Auszüge aus einigen Briefen des Frhrn. Alex. v. Humboldt an den Herausgeber. (Hierzu gehört die Skizze einer nächtlichen Scene am Orinoko.) Berlin, d. 14. Junius, 1806. — — Ich rücke ſehr gut in der Arbeit fort, auf welche Sie ein ſo gütiges Intereſſe heften. Wiſſenſchaftliche Werke, die mit Zahlen gefüllt ſind, erfordern viel Zeit. Denken Sie, daß das engliſche Gouvernement ſelbſt 3 bis 4 Jahre bedurfte, um Vancouver’s Reiſe redigiren zu laſſen, und meine Redaction iſt der Maſſe und Vielſeitigkeit wegen ſchwieriger. Etliche 20 Bogen in 4to von der Pflanzengeographie ſind bereits gedruckt. Der erſte Theil der hiſtoriſchen Beſchreibung iſt weit vorgerückt und zugleich wird auch die Statiſtik von Mexiko und der Theil der aſtronomiſchen Beobachtungen und Meſſungen erſcheinen. Die Höhenmeſſungen wurden nach Laplace’s Formeln berechnet. Dazu kommen die Berechnungen der Chronometer-, Monddiſtanzen, Trabanten- Beobachtungen für Orte, um Längen und Breiten zu beſtimmen. — — — Von den zwei Fiſchen habe ich nicht ganze colorirte Zeichnungen, ſondern kann die Farbe nur in Stücken angeben. Der eine iſt der Eremophilus Mutiſii, der andre der Aſtroblepus. Die Farbe und Zeichnung iſt übrigens auf dem ganzen Leibe dieſelbe, erſtere graulichgrün. Beide und der Pimelodes ſind in natürlicher Größe von mir gezeichnet. — — Ueber die Pimeloden ſetze ich hinzu: Alle Vulkane ſind hohle, an einander gereihte Gewölbe. Man erkennt dies an jedem Crater. Reichen die Vulkane, wie in den Andes , in die ewige Schneelinie über 2500 Toiſen unter dem Aequator hinaus, ſo füllen ſich in Jahrtauſenden dieſe Höhlen und Gewölbe mit geſchmolzenem Schneewaſſer. Der Sitz des Feuers iſt fern davon. Entſtehen nun bei Exploſionen Erdbeben, ſo öffnen ſich dieſe unterirdiſchen Kammern und die Fiſche, welche darin leben, ſtürzen mit dem Waſſer heraus. Wie ſie aber zuerſt auf ſolche Höhen kamen, iſt ſchwer zu ſagen. Vielleicht werden ſie gehoben, wie die Dämpfe vor unſern Augen den Boden des veſuviſchen Craters heben; ja ſo heben, daß 1805 man den Boden (fond du crater) von Neapel aus ſah. — Frhr. v. H. hatte die Güte, mir die Zeichnung zweier ſeltener Fiſcharten, und beſonders der von den ſüdamerikaniſchen Vulkanen ausgeworfenen Pimeloden mitzutheilen. D. H. — — Skinner’s Deſcription of Peru iſt nicht ſo ſchlecht. Ich habe ſie flüchtig durchblättert. Leider hat der Vf. nicht alle 12 Bände des Mercurio peruano gekannt und die intereſſanteſten Materialien, z. B. die Charte vom Rio Guallaga, weggelaſſen. In einer gewiſſen gelehrten Zeitung las man über dieſe Schrift ſehr abentheuerlich: „die Aufſätze hätten etwas Fremdes, man möchte ſagen, Uneuropäiſches.“ Welch ein Vorwurf! — Europäiſch iſt freilich in Lima nichts. Die Kupfer ſind meiſtens abſcheulich und engliſcher Zuſatz, z. B. die Kleidung der Ynkas, die Minerva u. ſ. w. Dagegen ſind die Damen von Quito mit den faltigen Kleidern (punzoña) und der Sklave ſchon ſehr gut. — Das geogr. Inſtitut hat von einem in dieſem Fache rühmlich bekannten Gelehrten eine Ueberſetzung dieſes Werks veranſtalten laſſen, deren Erſcheinung durch die Hoffnung die dem Engländer Skinner nicht zugänglichen Bände des Mercurio peruano zu erhalten und durch ſie ſeine Nachrichten zu ergänzen, verzögert ward. D. H. — — Ich lege Ihnen eine kleine Originalſkizze des braven Schick, eines ſehr geiſtreichen, teutſchen Künſtlers, welcher ſeit Jahren in Rom lebt, den ich dort fand und den ich unter meine Freunde zählen darf, als ein kleines Geſchenk bei. Sie ſchildert ſehr treu unſere nächtliche Exiſtenz auf der Reiſe am Orinoko, wie man die Hamaken ausbreitet, die Feuer anſchürt gegen den grauſamen Jaguar; die Papageien und Affen, die wir lebendig bei uns hatten; wie ein Affe gebraten wird, um ihn zu eſſen; die Palmzweige, welche man über der einen Seite der Hamaken ſehr pittoresk ausbreitet, um ſich etwas vor dem Regen in das Geſicht zu ſchützen u. ſ. w. Die Skizze iſt in der That ſehr genialiſch und Jemand, der mit uns geweſen wäre, würde es nicht treuer haben machen können. — — Vielleicht finden Sie Gelegenheit, ſie zu benutzen, oder einmal ſtechen zu laſſen. — Berlin, d. 21. Novbr. 