Ueber die Verbreitung und Mannigfaltigkeit des organiſchen Lebens, beſonders der Pflanzen. Wenn der Menſch mit regſamem Sinne die Natur durchforſcht, oder in ſeiner Phantaſie die weiten Raͤume der organiſchen Schoͤpfung mißt, ſo wirkt unter den vielfachen Eindruͤcken die er empfaͤngt, keiner ſo tief und maͤchtig, als der, welchen die allverbreitete Fuͤlle des Lebens erzeugt. Ueberall, ſelbſt am beeisten Pol, ertoͤnt die Luft von dem Geſange der Voͤgel, wie von dem Geſumme ſchwirrender Inſekten. Nicht die unteren Schichten allein, in welchen die verdichteten Duͤnſte ſchweben, auch die oberen aͤtheriſchreinen ſind belebt. Denn ſo oft man den Ruͤcken der peruaniſchen Cordilleren, oder ſuͤdlich vom Leman-See , den Gipfel des Weißen-Berges beſtieg, hat man ſelbſt in dieſen Einoͤden noch Thiere entdeckt. Am Chimborazo, faſt zweimal hoͤher als der Aetna, ſahen wir Schmetterlinge und andere gefluͤgelte Inſekten. Wenn auch, von ſenkrechten Luftſtroͤmen getrieben, ſie ſich dahin, als Fremdlinge, verirrten, wohin unruhige Forſchbegier des Menſchen ſorgſame Schritte leitet; ſo beweiſet ihr Daſeyn doch, daß die biegſamere animaliſche Schoͤpfung ausdauert, wo die vegetabiliſche laͤngſt ihre Graͤnze erreicht hat. Hoͤher, als der Kegelberg von Teneriffa , auf den ſchneebedeckten Ruͤcken der Pyrenaͤen gethuͤrmt; hoͤher als alle Gipfel der Andeskette; ſchwebte oft uͤber uns der Cundur, der Rieſe unter den Geiern . Raubſucht und Nachſtellung der zartwolligen Vicunna’s , welche gemſenartig und heerdenweiſe in den beſchneiten Grasebenen ſchwaͤrmen, locken den maͤchtigen Vogel in dieſe Region. les couches, les régions inférieures. le lac de Genéve. le Mont-Blanc. le Pic de Ténériſſe, haut de 3700 mètres. Der bekannte Cundur oder Condor (Vultur gryphus) iſt der größte fliegende Vogel. Die größten Individuen, welche man in der Andeskette um Quito fand, maßen mit ausgeſpannten Flügeln 14, die kleinern 8 Fuß. Der Cundur iſt unter allen lebendigen Geſchöpfen wahrſcheinlich dasjenige, welches ſich willkürlich, denn kleine Inſekten werden von dem aufſteigenden Luftſtrome noch höher aufwärts getrieben, am weiteſten von der Oberfläche unſers Erdballs entfernt. Die Region, welche man als den gewöhnlichen Aufenthalt des Cundur betrachten kann, fängt in der Höhe des Aetna an. Sie begreift Luftſchichten, die zwiſchen 1600 und 3000 Toiſen über dem Meeresſpiegel erhaben ſind. Der Verfaſſer ſah den Cundur oft in einer abſoluten Höhe von 3639 Toiſen, ja noch höher ſchweben. Es iſt eine merkwürdige phyſiologiſche Erſcheinung, daß derſelbe Vogel, welcher ſtundenlang in ſo luftdünnen Regionen im Kreiſe umherfliegt, ſich bisweilen plötzlich zum Meeresufer herabſenkt und in einigen Stunden gleichſam alle Klimate durchfliegt. — Der Pic von Teneriffa hat 11,400 Fuß Höhe, und der höchſte Gipfel der Pyrenäen, der Pic d’Anethou (welcher 40 Toiſen höher iſt als der Montperdu) 10,722 Fuß (1787 Toiſen). d’envergure, la longueur des ailes déployées. l’Etna est haut de 10,300 pieds. la hauteur absolue, l’élévation au-dessus du niveau de la mer. la vigogne du Pérou, qui tient le milieu entre le chameau et la brebis. Zeigt nun ſchon das unbewaffnete Auge den ganzen Luftkreis belebt, ſo enthuͤllt noch groͤßere Wunder das bewaffnete Auge. Raͤderthiere , Brachionen, und eine Schaar mikroſkopiſcher Geſchoͤpfe heben die Winde aus den trocknenden Gewaͤſſern empor. Unbeweglich und in Scheintod verſenkt, ſchweben ſie in den Luͤften, bis der Thau ſie zur naͤhrenden Erde zuruͤckfuͤhrt, die Huͤlle loͤst, die ihren durchſichtigen wirbelnden Koͤrper einſchließt, und (wahrſcheinlich durch den Lebensſtoff, den alles Waſſer enthaͤlt) den Organen neue Erregbarkeit einhaucht. le rotifère et le brachion, animalcules zoophytes, qui vivent dans les eaux croupissantes, et qu’on ne peut observer qu’au moyen d’une loupe. Neben den entwickelten Geſchoͤpfen traͤgt der Luftkreis auch zahlloſe Keime kuͤnftiger Bildungen, Inſekten-Eier und Eier der Pflanzen, die durch Haar- und Feder-Kronen zur langen Herbſtreiſe geſchickt ſind. Selbſt den belebenden Staub, den, bei getrennten Geſchlechtern, die maͤnnlichen Bluͤten ausſtreuen, tragen Winde und gefluͤgelte Inſekten uͤber Meer und Land den einſamen weiblichen zu. Wohin der Blick des Naturforſchers dringt, iſt Leben oder Keim zum Leben verbreitet. Dient aber auch das bewegliche Luftmeer, in das wir getaucht ſind, und uͤber deſſen Oberflaͤche wir uns nicht zu erheben vermoͤgen, vielen organiſchen Geſchoͤpfen zur nothwendigſten Nahrung; ſo beduͤrfen dieſelben dabei doch noch einer groͤbern Speiſe, welche nur der Boden dieſes gasfoͤrmigen Oceans darbietet. Dieſer Boden iſt zweifacher Art. Den kleinern Theil bildet die trockene Erde, unmittelbar von Luft umfloſſen; den groͤßern Theil bildet das Waſſer, vielleicht vor Jahrtauſenden durch elektriſches Feuer aus luftfoͤrmigen Stoffen zuſammengeronnen, und jetzt unaufhoͤrlich in der Werkſtatt der Wolken, wie in den pulſirenden Gefaͤßen der Thiere und Pflanzen zerſetzt. Unentſchieden iſt es, wo groͤßere Lebensfuͤlle verbreitet ſey; ob auf dem Continent, oder in dem unergruͤndeten Meere. In dieſem erſcheinen gallertartige Seegewuͤrme, bald lebendig, bald abgeſtorben, als leuchtende Sterne . Ihr Phosphorlicht wandelt die gruͤnliche Flaͤche des unermeßlichen Oceans in ein Feuermeer um. Unausloͤſchlich wird mir der Eindruck jener ſtillen Tropen-Naͤchte der Suͤdſee bleiben, wo aus der duftigen Himmelsblaͤue das hohe Sternbild des Schiffes und das geſenkt untergehende Kreuz ihr mildes planetartiges Licht ausgoſſen, und wo zugleich in der ſchaͤumenden Meeresfluth die Delphine ihre leuchtende Furchen zogen. Das Leuchten des Oceans gehört zu den prachtvollen Naturerſcheinungen, die Bewunderung erregen, wenn man ſie auch Monate lang mit jeder Nacht wiederkehren ſieht. Unter allen Zonen phosphorescirt das Meer; wer aber das Phänomen nicht unter den Wendekreiſen (beſonders in der Südſee) geſehen, hat nur eine unvollkommene Vorſtellung von der Majeſtät dieſes großen Schauſpiels. Wenn ein Kriegsſchiff bei friſchem Winde die ſchäumende Fluth durchſchneidet, ſo kann man ſich, auf einer Seitengallerie ſtehend, an dem Anblick nicht ſättigen, den der nahe Wellenſchlag gewährt. So oft die entblößte Seite des Schiffs ſich umlegt, ſcheinen röthliche Flammen blitzähnlich vom Kiel aufwärts zu ſchießen. Der Grund dieſer Erſcheinung liegt wahrſcheinlich in faulenden Fäſerchen abgeſtorbener Mollusken (gallertartiger Meergewürme), die in zahlloſer Menge im Waſſer zerſtreut ſind. Bisweilen wird