Folgendes Bruchstück, aus Alexander von Humboldts neuester Reisebeschreibung, über den elektrischen Gymnotus (Zitter-Aal) dürfte unsern Lesern interessant seyn. Diese elektrischen Fische finden sich am häufigsten in den kleinen Flüssen und in den stehenden Gewässern oder Sümpfen, welche hier und da in den ungeheuern meist dürren Ebenen vorkommen, die sich zwischen dem Orinoko und der Küstenkette von Venezuela ausbreiten. Je seichter diese Sümpfe sind, desto leichter wird es die Gymnoten zu fangen; denn die großen Ströme, der Meta, der Apure und der Orinoko sind zu tief, zu wasserreich und zu reißend, als daß die Indianer sich dieser Fische bemächtigen könnten. In der Guyana kennen die Indianer sehr gut die Gesahr, der sie sich aussetzen, wenn sie in Gewässern schwimmen, wo die Gymnoten zehlreich sind. Es ist dort leichter, ihre schädliche Wirkung zu empfinden, als den Fisch selbst zu sehen. Indem wir durch die ungeheuern Ebenen (Clanos) der Provinz Caraccas reisten, um zu San Fernando de Apure unsre Fahrt auf dem Orinoko zu beginnen, verweilten wir fünf Tage lang in der kleinen Stadt Calabozo. Wir wollten uns hier mit den Gymnoten beschäftigen, deren es eine unzählige Menge in dieser einsamen Gegend gibt, im Rio Guarico, in den Cannos del Rastro, de Berito, de la Paloma, und in etlichen fünfzig kleinen stehenden Gewässern, welche zwischen der Stadt Calabozo, den beyden Missionen de Arriba und de Aburo, und den Meiereien von Rastro, von Morichal und vom Caiman zerstreut liegen. Ja, unweit Uritucu mußte, wie man uns erzählte, eine ehemals sehr gangbare Straße, der elektrischen Fische wegen, verlegt werden. Der Weg ging durch einen Bach, und auf der Fahrt durch denselben ertranken jährlich eine Menge Maulesel, die, von den Entladungsschlägen der Gymnoten betäubt, sinnlos niederfielen. Um unsere Versuche mit vollkommener Genauigkeit anstellen zu können, wünschten wir, lebendige Zitter-Aale in dem Hause selbst zu besitzen, welches wir bewohnten. Unser Wirth gab sich alle Mühe, dies Verlangen zu erfüllen. Es wurden Indianer zu Pferde ausgeschickt, um in den Sümpfen zu fischen. Todte Gymnoten hätten wir in Menge haben können, aber eine fast kindische Furcht verhinderte die Eingebornen, sie lebendig fortzutragen. Wir haben uns in der Folge selbst überzeugt, daß man alldings in Verlegenheit kommt, wenn man sich mit diesen Fischen zu thun macht, so lange sie noch bey voller Kraft sind; bey dem gemeinen Volke ist aber diese Furcht um so sonderbarer, da es die Meinung hat, man könne den Gymnoten unbestraft berühren, wenn man Taback rauche. Wir hatten zwey Piaster für jeden elektrischen Gymnotus geboten, den man uns lebendig bringen würde, aber es fand sich niemand, der den Preis verdienen wollte; auch ist das angebliche Sicherungs-Mittel der Indianer gegen die Schläge des Gymnotus ohne alle Kraft. Die Liebe zum Wunderbaren ist bey den Eingebornen dieser Gegenden so groß, daß sie häufig Thatsachen erzählen, an die zu glauben sie selbst weit entfernt sind. So meint der Mensch der Natur neue Wunder andichten zu müssen, eben als wäre die Natur nicht schon an sich selbst groß, geheimnißvoll und wunderbar genug. Drey Tage lang hatten wir in der Stadt Calabozo zugebracht, und nur einen einzigen Zitter-Aal erhalten, der noch dazu ziemlich schwach war. Endlich faßten wir den Entschluß, uns selbst an Ort und Stelle zu begeben, und dort Versuche in freyer Luft und am Ufer der Sümpfe, in welchen die Gymnoten leben, anzustellen. Wir begaben uns zuerst in das kleine Dorf Rastro de Abaxo, und von da führten uns die Indianer nach dem Canno de Bera, einem Bassin voll stehenden Wassers, das von einer herrlichen Vegetation, von der Clusea rosea, Hymenea cour baril, dem großen indischen Feigenbaum, und