Ueber die Verbreitung und den verſchiedenen Charakter des organiſchen Lebens, beſonders der Pflanzen. Wenn der Menſch mit regſamem Sinne die Natur durchforſcht, oder in ſeiner Phantaſie die weiten Raͤume der organiſchen Schoͤpfung miſſ’t, ſo wirkt unter den vielfachen Eindruͤcken die er empfaͤngt, keiner ſo tief und maͤchtig, als der, welchen die allverbreitete Fuͤlle des Lebens erzeugt. Ueberall, ſelbſt am beeiſ’ten Pol, ertoͤnt die Luft von dem Geſange der Voͤgel, wie von dem Sumſen ſchwirrender Inſecten. Nicht die unteren Schichten allein, in welchen die verdichteten Duͤnſte ſchweben, auch die oberen aͤtheriſch-reinen ſind belebt. Denn ſo oft man den Ruͤcken der peruaniſchen Cordilleren, oder, ſuͤdlich vom Leman-See, den Gipfel des Weißen-Berges beſtieg, hat man ſelbſt in dieſen Einoͤden noch Thiere entdeckt. Am Chimborazo, faſt zweimal hoͤher als der Aetna, ſahen wir Schmetterlinge und andere gefluͤgelte Inſecten . Wenn auch, von ſenkrechten Luftſtroͤmen getrieben, ſie ſich dahin, als Fremdlinge, verirrten, wohin unruhige Forſchbegier des Menſchen ſorgſame Schritte leitet; ſo beweiſet ihr Daſein doch, daß die biegſamere animaliſche Schoͤpfung ausdauert, wo die vegetabiliſche laͤngſt ihre Grenze erreicht hat. Hoͤher, als der Kegelberg von Teneriffa auf den ſchneebedeckten Ruͤcken der Pyrenaͤen gethuͤrmt; hoͤher, als alle Gipfel der Andeskette, ſchwebte oft uͤber uns der Cundur, der Rieſe unter den Geiern . Raubſucht und Nachſtellung der zartwolligen Vicunna’s , welche gemſenartig und heerdenweiſe in den beſchneiten Grasebenen ſchwaͤrmen, locken den maͤchtigen Vogel in dieſe Region. Wie kleine Singvögel und ſelbſt Schmetterlinge zuweilen bei Stürmen, die vom Lande her blaſen, mitten auf dem Meere, in großen Entfernungen von den Küſten, angetroffen werden: ebenſo unwillkürlich gelangen Inſecten 15,000 bis 18,000 Fuß hoch uͤber die Ebenen in die höchſte Luftregion. Die erwärmte Erdrinde veranlaßt nämlich eine ſenkrechte Strömung, durch welche leichte Körper aufwärts getrieben werden. Als der Verfaſſer und Bonpland am 23ſten Junius 1802 am öſtlichen Abfall des Chimborazo bis zu einer Höhe von 3016 Toiſen gelangten, ſahen ſie geflügelte Inſecten um ſich ſchwirren. Dieſe Thierchen ſchwirrten etwa in 2850 Toiſen Höhe, 2400 Fuß höher als der Gipfel des weißen Bergs (Montblanc). Auf Letzterem fand Sauſſüre Schmetterlinge. — Die ſenkrechte Höhe des Chimborazo beträgt 3350 Toiſen. (N. d. V.) Der Aetna hat 10,600 Fuß Höhe. Der bekannte Cundur oder Condor (Vultur gryphus) iſt der größte fliegende Vogel. Die größten Individuen, welche man in der Andeskette um Quito fand, maßen mit ausgeſpannten Flügeln 14, die kleinern 8 Fuß. Der Cundur iſt unter allen lebendigen Geſchöpfen wahrſcheinlich, das jenige, welches ſich willkürlich — denn kleine Inſecten werden von dem aufſteigenden Luftſtrome noch höher aufwärts getrieben — am weiteſten von der Oberfläche unſers Erdballs entfernt. Die Region, welche man als den gewöhnlichen Aufenthalt des Cundur betrachten kann, fängt in der Höhe des Aetna an. Sie begreift Luftſchichten, die zwiſchen 1600 und 3000 Toiſen über dem Meeresſpiegel erhaben ſind. Der