das Leuchten des Meerwaſſers auch durch mehrere leuchtende Mollusken, welche bei ihrem Leben nach Willkür ein ſchwaches Phosphorlicht verbreiten, bewirkt. Aber nicht der Ocean allein, auch die Sumpfwaſſer verbergen zahlloſe Wuͤrmer von wunderbarer Geſtalt. Unſerm Auge faſt unerkennbar ſind die Cyclidien, die gefranzten Trichoden und das Heer der Naiden , theilbar durch Aeſte, wie die Lemna , deren Schatten ſie ſuchen. Von mannichfaltigen Luftgemengen umgeben und mit dem Lichte unbekannt, athmen die gefleckte Askaris , welche die Haut des Regenwurms, die ſilberglaͤnzende Leukophra, welche das Innere der Ufer-Naide , und ein Pentaſtoma, welches die weitzellige Lunge der tropiſchen Klapperſchlange bewohnt. So ſind auch die verborgenſten Raͤume der Schoͤpfung mit Leben erfuͤllt. Wir wollen hier beſcheiden bei den Geſchlechtern der Pflanzen verweilen; denn auf ihrem Daſeyn beruht das Daſeyn der thieriſchen Schoͤpfung. Unablaͤßig ſind ſie bemuͤht, den rohen Stoff der Erde organiſch an einander zu reihen, und vorbereitend durch lebendige Kraft zu miſchen, was nach tauſend Umwandlungen zur regſamen Nervenfaſer veredelt wird. Derſelbe Blick, den wir auf die Verbreitung der Pflanzendecke heften, enthuͤllt uns die Fuͤlle des thieriſchen Lebens, das von jener genaͤhrt und erhalten wird. les cyclides et les trichodes, vers des marais. les naïades, vers aquatiques; si on les coupe, il s’en forme plusieurs. la lentille des marais. mélanges d’air. les ascarides, vers des intestins. nais littoralis. Ungleich iſt der Teppich gewebt, den die bluͤtenreiche Flora uͤber den nackten Erdkoͤrper ausbreitet; dichter, wo die Sonne hoͤher an dem nie bewoͤlkten Himmel emporſteigt; lockerer gegen die traͤgen Pole hin, wo der wiederkehrende Froſt bald die entwickelte Knospe toͤdtet, bald die reifende Frucht erhaſcht. Doch uͤberall darf der Menſch ſich der naͤhrenden Pflanzen erfreuen. Trennt im Meeresboden ein Vulkan die kochende Fluth, und ſchiebt ploͤtzlich (wie einſt zwiſchen den griechiſchen Inſeln) einen ſchlackigen Fels empor; oder erheben (um an eine friedlichere Naturerſcheinung zu erinnern) die eintraͤchtigen Lithophyten ihre zelligen Wohnungen, bis ſie nach Jahrtauſenden, uͤber den Waſſerſpiegel hervorragend, abſterben und ein flaches Corallen-Eiland bilden: ſo ſind die organiſchen Kraͤfte ſogleich bereit, den todten Fels zu beleben. Was den Samen ſo ploͤtzlich herbeifuͤhrt: ob wandernde Voͤgel, oder Winde, oder die Wogen des Meeres, iſt bei der großen Entfernung der Kuͤſten ſchwer zu entſcheiden. Aber auf dem nackten Steine, ſobald ihn zuerſt die Luft beruͤhrt, bildet ſich in den nordiſchen Laͤndern ein Gewebe ſammtartiger Faſern, die dem unbewaffneten Auge als farbige Flecken erſcheinen. Einige ſind durch hervorragende Linien bald einfach, bald doppelt begraͤnzt; andere ſind in Furchen durchſchnitten und in Faͤcher getheilt. Mit zunehmendem Alter verdunkelt ſich ihre lichte Farbe. Das fernleuchtende Gelb wird braun, und das blaͤuliche Grau der Leprarien verwandelt ſich nach und nach in ein ſtaubartiges Schwarz. Die Graͤnzen der alternden Decke fließen in einander, und auf dem dunkeln Grunde bilden ſich neue zirkelrunde Flechten von blendender Weiße. So lagert ſich ſchichtenweiſe ein organiſches Gewebe auf