1806. — — Die kleine Zeichnung, welche ich Ihnen mittheilte, und welche Ihre Aufmerkſamkeit auf ſich gezogen hat, entſtand folgendermaßen. Hr. Schick, ein Wirtemberger, (derſelbe, deſſen großes Bild der Sündfluth viel Ruf hat), hörte mich oft, bei meinem letzten Aufenthalte in Rom, mit Intereſſe von meinem Leben in den Wäldern der Guayana reden, beſonders von den nächtlichen Scenen am Ufer des Orinoko. Ich zeigte ihm kleine Skizzen, welche ich ſelbſt an Ort und Stelle mit wenigen Linien entworfen. Nach dieſen und nach meiner Erzählung entſtand jene Zeichnung, welche in der That im Detail ſo genau iſt, als man es von Darſtellungen einer ſo großen Natur verlangen kann. Wenn ich ſie betrachte, glaube ich mich an den Alto Orinoko oder Caſſiquiare verſetzt. Nichts gränzt an die ſtille Majeſtät jener Tropennächte. Der Wald (Mimoſen, Palmen, Hevea und Cäſalpinien) drängt ſich dicht an den Fluß. Man fährt lange mit dem Canot am Ufer hin, bis man eine Stelle trifft, wo das Pflanzengewirre Einem Raum läßt, ans Land zu ſteigen und ſeine Hamaken (Hängematten) auszuſpannen. Europäer haben keinen Begriff von dieſen Hinderniſſen, welche die Vegetation der Cultur des Menſchengeſchlechts im Innern von Südamerika ſetzt. Die wildeſten Völkerſtämme, wenn ſie nicht Savannen (Grasfluren) bewohnen, werden zum Gartenbau gezwungen. Sie müſſen Piſang und Arumarten und Jatropha bauen, weil das Dickicht der Wälder ſie hindert, als Jäger zu leben. Miſſionsniederlaſſungen liegen nur etwa 1000 Toiſen von einander entfernt, und kaum hat man einen Landweg von einer zur andern eröffnen können. Die ewigen Aequatorial-Regen hindern das Abbrennen der Waldungen, und das Menſchengeſchlecht muß in Menge noch ſehr zunehmen, ehe es dort Herr der Pflanzenſchöpfung wird. Die Indianer rudern mit gränzenloſer Anſtrengung Strom aufwärts 15 Stunden lang. Man fährt um 2 bis 3 Uhr Morgens ab und bleibt bis 6 Uhr Abends auf dem Fluſſe, d. h. bis zur einbrechenden Nacht. Wir waren drei weiße Menſchen und 14 bis 15 kupferfarbene Indianer. Kaum landet man an, wo die Waldung etwas lichter iſt, ſo ſchafft man ſich Raum durch Weghauen der Zweige und der rankenden Pflanzen. Die Inſtrumente und die Petacas (Koffer von Rindsleder, unſern Schachteln ähnlich) werden in die Mitte geſetzt. Umher ſpannt man die Hamaken aus, in denen man vor den furchtbaren Schlangen geſichert iſt, die abgerechnet, welche ſich von oben von den Bäumen herablaſſen. Wo die Bäume fehlten, an ſandigen Ufern, wo der Fluß ſein Bette nicht ganz ausfüllt und wo man es nicht wagt, ſein Canot zu weit zu verlaſſen, ſchliefen wir auf platter Erde auf einem ausgebreiteten Thierfelle. Von den zahlloſen Mosquitos (von denen zu verſchiedenen Stunden verſchiedne Gattungen erſcheinen, und die man, ohne ſie zu ſehen, am Stich, nach der Art des Schmerzes, unterſcheidet) ſage ich Ihnen nichts. Reiſende, die bloß in Weſtindien, oder an den Küſtenländern in Südamerika oder in Peru waren, kennen dieſe gränzenloſe Plage nur durch Erzählung Anderer. Im vollem Maaße empfindet man dies Uebel nur in der Flußwelt am Magdalenen-Fluſſe, am Orinoko und Caſſiquiare, nicht am Rio Negro. Denn überall, wo ſchwarzes, caffeebraunes Waſſer fließt, giebt es keine Crocodile, keine Mosquitos und angenehme Kühlung. Die erſten Wochen erſchöpft man ſeine Einbildungskraft mit Anſtalten, ſich vor dieſen Plagen zu ſchützen. Nach Monaten fühlt man, daß alle Gegenmittel umſonſt ſind. Kaltes Waſſer lindert die Geſchwulſt. Aber das Flußwaſſer iſt zu 22° Réaum. und der Blutdurſt der Crocodile, die man nicht mit dem Alligator verwechſeln muß, wie der Biß des Caraiben-Fiſches, verbieten meiſt das Baden. Unſere Hamaken und die des Mönchs (denn ein Franciskanermönch iſt ein ſchützender Begleiter) werden in der Mitte ausgeſpannt. Den äußern Rand des Ranche nehmen die Indianer ein. Noch weiter hin ſchürt man Feuer an, um den Jaguar abzuhalten. Denn der Tiger der Guayana iſt gar nicht ſo feige, als Buffon behauptete, der Jaguar und Tigerkatzen verwechſelte. Ein Augenblick großer Gefahr iſt, wenn durch nächtliche Regen jene Feuer erlöſchen. Man muß dann den ganzen Regen in der Hamake abwarten, da die Crocodile, welche an das Ufer kommen, Einen hindern, das Canot zu ſuchen. Das Geſchrei der Waldthiere iſt dann unbeſchreiblich und giebt der Scene einen Charakter romantiſcher Wildheit. In der Mitte des Bildes hat Hr. Schick eine Indianiſche Küche abgebildet. Sie ſehen, ſie iſt ſehr einfach. Ein von Baumzweigen gebildeter Roſt, auf dem man den Affen, die große Simia Paniscus bratet. Affenſchinken ſind ein Leckerbiſſen dieſer Welt. — Abbildungen