Verfaſſer ſah den Cundur oft in einer abſoluten Höhe von 3639 Toiſen, ja noch höher ſchweben. Es iſt eine merkwürdige phyſiologiſche Erſcheinung, daß derſelbe Vogel, welcher ſtundenlang in ſo luftdünnen Regionen im Kreiſe umherfliegt, ſich bisweilen plötzlich zum Meeresufer herabſenkt und in einigen Stunden gleichſam alle Klimate durchfliegt. — Der Pic von Teneriffa hat 11,400 Fuß Höhe, und der höchſte Gipfel der Pyrenäen, der Pic d’Anethou, (welcher 40 Toiſen höher iſt als der Montperdu) 10,722 (1787 Toiſen). (N. d. V.) S. oben S. 681. Anm. 1. Zeigt nun ſchon das unbewaffnete Auge den ganzen Luftkreis belebt, ſo enthuͤllt noch groͤßere Wunder das bewaffnete Auge. Raͤderthiere, Brachionen, und eine Schaar mikroſkopiſcher Geſchoͤpfe heben die Winde aus den trocknenden Gewaͤſſern empor. Unbeweglich und in Scheintod verſenkt, ſchweben ſie in den Luͤften, bis der Thau ſie zur naͤhrenden Erde zuruͤckfuͤhrt, die Huͤlle loͤſ’t, die ihren durchſichtigen wirbelnden Koͤrper einſchließt, und (wahrſcheinlich durch den Lebensſtoff, den alles Waſſer enthaͤlt) den Organen neue Erregbarkeit einhaucht . Die Räderthiere (Rotifer), kaum ſichtbare Thierchen, haben einen ſpindelförmigen Leib und vorn (neben dem Mund) 2 Räder, die aus flimmernden Haaren beſtehen. Das gemeine Räderthier (B. vulgaris, Vorticella rotatoria), durch die Glaslinſe ſichtbar, lebt in ſtehenden Waſſern, ſteht gewöhnlich mit dem Schwanz auf Waſſerpflanzen und kriecht auf denſelben ſpannenmeſſend fort, wie ein Blutegel. Der Schwanz beſteht aus mehren Röhren, die ſich wie ein Fernrohr in einander ſchieben; die Räder ſind wie dicke Fühlhörner, deren oberer Rand mit feinen Wimpern umgeben iſt; dieſe rudern beſtändig, ſo daß es ausſieht, als liefe ein Rad um; dazwiſchen iſt ein ſchnauzenähnliches Maul, welches zu einem Darm führt, auch ſind Augenpunkte vorhanden. (Oken). — Fontana erzählt, daß es ihm glückte, ein Räderthier, welches 2 ½ Jahr getrocknet, und alſo unbeweglich lag, durch einen Waſſertropfen in 2 Stunden wieder zu beleben. (D. V.) — Brachionus iſt das vorige Thier mit einer papierartigen Schale bedeckt und findet ſich mit dem vorigen (Oken). Neben den entwickelten Geſchoͤpfen traͤgt der Luftkreis auch zahlloſe Keime kuͤnftiger Bildungen, Inſecten-Eier und Eier der Pflanzen, die durch Haar- und Feder-Kronen zur langen Herbſtreiſe geſchickt ſind. Selbſt den belebenden Staub, den, bei getrennten Geſchlechtern, die maͤnnlichen Bluͤthen ausſtreuen, tragen Winde und gefluͤgelte Inſecten uͤber Meer und Land den einſamen weiblichen zu . Wohin der Blick des Naturforſchers dringt, iſt Leben oder Keim zum Leben, verbreitet. Es iſt bekannt, daß bei manchen Pflanzen, wie z. B. bei den Weiden, die gewöhnlich in eine Blüthe vereinigten verſchiedenartigen Blüthentheile, welche zuſammen den Samen erzeugen, und die man die männlichen und weiblichen (Staubfäden und Stempel) nennt, ſo getrennt ſind, daß ſie nicht zuſammen in einer Blüthe oder auch nur auf einer und derſelben Pflanze wachſen, ſondern auf verſchiedenen, auf der einen die männlichen, auf der andern die weiblichen. In dieſem Falle ſind es Winde und hauptſächlich Bienen, Wespen und