das andere; und wie das ſich anſiedelnde Menſchengeſchlecht beſtimmte Stufen der ſittlichen Cultur durchlaufen muß, ſo iſt die allmaͤlige Verbreitung der Pflanzen an beſtimmte phyſiſche Geſetze gebunden. Wo jetzt hohe Waldbaͤume ihre Gipfel luftig erheben, da uͤberzogen einſt zarte Flechten das erdenloſe Geſtein. Laubmooſe, Graͤſer, krautartige Gewaͤchſe und Straͤucher fuͤllen die Kluft der langen, aber ungemeſſenen Zwiſchenzeit aus. Was im Norden Flechten und Mooſe, das bewirken in den Tropen Portulaca, Gomphrenen, und andere niedrige Uferpflanzen. Die Geſchichte der Pflanzendecke, und ihre allmaͤlige Ausbreitung uͤber die oͤde Erdrinde, hat ihre Epochen, wie die Geſchichte des ſpaͤtern Menſchengeſchlechts. les coraux. nom de cette espèce de mousse qui se forme sur les rochers: plantes lèpreuses. Iſt aber auch Fuͤlle des Lebens uͤberall verbreitet; iſt der Organismus auch unablaͤßig bemuͤhet, die durch den Tod entfeſſelten Elemente zu neuen Geſtalten zu verbinden: ſo iſt dieſe Lebensfuͤlle und ihre Erneuerung doch nach Verſchiedenheit der Himmelsſtriche verſchieden. Periodiſch erſtarrt die Natur in der kalten Zone; denn Fluͤſſigkeit iſt Bedingniß zum Leben. Thiere und Pflanzen (Laubmooſe und andere Kryptogamen abgerechnet) liegen hier viele Monate hindurch im Winterſchlaf vergraben. In einem großen Theile der Erde haben daher nur ſolche organiſche Weſen ſich entwickeln koͤnnen, welche einer betraͤchtlichen Entziehung von Waͤrmeſtoff widerſtehen, oder einer langen Unterbrechung der Lebensfunktionen faͤhig ſind. Je naͤher dagegen den Tropen, deſto mehr nimmt Mannichfaltigkeit der Bildungen, Anmuth der Form und des Farbengemiſches, ewige Jugend und Kraft des organiſchen Lebens zu...... Wer die Natur mit Einem Blicke zu umfaſſen, und von Localphaͤnomenen zu abſtrahiren weiß, der ſieht, wie mit Zunahme der belebenden Waͤrme, von den Polen zum Aequator hin, ſich auch allmaͤlig organiſche Kraft und Lebensfuͤlle vermehren. Aber bei dieſer Vermehrung ſind doch jedem Erdſtriche beſondere Schoͤnheiten vorbehalten: den Tropen Mannichfaltigkeit und Groͤße der Pflanzenformen; dem Norden der Anblick der Wieſen, und das periodiſche Wiedererwachen der Natur beim erſten Wehen der Fruͤhlingsluͤfte. Jede Zone hat außer den ihr eigenen Vorzuͤgen auch ihren eigenthuͤmlichen Charakter. So wie man an einzelnen organiſchen Weſen eine beſtimmte Phyſiognomie erkennt, ſo giebt es auch eine gewiſſe Natur-Phyſiognomie, welche jedem Himmelsſtriche ausſchließlich zukommt... faire abstraction de certains phénomènes accidentels, attachés aux localités. Wenn aber auch der Charakter verſchiedener Weltgegenden von allen aͤußeren Erſcheinungen zugleich abhaͤngt; wenn Umriß der Gebirge, Phyſiognomie der Pflanzen und Thiere, wenn Himmelsblaͤue, Wolkengeſtalt und Durchſichtigkeit des Luftkreiſes den Totaleindruck bewirken; ſo iſt doch nicht zu laͤugnen, daß das Hauptbeſtimmende dieſes Eindrucks die Pflanzendecke iſt. Dem thieriſchen Organismus fehlt es an Maſſe, und die Beweglichkeit der Individuen entzieht ſie oft unſern Blicken. Die Pflanzenſchoͤpfung dagegen wirkt durch ſtetige Groͤße auf unſere Einbildungskraft. Ihre Maſſe bezeichnet ihr Alter, und in den Gewaͤchſen allein iſt Alter und Ausdruck ſtets ſich erneuernder Kraft