Digitale Ausgabe

Download
TEI-XML (Ansicht)
Text (Ansicht)
Text normalisiert (Ansicht)
Ansicht
Textgröße
Originalzeilenfall ein/aus
Zeichen original/normiert
Zitierempfehlung

Alexander von Humboldt: „Beschreibung eines Ausbruches des Vulkanes Jorullo in Mexico“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1809-Description_du_volcan-12> [abgerufen am 25.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1809-Description_du_volcan-12
Die Versionsgeschichte zu diesem Text finden Sie auf github.
Titel Beschreibung eines Ausbruches des Vulkanes Jorullo in Mexico
Jahr 1826
Ort Erfurt; Weimar; Leipzig
Nachweis
in: Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde 14:21:307 (August 1826), Sp. [321]–325.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Besonderes: Quadrate.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: II.71
Dateiname: 1809-Description_du_volcan-12
Statistiken
Seitenanzahl: 3
Spaltenanzahl: 5
Zeichenanzahl: 11389

Weitere Fassungen
Description du volcan de Jorullo, tirée de l’Essai politique sur le Royaume du Mexique, formant la troisième partie des Voyages d’Alexandre de Humboldt et Aimé Bompland. Troisième livraison (Genf, 1809, Französisch)
Des eaux chargées d’acide muriatique (Paris, 1809, Französisch)
Des volcans de Jorullo (Paris, 1809, Französisch)
Sur l’Acide muriatique natif (Paris, 1809, Französisch)
Sur les Volcans de Jorullo (Paris, 1809, Französisch)
On the Volcanoes of Jorullo (London, 1810, Englisch)
On the volcanos of Jorullo (Philadelphia, Pennsylvania, 1810, Englisch)
Des eaux chargées d’acide muriatique (Paris, 1810, Französisch)
On the Volcanoes of Jorullo (London, 1811, Englisch)
[Description du volcan de Jorullo, tirée de l’Essai politique sur le Royaume du Mexique, formant la troisième partie des Voyages d’Alexandre de Humboldt et Aimé Bompland. Troisième livraison] (Frankfurt am Main, 1814, Deutsch)
Account of the Eruption of the Volcano of Jorullo in Mexico (Edinburgh; London, 1826, Englisch)
Beschreibung eines Ausbruches des Vulkanes Jorullo in Mexico (Erfurt; Weimar; Leipzig, 1826, Deutsch)
|Seitenumbruch| |321|

Beſchreibung eines Ausbruches des VulkanesJorullo in Mexico (155).Vom Baron Alexander v. Humboldt.

Oeſtlich vom Pik des Sancitaro entſtand der Vul-kan Jorullo (Xorullo oder Juruyo) in der Nacht des29. Septembers 1759. Herr Bonpland und icherreichten den Crater dieſes Vulkans am 19. Septem-ber 1803. Die große Cataſtrophe, bei welcher ſich die-ſer Berg aus der Erde erhob, und durch welche einegroße Strecke Landes ihr Ausſehn gaͤnzlich veraͤnderte,iſt vielleicht eine der außerordentlichſten phyſiſchen Re-volutionen in den Geſchichtsannalen unſeres Planeten.Die Geologie kennt kein Beiſpiel, daß aus der Mittevon 1000 kleinen brennenden Kegeln ein Berg ausSchlacken und Aſche und 517 Metres oder 1695 Fußhoch (naͤmlich mit dem Niveau der alten benachbartenEbenen verglichen) ſich erhoben habe; und dies im In-nern eines Feſtlandes, 36 Leguas entfernt von der Mee-reskuͤſte und mehr als 42 Leguas von jedem andernbrennenden Vulkan entfernt. Eine große Ebene breitet ſich von den Bergen Aguaſarco’s bis an die Doͤrfer Teipa und Petatlan aus,die beide wegen ihrer ſchoͤnen Baumwollenpflanzungengleich beruͤhmt ſind. Dieſe Ebene zwiſchen dem Pica-chos del Mortero und dem Cerros de las Cuevas y deCuiche liegt 750 bis 800 Meters oder 