Beschreibung eines Ausbruches des Vulkanes Jorullo in Mexico (155). Vom Baron Alexander v. Humboldt. Oestlich vom Pik des Sancitaro entstand der Vulkan Jorullo (Xorullo oder Juruyo) in der Nacht des 29. Septembers 1759. Herr Bonpland und ich erreichten den Crater dieses Vulkans am 19. September 1803. Die große Catastrophe, bei welcher sich dieser Berg aus der Erde erhob, und durch welche eine große Strecke Landes ihr Aussehn gänzlich veränderte, ist vielleicht eine der außerordentlichsten physischen Revolutionen in den Geschichtsannalen unseres Planeten. Die Geologie kennt kein Beispiel, daß aus der Mitte von 1000 kleinen brennenden Kegeln ein Berg aus Schlacken und Asche und 517 Metres oder 1695 Fuß hoch (nämlich mit dem Niveau der alten benachbarten Ebenen verglichen) sich erhoben habe; und dies im Innern eines Festlandes, 36 Leguas entfernt von der Meeresküste und mehr als 42 Leguas von jedem andern brennenden Vulkan entfernt. Eine große Ebene breitet sich von den Bergen Aguasarco's bis an die Dörfer Teipa und Petatlan aus, die beide wegen ihrer schönen Baumwollenpflanzungen gleich berühmt sind. Diese Ebene zwischen dem Picachos del Mortero und dem Cerros de las Cuevas y de Cuiche liegt 750 bis 800 Meters oder 2460 bis 2624 Fuß über dem Meeresspiegel. In der Mitte eines Landstriches, in welchem Porphyr mit einer Basis von Grünstein vorherrscht, erscheinen basaltische Kegel, deren Spitzen mit immergrünenden Eichen, mit einer Belaubung wie Lorbeer- und Olivenbäume gekrönt und mit kleinen Palmen, mit fächerförmigen Blättern, untermischt sind. Diese schöne Vegetation bildet mit der unfruchtbaren Ebene, deren Vegetation durch vulkanisches Feuer verwüstet wurde, einen merkwürdigen Contrast. Bis gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts war das Land zwischen den beiden Bächen Cuitamba und San Pedro mit Zuckerrohr und Indigo bebaut. Die urbaren Felder wurden von Basaltgebirgen eingeschlossen, deren Struktur anzuzeigen scheint, daß dieses ganze Land in sehr alten Zeiten schon mehrmals vulkanische Convulsionen erlitten habe. Diese Felder waren durch Kunst bewässert und gehörten zum Gebiete des San Pedro de Jorullo, eines der mächtigsten und reichsten Männer des Landes. Im Monat Juni 1759 wurde ein unterirdisches Getöse vernommen. Dieser dumpfe äußerst beunruhigende Donner (bramidos) war von häufigem Erdbeben begleitet, welches zur größten Bestürzung der Bewohner der Pflanzung 50 bis 60 Tage lang ununterbrochen fortdauerte. Mit dem Anfange des Septembers schien alles die völlige Wiederherstellung der Ruhe anzudeuten, als in der Nacht zwischen dem 28. und 29. das schreckliche unterirdische Getöse wieder begann. Die erschrocknen Indianer flüchteten sich auf die Gebirge von Aguasarco. Ein Landesstrich von 3 bis 4 # Meilen Umfang, welcher den Namen Malpays führte, erhob sich in Gestalt einer Blase. Die Gränzen dieser Convulsion sind noch immer an den zerbrochenen Gebirgsschichten erkennbar. Der Malpays ist an seinem Rande nur 39 Fuß hoch über das alte Niveau der Ebene, Playas de Jorullo genannt, empor gehoben worden, aber die Convexität seines Bodens nimmt gegen den Mittelpunkt hin bis zu einer Höhe von 524 Fuß zu. Diejenigen, welche dieser großen Catastrophe vom Gipfel des Aguasarco mit zugesehen haben, versichern, daß, in dem Umfang von mehr als [Formel] # Meile, Flammen ausgebrochen, daß glühende Felsstücken in erstaunliche Höhe empor geschleudert worden seyen, und daß man durch die dicke Aschenwolke, welche durch das vulkanische Feuer erleuchtet wurde, die erweichte Oberfläche der Erde, gleich der erregten See wallen sah. Die Flüßchen Cuitamba und San Pedro ergossen sich in die brennenden Schlünde. Die Zersetzung des Wassers trug noch zur Verstärkung