BEOBACHTUNGEN über die Stärke und über die Neigung der magnetischen Kräfte, angestellt in Frankreich, der Schweiz, Italien und Deutschland, von Alex. von Humboldt und Gay-Lussac. Vorgelesen von letzterem im Nat.-Inst. am 8ten Sept. 1806. (Memoires de la Soc. d'Arcueil, T. I, p. 1 f.) Die Ursachen und die Gesetze des Erd-Magnetismus sind noch immer in Dunkel gehüllt, ungeachtet der Fortschritte, welche die Physik in andern Theilen gemacht hat. Die täglichen, so wie die secularen Variationen der Magnetnadel, ihre Neigung und Abweichung an den vornehmsten Punkten der Erde, die Stärke der magnetischen Kräfte, die Zahl und die Gestalt der Banden ohne Abweichung; alles das ist bis jetzt nur wenig bekannt. Die Beobachtungen von Reisenden und Physikern haben bisher fast allein die Abweichung betroffen, und sie liegen zu weit aus einander, und sind mit Instrumenten und nach Methoden angestellt, welche zu wenig genau waren, als daß es möglich wäre, auf sie die Grundpfeiler einer Theorie zu gründen, welche alle Erscheinungen des Erdmagnetismus umfaßte. Der Wunsch, dazu beizutragen, die nöthigen Materialien herbei zu schaffen, von denen das Fortschreiten unserer Kenntnisse in diesem Theile der Physik abhängt, hat uns, Hrn. von Humboldt und mich, bewogen, eine Reihe von Versuchen über die Stärke und die Neigung der magnetischen Kräfte zu unternehmen. Wir haben uns damit auf einer Reise durch Frankreich, durch die Schweiz, durch Italien und durch Deutschland beschäftigt; diese Reise dauerte ein Jahr, und ich habe auf ihr die viel umfassenden Kenntnisse meines Freundes benutzt. Die Beobachtungen, welche wir auf dieser Reise gemacht haben, lege ich heute dem National- Institute vor. Der kurze Zeitraum, innerhalb dessen sie gemacht sind, (sie fallen alle zwischen den 15ten März 1805 und den 1sten Mai 1806, und es ist daher so gut, als wären sie alle gleichzeitig,) der große Raum, den sie umfassen, und wir dürfen hinzu fügen, ihre Genauigkeit, lassen uns hoffen, daß sie für das National-Institut einiges Interesse haben werden. Art, zu beobachten und die Beobachtungen zu berechnen. Zur Bestimmung der Neigung der magnetischen Kräfte haben wir uns einer Bordaischen Inclinations-Boussole bedient; sie war von Lenoir für die Expedition von d'Entrecasteaux gemacht und uns von dem Minister der Marine anvertraut worden. Die horizontalen Schwingungen beobachteten wir vermittelst eines rechtwinkligen Magnetstabes, der an einem Faden roher Seide in einem Kasten hing, welcher an zwei gegen über stehenden Seitenflächen Glasscheiben hatte und die Bewegungen der Luft abhielt. Die Einfachheit dieses Instruments, die große Genauigkeit, welche sich damit erreichen läßt, und Borda's Methode, aus den Schwingungen der Nadeln auf die Kraft zu schließen, welche diese bewirkt; das alles ist jetzt allgemein bekannt. Nicht so ist es vielleicht die beste Methode, wie man die Neigung und die Stärke der magnetischen Kräfte an einem gegebenen Orte beobachtet. Man scheint darüber noch verschiedener Meinung zu seyn, und dieses bestimmt uns, hier bei in einiges Detail einzugehen. Befindet sich die Inclinations-Nadel genau in der magnetischen Mittagsebene, und wird dann die Ebene der Nadel ein wenig zur Rechten oder zur Linken gedreht, so nimmt jedes Mahl ihre Neigung zu. Ein Mittel, sie genau in den magnetischen Meridian zu stellen, würde also seyn, die Ebene zu suchen, in welcher ihre Neigung am kleinsten ist. Dieses Verfahren ist indeß so einfach und leicht nicht, als es auf den ersten Anblick scheint, und wir werden sogleich sehen, daß es ein genaueres und schnelleres Mittel giebt. Steht die Ebene der Inclinations-Nadel senkrecht auf der magnetischen Mittagsebene, so muß die Nadel eine völlig senkrechte Lage annehmen, weil in diesem Falle der Theil der magnetischen Kraft, welcher horizontal