eine große Zahl kleiner geflügelter Inſecten, durch welche der Samenſtaub der männlichen Blüthen zu den weiblichen gebracht wird. Dient aber auch das bewegliche Luftmeer, in das wir getaucht ſind, und uͤber deſſen Oberflaͤche wir uns nicht zu erheben vermoͤgen, vielen organiſchen Geſchoͤpfen zur nothwendigſten Nahrung; ſo beduͤrfen dieſelben dabei doch noch einer groͤberen Speiſe, welche nur der Boden dieſes gasfoͤrmigen Oceans darbietet. Dieſer Boden iſt zwiefacher Art. Den kleineren Theil bildet die trockene Erde, unmittelbar von Luft umfloſſen; den groͤßeren Theil bildet das Waſſer, vielleicht einſt vor Jahrtauſenden durch elektriſches Feuer aus luftfoͤrmigen Stoffen zuſammengeronnen, und jetzt unaufhoͤrlich in der Werkſtatt der Wolken, wie in den pulſirenden Gefaͤßen der Thiere und Pflanzen, zerſetzt. Unentſchieden iſt es, wo groͤßere Lebensfuͤlle verbreitet ſei; ob auf dem Continent, oder in dem unergruͤndeten Meere. In dieſem erſcheinen gallertartige Seegewuͤrme, bald lebendig, bald abgeſtorben, als leuchtende Sterne . Ihr Phosphorlicht wandelt die gruͤnliche Flaͤche des unermeßlichen Oceans in ein Feuermeer um. Unausloͤſchlich wird mir der Eindruck jener ſtillen Tropen-Naͤchte der Suͤdſee bleiben, wo aus der duftigen Himmelsblaͤue das hohe Sternbild des Schiffes und das geſenkt untergehende Kreuz ihr mildes planetariſches Licht ausgoſſen, und wo zugleich in der ſchaͤumenden Meeresfluth die Delphine ihre leuchtende Furchen zogen . Das Leuchten des Oceans gehört zu den prachtvollen Naturerſcheinungen, die Bewunderung erregen, wenn man ſie auch Monate lang mit jeder Nacht wiederkehren ſieht. Unter allen Zonen phosphoreſcirt das Meer; wer aber das Phänomen nicht unter den Wendekreiſen (beſonders in der Südſee) geſehen, hat nur eine unvollkommene Vorſtellung von der Majeſtät dieſes großen Schauſpiels. Wenn ein Kriegsſchiff bei friſchem Winde die ſchäumende Fluth durchſchneidet, ſo kann man ſich, auf einer Seitengallerie ſtehend, an dem Anblick nicht ſättigen, den der nahe Wellenſchlag gewährt. So oft die entblößte Seite des Schiffs ſich umlegt, ſcheinen röthliche Flammen blitzähnlich vom Kiel aufwärts zu ſchießen. Der Grund dieſer Erſcheinung liegt wahrſcheinlich in faulenden Fäſerchen abgeſtorbener Mollusken (gallertartiger Meergewürme), die in zahlloſer Menge im Waſſer zerſtreut ſind. Bisweilen wird das Leuchten des Meerwaſſers auch durch mehre leuchtende Mollusken, welche bei ihrem Leben nach Willkür ein ſchwaches Phosphorlicht verbreiten, bewirkt. (N. d. V.) S. oben S. 690. Anm. 1. Die Delphine, bekannte Fiſchſäugethiere von verſchiedener Größe. Aber nicht der Ocean allein, auch die Sumpfwaſſer verbergen zahlloſe Gewuͤrme von wunderbarer Geſtalt. Unſerem Auge faſt unerkennbar ſind die Cyclidien, die gefranzten Trichoden und das Heer der Naiden, theilbar durch Aeſte, wie die Lemna, deren Schatten ſie ſuchen . Von mannichfaltigen Luftgemengen umgeben und mit dem Lichte unbekannt, athmen die gefleckte Askaris, welche die Haut des Regenwurms, die ſilberglaͤnzende Leukophra, welche das Innere der Ufer-Naide, und ein Pentaſtoma, welche die weitzellige Lunge der tropiſchen Klapperſchlange