mit einander gepaart. Der rieſenfoͤrmige Drachenbaum, den ich auf den kanariſchen Inſeln ſah, und der 16 Schuh im Durchmeſſer hat, traͤgt noch immerdar (gleichſam in ewiger Jugend) Bluͤte und Frucht. Als franzoͤſiſche Abentheurer, die Bethencourts, im Anfang des fuͤnfzehnten Jahrhunderts, die gluͤcklichen Inſeln eroberten, war der Drachenbaum von Orotava (den Eingebornen heilig wie der Oelbaum in der Burg zu Athen, oder die Ulme zu Epheſus) von eben der koloſſalen Staͤrke als jetzt. In den Tropen iſt ein Wald von Hymenaͤen und Caͤſalpinien vielleicht das Denkmal von einem Jahrtauſend. ce qui détermine principalement. le dragonier d’Orotava dans l’île de Ténériffe, haut de 60 pieds, a, près des racines, une circonférence de 45 pieds; à une hauteur de dix pieds le tronc a douze pieds de diamètre. qui fournissent le bois de Fernambuc, ou de Brésil. Umfaßt man mit Einem Blick die verſchiedenen Pflanzenarten, welche bereits auf dem Erdboden entdeckt ſind, und deren Zahl nach Decandolles Schaͤtzung, uͤber 56,000 betraͤgt; ſo erkennt man in dieſer wundervollen Menge wenige Hauptformen, auf welche ſich alle andere zuruͤckfuͤhren laſſen, und von deren individueller Schoͤnheit, Vertheilung und Gruppirung die Phyſiognomie der Vegetation eines Landes abhaͤngt. Die Zahl dieſer Formen wird gewiß anſehnlich vermehrt werden, wenn man einſt in das Innere der Continente tiefer eindringt, und neue Pflanzengattungen entdeckt. Im ſuͤdoͤſtlichen Aſien, im Innern vonAfrikaund Neuholland, in Suͤd-Amerika, vom Amazonenſtrome bis zu der Provinz Chiquitos hin, iſt uns die Vegetation noch voͤllig unbekannt. Wie, wenn man einmal ein Land entdeckte, in dem holzige Schwaͤmme, z. B. Clavarien, oder Mooſe, hohe Baͤume bildeten? Neckera dendroïdes, ein deutſches Laubmoos, iſt in der That baumartig, und die tropiſchen Farrenkraͤuter, oft hoͤher als unſere Linden und Erlen, ſind fuͤr den Europaͤer noch jetzt ein eben ſo uͤberraſchender Anblick, als dem erſten Entdecker ein Wald hoher Laubmooſe ſeyn wuͤrde! Groͤße und Entwicklung der Organe haͤngt von der Beguͤnſtigung klimatiſcher Verhaͤltniſſe ab. Die kleine, aber ſchlanke Form unſerer Eidechſe dehnt ſich im Suͤden zu dem koloſſalen und gepanzerten Koͤrper furchtbarer Krokodile aus. In den ungeheuern Katzen vonAfrikaund Amerika, im Tieger, im Loͤwen und Jaguar, iſt die Geſtalt eines unſerer kleinſten Hausthiere nach einem groͤßern Maßſtabe wiederholt. Dringen wir gar in das Innere der Erde, durchwuͤhlen wir die Grabſtaͤtte der Pflanzen und Thiere, ſo verkuͤndigen uns die Verſteinerungen nicht bloß eine Vertheilung der Formen, die mit den jetzigen Klimaten im Widerſpruch ſteht; nein, ſie zeigen uns auch koloſſale Geſtalten, welche mit den kleinlichen, die uns gegenwaͤrtig umgeben, nicht minder contraſtiren, als die einfache Heldennatur der Griechen gegen die Charaktergroͤße neuerer Zeit. Hat die Temperatur des Erdkoͤrpers betraͤchtliche, vielleicht periodiſch wiederkehrende Veraͤnderungen erlitten, iſt das Verhaͤltniß zwiſchen Meer und Land, ja ſelbſt die Hoͤhe des Luftoceans und ſein Druck nicht immer derſelbe geweſen; ſo muß die Phyſiognomie der Natur, ſo muͤſſen Groͤße und Geſtalt des Organismus, ebenfalls ſchon manchem Wechſel unterworfen geweſen ſeyn. Al. v. Humboldt.