wirkt, auf die Lage der Nadel keinen Einfluß hat. Hierdurch wird es ausnehmend leicht, jene Ebene zu finden; besonders da man nicht abzuwarten braucht, bis die Nadel in Ruhe gekommen ist, um über ihre Lage zu urtheilen, sondern zu dem Ende nur die Gränzen ihrer Schwingungsbogen zu beobachten nöthig hat. Sind beide nicht gleich entfernt von der senkrechten Linie durch die Drehungsachse der Nadel, so dreht man die Ebene; und zwar hat eine sehr kleine Drehung schon einen bedeutenden Einfluß auf die Lage der Nadel, da die horizontale Kraft mit dem Sinus des Winkels wächst, den die Ebene der Nadel mit der Ebene macht, die senkrecht auf dem magnetischen Meridiane steht. Hat man auf diese Art die letztere Ebene gefunden, so ist auch die magnetische Mittagsebene bekannt. Man dreht nämlich die Ebene der Nadel um 90° weiter, und bestimmt dann die Neigung. Da aber die Reibung an den Achsen machen kann, daß die Nadel etwas höher oder tiefer stehen bleibt, als sie sollte, so muß man nothwendig mehrere Beobachtungen machen, und aus ihnen das Mittel nehmen. Wären alle Inclinations-Nadeln fehlerlos, so hätte man nun die wahre Neigung. Das sind sie aber höchst selten, und deßhalb bedarf es noch einiger Correctionen, die man folgender Maßen findet. Der Schwerpunkt der Nadel kann außerhalb der Aufhängungsachse und außerhalb einer geraden Linie, welche mitten durch die Nadel geht, liegen; und dann ist die magnetische Mittagsebene nicht mehr senkrecht auf der Ebene, in welcher die Nadel vertikal steht. Man findet die wahre magnetische Mittagsebene, wenn man die Ebene der Nadel so weit dreht, bis die Nadel wiederum senkrecht steht, und den Bogen zwischen beiden Lagen halbirt. Auch die beobachtete Neigung bedarf einer Correction, da sie zu klein oder zu groß ist, je nachdem der Schwerpunkt der Nadel höher hinauf oder tiefer hinab als die Aufhängungsachse liegt. Verkehrt man die Pole der Nadel, so fällt der Schwerpunkt auf die entgegen gesetzte Seite der Achse, wie zuvor, und das Mittel aus den Beobachtungen giebt die wahre Neigung. Es ist jedoch nicht nöthig, daß man die Pole der Nadel jedes Mahl umkehre, wenn man die Neigung bestimmen will. Ist die Correction an einem Orte gefunden, so läßt sie sich ohne merkbaren Fehler für Orte, die nicht zu weit von einander entfernt sind, als beständig annehmen, voraus gesetzt, daß die Nadel selbst keine Veränderung erleide. Herr Laplace hat noch eine andere eben so einfache Methode vorgeschlagen, um die Neigung der Magnetnadel zu bestimmen. Wenn M und P die Zahlen der Schwingungen bedeuten, welche die Inclinations-Nadel in gleichen Zeiten, das eine Mahl in der magnetischen Mittagsebene, das zweite Mahl in der auf ihr senkrechten Ebene, macht, so wird die Inclination der Nadel I durch folgende Formel gegeben: [Formel] Da die Zeit der Schwingungen sich mit Schärfe messen läßt, so sind wir überzeugt, daß diese Methode zu einer sehr großen Genauigkeit führen kann; wir müssen indeß bedauern, daß unsre Nadel, die nicht sehr groß und nicht im höchsten Grade beweglich war, uns nicht erlaubte, eine hinlänglich große Zahl von Schwingungen zu zählen, um diese Methode mit Erfolg anzuwenden. Vergl. die Abhandlung der Herren von Humboldt und Biot in den Annalen, XX, 262, Anm., (Jahrg. 