Mimosen mit wohlriechenden Blüten umgeben ist. Hier geriethen wir nicht wenig in Verwunderung, als wir hörten, man wolle in der benachbarten Grasflur einige und dreyßig halbwilde Pferde zusammentreiben, um sich ihrer bey'm Fischen der Aale zu bedienen. Man nennt diese Art die Zitter- Aale zu fangen: Embarascar con caballos, das heißt, durch Pferde trunken machen. Mit dem Namen Barbasco belegt man die Wurzeln der Jacquinia, der Piscidia, und jeder andern giftigen Pflanze, durch deren Berührung eine große Wassermasse augenblicklich die Eigenschaft empfängt, die Fische zu tödten, oder wenigstens zu betäuben. Die durch diese Mittel vergifteten Fische (Embarascados) ziehen sich nach der Oberfläche des Wassers; und da die Pferde, welche man in dem Sumpfe hin- und hertreibt, eben dasselbe bey den erschreckten Fischen bewirken, so belegt man durch eine Verwechselung der Ursache und Wirkung beyde Arten zu fischen mit demselben Namen. Während unser Wirth uns die sonderbare Art erklärte, wie man die Zitter-Aale fängt, kam der Trupp Pferde und die Maulesel an. Die Indianer hatten eine Art von Treiben angestellt; die Thiere wurden von allen Seiten eingeschlossen, und endlich in den Sumpf hineingezwungen Das interessante Schauspiel, welches sich uns darbot, dieser Kampf der Zitter- Aale mit den Pferden, läßt sich mit Worten nur unvollkommen schildern. Die Indianer, jeder mit langen Bambusröhren und Harpunen bewaffnet, stellten sich um den Sumpf. Einige kletterten auf die Baumäste, die sich tief über dem Wasser ausbreiteten. Durch ihr Geschrey und ihre langen Bambusröhre trieben sie die Pferde, wo sie sich dem Ufer nahten, zurück. Die durch den Lärmen erschreckten Zitter-Aale vertheidigten sich mit wiederholten Entladungsschlägen ihrer elektrischen Batterien. Lange schien es, als würden sie den Sieg über die Pferde und Maulesel davon tragen. Mehrere von diesen, durch die menge und Stärke der elektrischen Schläge betäubt, verschwanden unter dem Wasser; einige derjenigen, die sich wieder aufrafften, erreichten, ungeachtet der Wachsamkeit der Indianer, das Ufer, und streckten sich hier, von der Anstrengung erschöpft, und durch die starken elektrischen Schläge an allen Gliedern gelähmt, der Länge nach auf die Erde. (Der Beschluß folgt.) (Beschluß der Beschreibung der Zitter-Aal.) Ein geschickter Mahler hätte den Augenblick auffassen sollen, da die Scene am belebtesten war. Die Gruppen der Indianer, welche den Sumpf umringen; die Pferde, welche mit gesträubten Mähnen, Schrecken und wilden Schmerz im Auge den einbrechenden Ungewitter zu entfliehen suchen; die gelblichen und schlüpfrigen Aale, welche großen Wasserschlangen ähnlich auf der Oberfläche des Wassers schwimmen, und ihre Feinde verfolgen: alle diese Züge bildeten ein höchst mahlerisches Ganzes. Unwillkührlich erinnerte ich mich dabey des berühmten Gemähldes eines Pferdes, das unvermuthet in einer Höhle durch den Anblick eines Löwen geschreckt wird. Der Ausdruck des Entsetzens ist hier nicht stärker, als in jenem ungleichen Kampfe der Fische und Pferde. In weniger als fünf Minuten waren bereits zwey Pferde ertrunken. Die Aale, deren mehrere über fünf Fuß lang sind, schlüpfen den Pferden und den Mauleseln unter den Bauch, und geben dann Entladungen ihres ganzen elektrischen Organs. Diese Schläge treffen zugleich das Herz, die Eingeweide, und besonders das Nervengeflecht des Magens. Es ist daher nicht zu verwundern, daß der Fisch auf ein großes vierfüßiges Thier eine viel mächtigere Wirkung, als auf einen Menschen hervorbringt, der ihn nur mit den Extremitäten berühret, doch zweifle ich, daß der Gymnotus im eigentlichen Sinne des Worts die Pferde tödtet; er betäubt sie nur durch die wiederholten Erschütterungs- Schläge, die er