum orteniale — Viburnum acerifolium
u. d. m.
Zwischen den strauchartigen Pflanzen des Vor-gebirges der guten Hoffnung und Neuhollands, herrschtebenfalls eine große Aehnlichkeit. Sollte wohl gleicheUebereinstimmung in Rücksicht des Bodens oder derLage der Länder, bey der Entstehung der organischenKörper, die Aehnlichkeit welche wir hier finden, er-zeugt haben?Im kalten Klima finden sich mehrere Kryptoga-men, besonders Pilze, Flechten und Moose, Tetra-dynamisten, Doldengewächse, Syngenesisten, und über-haupt wenige Bäume und Sträucher.Im warmen Klima finden sich mehrere Bäumeund Sträucher, viele Farrenkräuter, Schlingstauden,Schmarotzerpflanzen, saftige Pflanzen, lilienartige Ge-wächse, Bananengewächse, Palmen, Kräuter und Som-mergewächse vegetiren nur zur Regenzeit. Gefiederteund gerippte Blätter sind am häufigsten in warmen Him-melstrichen.Die Waßerpflanzen haben so lange sie unterWaßer stehen, feine fadenförmig zertheilte Blätter;kommen sie aber mit ihren Blättern an die Fläche
|338| Höher herauf wachsen baumartige Farrenkräuter,und die Pflanze, deren Rinde das wohlthätigsteHeilmittel gegen das Fieber enthält. In dieser mil-
des Waßers, so werden sie breit, mehr rund, undan der Basis bald mehr bald weniger ausgeschnitten.Pflanzen die auf Hügeln stehen, verhalten sichin der Gestalt ihrer Blätter, gerade umgekehrt, wennwir sie mit den Waßerpflanzen vergleichen. Ihre Wur-zelblätter sind mehr oder weniger ganz, die Stengel-blätter werden aber, je höher sie stehen, immer feinergetheilt. Als Beyspiel läßt sich Scabiosa Columbaria,Valeriana u. s. w. anführen. Wildenow’s Geschichte der Pflanzen. In Rücksicht der gegenwärtig auf unserer Erde anzu-treffenden Gewächse, lehrt die Erfahrung, daß gebir-gigte Gegenden reicher an Vegetabilien, als ebene sind,und daß da wo uranfängliches Gebirge ist, die Zahlder Pflanzen beträchtlicher auffällt, als im Flötzgebirge.Ein Land mit uranfänglichen Gebirgen hat eigenthüm-liche Pflanzen, die dem von solchen Gebirgen entblöß-ten, mangeln. Wir finden auf allen Ebenen in einerBreite, sie mögen auch noch so weit ausgedehnt seyn,immer dieselben Gewächse; nur mit dem Unterschiede,daß der verschiedene Boden einige Abwechslung macht.Im uranfänglichen Gebirge und am Fuße deßelben,treffen wir alle Pflanzen der Ebene wieder. Wir findenwo hohe Gebirgsketten vom uranfänglichen Gesteindie Ebene bekränzen, daß alle Pflanzen der Ebene anihrem Fuße und auf ihnen selbst angetroffen werden.Uebersteigen wir die Gebirge, und kommen auf eineneue Ebene, so zeigt sich eine neue Vegetation, dieman wieder am Fuße der folgenden Gebirgskette an-trifft. Aus den Verzeichnißen der Pflanzen verschiede-ner Länder Europens und fremder Welttheile läßt sichdieses deutlich beweisen. Wer kann hier wohl nochzweifeln, daß die Pflanzen aller Ebenen, von hohemGebirge dahin gekommen sind, und daß die uranfäng-
|339| den Region der Cinchona, und weiter aufwärts,erheben sich Eichen, Tannen, Cypreßen, Berbe-ris, Brombeersträuche, Ellern, und eine Mengevon Gewächsen, denen wir eine nordische Physi-ognomie zuzuschreiben gewöhnt sind. So genieß-et der Tropenbewohner den Anblick aller Pflan-zenformen. Die Erde offenbaret ihn auf einmahlalle ihre vielfachen Bildungen, wie die gestirnteHimmelsdecke von Pole zu Pole ihm keine ihrerleuchtenden Welten verbirgt.
Die Völker Europens genießen diesen Vorzugnicht. Viele Pflanzenformen bleiben ihnen auf im-mer unbekannt. Die krankenden Gewächse, wel-che Luxus oder Wißbegierde in unsere Treibhäusereinzwängt, erinnern uns nur an das, was wir entbeh-ren: sie biethen ein verzerrtes, unvollkommenes Bildvon der Pracht der Tropenvegetation dar. Aberin dem Reichthume und der Kultur der Sprache,
lichen Gebirge unseres Erdballs, die Hauptquellen derFloren verschiedener Länder ausmachen? Eben daherhat Amerika einen so großen Reichthum von Gewächsen,weil vom Nord bis zum Südpol hohe Gebirgsketten mit zahlreichen Nebenarmen es durchschneiden. Da-her nährt Canada andere Pflanzen als Pensylvanien,dieses andere als Virginien, dieses wieder andere alsCarolina, Carolina andere als Florida u. s. w. Daherhat die Nordwest-Küste von Amerika, wieder anderePflanzen als die Nordost-Küste, die Südwest-Küstedeßelben Welttheils, andere als die Südost-Küste.Inseln die eben sind, haben alle Pflanzen des nahegelegenen Kontinents, sind sie aber mit hohen Gebirgenversehen, so mangelt es ihnen nicht an Pflanzen, dieman nur auf ihnen antrifft. Wildenow’s Geschichte der Pflanzen.
|340| in der regen Phantasie der Dichter und Mahler,finden die Europäer einen befriedigenden Ersatz.Der Zauber nachahmender Künste versetzt sie indie entfernsten Theile der Erde. Weßen Gefühlregsam für diesen Zauber, weßen Geist gebildetgenug ist, um die Natur in allen ihren Thätigkei-ten zu umfaßen, der schafft sich in der Einsam-keit einer öden Haide gleichsam eine innere Welt:er eignet sich zu, was die Kühnheit des Natur-forschers, Meer und Luft durchschiffend, auf demGipfel beeister Berge, oder im Innern unterirdi-scher Höhlen entdeckt hat. Hier sind wir auf denPunct gelangt, wo Kultur und Völker und Wiß-enschaft am unbestrittensten auf das individuelleGlück einwirken. Durch sie leben wir zugleich indem verfloßenen, und in dem gegenwärtigen Jahr-hunderte. Um uns versammelnd was menschlicherFleiß in den fernsten Erdstrichen aufgefunden,bleiben wir allen gleich nahe. Ja, die Kenntnißvon dem Innern, geheimen Spiele der Naturkräfte,läßt uns bey vielen Selbstschlüße für die Zukunftwagen, und die Rückkehr großer Erscheinungenvorher bestimmen. So schafft Einsicht in dem Welt-organismus einen geistigen Genuß, und eine innereFreyheit, die mitten unter den Schlägen des Schick-sals, von keiner äußern Macht zerstört werdenkann.