bewohnt . So ſind auch die verborgenſten Raͤume der Schoͤpfung mit Leben erfuͤllt. Wir wollen hier beſcheiden bei den Geſchlechtern der Pflanzen verweilen; denn auf ihrem Daſein beruht das Daſein der thieriſchen Schoͤpfung. Unablaͤßig ſind ſie bemuͤht, den rohen Stoff der Erde organiſch an einander zu reihen, und vorbereitend, durch lebendige Kraft zu miſchen, was nach tauſend Umwandlungen zur regſamen Nervenfaſer veredelt wird. Derſelbe Blick, den wir auf die Verbreitung der Pflanzendecke heften, enthuͤllt uns die Fuͤlle des thieriſchen Lebens, das von jener genaͤhrt und erhalten wird. Die Cyclidien und Trichoden gehören zu den Thieren, deren Leib aus bloßer Haut ohne Knochen, Muskeln und Rückenmark beſteht. Die Cyclidien ſind rundliche, etwas gewölbte Blättchen, die beſonders gern als Schmarotzerthierchen, wie Läuſe, leben. Die Trichoden ſind von verſchiedener Geſtalt, ohne allen Mund und an verſchiedenen Stellen behaart; die Trichoda Sol, in ſtehenden Waſſern lebend, iſt rundlich und mit einem Haarkranz wie Strahlen umgeben. Die Naiden, gewöhnlich Waſſerſchlängelchen genannt, ſind ſchnurförmige, meiſt ſehr kleine Würmchen und leben im ſüßen und im geſalzenen Waſſer; die erſteren ſind ſehr klein und vermehren ſich ſowohl durch Eier, als durch Theilung. Es entſteht nämlich ſonderbarer Weiſe in der Mitte ein Kopf, der gleichſam das vordere Wurmſtück einige Zeit im Mund hält und dann fahren läßt. Entzwei geſchnittene Stücke werden wieder ganze Würmer. (Oken). Sie finden ſich ſehr häufig unter den bekannten Waſſerlinſen (Lemna). Ascaris lumbrici, die kleinſte von allen Askaris-Arten (einer Gattung von Eingeweidewuͤrmern, zu welcher auch die Kinderwürmer gehören,), wohnt unter der Haut des gemeinen Regenwurms. Leucophra nodulata, in eine Klaſſe mit den Trichoden und Cyclidien gehörend, iſt in dem Inneren der im nördlichen Europa auf Seepflanzen vorkommenden kleinen Nais littoralis gefunden worden. Eins von den Eingeweidewürmern Pentaſtoma, welche vorn 1 Mund in der Mitte und 4 darum haben, bewohnt die Bauchhöhle und die weitzelligen Lungen des Crotalus durissus, welcher (3—4 Fuß lang) in Cumana bisweilen ſelbſt im Innern der Häuſer lebt und den Mäuſen nachſtellt. Wahrſcheinlich werden dieſe mikroſkopiſchen Thiere wiederum von andern bewohnt (N. d. V.) Ungleich iſt der Teppich gewebt, den die bluͤthenreiche Flora uͤber den nackten Erdkoͤrper ausbreitet; dichter, wo die Sonne hoͤher an dem nie bewoͤlkten Himmel emporſteigt; lockerer gegen die traͤgen Pole hin, wo der wiederkehrende Froſt bald die entwickelte Knospe toͤdtet, bald die reifende Frucht erhaſcht. Doch uͤberall darf der Menſch ſich der naͤhrenden Pflanzen erfreuen. Trennt im Meeresboden ein Vulkan die kochende Fluth, und ſchiebt ploͤtzlich (wie einſt zwiſchen den griechiſchen Inſeln) einen ſchlakkigen Fels empor; oder erheben (um an eine friedlichere Naturerſcheinung zu erinnern) die eintraͤchtigen Lithophyten ihre zelligen Wohnungen, bis ſie nach Jahrtauſenden uͤber den Waſſerſpiegel hervorragend, abſterben, und ein flaches Corallen-Eiland bilden: ſo ſind die organiſchen Kraͤfte ſogleich bereit, den todten Fels zu beleben. Was