1805, St. 7.) Gilb. Die Stärke der magnetischen Kräfte findet sich, wenn man die Inclinations-Nadel in ihrer Mittagsebene schwingen läßt und die Zahl von Schwingungen in derselben Zeit vergleicht: sie ist proportional dem Quadrate dieser Zahl. Es ist indeß möglich, daß die Nadel in der Zwischenzeit der Beobachtungen eine Veränderung erleidet, und in diesem Falle würde in allen Beobachtungen ein Fehler mit eingehen, der bedeutend seyn könnte. Man kann zwar die Pole der Nadel verkehren und sie bis zur Sättigung magnetisiren, allein die Verschiedenheiten, welche sich in den Schwingungen zeigen, wenn man die Nadel zwei Mahl nach entgegen gesetzter Richtung magnetisirt, sind häufig so groß, daß man es sich bei Beobachtungen, welche Genauigkeit erfordern, nicht erlauben darf, diese Veränderungen zu machen. Die Methode, deren wir uns bedient haben, scheint keinem dieser Bedenken ausgesetzt zu seyn. Sie besteht darin, daß man die Schwingungen einer horizontal schwebenden Magnetnadel, welche an einem Faden aufgehängt ist, mißt, und aus ihnen und der bekannten Neigung an dem Orte auf die Zahl von Schwingungen schließt, welche sie in ihrer wahren Lage gemacht haben würde. Es sey F die ganze magnetische Kraft an einem bestimmten Orte, I die Neigung, und N die Zahl von Schwingungen, welche in der horizontalen Ebene während der Zeit T an jenem Orte geschehen, so ist die Anzahl von Schwingungen, welche die Nadel in ihrer wahren Lage während der Zeiteinheit gemacht haben würde, [Formel] . Und will man die Intensität der magnetischen Kräfte an diesem Orte sogleich mit denen F' an einem andern Orte vergleichen, so hat man [Formel] Dieses sind die Mittel, die wir angewendet haben, um die Neigung und die Stärke der magnetischen Kräfte an verschiedenen Orten zu bestimmen, welche wir auf unsrer Reise berührt haben. Wir haben die Resultate aller unsrer Beobachtungen in eine Tabelle zusammen gestellt, (die man am Ende dieses Aufsaztes findet). Sie enthält den Namen unserer Beobachtungsorte; deren Breite und Länge; eine Reduction derselben auf den magnetischen Aequator, wie ihn nach den Beobachtungen der Herren Lamanon und von Humboldt in Amerika, Herr Biot bestimmt hat, damit man unsre Beobachtungen mit den Biot'schen Formeln vergleichen könne; ferner die Neigung, ein Mahl, wie wir sie an jedem Orte beobachtet haben, zweitens, wie sie aus den Biot'schen Formeln folgt, und die Unterschiede beider; endlich die Zahl von Secunden, welche an jedem Orte auf 60 Schwingungen unsrer horizontalen Magnetnadel hingingen, und die diesen Beobachtungen entsprechende Stärke der ganzen magnetischen Kraft. Und zwar haben wir, um unsre Resultate auf eine schickliche Art mit einander zu vergleichen, zur Einheit der Vergleichung die Stärke der magnetischen Kräfte unter dem magnetischen Aequator genommen, wie sie aus den Beobachtungen folgt, welche einer von uns angestellt hat, und sie gleich 10000 gesetzt. Diese frühern Beobachtungen lehrten, daß eine Inclinations-Nadel, welche in Paris in einer bestimmten Zeit 245 Schwingungen macht, unter dem magnetischen Aequator in derselben Zeit nur 211 Schwingungen vollendet. Da wir nun die Neigung und die Zahl horizontaler Schwingungen unsrer Nadel in Paris kannten, so ließ sich daraus die Zahl der Schwingungen berechnen, welche sie in Paris, und dann auch die, welche sie unter dem magnetischen Aequator gemacht haben würde, hätte sie sich an beiden Orten in der wahren Richtung der magnetischen Kräfte befunden. Denn, voraus gesetzt, die Intensitäten, welche an verschiedenen Orten durch zwei Nadeln gegeben werden, sind einander proportional, so müssen dieses auch die Zahlen ihrer Schwingungen an jenen Orten während derselben Zeit seyn. Ueber die Variationen des Erdmagnetismus in verschiedenen Breiten, von den Herren von Humboldt und Biot, Annalen, XX, 272 und 282. Gilbert. Wir haben bei unsern Beobachtungen jedes Mahl Sorge getragen, die Natur des Bodens und die Höhe des Orts über der Meeresfläche zu bestimmen, und beide nehmen eigne Spalten in unsrer Tabelle ein. Einige Gebirgsarten können ihrer Natur nach gar keinen Einfluß auf die Magnetnadel haben; andere dagegen wirken manchmahl auf sie sehr stark, wie z. B. die Basalte und die Serpentine, die nicht selten viel Eisen enthalten. Die Beobachtungen haben gelehrt, daß in weit größern Höhen, als bis zu welchen man sich auf Bergen erheben kann, die