Die vollständigste aller bisherigen Beobachtungen über den Einfluß des Nordlichts auf die Magnetnadel; angestellt von Herrn Alexander von Humboldt zu Berlin am 20sten Dec. 1806. Der Leser dieser Annalen kennt aus Band XXVI, S. 275, (1807, St. 7,) das Instrument, welches Herr Prony in Paris angegeben hat, um damit die täglichen Veränderungen in der Abweichung der Magnetnadel mit Bequemlichkeit und großer Genauigkeit zu messen. Statt daß Wilke, Coulomb, Cassini, Hällström und Gilpin sich eines Mikroskops bedienten, unter welchem die Spitze der Magnetnadel hin und her spielte, vereinte Herr Prony einen parallelepipedarischen Magnetstab mit einem Fernrohre von 20 Zoll Brennweite, so, daß beide horizontal, in paralleler Lage, in einem doppelten Gehäuse mit Glasfenstern, an einem langen Faden schwebten, der aus mehrern einfachen Seidenfäden bestand; das Fernrohr ließe sich über und unter den Magnetstab drehen, und an einer 200 Toisen entfernten Mauer war eine Eintheilung aufgetragen, an welcher durch die Fäden des Fernrohrs die Lage des Magnetstabes bestimmt wurde. Siehe Annalen, XIX, 282. Als ich das Vergnügen hatte, Ostern 1806 zu Berlin die persönliche Bekanntschaft des Herrn Freiherrn von Humboldt zu machen, fand ich diesen unermüdlichen Beobachter eben damit beschäftigt, ein Instrument dieser Art auf einem soliden Postamente von Mauerwerk in einem Gartensaale des Hauses aufzurichten, welches er bewohnte, und das für diese Gattung von Beobachtungen eine ausgesuchte Lage hat. Die Resultate der fortlaufenden Beobachtungen, die hier von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Oltmanns angestellt find, machen einen Theil der noch unbenutzten Schätze aus, welche die Papiere des Herrn von Humboldt in so großer Menge in sich schließen. Auch während seiner Reise hatte er an mehrern Orten Beobachtungen über die stündliche Abweichung der Magnetnadel angestellt, zum Beispiel unweit Lima, (Annalen, XVI, 475,) und zu Rom; was von den letztern durch Herrn Oberbergrath Karsten in Berlin in das Publicum gekommen ist, hat die Erwartung der Naturforscher auf sie auf das höchste gespannt. "Ich bin hier mit neuen Versuchen über die stündliche Variation vermittelst einer Lunette aimentee, die an einem Faden hängt, beschäftigt," (schrieb Herr von Humboldt am 22sten Junius 1805 zu Rom.) "Dieses Prony'- sche Instrument giebt eine Genauigkeit von 20 Secunden, und ich habe damit statt der v. Cassini beobachteten beiden täglichen Bewegungen, vier regelmäßige magnetische Ebben und Fluthen entdeckt, fast wie die stündlichen Oscillationen des Barometers, über welche Sie in meinem Naturgemählde der Tropen viel lesen werden." Ein Brief, den Herr Freiherr von Humboldt, unmittelbar nach der Beobachtung, von der darin die Rede ist, an Herrn Prof. Erman in Berlin schrieb, paßt durch seinen Inhalt so ganz an diese Stelle, daß ich nicht Gefahr zu laufen glaube, mich der Mißbilligung dieser eifrigen Naturforscher auszusetzen, wenn ich eine Uebersetzung desselben hier einschalte. Herr von Humboldt bestimmte ihn nicht für eine öffentliche Bekanntmachung; wer indeß stets so mittheilend mit den Früchten seiner Anstrengung und seines genialischen Blicks gewesen ist, als er, würde schwerlich dem, der Belehrung über diese dunkeln Gegenstände suchte, eine so seltene und doch so wichtige Beobachtung vorenthalten, die von ihm mit so großer Vollständigkeit und Schärfe gemacht ist. Berlin den 21sten Dec. 1806 9 Uhr Morg. "Ich weiß nicht, ob Sie das seltene Phänomen beobachtet haben, das sich in der vergangenen Nacht gezeigt hat. Ich muß es Ihnen beschreiben, ehe ich mich niederlege; denn für diese Nacht war die magnetische Wache an mir. Gegen 10 Uhr bemerkten wir, (Herr Oltmanns und ich,) in NNO einen Lichtbogen, der 2° 38' Breite, und eine gelblich-rothe Farbe hatte. Der ganze Himmel war wolkenlos und azurblau. Der Stand des Mondes hatte keinen Einfluß auf das Phänomen; es war weder ein Hof noch ein Regenbogen. Man erkannte durch das gelbe Licht des Bogens hindurch Sterne 6ter Größe. Das Maximum der Convexität c, (Taf. IV, Fig. 1,) war etwas westlicher als die Verticalebene durch die magnetische Abweichung. Wir haben Beobachtungen angestellt, um aus ihnen das Azimuth und die Höhe dieses Punktes zu berechnen, welche 9° seyn wird. Die Oeffnung des Bogens, ab, war 74° 40'. Dieses seltene Nordlicht dauerte bis 14 Uhr, und veränderte während dieser Zeit ein wenig seine Stelle. Es wurde als solches von mehrern Personen auf der Straße erkannt, auch von dem Herzoge von Weimar, der einen Theil der Nacht in meinem Garten zubrachte. Das Thermometer stand auf 3° R., das Barometer auf 27" 8''',2, ohne sich zu verändern; erst um 15 Uhr fing es an zu fallen." "Höchst merkwürdig war der Einfluß dieses Lichtmeteors auf die Magnetnadel. Die Veränderungen in der Abweichung, welche Nachts gewöhnlich nur 2' 27" bis 3' 0" betragen, stiegen während des Nordlichts auf 26' 29"; dieses ist in unsern Beobachtungen ohne Beispiel. Dabei fand kein magnetisches Ungewitter Statt; die Schwankungen waren nicht besonders stark; und, was sehr auffallend ist, das Nordlicht, welches in NNW stand, stieß den Nordpol der Nadel ab; denn statt nach Westen fortzuschreiten, ging die Nadel vielmehr nach Ost zurück. Die Abweichung war am kleinsten um 9u 12', ungefähr um die Zeit, als der Bogen am hellesten war; die Unregelmäßigkeiten in ihr fingen aber schon um 6u an, und hörten auf um 12u. Die übrigen 8 Stunden der Nacht hindurch verhielt sich die Abweichung wie gewöhnlich, das heißt, sie hatte die verlornen 26' 29" wieder gewonnen." "Die Intensität der magnetischen Kraft war während des Nordlichts kleiner als nachher. Es wurden 21 Schwingungen vollendet: während des Nordlichts in 1' 38",0 1 37,5 1 37,7 1' 37",73 diesen Morgen unter gleichen Umständen 1' 37",3 1 37,0 1 37,2 1' 37",17 Ich bin zu müde, um Herrn Tralles zu schreiben. Haben Sie die Güte, ihm diese Zeilen mitzutheilen." Abbildungen