den Samen ſo ploͤtzlich herbeifuͤhrt: ob wandernde Voͤgel, oder Winde, oder die Wogen des Meeres; iſt bei der großen Entfernung der Kuͤſten ſchwer zu entſcheiden. Aber auf dem nackten Steine, ſobald ihn zuerſt die Luft beruͤhrt, bildet ſich in den nordiſchen Laͤndern ein Gewebe ſammtartiger Faſern, die dem unbewaffneten Auge als farbige Flecken erſcheinen. Einige ſind durch hervorragende Linien bald einfach, bald doppelt begrenzt; andere ſind in Furchen durchſchnitten und in Faͤcher getheilt. Mit zunehmendem Alter verdunkelt ſich ihre lichte Farbe. Das fernleuchtende Gelb wird braun, und das blaͤuliche Grau der Leprarien verwandelt ſich nach und nach in ein ſtaubartiges Schwarz. Die Grenzen der alternden Decke fließen in einander, und auf dem dunkeln Grunde bilden ſich neue zirkelrunde Flechten von blendender Weiße. So lagert ſich ſchichtenweiſe ein organiſches Gewebe auf das andere; und wie das ſich anſiedelnde Menſchengeſchlecht beſtimmte Stufen der ſittlichen Cultur durchlaufen muß, ſo iſt die allmaͤhliche Verbreitung der Pflanzen an beſtimmte phyſiſche Geſetze gebunden. Wo jetzt hohe Waldbaͤume ihre Gipfel luftig erheben, da uͤberzogen einſt zarte Flechten das erdenloſe Geſtein. Laubmooſe, Graͤſer, krautartige Gewaͤchſe und Straͤucher fuͤllen die Kluft der langen, aber ungemeſſenen Zwiſchenzeit aus. Was im Norden Flechten und Mooſe, das bewirken in den Tropen Portulaca, Gomphrenen und andere niedrige Uferpflanzen . Die Geſchichte der Pflanzendecke, und ihre allmaͤhliche Ausbreitung uͤber die oͤde Erdrinde, hat ihre Epochen, wie die Geſchichte des ſpaͤtern Menſchengeſchlechts. In der Nähe der griechiſchen Inſel Santorin (der alten Thera) ſind durch einen Vulkan unter dem Meere mehre kleine Inſeln entſtanden, eine derſelben erſt im Jahre 1707. Lithovhyten, Steinpflanzen oder richtiger Steinthiere. Es ſind die bekannten Corallen mit ihren Corallenſtämmen gemeint. Lepraria, eine auf Steinen, Holz und Baumrinden häufig vorkommende Flechtenart. S. oben S. 680. Anm. 2 Portulaca iſt auch bei uns ſehr bekannt. Die Gomphrenen ſind kleine, trockene Pflanzen, welche dürre Blüthen in runden Köpfen haben; bekannt iſt bei uns der ſchöne Kugel- Amarant (G. globosa). Iſt aber auch Fuͤlle des Lebens uͤberall verbreitet; iſt der Organismus auch unablaͤßig bemuͤht, die durch den Tod entfeſſelten Elemente zu neuen Geſtalten zu verbinden: ſo iſt dieſe Lebensfuͤlle und ihre Erneuerung doch nach Verſchiedenheit der Himmelsſtriche verſchieden. Periodiſch erſtarrt die Natur in der kalten Zone; denn Fluͤſſigkeit iſt Bedingniß zum Leben. Thiere und Pflanzen (Laubmooſe und andere Kryptogamen abgerechnet) liegen hier viele Monate hindurch im Winterſchlaf vergraben. In einem großen Theile der Erde haben daher nur ſolche organiſche Weſen ſich entwickeln koͤnnen, welche einer betraͤchtlichen Entziehung von Waͤrmeſtoff widerſtehen, oder einer langen Unterbrechung der Lebensfunctionen faͤhig ſind . Je naͤher dagegen den Tropen, deſto mehr nimmt Mannichfaltigkeit der Bildungen, Anmuth der Form und des Farbengemiſches, ewige Jugend und Kraft des organiſchen Lebens zu. Die Kryptogamen (eine eigene Klaſſe im