ihnen gibt; sie fallen in eine tiefe Ohnmacht, und verschwinden besinnungslos unter dem Wasser; die andern Pferde und Maulesel treten ihnen auf den Leib, und in wenigen Minuten sind sie wirklich todt. Nach diesem Anfange schien es, als würde die Jagd ein sehr tragisches Ende nehmen, und die Pferde eins nach dem andern ertrinken. Wenn sie nicht herrenlos sind, so bezahlt man jedes, welches stirbt, mit anderthalb bis zwey Piastern. Die Indianer versicherten uns, die Jagd würde bald geendigt seyn, und nur der erste Angriff der Zitter-Aale wäre furchtbar. In der That kommen die Gymnoten nach einiger Zeit in den Zustand entladener Batterien; sey es nun, daß die galvanische Elektricität sich durch die Ruhe in ihnen häufe, oder daß ihr elektrisches Organ durch einen häufigen Gebrauch ermüdet, und zu seinen Verrichtungen unbrauchbar gemacht wird. Zwar ist ihre Muskelbewegung dann immer noch eben so lebhaft, als zu Anfange; sie haben aber nicht mehr das Vermögen, kräftige Schläge zu ertheilen. Als der Kampf eine Viertelstunde gedauert hatte, schienen die Pferde und Maulesel minder geschreckt. Sie sträubten die Mähnen nicht mehr. Ihr Auge drückte seltner Schmerz aus. Nirgends sah man sie fallen, und unter dem Wasser verschwinden. Auch schwammen die Aale mit dem halben Leibe auf der Oberfläche des Sumpfes, flohen vor den Pferden, die sie vorher angegriffen hatten, und näherten sich dem Ufer. Die Indianer versicherten uns, daß, wenn man die Pferde zwey Tage hintereinander in den Sumpf triebe, am zweyten kein Pferd mehr getödtet würde. Die Fische müssen Ruhe und hinlängliche Nahrung haben, um eine große Menge galvanischer Elektricität zu erzeugen oder anzuhäufen. Die Zitter-Aale, welche nach dem Ufer fliehen, werden sehr leicht mit kleinen, an einen Strick befestigten Harpunen gefangen, die man ihnen in den Leib wirft; die Harpune spießt manchmal ihrer zwey auf. Ist der Strick sehr trocken und ziemlich lang, so kann man sie damit an's Land ziehen, ohne Schläge zu erhalten. In wenigen Minuten waren fünf große Gymnoten auf dem Trocknen. Wir hätten über zwanzig haben können, hätten wir ihrer so viele zu unsern Versuchen bedurft. Einige waren nur leicht am Schwanze verwundet, andere schwer am Kopfe, und wir konnten deutlich beobachten, wie die Intensität der natürlichen Elektricität dieses Fisches durch die verschiedene Stärke der Lebenskraft modifizirt wird. Wenn man gesehen hat, daß die Zitter-Aale ein Pferd sinnlos zu Boden werfen, so ist die Furcht sehr natürlich, sie in den ersten Augenblicken, nachdem sie an das Land gezogen worden, nicht zu berühren. Auch ist diese Furcht bey den Eingebornen so groß, daß keiner sich dazu verstehen wollte, die Gymnoten von den Stricken der Harpunen loszumachen, und sie in die kleinen mit frischem Wasser gefüllten Löcher zu tragen, welche wir an dem Ufer des Canno de Bera ausgehöhlt hätten. Wir mußten uns selbst dazu verstehen, und selbst die ersten Schläge aushalten, die in der That nicht sanft waren. Sie schienen mir schmerzhafter zu seyn, als die heftigsten elektrischen Schläge, die ich mich je entsinne von einer großen völlig geladenen Leidner Flasche erhalten zu haben. Wir begriffen nun sehr wohl die Wahrheit der Behauptung, daß ein Indianer unfehlbar ertrinkt, wenn ihm während des Schwimmens ein Zitter- Aal am Beine oder an dem Arme einen Schlag versetzt. Eine so heftige Erschütterung kann dem Menschen allerdings sehr leicht den Gebrauch seiner Glieder auf mehrere Minuten entziehen; ja es muß selbst augenblicklich der Tod erfolgen, wenn der Fisch, indem er längs dem Bauch' und der Brust hinschlüpft, eine kraftvolle Entladung gibt, weil dann die edelsten Theile, und alle Nerven, die davon abhängen, zugleich ihrer Reizbarkeit beraubt werden.