magnetische Kraft nicht bemerkbar schwächer als an der Oberfläche der Erde ist; und hiernach scheint es unnöthig zu seyn, auf die Höhe der Beobachtungsorte über dem Meere zu sehen. Sie dient wenigstens, eine Idee von dem Einflusse zu geben, den die Erhöhungen auf die Nadel haben würden, wenn sie Eisen enthielten. Ueber dies hängt die physikalische Beschaffenheit eines Landstrichs eben so sehr von der Erhöhung über der Meeresfläche, als von der geographischen Lage ab, und es hat uns interessant geschienen, alles anzugeben, was dazu dienen kann, sie kennen zu lernen, da man bis jetzt diesen Gegenstand allzu sehr vernachlässigt hat. Vergl. Bericht Gay-Lussac's von seiner aerostatischen Reise am 16ten Sept. 1804. Annalen, XX, 19 f. Gilb. Wir erhielten in Paris erst am Tage vor unserer Abreise die Instrumente zu unsrer Disposition. Es war uns daher nicht möglich, dort die Neigung und die Stärke der magnetischen Kräfte zu bestimmen. Unsre Beobachtungen fingen sich an zu Villeneuve an der Yonne, und von da an haben wir sie auf unsrer ganzen Reise an allen Orten angestellt, die einige Aufmerksamkeit verdienten. Ich muß jedoch bemerken, daß die Stärke der magnetischen Kräfte, wie ich sie ein Jahr später nach meiner Rückkehr zu Paris gefunden habe, mit den übrigen Beobachtungen, was die Schwingungsnadel betrifft, vollkommen harmoniren muß. Denn wir sind zwei Mahl in Mailand gewesen, das zweite Mahl 6 Monat später als das erste Mahl, und wir fanden, daß unsre Nadel beide Mahl genau dieselbe Zahl von Schwingungen in einer Secunde machte, so wohl innerhalb als außerhalb der Stadt. Da die Beobachtungen, welche wir zu Turin über die Stärke der magnetischen Kräfte gemacht hatten, durch den Einfluß einer ganz besondern Ursache gar sehr von dem Gesetze abzuweichen schien, welche unsre übrigen Beobachtungen befolgten, und das auf eine entgegen gesetzte Art; so verglichen wir zu Mailand die Schwingungen einer neuen Nadel mit denen unsrer Nadel, und überschickten dann jene Herrn Vassalli, der die Güte gehabt hat, ihre Schwingungen an verschiedenen Orten innerhalb und außerhalb Turins zu zählen. Nach diesen Resultaten haben wir die Zahl von Schwingungen berechnet, welche unsre Nadel in Turin gemacht haben würde. Noch müssen wir, bevor wir weiter gehn, ein Wort über den Grad der Genauigkeit sagen, der sich bei dieser Art von Versuchen erlangen läßt, damit man durch kleine Anomalieen, welche sich in unsern Resultaten finden können, nicht irre werde. Was zuerst die Inclinationen betrifft, so würde es selbst bei vollkommener Windstille schwer seyn, mit einem Instrumente von 0m,07 (2 [Formel] Zoll) Halbmesser, sie mit einer Genauigkeit von mehr als etwa 6 Minuten zu bestimmen. Auf einer Reise, wo es häufig an Zeit und an Bequemlichkeit fehlt, müssen die Gränzen der möglichen Fehler noch etwas weiter aus einander liegen; doch glauben wir, daß die größten Fehler unsrer Versuche, besonders derer, die wir auf der Reise von Rom nach Berlin angestellt haben, nicht über 10 Minuten betragen. Wie weit der Einfluß örtlicher Besonderheiten gehen kann, darüber läßt sich nichts bestimmen, obschon er im Ganzen ziemlich klein seyn muß. Nicht immer haben wir unter freiem Himmel beobachten können; doch haben wir in diesem Falle stets die größten Zimmer ausgewählt, und alle die vermieden, wo wir irgend eine bedeutende Eisenmasse wahrnahmen. Bei den horizontalen Schwingungen können wir für ihre vollkommene Genauigkeit einstehen. Die Zeit nahmen wir jedes Mahl nach einem Chronometer von Berthoud, und die weitere Beobachtung ist ohne die geringste Schwierigkeit. An demselben Orte geben sie stets die größte Uebereinstimmung. Scheint es, bei Vergleichung der horizontalen Schwingungen an verschiedenen Orten, als beobachteten sie kein vollkommen regelmäßiges Gesetz, so muß man die Ursache