Linne’ſchen Pflanzen- Syſtem) ſind bekanntlich diejenigen Pflanzen, an welchen die Befruchtungswerkzeuge (ſ. oben S. 700 Anm.) entweder gar nicht, oder doch ſehr unvollkommen und nur mit guten Vergrößerungsgläſern geſehen und unterſucht werden können, wie Flechten, Mooſe, Pilze u. dgl. S. oben S. 301. „über die Wärme“, beſond. S. 309. ff. Dieſe Zunahme kann leicht von denen bezweifelt werden, welche nie unſern Welttheil verlaſſen, oder das Studium der allgemeinen Erdkunde vernachlaͤßigt haben. Wenn man aus unſern dicklaubigen Eichenwaͤldern uͤber die Alpen- oder Pyrenaͤen-Kette nach Welſchland oder Spanien hinabſteigt; wenn man gar ſeinen Blick auf die afrikaniſchen Kuͤſtenlaͤnder des Mittelmeeres richtet: ſo wird man leicht zu dem Fehlſchluſſe verleitet, als ſei Baumloſigkeit der Charakter heißer Klimate. Aber man vergißt, daß das ſuͤdliche Europa eine andere Geſtalt hatte, als pelasgiſche oder karthagiſche Pflanzvoͤlker ſich zuerſt darin feſtſetzten; man vergißt, daß fruͤhere Bildung des Menſchengeſchlechts die Waldungen verdraͤngt, und daß der umſchaffende Geiſt der Nationen der Erde allmaͤhlich den Schmuck raubt, der uns in dem Norden erfreut, und der (mehr, als alle Geſchichte) die Jugend unſerer ſittlichen Cultur anzeigt. Die große Kataſtrophe, durch welche das Mittelmeer ſich gebildet, indem es, ein anſchwellendes Binnenwaſſer, die Schleuſen der Dardanellen und die Saͤulen des Herkules durchbrochen, dieſe Kataſtrophe ſcheint die angrenzenden Laͤnder eines großen Theils ihrer Dammerde beraubt zu haben. Was bei den griechiſchen Schriftſtellern von den Samothraciſchen Sagen erwaͤhnt wird, deutet die Neuheit dieſer zerſtoͤrenden Naturveraͤnderung an . Auch iſt in allen Laͤndern, welche das Mittelmeer begrenzt, und welche die Kalkformation des Jura charakteriſirt, ein großer Theil der Erdoberflaͤche nackter Fels. Das Maleriſche italiaͤniſcher Gegenden beruht vorzuͤglich auf dieſem lieblichen Contraſte zwiſchen dem unbelebten oͤden Geſtein und der uͤppigen Vegetation, welche inſelfoͤrmig darin aufſproßt. Wo dieſes Geſtein, minder zerkluͤftet, die Waſſer auf der Oberflaͤche zuſammenhaͤlt, wo dieſe mit Erde bedeckt iſt, (wie an den reizenden Ufern des Albauer Sees) da hat ſelbſt Italien ſeine Eichenwaͤlder, ſo ſchattig und gruͤn, als der Bewohner des Nordens ſie wuͤnſcht. Noch zu Plinius Zeit war in der Straße von Gibraltar eine Untiefe, welche Europa undAfrikavereinigte, und die man die Schwelle des Mittelmeers nannte. — Diodor berichtet, daß die Bewohner der nahe bei den Dardanellen gelegenen Inſel Samothrace (heutzutage Samothraki), ein Urvolk, welches eine eigne Sprache hatte, erzählten, das ſchwarze Meer ſei ein abgeſchloſſener See geweſen, der, von den hineinfließenden Strömen anſchwellend, (lange vor den Ueberſchwemmungen, die ſich bei andern Völkern zugetragen), zuerſt den Bosporus und nachher den Hellespont durchbrochen habe. Die Wahrſcheinlichkeit dieſer merkwürdigen Sage wird dem Geognoſten faſt zur hiſtoriſchen Gewißheit (D. V.) Auch die Wuͤſten jenſeits des Atlas, und die unermeßlichen Ebenen oder Steppen von Suͤd-Amerika, ſind als bloße Localerſcheinungen zu betrachten. Dieſe