Jagd und Kampf der electrischen Aale mit Pferden. Aus den Reiseberichten des Hrn. Freiherrn Alexander v. Humboldt. -- -- Nirgends findet man den electrischen Aal, (Gymnotus electricus L.,) in größerer Menge, als in den kleinen Flüssen und in den vielen stehenden Gewässern oder Sümpfen des Theils von Guyana, welcher zwischen dem Oronoco und der Küsten- Cordillere von Venezuela liegt, und aus ungeheuren meist dürren Ebenen besteht, die unter dem Namen: Llanos de Caraccas oder Llanos de Apure, bekannt sind. Fast auf jeder Quadratmeile finden sich hier drei oder vier Sümpfe, welche eben so viel von der Natur gemachte Fischbehälter für die Zitteraale zu seyn scheinen, die sich darin in großer Zahl finden. Die geringe Tiefe dieser Sümpfe macht es den Indianern möglich, die electrischen Aale in ihnen zu fangen; in den großen Strömen, dem Meta, dem Apure und dem Oronoko ist die Tiefe und die Gewalt des Wassers zu groß, als daß sie sich dieser Fische zu bemächtigen vermöchten. Wir haben gefunden, daß in Guyana allen Indianern die Gefahr sehr wohl bekannt ist, der sie sich aussetzen, wenn sie in Gewässern schwimmen, in welchen die Zitteraale zahlreich sind, indem man ihre schädliche Wirkung gewöhnlich eher empfindet, als man den Fisch gewahr wird. Man vergl. Annalen, XVI, 423. d. H. Als wir durch jene weit verbreiteten Ebenen der Provinz Caraccas reisten, um uns zu San Fernando de Apure einzuschiffen, und unsre Fahrt auf dem Oronoko zu beginnen, verweilten wir 5 Tage lang in der kleinen Stadt Calobozo, welche nach meinen Beobachtungen unter 8° 56' 56" nördlicher Breite liegt. Wir wollten uns hier mit den Zitteraalen beschäftigen, deren es eine unzählbare Menge in dieser Gegend giebt, im Rio Guarico, in den Cannos de Rastro, de Berito, de la Paloma und in etlichen funfzig kleinen stehenden Gewässern. Man hat mir versichert, daß man unweit Uritucu eine ehemahls sehr gangbare Straße wegen der electrischen Fische hat aufgeben müssen; sie führte durch einen Bach, und auf dem Fuhrt durch denselben ertranken jährlich mehrere Maulesel, die durch die Entladungsschläge der Zitteraale betäubt und sinnlos niedergeworfen wurden. Um unsre Versuche mit aller Genauigkeit anstellen zu können, wünschten wir, daß man uns electrische Aale in das Haus brächte, welches wir in Calobozo bewohnten. Unser Wirth gab sich alle Mühe, um unser Verlangen zu erfüllen. Es wurden Indianer zu Pferde ausgeschickt, um in den Sümpfen zu fischen; todte Zitteraale hätten wir in Menge haben können, aber eine fast kindische Furcht verhinderte die Eingebornen, sie lebendig fortzutragen. Wir haben uns zwar in der Folge überzeugt, daß es allerdings sehr unangenehm ist, es mit diesen Fischen zu thun zu haben, wenn sie noch bei ihrer ganzen Kraft sind; bei dem gemeinen Volke ist aber diese Furcht um so sonderbarer, da es die Meinung hat, man könne die Zitteraale ungestraft berühren, wenn man Tabak rauche. Wir hatten 10 Francs für jeden electrischen Aal geboten, den man uns lebendig bringen würde, aber es fand sich niemand, der sie verdienen wollte; auch ist das angebliche Sicherungsmittel der Indianer gegen die Schläge des Zitteraals ohne alle Kraft. Die Liebe zum Wunderbaren ist unter den Eingebornen dieser Gegenden so groß, daß sie häufig Sachen erzählen und behaupten, an die selbst zu glauben sie weit entfernt sind. Auch sie meinen also, der Natur noch mehr Wunder leihen zu müssen, als wenn die Natur nicht schon an sich selbst der Geheimnisse