Die Aracacha. Wir Teutſchen haben den Fehler — oder ich will es milder Schwaͤche nennen, — daß wir alles Neue, was uns Auslaͤnder, beſonders die Englaͤnder, verkuͤndigen und empfehlen, ſehr leicht glauben, und fuͤr ſehr wichtig und intereſſant halten. Wenn einmal ein Raritaͤtenkraͤmer, beſonders im Fache der Landwirthſchaft und des Gartenweſens, in einer Zeitung oder in Journalen — (in welche ſich jetzt unſer ganzes Wiſſen aufloͤſt, und zum Papierkrame wird) mit einer neuen Raritaͤt auftritt, und nach einem Trompetenſtoße ausruft: „Schauen’s meine Herren! Eine neue ſtupende Raritaͤt; eine Entdeckung, die ich machte! Eine Erfindung, die ich allein beſitze! — Allons wer kauft“! — Da wird gleich getrieben und geſchrieben, und ein Project uͤber das andere ins Blaue hinaus gemacht, bis die Raritaͤt — wenn ein verſtaͤndiger, wiſſenſchaftlicher Mann daruͤber kommt, und ſie naͤher beleuchtet — entweder wie ein Geſpenſt ganz verſchwindet, oder zu einem ganz alltaͤglichen Dinge herabſinkt, und der Marktſchreier beſchaͤmt — nein, das kann kein Marktſchreier werden! — oder fluchend, daß ihm der Markt verdorben worden iſt, hinter den Vorhang entſchluͤpft. So gieng’s uns ohngefaͤhr vor ein Paar Monaten mit der famoͤſen Aracacha. Die Englaͤnder verkuͤndigten ſie uns als eine neuentdeckte aͤußerſt wichtige, und fuͤr die Menſchheit wohlthaͤtige Wunderpflanze aus Suͤdamerika; und ſetzten ſie neben, oder ſelbſt noch uͤber die Allernaͤhrerin, die Kartoffel — der man in jedem Parke einen Altar, wie die alten Aegypter der Zwiebel — bauen ſollte. Nachdem die neue Maͤhr nun alle Zeitungsbuden durchlaufen hatte, ſo traten ein Paar kluge Maͤnner, ein A. v. Humbold in Berlin, und Lict. Nemnich in Hamburg auf, und ſagten ihre Meinung uͤber die Raritaͤt; und nun iſt die Sache abgethan. Es iſt aber doch werth, das ſchaͤtzbare Gutachten Beider im teutſchen Garten- Magazine — das, wie es mir ſcheint, allen Marktſchreiereien im Gartenweſen ohnedies nicht hold iſt — aufzubewahren. Hier folgen ſie. Pilopatris. Hrn. Al. v. Humboldt’s Erklaͤrung uͤber die Aracacha im Hamburger Correſpondenten Nr. 168. v. Jahr 1807. Da mein Name zufaͤllig bei Gelegenheit dieſer Pflanze genannt worden iſt, ſo glaube ich, um das Mißverſtaͤndniß zu verhuͤten, als zweiflelte ich an der Nuͤtzlichkeit, oder gar an der Exiſtenz dieſer Pflanze, folgende Erlaͤuterung dem Publicum ſchuldig zu ſeyn. Wir erinnern uns mehrmals eine paſtinakaͤhnliche Wurzel geſehen zu haben, welche man Aracacha nennte. Da wir aber nie Gelegenheit hatten dieſe Gartenpflanze bluͤhen zu ſehen, oder botaniſch zu unterſuchen, ſo wiſſen wir nicht, zu welchem Geſchlechte ſie gehoͤrt. Ihre Cultur in Europa mag allerdings nuͤtzlich ſeyn. Daß dieſelbe aber je ſo wichtig ſeyn koͤnne, als die Cultur der Kartoffeln, der Batatten oder Dioſkoreen, iſt mir ſehr unwahrſcheinlich. Der Pater Gili erwaͤhnt der Aracacha als einer Gartenpflanze, und leitet den Namen aus der Inka- oder Quichua-Sprache her. (Saggio di Storia americana. T. IV.) A. v. Humbold.