findet man, in der Regenzeit wenigſtens, mit Gras und niedrigen, faſt krautartigen Mimoſen bedeckt; jene ſind Sandmeere im Innern des alten Continents, große pflanzenleere Raͤume, mit ewiggruͤnen waldigen Ufern umgeben. Nur einzeln ſtehende Faͤcherpalmen erinnern den Wanderer, daß dieſe Einoͤden Theile einer belebten Schoͤpfung ſind. Im truͤgeriſchen Lichtſpiele, das die ſtrahlende Waͤrme erregt, ſieht man bald den Fuß dieſer Palmen frei in der Luft ſchweben, bald ihr umgekehrtes Bild in den wogenartig zitternden Luftſchichten wiederholt . Auch weſtlich von der peruaniſchen Andeskette, an den Kuͤſten des ſtillen Meeres, haben wir Wochen gebraucht, um ſolche waſſerleere Wuͤſten zu durchſtreichen. S. oben S. 687. Anm. 2. Der Urſprung derſelben, dieſe Pflanzenloſigkeit großer Erdſtrecken, in Gegenden, wo umher die kraftvolleſte Vegetation herrſcht, iſt ein wenig beachtetes geognoſtiſches Phaͤnomen, welches ſich unſtreitig in alten Naturrevolutionen (in Ueberſchwemmungen, oder vulkaniſchen Umwandelungen der Erdrinde) gruͤndet. Hat eine Gegend einmal ihre Pflanzendecke verloren, iſt der Sand beweglich und quellenleer, hindert die heiße, ſenkrecht aufſteigende Luft den Niederſchlag der Wolken : ſo vergehen Jahrtauſende, ehe von den gruͤnen Ufern aus organiſches Leben in das Innere der Einoͤde dringt. S. oben S. 668 Anm. 2. Wer demnach die Natur mit einem Blicke zu umfaſſen, und von Localphaͤnomenen zu abſtrahiren weiß, der ſieht, wie mit Zunahme der belebenden Waͤrme, von den Polen zum Aequator hin, ſich auch allmaͤhlich organiſche Kraft und Lebensfuͤlle vermehren. Aber bei dieſer Vermehrung ſind doch jedem Erdſtriche beſondere Schoͤnheiten vorbehalten: den Tropen Mannichfaltigkeit und Groͤße der Pflanzenformen; dem Norden der Anblick der Wieſen, und das periodiſche Wiedererwachen der Natur beim erſten Wehen der Fruͤhlingsluͤfte. Jede Zone hat außer den, ihr eigenen Vorzuͤgen auch ihren eigenthuͤmlichen Charakter. So wie man an einzelnen organiſchen Weſen eine beſtimmte Phyſiognomie erkennt: ſo giebt es auch eine gewiſſe Natur-Phyſiognomie, welche jedem Himmelsſtriche ausſchließlich zukommt. Was der Maler mit den Ausdruͤcken ſchweizer Natur, italiaͤniſcher Himmel, bezeichnet, gruͤndet ſich auf das dunkle Gefuͤhl dieſes localen Naturcharakters. Himmelsblaͤue, Beleuchtung, Duft, der auf der Ferne ruht, Geſtalt der Thiere, Saftfuͤlle der Kraͤuter, Glanz des Laubes, Umriß der Berge — alle dieſe Elemente beſtimmen den Totaleindruck einer Gegend. Zwar bilden unter allen Zonen dieſelben Gebirgsarten Trachyt, Baſalt, Porphyr- Schiefer und Dolomit, Felsgruppen derſelben Phyſiognomie. Die Gruͤnſteinklippen in Suͤd-Amerika und Mexiko gleichen denen des deutſchen Fichtelgebirges, wie unter den Thieren die Form des Allco oder der urſpruͤnglichen Hunde-Race des neuen Continents mit der der europaͤiſchen Race uͤbereinſtimmt; denn die unorganiſche Rinde der Erde iſt gleichſam unabhaͤngig von klimatiſchen Einfluͤſſen. Alle Formationen ſind daher allen Weltgegenden eigen, und in allen gleichgeſtaltet. Ueberall bildet der Baſalt Zwillings- Berge und abgeſtumpfte Kegel; uͤberall erſcheint der Trapporphyr