und des Wunderbaren genug hätte. Drei Tage lang hatten wir in der Stadt Calobozo zugebracht, und nur einen einzigen electrischen Gymnotus erhalten, der ziemlich schwach war. Wir faßten nun den Entschluß, uns selbst an Ort und Stelle zu begeben, und dort die Versuche in freier Luft, am Ufer der Sümpfe anzustellen, in welchen die Zitteraale wohnen. Wir verfügten uns zuerst in das kleine Dorf Rastro de Abasco, und von da führten uns die Indianer zu dem Canno de Bera, einem Bassin voll stehenden schleimigen Wassers das von einer herrlichen Vegetation, Clusea Rosea, Hymenea courbaril, dem großen indischen Feigenbaum und Mimosen mit wohlriechenden Blüthen, umgeben ist. Wir geriethen nicht wenig in Verwunderung, als wir hörten, man wolle in die benachbarten Savannas gehen, und dort einige dreißig halbwilde Pferde zusammen treiben, um sich ihrer bei diesem Fischfange zu bedienen. Man nennt diese Art, die Zitteraale zu fangen, embarbascar con Cavallos, das heißt, trunken machen durch Hülfe von Pferden, und das führt auf gar bizarre Vorstellungen. Mit dem Namen: Barbasco, belegt man die Wurzeln der Jaquinia, der Piscidia und jeder andern giftigen Pflanze, welche einer großen Wassermasse, in die man sie wirft, augenblicklich die Eigenschaft mittheilt, die Fische zu tödten, zu betäuben, oder trunken zu machen. Die durch dieses Mittel vergifteten Fische (embarbascado) schwimmen auf der Oberfläche des Wassers; und da die Pferde, welche man in dem Sumpfe hin und her treibt, dasselbe bei den in Schrecken gesetzten Fischen bewirken, so belegt man, indem man Ursache und Wirkung verwechselt, beide Arten zu fischen, mit gleichen Namen. Während unser Wirth uns von der sonderbaren Art unterhielt, wie man hier die Zitteraale fängt, kam der Trupp Pferde und Maulesel an. Die Indianer hatten aus ihnen eine Art von Treiben gemacht, und nöthigten sie, in den Sumpf hinein zu gehen, indem dies der einzige Ausweg war, den sie ihnen ließen. Das interessante Schauspiel, das sich uns nun darbot, des Kampfs der Zitteraale gegen die Pferde, läßt sich mit Worten nur sehr unvollkommen schildern. Die Indianer, jeder mit einem sehr langen Rohre und mit einer kleinen Harpune bewaffnet, stellten sich um den Sumpf, und einige kletterten auf die Aeste der Bäume, die über dem Wasser lagen. Durch ihr Geschrei und durch ihre langen Stangen trieben sie die Pferde, wo sie sich dem Ufer näherten, zurück. Die durch den Lärm der Pferde geschreckten Zitteraale vertheidigten sich mit wiederhohlten Entladungsschlägen ihrer electrischen Batterieen, und eine Zeit lang schien es, als würden sie den Sieg über die Pferde und Maulesel davon tragen. Mehrere von diesen durch die Menge und Stärke der electrischen Schläge betäubt, verschwanden unter dem Wasser; einige derselben, die sich wieder aufrichteten, erreichten ungeachtet der Wachsamkeit der Indianer das Ufer, und streckten sich hier, durch ihre Anstrengung erschöpft, und durch die starken electrischen Schläge an allen Gliedern gelähmt, der Länge nach auf die Erde. Ich hätte gewünscht, daß ein geschickter Mahler den Augenblick hätte auffassen können, als die Scene am belebtesten war. Die Gruppen der Indianer, welche den Sumpf umringten, die Pferde mit zu Berge stehender Mähne, Schrecken und Schmerz im Auge, welche dem Ungewitter, das sie überfällt, entfliehen wollen; die gelblichen und schlüpfrigen Aale, welche großen Wasserschlangen ähnlich an der Oberfläche schwimmen, und ihre Feinde