davon in Oertlichkeiten suchen. Dieses betraf die Art, wie wir unsre Beobachtungen angestellt, reducirt und mit einander verglichen haben. Jetzt wenden wir uns zu den Resultaten derselben. Es war einer der Hauptzwecke unsrer Reise, uns zu vergewissern, ob die hohe Kette der Alpen einen Einfluß auf die Stärke und auf die Neigung der magnetischen Kräfte habe. Wir haben sie zwei Mahl, und das an zwei verschiedenen Orten, überstiegen; das erste Mahl den Mont Cenis auf dem Wege von Lyon nach Turin, und das zweite Mahl den St. Gotthard auf dem Wege von Como nach Altorf. Man sieht in der Tafel unsrer Beobachtungen, daß die Neigung betrug: zu Lyon 66° 14'; zu Chambery, St. Michel und Modane, welche mit Lyon fast in einerlei Breite und in der Kette selbst liegen, 66° 12', 66° 12', 66° 6'; zu Lanslebourg am Fuße des Mont Cenis 66° 9'; auf dem Mont Cenis selbst, im Hospitium, in einer Höhe von 2120 Metres, 66° 22'; endlich zu Turin an der andern Seite der Alpenkette 66° 3'. Turin liegt ein wenig südlicher als Lyon, daher darf es uns nicht überraschen, wenn dort die Abweichung 11' kleiner ist. Ist auf dem Mont Cenis die Neigung stärker, als sie es im Vergleiche mit den Beobachtungen an der in der Nähe, in der Kette der Alpen liegenden Orte Chambery, St. Michel, Mondane und Lanslebourg seyn müßte; so scheint sie doch ungefähr so zu seyn, wie sie seyn sollte, wenn man auf die geographische Lage allein sieht. Aus dieser geringen Vermehrung der Neigung an einem einzigen Beobachtungsorte läßt sich folglich nichts schließen, und das um so weniger, da wir auf dem St. Gotthard in einer gleichen Höhe, im Gegentheile eine etwas geringere Neigung als zu Airolo am südlichen und zu Ursern am nördlichen Abhange des Gotthards gefunden haben. Auch den Einfluß der Alpen auf die Stärke der magnetischen Kräfte finden wir im Allgemeinen sehr geringe, ist anders überhaupt ein solcher Einfluß vorhanden. Zu Lyon ist die Stärke fast dieselbe als zu Turin; auf dem Mont Cenis ist sie ein wenig größer, zu Lanslebourg dagegen ein wenig kleiner als in jenen beiden Städten. Im Hospiz auf dem St. Gotthard fanden wir sie ungefähr um 0,005 größer als zu Airolo und zu Ursern, und 0,01 kleiner als zu Altorf. Auch muß man etwas auf die Fehler der Beobachtung rechnen; denn ein Fehler von einigen Minuten in der Neigung hat einen Irrthum von einigen Tausendteln in der Stärke der magnetischen Kräfte zur Folge. Es läßt sich ferner glauben, bevor nicht das Gegentheil bewiesen seyn wird, daß in der Neigung ähnliche Variationen als in der Abweichung zu verschiedenen Stunden des Tages und der Nacht Statt finden. Aber selbst, wenn wir zugeben wollen, daß eine Verschiedenheit Statt findet, welche von den Alpen herrührt, so geht sie doch nur auf ein Hunderttel, wenn man einige Orte, die mitten in der Kette liegen, mit andern weit davon entfernten vergleicht, und für andere ist sie noch kleiner. Wir glauben folglich zu dem Schlusse berechtigt zu seyn, daß die Kette der Alpen, wenigstens an den Orten, wo wir über sie gekommen sind, einen nur wenig merkbaren Einfluß auf die Neigung und auf die Stärke der magnetischen Kräfte hat. Während unsers Aufenthalts auf dem Mont Cenis, wo wir uns mit andern Versuchen beschäftigten, wollten wir uns überzeugen, ob nicht die Stärke der magnetischen Kräfte auf eine merkbare Art variirt, während der verschiedenen Stunden des Tages und der Nacht. Wir ließen zu dem Ende zu verschiedenen Zeiten unsre Nadel 250 Schwingungen machen; nie fand sich indeß in der Zeit von 1234", welche sie dazu brauchte, ein größerer Unterschied, als von einer einzigen Secunde mehr oder weniger. Wir haben noch ein Mahl zu Rom eine große Anzahl von Versuchen derselben Art angestellt, und erhielten ein ähnliches Resultat. Es scheint uns hiernach evident zu seyn, daß die magnetische Kraft an