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Alexander von Humboldt: „1. Ueber die alten Aturer am Orinoco / 2. Ein Mexicanischer Riese“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1806-xxx_1_Ueber_die-1-neu> [abgerufen am 06.12.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1806-xxx_1_Ueber_die-1-neu
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Titel 1. Ueber die alten Aturer am Orinoco / 2. Ein Mexicanischer Riese
Jahr 1806
Ort Weimar
Nachweis
in: Magazin für den neuesten Zustand der Naturkunde mit Rücksicht auf die dazu gehörigen Hülfswissenschaften 12:6 (Dezember 1806), S. 481–486.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: II.49
Dateiname: 1806-xxx_1_Ueber_die-1-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 6
Zeichenanzahl: 5494

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1. Ueber die alten Aturer am Orinoco.

  • (Aus einem Briefe des Hrn. Kammerherrn von Humboldt. Bey Gelegenheit eines hoͤchſt ſel-tenen und uͤberaus charakteriſtiſchen Schaͤdels vonjenem beruͤhmten Volke, womit der Hr. Kam-merherr meine Sammlung bereichert hat. Eine |482| vorlaͤufige Nachricht von dieſem merkwuͤrdigenKopfe iſt in den Goͤttingiſchen gelehrtenAnzeigen St. 157 v. d. J. gegeben. Aus-fuͤhrlicher wird er in der Decas quinta colle-ctionis craniorum diversarum gentium be-ſchrieben und abgebildet.)
Man nennt Alto-Orinoco die unbekannteWelt, ſuͤdlich von den Cataracten von Atures und Maypure. Atures habe ich lat.39′ 10″, Maypure 5° 13′ 4″ gefunden. In Atures ſprechen die Indianer jetzt die Spracheder laͤngſt ausgeſtorbenen Nation der Maypu-rer, und in Maypure ſelbſt hingegen die der Guareken. In dem Waſſerfalle von Atures und etwas ſuͤdlicher am Ufer des kleinen Bachs Cataniapo ſind die jetzt berufnen Grabhoͤhlen.Die Indianer haben ſie lange verheimlicht, aberder Franziskanermoͤnch Zea hat ſie beſucht unduns gezeigt. Man glaubt, die ausgeſtorbene Na-tion der Aturer habe, von Feinden gedraͤngt,zuletzt auf den Felſen im Waſſerfalle gelebt, unddort ihre Grabſtaͤtte fuͤr ſicher und unverſtoͤrbargehalten. Wir beſuchten im May 1800 die Hoͤh-le von Ataruipe. Man erſteigt faſt mit Ge-fahr die ſteile Granitwand. Die Hoͤhle (Cueva) iſt ein durch ehemalige Waſſerrevolutionen aus-gehoͤhlter Granitfels, der weit uͤberhaͤngt. Ro-mantiſcher iſt ſchwerlich etwas zu denken. Herr- |483| liche Palmgebuͤſche umher, das Toben und Schaͤu-men der Cataracten, in der Ferne das blaue Ge-birge Uniama. Ich vergeſſe dieſen Eindrucknie. — Wir zaͤhlten an 600 vollſtaͤndige Ske-lette; jedes in einen Korb von Palmblaͤttern, denman Mapire nennt, eingewickelt. Selbſt die klein-ſten Kinder ſind ſo eingepackt. Keine Phalangefehlt. Die Knochen ſind auf dreierlei Art zu-bereitet. Theils naͤmlich bloß gebleicht, theils mit Onoto (Bixa orellana) roth gefaͤrbt, theilsals Mumien mit wohlriechendem Harz und Blaͤt-tern eingeknetet. Von den letztern iſt uns einTheil eines Skelettes in dem Schiffbruch verlo-ren gegangen, den unſer Freund, der Moͤnch Juan Gonzales, an der afrikaniſchen Kuͤſte erlitten. Die Indianer erzaͤhlen, man habe dieLeichen erſt auf einige Monate in die Erde ge-graben, bis das mehreſte Muskelfleiſch verzehrtworden, dann ſey das uͤbrige deſſelben von demGerippe mit ſcharfen Steinen abgeſchabt worden.Außer jenen Mapires (wie Koͤrbe oder geflochteneSaͤcke) giebt es auch Sarcophagen von unge-branntem Thon, 4 Fuß lang, 3 Fuß hoch, mitEinfaſſungen von ſogenanntem à la Grecque ge-ziert und mit Crocodillen bemalt. Dieſe Behaͤl-ter ſind voller Knochen; vielleicht von ganzen Fa-milien. Alles zeigt betraͤchtliche Kultur dieſes al-ten Volkes an. Die Indianer ſahen mit großem |484| Unwillen, daß wir in dieſen Knochen wuͤhlten.Mit Verwunderung fanden wir hier auch zweiSchaͤdel von der europaͤiſch-caucaſiſchen Bildung.Varietaͤten der Atures waren es nicht. Viel-leicht Zamben oder Meſtiſſen, die ſich verlaufenund friedlich unter dieſen Indianern gelebt hat-ten. Die Atures waren verwandt mit den Macos und Piraoas, gutmuͤthige Voͤlkchen,welche noch exiſtiren und in dieſer Naͤhe hauſen.Gegenuͤber am linken Orinoco-Ufer wohnen dieungeſchlachten rohen Otomaken, Guamen und Guahiben. — So viel von der Cuevade Ataruipe, die wahrſcheinlich ihren Namenvon einem alten Heerfuͤhrer hat.