verfolgen: alles das gab ein höchst mahlerisches Ganzes. Ich erinnerte mich dabei des berühmten Gemähldes, welches ein Pferd vorstellt, das in eine Höhle tritt, und durch den Anblick eines Löwen entsetzt wird. Der Ausdruck des Schreckens ist hier nicht stärker, als er in jenem ungleichen Kampfe sich zeigte. In weniger als fünf Minuten waren zwei Pferde ertrunken. Die Aale, deren mehrere über 5 Fuß Länge hatten, schlüpften den Pferden und Mauleseln unter den Bauch, und gaben dann Entladungen ihres ganzen electrischen Organs. Diese Schläge treffen zugleich das Herz, die Eingeweide und besonders das Nervengeflecht des Magens. Es ist daher nicht zu verwundern, daß der Fisch auf ein großes vierfüßiges Thier viel mächtigere Wirkung, als auf einen Menschen hervor bringt, der ihn nur mit den Extremitäten berührt. Doch zweifle ich, daß der Zitteraal die Pferde tödtet; er betäubt sie nur, wie ich glaube, durch die Erschütterungsschläge, die er ihnen hinter einander giebt; sie fallen in eine tiefe Ohnmacht, und verschwinden besinnungslos unter dem Wasser; die andern Pferde und Maulesel treten auf ihnen herum, und in wenig Minuten sind sie todt. Nach diesem Anfange fürchtete ich, die Jagd möchte ein sehr tragisches Ende nehmen, und die Pferde würden eins nach dem andern ertrinken. Sind die Herren derselben bekannt, so bezahlt man jedes, das ertrinkt, mit 8 Franken. Die Indianer versicherten indeß, die Jagd werde bald geendigt seyn, und nur der erste Sturm der Zitteraale sey furchtbar. In der That kommen die Aale nach einiger Zeit in den Zustand entladener Batterieen, sey es nun, daß die galvani'sche Electricität sich durch die Ruhe in ihnen gehäuft hatte, oder daß ihr electrisches Organ durch einen zu häufigen Gebrauch ermüdet und zu fernern Verrichtungen unbrauchbar gemacht wird. Zwar ist ihre Muskelbewegung dann immer noch eben so lebhaft als zu Anfang, sie haben aber nicht mehr das Vermögen, recht kräftige Schläge zu ertheilen. Als der Kampf eine Viertelstunde gedauert hatte, schienen die Pferde und Maulesel minder in Schrecken zu seyn; die Mähnen standen ihnen nicht mehr zu Berge; ihr Auge druckte nicht mehr hohen Schmerz und Schrecken aus, und es fielen keine Pferde mehr um. Auch schwammen die Aale mit dem halben Leibe außer dem Wasser, flohen vor den Pferden, statt sie anzugreifen, und näherten sich dem Ufer. Die Indianer versicherten uns, daß, wenn man die Pferde zwei Tage hinter einander in den Sumpf treibt, am zweiten Tage kein Pferd mehr getödtet werde. Die Fische müssen Ruhe und hinlängliche Nahrung haben, um eine große Menge galvani'scher Electricität zu erzeugen oder anzuhäufen. Aus den Versuchen, welche man in Italien mit Zitterrochen gemacht hat, ist es bekannt, daß, wenn die Nerven dieser Rochen, welche in die electrischen Organe gehn, zerschnitten oder unterbunden werden, diese Organe in ihrer Wirkung gerade so gehemmt sind, wie ein Muskel, dessen Hauptarterie oder Hauptnerve unterbunden ist; beide bleiben gleich unbeweglich, so lange die Unterbindung dauert. Die electrischen Organe des Zitterrochens und der Zitteraale sind folglich der Herrschaft des Nervensystems unterworfen, und sind keinesweges gewöhnliche electromotorische Apparate, welche aus den benachbarten Wasserschichten die ihnen entzogene Electricität wieder anziehen. Ist dieses aber der Fall, so darf es uns nicht befremden, daß die Stärke der electrischen Schläge des Zitteraals von dem Zustande seiner Gesundheit abhängt, und