der Flammen bei, welche in der Stadt Pascuaro gesehen werden konnten, obgleich diese Stadt auf einer sehr ausgebreiteten Fläche liegt, 1400 Meters oder 4592 Fuß über der Ebene von las Playas de Jorullo. Die Auswürfe von Schlamm und besonders von Thon, welche Kugeln von zersetzten Basalten in concentrischen Schichten einhüllten, scheinen anzuzeigen, daß unterirdische Gewässer keinen kleinen Antheil an der Hervorbringung dieser außerordentlichen Revolution gehabt haben mögen. Tausende kleiner Kegel von 2 bis 3 Meter (6,5 bis 9,8 Fuß Höhe), von den Eingebornen hornitos (Oefen) genannt, ragten auf dem Malpays hervor; wiewohl seit den letzten 15 Jahren, nach dem Zeugniß der Indianer, die Hitze dieser vulkanischen Oefen eine große Abnahme erfahren hatte, so sah ich doch das Thermometer bis auf 202° F. steigen, wenn es in die Spalten gesenkt wurde, welche einen wässerigen Dunst aushauchten. Jeder kleine Kegel ist eine Esse, aus welcher ein dicker Dampf 10 bis 15 Meter hoch aufsteigt. In vielen derselben hört man ein unterirdisches Getöse, welches die Nähe einer kochenden Flüssigkeit verkündigt. Mitten unter diesen Oefen erheben sich aus einem Schlunde, dessen Richtung von N. N. O. nach S. S. W. geht, 6 große Massen, jede 4 bis 500 Meters hoch über das alte Niveau der Ebenen. Dies ist eine Erscheinung des Montenovo zu Neapel, nur mehrmals wiederholt in einer Reihe von vulkanischen Bergen. Die höchste dieser ungeheuren Massen, welche einige Aehnlichkeit mit dem Pays de l'Auvergne hat, ist der große Vulkan Jorullo. Er brennt beständig und hat an der Nordseite eine unermeßliche Quantität verschlackter und basaltischer Laven, welche Bruchstücke von Urgebirgsarten enthalten, ausgeworfen. Diese großen Ausbrüche des mittlern Vulkans dauerten bis zum Jahr 1760. In den folgenden Jahren wurden sie allmählich weniger häufig. Die Indianer fürchteten sich vor dem schrecklichen Getöse des neuen Vulkans und verließen anfangs alle Dörfer im Umfang und bis auf eine Entfernung von 7 bis 8 Leguas von den Playas de Jorullo. Sie wurden indessen mit diesem schrecklichen Schauspiel allmählich durch die Gewohnheit vertraut, und nachdem sie in ihre Hütten zurückgekehrt waren, begaben sie sich auf die Berge Aguasarco und Santa Ines, um die Feuerströme zu bewundern, welche aus einer unendlichen Menge großer und kleiner vulkanischer Oeffnungen ausgeworfen wurden. Die Dächer der Häuser von Queretaro wurden in einer geraden Entfernung von mehr als 48 Leguas vom Schauplatze der Explosion mit Asche bedeckt. Obgleich jetzt das unterirdische Feuer nicht mehr heftig zu seyn scheint , und sowohl der Malpays, als der große Vulkan sich mit Pflanzen zu bedecken anfangen, fanden wir doch die umgebende Luft durch diese kleinen Oefen (hornitos) so sehr erhitzt, daß das Thermometer in großem Abstande von der Oberfläche und im Schatten auf 109° F. stieg. Dieser Umstand scheint zu beweisen, daß die Erzählungen einiger alten Indianer nicht übertrieben sind, wenn sie versichern, daß vor vielen Jahren, nach dem ersten Ausbruch, die Ebenen von Jorullo selbst in großer Entfernung vom Schauplatze der Explosion, wegen der außerordentlichen Hitze, die in ihnen herrschte, unbewohnbar waren. Wir fanden auf dem Boden des Kraters 116, 130 und 139° F. Wir gingen über Spalten, aus welchen Schwefeldunst hervortrat und in welchen das Thermometer bis auf 185° F. stieg. Der Weg über diese Spalten und über die Schlackenhaufen, welche bedeutende Schluchten verdecken, macht das Hinabsteigen in den Krater sehr gefährlich. Dem Reisenden werden noch immer bei Cerro de Santa Ines, die Flüsse Cuitamba und San Pedro gezeigt, deren klare Gewässer sonst die Zuckerrohr-Pflanzung des Don Andre Pimentel befeuchteten. Diese Flüsse