Stärke nicht merkbar während des Tages oder der Nacht variirt. Wir bemerken für die, welche sich mit diesem Gegenstande beschäftigen wollen, daß man des langweiligen Zählens aller Schwingungen bei jeder Beobachtung überhoben seyn kann, wenn man eine sehr träge Nadel nimmt, die zu jeder Schwingung mehr Zeit bedarf, als die Variation nach aller Vermuthung beträgt; man kann sich nämlich dann des Mittels der Astronomen bei Beobachtungen des Umlaufs der Sonnenflecke bedienen. Unter der Voraussetzung, daß alle magnetische Erscheinungen gegenseitig von einander abhängen, ließe sich hieraus schließen, daß die Neigung gleichfalls keinen wahrzunehmenden Variationen unterworfen sey, da schon die der Abweichung sehr geringe sind. G.-L. Während unsers kurzen Aufenthalts in Neapel waren wir Zeuge des heftigen Erdbebens am 26sten Julius, und des Ausbruchs des Vesuvs am 12ten Aug. 1805. Wir versäumten diese Gelegenheit nicht, nachzuforschen, welchen Einfluß dieser Vulkan auf die Stärke und auf die Neigung der magnetischen Kräfte haben möchte. Man weiß, daß unter den Produkten der vulkanischen Ausbrüche manchmahl sehr viel Eisen vorkömmt, das nur wenig oxydirt ist und auf die Magnetnadel stark wirkt. Es schien daher, man dürfe von den Vulkanen einen großen Einfluß auf beide erwarten; wir werden aber sehen, daß dieser Einfluß bei dem Vesuv nur sehr eingeschränkt ist. Die Neigung fanden wir nämlich zu Neapel, welches ungefähr 2 Stunden vom Vulkane entfernt liegt, 61° 35'. Von Orten ab, die sehr viel nördlicher liegen, nehmen bis Neapel die Neigungen ziemlich regelmäßig ab. Zu Portici, welches über dem verschütteten Herculanum steht, und durch das mehrere Lavaströme gehn, fanden wir die Neigung 60° 50'; bei der Einsiedelei St. Salvator, ungefähr auf der halben Höhe des Vesuvs und neben neuen Lavaströmen, 62° 15'; und endlich im Krater des Vesuvs selbst auf Schlacken, 62° 0'. Man sieht, daß zwar diese Neigungen alle verschieden sind, daß ihr Unterschied aber so groß nicht ist, als man hätte erwarten sollen, und daß, wenn der Vesuv einen Einfluß auf die Neigung der Magnetnadel hat, dieser Einfluß wenigstens sehr klein und sehr local ist. Bei der Einsiedelei zu St. Salvador war die Neigung um 40' größer, zu Portici um 35' kleiner als zu Neapel. Die Stärke der magnetischen Kräfte scheint merklicher und auf eine unregelmäßigere Art variirt zu haben. Neapel liegt südlicher als Rom, und doch fanden wir sie dort um [Formel] tel größer. Zu Portici ist sie noch um [Formel] stel und in der Einsiedelei um [Formel] stel größer als zu Neapel. Im Krater des Vesuvs dagegen ist sie um [Formel] tel kleiner. Eine so große Unregelmäßigkeit, und ein so schnelles Abnehmen in der Stärke, vom Fuße des Vesuvs bis zur Spitze, beweisen, daß sich dieser Vulkan für kein magnetisches Centrum nehmen läßt; denn die Einwirkung eines solchen müßte sich in die Ferne erstrecken. Hier scheint im Gegentheile die Einwirkung sehr local zu seyn, und lediglich von dem Einflusse einiger Lavamassen abzuhängen, die an einigen Stellen etwas eisenreicher als an andern sind. Als wir mitten im Krater auf vulkanischen Schlacken standen, konnte unsre Nadel, welche die horizontalen Schwingungen machte, sich nahe bei einer magnetischen Schlacke befinden, deren Pole eine entgegen gesetzte Lage als die ihrigen hatten; daraus würde sich die Verminderung in der Stärke erklären, die unsre Beobachtung gab. Doch welchen Grund man auch sonst noch dafür annehmen will, durch die glühenden Materien, welche der Vesuv in sich schließt, läßt sie sich nicht erklären. Denn gesetzt, es sey richtig, daß die Hitze die Kraft eines Magnets zerstöre, so ist doch ein Vulkan ein bloßer Punkt auf der Erde, und die Einwirkung des magnetischen Kerns der Erde würde auf dieselbe Art in das Innere des Vulkans dringen, und sich über dasselbe