2460 bis 2624Fuß uͤber dem Meeresſpiegel. In der Mitte einesLandſtriches, in welchem Porphyr mit einer Baſis vonGruͤnſtein vorherrſcht, erſcheinen baſaltiſche Kegel, derenSpitzen mit immergruͤnenden Eichen, mit einer Belau-bung wie Lorbeer- und Olivenbaͤume gekroͤnt und mitkleinen Palmen, mit faͤcherfoͤrmigen Blaͤttern, untermiſchtſind. Dieſe ſchoͤne Vegetation bildet mit der unfrucht-baren Ebene, deren Vegetation durch vulkaniſches Feuerverwuͤſtet wurde, einen merkwuͤrdigen Contraſt. Bis gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts wardas Land zwiſchen den beiden Baͤchen Cuitamba und |322| San Pedro mit Zuckerrohr und Indigo bebaut. Dieurbaren Felder wurden von Baſaltgebirgen eingeſchloſſen,deren Struktur anzuzeigen ſcheint, daß dieſes ganze Landin ſehr alten Zeiten ſchon mehrmals vulkaniſche Con-vulſionen erlitten habe. Dieſe Felder waren durchKunſt bewaͤſſert und gehoͤrten zum Gebiete des SanPedro de Jorullo, eines der maͤchtigſten und reich-ſten Maͤnner des Landes. Im Monat Juni 1759wurde ein unterirdiſches Getoͤſe vernommen. Dieſerdumpfe aͤußerſt beunruhigende Donner (bramidos) warvon haͤufigem Erdbeben begleitet, welches zur groͤßtenBeſtuͤrzung der Bewohner der Pflanzung 50 bis 60Tage lang ununterbrochen fortdauerte. Mit dem An-fange des Septembers ſchien alles die voͤllige Wieder-herſtellung der Ruhe anzudeuten, als in der Nacht zwi-ſchen dem 28. und 29. das ſchreckliche unterirdiſche Ge-toͤſe wieder begann. Die erſchrocknen Indianer fluͤch-teten ſich auf die Gebirge von Aguaſarco. Ein Lan-desſtrich von 3 bis 4 □ Meilen Umfang, welcher denNamen Malpays fuͤhrte, erhob ſich in Geſtalt einerBlaſe. Die Graͤnzen dieſer Convulſion ſind noch immeran den zerbrochenen Gebirgsſchichten erkennbar. DerMalpays iſt an ſeinem Rande nur 39 Fuß hoch uͤberdas alte Niveau der Ebene, Playas de Jorullo genannt,empor gehoben worden, aber die Convexitaͤt ſeines Bo-dens nimmt gegen den Mittelpunkt hin bis zu einerHoͤhe von 524 Fuß zu. Diejenigen, welche dieſer großen Cataſtrophe vomGipfel des Aguaſarco mit zugeſehen haben, verſichern,daß, in dem Umfang von mehr als \( \frac{1}{2} \) □ Meile, Flam-men ausgebrochen, daß gluͤhende Felsſtuͤcken in er-ſtaunliche Hoͤhe empor geſchleudert worden ſeyen, unddaß man durch die dicke Aſchenwolke, welche durch dasvulkaniſche Feuer erleuchtet wurde, die erweichte Ober-flaͤche der Erde, gleich der erregten See wallen ſah.Die Fluͤßchen Cuitamba und San Pedro ergoſſen ſichin die brennenden Schluͤnde. Die Zerſetzung des Waſ-ſers trug noch zur Verſtaͤrkung der Flammen bei, welchein der Stadt Pascuaro geſehen werden konnten, obgleich |Seitenumbruch| |323| dieſe Stadt auf einer ſehr ausgebreiteten Flaͤche liegt,1400 Meters oder 4592 Fuß uͤber der Ebene von lasPlayas de Jorullo. Die Auswuͤrfe von Schlamm undbeſonders von Thon, welche Kugeln von zerſetztenBaſalten in concentriſchen Schichten einhuͤllten, ſcheinenanzuzeigen, daß unterirdiſche Gewaͤſſer keinen kleinenAntheil an der Hervorbringung dieſer außerordentlichenRevolution gehabt haben moͤgen. Tauſende kleiner Ke-gel von 2 bis 3 Meter (6,5 bis 9,8 Fuß Hoͤhe), vonden Eingebornen hornitos (Oefen) genannt, ragten aufdem Malpays hervor; wiewohl ſeit den letzten 15 Jah-ren, nach dem Zeugniß der Indianer, die Hitze dieſervulkaniſchen Oefen eine große Abnahme erfahren hatte,ſo ſah ich doch das Thermometer bis