verschwanden in der Nacht des 29. Septembers 1759; aber in einer Entfernung von 2000 Meters (6561 Fuß) weiter nach Westen und in dem Striche, welcher der Schauplatz der Convulsion war, sieht man jetzt durch das thonige Gewölbe der hornitos zwei Flüsse hervorbrechen, die das Aussehen von Mineralwässern haben und in welchen das Thermometer auf 126°,8 F. stieg. Die Indianer legen ihnen noch immer die Namen San Pedro und Cuitamba bei, weil man in verschiedenen Theilen des Malpays hören kann, daß große Wassermassen in der Richtung von Osten nach Westen von den Gebirgen Santa Ines nach der Pflanzung de la Presentacion sich fortwälzen. In der Nähe dieses Wohnsitzes befindet sich ein Bach, welcher Schwefelwasserstoff ausgiebt. Er ist über 27 Fuß breit und die stärkste schwefelhaltige Quelle, welche ich jemals gesehen habe. Die Lage des neuen Vulkans Jorullo giebt zu einer sehr interessanten geologischen Bemerkung Veranlassung. In Neu-Spanien giebt es eine Parallelreihe sehr großer Höhen oder eine schmale Zone zwischen 18° 59' und 19° 12' der Breite, in welcher alle Bergspitzen von Anahuac liegen, welche über die Region des ewigen Schnee's hinausreichen. Diese Bergspitzen sind entweder Vulkane, welche noch immer brennen, oder Berge, welche wegen ihrer Gestalt, wie auch wegen ihrer geologischen Beschaffenheit aller Wahrscheinlichkeit nach sonst unterirdische Feuer enthalten haben. Wenn man von der Küste des Atlantischen Meeres landeinwärts schreitet, findet man in der Richtung von Osten nach Westen den Pik von Orizaba, die zwei Vulkane von La Puebla, den Nevada de Toluca, den Pik von Tancitaro und den Vulkan von Colima. Statt daß diese hohen Bergspizzen den Kamm der Cordilleren von Anahuac bilden und ihrer Richtung, nämlich von Südost nach Nordwest, folgen sollten, liegen sie vielmehr in einer Linie, welche senkrecht auf der Axe der großen Gebirgskette steht. Es verdient ohne Zweifel bemerkt zu werden, daß im Jahr 1759 der neue Vulkan Jorullo in die Fortsetzung derselben Linie und in die nämliche Parallelreihe mit den alten mexikanischen Vulkanen fiel. Sechs große Massen sind aus der Erde hervorgestiegen und zwar in einer Linie, welche durch die Ebene von Cerro de las Cuevas nach dem Picacho del Mortero läuft. So liegen auch die bocche nove des Vesuvs, nämlich längs der Fortsetzung der Kluft. Berechtigen uns diese Analogien nicht, anzunehmen, daß in diesem Theile von Mexiko in großer Tiefe im Innern der Erde eine Kluft existire, in der Richtung von O. nach W. und in der Länge von 137 Leguas, längs welcher das vulkanische Feuer, durch die innere Rinde der Porphyrlager durchbrechend, zu verschiedenen Epochen vom mexikanischen Meerbusen bis zum stillen Meer hin zum Vorschein gekommen ist? Erstreckt sich vielleicht diese Kluft bis zu der kleinen Inselgruppe, welche Herr Collnet den Archipel von Revillagagedo genannt hat, und um welchen herum in demselben Parallelkreis mit den mexikanischen Vulkanen schwimmender Bimstein angetroffen worden ist? Diejenigen Naturforscher, welche einen Unterschied machen zwischen den Thatsachen, welche uns von der beschreibenden Geologie geliefert werden, und zwischen den theoretischen Träumereien über den primitiven Zustand unseres Planeten, werden uns diese allgemeinen Bemerkungen über die allgemeine Fläche von Neu-Spanien verzeihen. Außerdem befinden sich vom See Cuiseo, welcher mit salzsaurem Natron gesättigt ist, und Schwefelwasserstoffgas aushaucht, bis zur Stadt Valladolid auf einer Fläche von 48 # Leguas eine große Menge heißer Quellen, welche gemeiniglich nur Salzsäure, ohne eine Spur von schwefelsauren Erden oder Metallsalzen enthalten. Dahin gehören die Mineralwässer von Chucandiro, Cuinche, San Sebastian und San Juan Tararamco.