hinaus verbreiten, wie sie in den Raum, der sich über der Oberfläche der Erde befindet, eindringt, und sich durch denselben fortpflanzt. Wir wollen zuletzt noch einen allgemeinen Ueberblick unsrer Beobachtungen von Berlin bis Neapel nehmen. Die Spalte der folgenden Tabelle, welche die Zeit angiebt, die auf 60 horizontale Schwingungen hinging, zeigt, daß diese Zeit zugleich mit der Breite abnimmt. Sie betrug in Berlin 316",5, in Paris 314", in Mailand 295",5, in Rom 281",8, und in Neapel selbst nur 279". Augenscheinlich wächst also die horizontale Kraft von Berlin ab immer mehr, wenn man sich dem magnetischen Aequator nähert. Dieses muß im Ganzen stets der Fall seyn; immer muß im Ganzen die Stärke der horizontalen magnetischen Kräfte in höhern Breiten kleiner seyn; doch ließe sich denken, daß vermöge des uns noch unbekannten Gesetzes des Erd-Magnetismus, ein Maximum der horizontalen Kraft in irgend einer Breite Statt fände. Die Lage eines solchen Punktes würde für die Auffindung jenes Gesetzes wichtig seyn. Unsern Beobachtungen zu Folge kann er sich nur in kleinern Breiten, als in der von Neapel befinden. Berechnet man aus den horizontalen Schwingungen die Schwingungen, welche die Nadel gemacht haben würde, hätte sie sich in der wahren Richtung der magnetischen Kräfte befunden, so findet man für die ganze Stärke der magnetischen Kräfte ein anderes Gesetz: sie nimmt ab, indem die Breite abnimmt. Wenn sie unter dem Aequator gleich 10000 ist, so beträgt sie in Berlin 13703, in Paris 13482, in Lyon 13334, in Mailand 13364, in Rom 12642, und in Neapel 12745. Also findet sich das von Hrn. von Humboldt auf seiner Reise zwischen den Wendekreisen entdeckte Gesetz, daß die Stärke der magnetischen Kräfte wächst, wenn man sich von dem magnetischen Aequator nach den Polen zu entfernt, auch für Europa, in Frankreich, Italien und Deutschland bestätigt. Annalen, XX, 270 f. Gilb. Betrachten wir die Neigung der magnetischen Kräfte, so zeigt sich, daß sie zugleich mit den Breiten auf eine ziemlich regelmäßige Art abnimmt. Wir haben sie gefunden in Berlin 69° 53', in Göttingen 69° 29', (und eben daselbst Herr Mayer 69° 26',) in Paris 69° 12', in Lyon 66° 14', in Mailand 65° 40', in Rom 61° 57', und zu Neapel 61° 35'. Die ihnen entsprechenden Neigungen, welche nach Herrn Biot die Theorie giebt, sind alle viel zu groß; die kleinsten Unterschiede betragen volle 4°. Nehmen wir an, daß die Lage des magnetischen Aequators mit Genauigkeit bestimmt ist, so würde hieraus folgen, daß in Europa die magnetischen Parallelkreise bedeutend nach dem Aequator zu gebogen sind, wovon der Grund in der Einwirkung eines besondern magnetischen Centrums zu suchen seyn würde. Allein noch ist es zu früh, hierüber irgend etwas zu folgern, und wir müssen zuvor genaue Beobachtungen in größerer Menge haben, um auf sie als eine feste Grundlage eine exacte Theorie zu gründen, welche sie alle umfaßt. RESULTATE der Beobachtungen der Herren von Humboldt und Gay-Lussac über die Neigung und die Stärke der magnetischen Krafte, geordnet nach der Breite. Ort der Beobachtung. Breite. Länge. Magnetische Zeit für 60 horizontale Schwingungen. Der magnetischen Kräfte Erhöhung über der Meeresfläche in Metres. Natur des Bodens. Breite östliche Länge Stärke, die Stärke unter dem magn. Aeq. gl. 10000 gesetzt. Neigung gerechnet vom magnetischen Aequator an. Knoten, des magn. Aeq. in der Südsee an. beobachtet. berechnet Unterschied. ° ' " ° ' " ° ' " ° ' " ° ' ° ' ° ' " ° ' " Metres Berlin ....... 52 31 30 11 00 30 60 03 17 143 09 40 316 05 13703 69 53 73 55 54 4 02 54 26 Sand den Kalkstein bedeckend Magdeburg ...... ... ... ... ... 316 05 ... 69 35 ... ... 76 Sandstein Göttingen ...... 51 32 05 07 33 00 59 36 15 138 34 40 316 02 13485 69 29 73 39 13 4 10 13 192 Jüngerer Kalkstein Kleve ....... ... ... ... ... ... ... 