auf 202° F. ſtei-gen, wenn es in die Spalten geſenkt wurde, welche einenwaͤſſerigen Dunſt aushauchten. Jeder kleine Kegel iſteine Eſſe, aus welcher ein dicker Dampf 10 bis15 Meter hoch aufſteigt. In vielen derſelben hoͤrt manein unterirdiſches Getoͤſe, welches die Naͤhe einer kochen-den Fluͤſſigkeit verkuͤndigt. Mitten unter dieſen Oefen erheben ſich aus einemSchlunde, deſſen Richtung von N. N. O. nach S. S. W.geht, 6 große Maſſen, jede 4 bis 500 Meters hochuͤber das alte Niveau der Ebenen. Dies iſt eine Er-ſcheinung des Montenovo zu Neapel, nur mehrmalswiederholt in einer Reihe von vulkaniſchen Bergen.Die hoͤchſte dieſer ungeheuren Maſſen, welche einigeAehnlichkeit mit dem Pays de l’Auvergne hat, iſtder große Vulkan Jorullo. Er brennt beſtaͤndig undhat an der Nordſeite eine unermeßliche Quantitaͤt ver-ſchlackter und baſaltiſcher Laven, welche Bruchſtuͤcke vonUrgebirgsarten enthalten, ausgeworfen. Dieſe großenAusbruͤche des mittlern Vulkans dauerten bis zum Jahr1760. In den folgenden Jahren wurden ſie allmaͤhlichweniger haͤufig. Die Indianer fuͤrchteten ſich vor demſchrecklichen Getoͤſe des neuen Vulkans und verließenanfangs alle Doͤrfer im Umfang und bis auf eine Ent-fernung von 7 bis 8 Leguas von den Playas de Jorullo.Sie wurden indeſſen mit dieſem ſchrecklichen Schauſpielallmaͤhlich durch die Gewohnheit vertraut, und nachdemſie in ihre Huͤtten zuruͤckgekehrt waren, begaben ſie ſichauf die Berge Aguaſarco und Santa Ines, um die Feuer-ſtroͤme zu bewundern, welche aus einer unendlichenMenge großer und kleiner vulkaniſcher Oeffnungen aus-geworfen wurden. Die Daͤcher der Haͤuſer von Quere-taro wurden in einer geraden Entfernung von mehr als48 Leguas vom Schauplatze der Exploſion mit Aſche be-deckt. Obgleich jetzt das unterirdiſche Feuer nicht mehrheftig zu ſeyn ſcheint *), und ſowohl der Malpays, alsder große Vulkan ſich mit Pflanzen zu bedecken anfan-gen, fanden wir doch die umgebende Luft durch dieſe |324| kleinen Oefen (hornitos) ſo ſehr erhitzt, daß das Ther-mometer in großem Abſtande von der Oberflaͤche undim Schatten auf 109° F. ſtieg. Dieſer Umſtand ſcheintzu beweiſen, daß die Erzaͤhlungen einiger alten India-ner nicht uͤbertrieben ſind, wenn ſie verſichern, daß vorvielen Jahren, nach dem erſten Ausbruch, die Ebenenvon Jorullo ſelbſt in großer Entfernung vom Schau-platze der Exploſion, wegen der außerordentlichen Hitze,die in ihnen herrſchte, unbewohnbar waren. Dem Reiſenden werden noch immer bei Cerro deSanta Ines, die Fluͤſſe Cuitamba und San Pedro ge-zeigt, deren klare Gewaͤſſer ſonſt die Zuckerrohr-Pflan-zung des Don André Pimentel befeuchteten. DieſeFluͤſſe verſchwanden in der Nacht des 29. Septembers1759; aber in einer Entfernung von 2000 Meters(6561 Fuß) weiter nach Weſten und in dem Striche,welcher der Schauplatz der Convulſion war, ſieht manjetzt durch das thonige Gewoͤlbe der hornitos zweiFluͤſſe hervorbrechen, die das Ausſehen von Mineral-waͤſſern haben und in welchen das Thermometer auf126°,8 F. ſtieg. Die Indianer legen ihnen noch immerdie Namen San Pedro und Cuitamba bei, weil manin verſchiedenen Theilen des Malpays hoͤren kann, daßgroße Waſſermaſſen in der Richtung von Oſten nachWeſten von den Gebirgen Santa Ines nach der Pflan-zung de la Preſentacion ſich fortwaͤlzen. In der Naͤhedieſes Wohnſitzes befindet ſich ein Bach, welcher Schwe-felwaſſerſtoff ausgiebt. Er