2. Ein Mexikaniſcher Rieſe.(Aus eben dieſem Briefe.)

Beikommende zwei Oelgemaͤlde ſind auf’s ge-treuſte nach den Originalen copirt, welche DonJoſe Ximeno, der Director der Malerakademiein Mexico, verfertigt hat. Sie ſtellen beideden beruͤhmten mexicaniſchen Rieſen, MartinSalmeron vor, der jetzt 34 Jahre alt, 6 Fuß10 Zoll 2\( \frac{2}{3} \) Linien Pariſ. Maaß hoch, und auf’s |485| ſchoͤnſte proportionirt iſt. Er iſt ein Indianer mitetwas weißem Blute gemiſcht, alſo eigentlich Me-ſtiſſe, aber von aſtekiſcher Abkunft, in einer tem-perirten Gegend bei Chilpanzingo (auf demWege von Mexico nach Acapulco ) geboren.Das Portrait iſt frappant aͤhnlich, hat etwas ſehrungeſchlachtes im Ausdrucke, auch iſt der Menſchſelbſt ſehr energiſch, boͤſe und Haͤndel ſuchend, wes-halb er oft in Arreſt kommt. Seine acht Geſchwi-ſter ſind ſehr klein. Er wiegt zehn Arrobas (à 25ſpaniſche Pfund) und 15 Libras. Sein Geſichtdruͤckt nicht ganz die indianiſche Phyſiognomie aus.Nationalzuͤge ſind nicht darin zu verkennen, aberſein Geſicht iſt lebhafter, als ſonſt die amerikaniſche(faſt mongoliſche) Geſichtsbildung zu ſeyn pflegt.Da alle Meſtizen- und Mexiken-Indianer ſehr klein,von 4 F. 8 bis 11 Zoll (Pariſ. Maaß) ſind, ſo mußSie dieſer Salmeron intereſſiren. Buckliche,Zwerge, Schielende ꝛc. ſieht man unter den India-nern nicht. Dieſe Raſſe, dem Naturzuſtande naͤ-her, variirt weit ſeltner, als die zum Abſpringenund Ausarten geneigtere caucaſiſche. Wer hat auchbuckliche und zwergartige Neger geſehen? — Dasandere Gemaͤlde mit der ganzen Figur des Sat-meron intereſſirt Sie des Anzuges wegen. Es iſtdas gewoͤhnliche Coſtume, welches in Mexico vornehmere Indianer oder Meſtizen (z. B. wohl-habende Schuſter, Schneider ꝛc.) tragen. Euro- |486| paͤiſche Beinkleider und der alte mexicaniſche Man-tel (Poncho) daruͤber. So gekleidet an Feſttagengruppirt ſich das mexicaniſche Volk jetzt ſehr huͤbſchauf den Straßen. Sie ſehen es dem Anzuge an,daß das Thermometer (in 9000 Fuß Hoͤhe) bis zumGefrierpunkte herabſinkt.