70 08 ... ... ... Heidelberg ...... 49 24 30 06 21 23 ... ... ... ... 68 39 ... ... 132 Granit Heilbronn ...... ... ... ... ... ... ... 68 01 ... ... 162 Sandstein Paris ....... 48 50 14 ... 57 57 00 128 22 47 314 00 13482 69 12 72 62 00 3 50 00 40 Gyps; neuerer Kalkstein Tübingen ...... 48 31 04 06 43 15 56 46 36 136 20 20 305 02 13569 68 04 71 52 26 3 48 26 376 Sandstein Wellendingen ..... 48 03 49 06 22 15 ... ... ... ... 67 57 ... ... 440? Jurakalkstein Villeneuve an der Yonne ... ... ... ... ... 306 04 ... ... ... ... 95 Lucie-le-bois ..... ... ... ... ... ... ... 68 10 ... ... ... Zürich ....... 47 22 00 06 12 30 55 43 11 135 18 40 304 01 ... 67 27 ... ... 426 Sandstein Luzern ....... ... ... ... ... 301 04 ... 67 10 ... ... 450 Sandstein Altorf ....... ... ... ... ... 301 05 13228 66 53 ... ... 494 Uebergangs-Kalkstein Ursern, am nördl. Abhange des Gotthards ... ... ... ... 302 02 13069 66 42 ... ... ... Glimmerschiefer Hospiz auf dem St. Gottbard .. ... ... ... ... 299 04 13138 66 22 ... ... ... Neuer Granit Airolo am südl. Abhange des Gotthards ... ... ... ... 297 03 13090 65 55 ... ... ... Glimmerschiefer Como ....... ... ... ... ... 298 08 13104 66 12 ... ... 36 Uebergangs-Kalkstein Lyon ....... 45 45 52 02 29 09 54 37 42 130 22 52 296 04 13334 66 14 70 27 26 4 13 26 186 Gneuß Ort der Beobachtung. Breite. Länge. Magnetische Zeit für 60 horizontale Schwingungen. Der magnetischen Kräfte Erhöhung über der Meeresfläche in Metres. Natur des Bodens. Breite östliche Länge Stärke, die Stärke unter dem magn. Aeq. gl. 10000 gesetzt. Neigung gerechnet vom magnetischen Aequator an. Knoten des magn. Aeq. in der Südsee an. beobachtet. berechnet. Unterschied. ° ' " ° ' " ° ' " ° ' " ° ' ° ' ° ' " ° ' " Metres. Saint-Michel ..... 45 23 17 ... ... ... 294 05 13488 66 12 ... ... ... Uebergangs-Thonschiefer Modane ...... ... ... ... ... ... ... 66 06 ... ... ... Dasselbe Lans-le-Bourg am Fuße des Mont Cenis 45 17 40 ... ... ... 297 01 13227 66 09 ... ... ... -- -- -- Hospiz auf dem Mont Cenis ... 45 14 10 ... ... ... 296 00 13441 66 22 ... ... 2120 Glimmerschiefer Turin ....... 45 04 14 05 20 00 53 35 00 133 31 09 295 00 13364 66 03 69 45 09 3 42 09 ... Serpentinberge mit Schillerstein Mailand ...... 45 28 05 06 51 15 53 46 14 134 34 46 295 05 13121 65 40 69 52 49 4 12 49 ... Sand, der das Urgebirge bedeckt Pavia ....... 45 10 47 06 49 33 ... ... 291 05 ... 65 26 ... ... 86 Dasselbe Piacenza ...... 45 02 44 07 22 17 ... ... ... ... 65 00 ... ... ... Parma ....... 44 48 01 08 00 19 ... ... ... ... 65 07 ... ... ... Modena ...... ... ... ... ... ... ... 64 55 ... ... ... Bologna ...... 44 29 36 09 00 15 ... ... 290 03 ... 64 48 ... ... 124 Jüngerer Sandstein Genua ....... 44 25 00 06 38 00 ... ... 295 00 ... 64 45 ... ... 16 Uebergangs-Kalkstein, südl. von d. Bocchetta Rimini ....... 44 03 43 10 12 36 ... ... ... ... 63 48 ... ... 6 Faenza ....... ... ... ... ... ... ... 63 54 ... ... 20 Pezara ....... 43 55 01 10 33 21 ... ... ... ... 64 18 ... ... 10 Florenz ...... 43 46 30 08 55 00 51 49 28 137 15 45 290 00 12782 63 57 68 42 22 4 45 22 74 Grauwacke Spoleto ...... ... ... ... ... ... ... 62 51 ... ... 280 Jurakalkstein Nocera ...... ... ... ... ... 285 04 ... ... ... ... ... Dasselbe Rom ....... 41 53 54 10 07 30 49 48 50 138 03 49 281 08 12642 61 57 67 06 16 5 09 16 58 Basalt Laven, Tuff, Parperino m. Eisenglimm. Tivoli ....... ... ... ... ... 281 06 ... ... ... ... 240 Jurakalkstein, Tuff Neapel ...... 40 50 15 11 56 00 48 30 53 139 47 35 279 00 12745 61 35 66 08 54 4 33 54 16 Tuff Portici am Fuße des Vefuvs .. ... ... ... ... 274 02 12883 60 50 ... ... 20 Laven Einsiedelei St. Salvador auf d. Abh. d. Ves. ... ... ... ... 279 00 13026 62 15 ... ... ... Laven Krater des Vesuvs .... ... ... ... ... 290 03 11933 62 00 ... ... 1000 Laven Tafeln