daß Ruhe, Nahrung, Alter, und vielleicht noch eine Menge anderer physischer, auch moralische Gründe darauf Einfluß haben. Die Zitteraale, welche nach dem Ufer fliehen, werden sehr leicht gefangen, mit kleinen an einen Strick befestigten Harpunen, die man ihnen in den Leib wirft. Die Harpune spießt manchmahl ihrer zwei auf. Ist der Strick sehr trocken und ziemlich lang, so kann man sie damit an das Ufer ziehen, ohne Schläge zu erhalten. In wenig Minuten waren 5 große Zitteraale auf dem Trockenen. Wir hätten zwanzig haben können, hätten wir ihrer so viele zu unsern Versuchen bedurft. Einige waren nur leicht am Schwanze verwundet, andere schwer am Kopfe; und wir konnten deutlich beobachten, wie die natürliche Electricität dieses Fisches nach der verschiedenen Stärke der Lebenskraft sich modificirt. Wir haben unsre Versuche über die merkwürdigen electrischen Erscheinungen des Gymnotus electricus nicht bloß an diesen in unsrer Gegenwart gefangenen Fischen angestellt, sondern auch an einem Zitteraal von außerordentlicher Größe, den wir nach unsrer Zurückkunft von Rastro, zu Calobozo in unsrer Wohnung vorfanden. Er war mit einem Netze gefangen, und nicht verwundet worden, und man hatte ihn augenblicklich, nachdem man ihn aus dem Sumpfe gezogen, in einen Zuber gethan und nach Calobozo getragen. Da er beständig in demselben Wasser geblieben war, an welches er sich gewöhnt hatte, so konnte seine galvani'sche Electricität schwerlich geschwächt seyn. Wir werden indeß bald sehen, daß die verwundeten, und daher minder kraftvollen Zitteraale für Untersuchungen über die galvanisch-electrischen Phänomene dieser Fische viel belehrender sind, als Zitteraale in ihrer vollen Kraft. Es entgehen dem Auge des Beobachters sehr viele Nüancen, wenn der electrische Strom sich mit einer solchen Heftigkeit entladet, daß er sich den Weg durch minder vollkommene Leiter fast so gut als durch die besten Leiter bahnt. Wenn man gesehen hat, daß die Zitteraale ein Pferd sinnlos zu Boden werfen, so darf man wohl sich fürchten, sie in den ersten Augenblicken, nachdem sie an das Land gezogen worden, zu berühren. Diese Furcht ist bei den Eingebornen so groß, daß sich keiner dazu verstehen wollte, die electrischen Aale von dem Stricke der Harpune loszumachen, und sie in die kleinen mit frischem Wasser gefüllten Löcher zu tragen, welche wir an dem Ufer des Sumpfes ausgehöhlt hatten. Wir mußten uns dazu verstehen, selbst die ersten Schläge auszuhalten, und diese waren fürwahr nicht sanft. Die stärksten schienen mir schmerzhafter zu seyn, als die heftigsten electrischen Schläge, die ich mich von einer großen völlig geladenen Flasche je erhalten zu haben entsinne. Wir begriffen nun sehr wohl, daß es nicht zu den Uebertreibungen gehörte, wenn die Indianer erzählten, daß jemand, der schwimmt, unfehlbar ertrinkt, wenn ihm ein Zitteraal an die Beine oder an die Arme einen Schlag versetzt. Eine so heftige Erschütterung kann dem Menschen sehr leicht den Gebrauch seiner Glieder auf mehrere Minuten entziehen; ja es könnte selbst der augenblickliche Tod erfolgen, wenn der Fisch, indem er längs des Bauchs und der Brust hinschlüpft, eine kraftvolle Entladung gäbe, weil dann die edlern Theile, das Herz, das gastrische System, der plexus coeliacus, und alle Nerven, die davon abhängen, zugleich ihrer Reitzbarkeit beraubt werden würden. Nur eine schwache Electricität vermehrt, wie bekannt, die Lebenskräfte, eine starke vernichtet sie. -- -- --