iſt uͤber 27 Fuß breit unddie ſtaͤrkſte ſchwefelhaltige Quelle, welche ich jemals ge-ſehen habe. Die Lage des neuen Vulkans Jorullo giebt zueiner ſehr intereſſanten geologiſchen Bemerkung Veran-laſſung. In Neu-Spanien giebt es eine Parallelreiheſehr großer Hoͤhen oder eine ſchmale Zone zwiſchen 18°59′ und 19° 12′ der Breite, in welcher alle Berg-ſpitzen von Anahuac liegen, welche uͤber die Region desewigen Schnee’s hinausreichen. Dieſe Bergſpitzen ſindentweder Vulkane, welche noch immer brennen, oderBerge, welche wegen ihrer Geſtalt, wie auch wegen ihrergeologiſchen Beſchaffenheit aller Wahrſcheinlichkeit nach ſonſtunterirdiſche Feuer enthalten haben. Wenn man von derKuͤſte des Atlantiſchen Meeres landeinwaͤrts ſchreitet, fin-det man in der Richtung von Oſten nach Weſten denPik von Orizaba, die zwei Vulkane von La Puebla, denNevada de Toluca, den Pik von Tancitaro und denVulkan von Colima. Statt daß dieſe hohen Bergſpiz-zen den Kamm der Cordilleren von Anahuac bilden undihrer Richtung, naͤmlich von Suͤdoſt nach Nordweſt,folgen ſollten, liegen ſie vielmehr in einer Linie, welcheſenkrecht auf der Axe der großen Gebirgskette ſteht.Es verdient ohne Zweifel bemerkt zu werden, daß imJahr 1759 der neue Vulkan Jorullo in die Fort-ſetzung derſelben Linie und in die naͤmliche Parallelreihemit den alten mexikaniſchen Vulkanen fiel. Sechs großeMaſſen ſind aus der Erde hervorgeſtiegen und zwar in einerLinie, welche durch die Ebene von Cerro de las Cuevas nach
*) Wir fanden auf dem Boden des Kraters 116, 130 und139° F. Wir gingen uͤber Spalten, aus welchen Schwefel-dunſt hervortrat und in welchen das Thermometer bis auf185° F. ſtieg. Der Weg uͤber dieſe Spalten und uͤber dieSchlackenhaufen, welche bedeutende Schluchten verdecken, machtdas Hinabſteigen in den Krater ſehr gefaͤhrlich.
|Seitenumbruch| |325| dem Picacho del Mortero laͤuft. So liegen auch die bocche nove des Veſuvs, naͤmlich laͤngs der Fortſetzungder Kluft. Berechtigen uns dieſe Analogien nicht, anzu-nehmen, daß in dieſem Theile von Mexiko in großerTiefe im Innern der Erde eine Kluft exiſtire, in derRichtung von O. nach W. und in der Laͤnge von 137Leguas, laͤngs welcher das vulkaniſche Feuer, durch dieinnere Rinde der Porphyrlager durchbrechend, zu ver-ſchiedenen Epochen vom mexikaniſchen Meerbuſen biszum ſtillen Meer hin zum Vorſchein gekommen iſt?Erſtreckt ſich vielleicht dieſe Kluft bis zu der kleinen In-ſelgruppe, welche Herr Collnet den Archipel von Re-villagagedo genannt hat, und um welchen herum indemſelben Parallelkreis mit den mexikaniſchen Vulkanenſchwimmender Bimſtein angetroffen worden iſt? Die-jenigen Naturforſcher, welche einen Unterſchied machenzwiſchen den Thatſachen, welche uns von der beſchreiben-den Geologie geliefert werden, und zwiſchen den theore-tiſchen Traͤumereien uͤber den primitiven Zuſtand unſeresPlaneten, werden uns dieſe allgemeinen Bemerkungenuͤber die allgemeine Flaͤche von Neu-Spanien ver-zeihen. Außerdem befinden ſich vom See Cuiſeo, welchermit ſalzſaurem Natron geſaͤttigt iſt, und Schwefelwaſſer-ſtoffgas aushaucht, bis zur Stadt Valladolid auf einerFlaͤche von 48 □ Leguas eine große Menge heißer Quel-len, welche gemeiniglich nur Salzſaͤure, ohne eine Spurvon ſchwefelſauren Erden oder Metallſalzen enthalten.Dahin gehoͤren die Mineralwaͤſſer von Chucandiro,Cuinche, San Sebaſtian und San Juan Tararamco.