in grotesken Felsmaſſen, der Granit in ſanftrundlichen Kuppen. Auch aͤhnliche Pflanzenformen, Tannen und Eichen, bekraͤnzen die Berggehaͤnge in Schweden, wie die des ſuͤdlichſten Theils von Mexiko. Und bei aller dieſer Uebereinſtimmung in den Geſtalten, bei dieſer Gleichheit der einzelnen Umriſſe, nimmt die Gruppirung derſelben zu einem Ganzen doch den verſchiedenſten Charakter an. Allco heißt der in Südamerika einheimiſche Hund, oder auch, zur Unterſcheidung von dem europäiſchen, Run-allco, gleichſam indiſcher Hund (Hund der Landeseinwohner). Er ſcheint eine bloße Varietät des Schäferhundes zu ſein. Er iſt kleiner, langhaarig, weiß und braun gefleckt, mit aufrecht ſtehenden ſpitzigen Ohren, bellt ſehr viel, beißt aber deſto ſeltener. (v. Humboldt Anſicht. Th. I, S. 108) So wie die Kenntniß der Foſſilien ſich von der Gebirgslehre unterſcheidet; ſo iſt von der individuellen Naturbeſchreibung die allgemeine oder die Phyſiognomik der Natur verſchieden. Georg Forſter in ſeinen Reiſen und in ſeinen kleinen Schriften; Goͤthe in den Naturſchilderungen, welche ſo manche ſeiner unſterblichen Werke enthalten; Herder, Buͤffon, Bernardin de St. Pierre, und Chateaubriand , haben mit unnachahmlicher Wahrheit den Charakter einzelner Himmelsſtriche geſchildert. Solche Schilderungen ſind aber nicht bloß dazu geeignet, dem Gemuͤthe einen Genuß der edelſten Art zu verſchaffen; nein, die Kenntniß von dem Naturcharakter verſchiedener Weltgegenden iſt mit der Geſchichte des Menſchengeſchlechtes, und mit der ſeiner Cultur, aufs innigſte verknuͤpft. Denn wenn auch der Anfang dieſer Cultur nicht durch phyſiſche Einfluͤſſe allein beſtimmt wird; ſo haͤngt doch die Richtung derſelben, ſo haͤngen Volkscharakter, duͤſtere oder heitere Stimmung der Menſchheit, großentheils von klimatiſchen Verhaͤltniſſen ab. Wie maͤchtig hat der griechiſche Himmel auf ſeine Bewohner gewirkt! Wie ſind nicht in dem ſchoͤnen und gluͤcklichen Erdſtriche zwiſchen dem Orus (dem Gihon oder Amu- Darja), dem Tigris, und dem aͤgaͤiſchen Meere, die ſich anſiedelnden Voͤlker zuerſt zu ſittlicher Anmuth und zarteren Gefuͤhlen erwacht! Und haben nicht, als Europa in neue Barbarei verſank, und religioͤſe Begeiſterung ploͤtzlich den heiligen Orient oͤffnete, unſere Voraͤltern aus jenen milden Thaͤlern von neuem mildere Sitten heimgebracht! Die Dichterwerke der Griechen und die rauheren Geſaͤnge der nordiſchen Urvoͤlker verdankten groͤßtentheils ihren eigenthuͤmlichen Charakter der Geſtalt der Pflanzen und Thiere, den Gebirgsthaͤlern, die den Dichter umgaben, und der Luft, die ihn umwehte. Wer fuͤhlt ſich nicht, um ſelbſt nur an nahe Gegenſtaͤnde zu erinnern, anders geſtimmt, in dem dunkeln Schatten der Buchen, oder auf Huͤgeln, die mit einzeln ſtehenden Tannen bekraͤnzt ſind; oder auf der Grasflur, wo der Wind in dem zitternden Laube der Birken ſaͤuſelt! Melancholiſche, ernſterhebende, oder froͤhliche Bilder rufen dieſe vaterlaͤndiſche Pflanzengeſtalten in uns hervor. Der Einfluß der phyſiſchen Welt auf die moraliſche, dies geheimnißvolle Ineinander-Wirken des Sinnlichen und Außerſinnlichen, giebt dem Naturſtudium, wenn man es zu hoͤheren Geſichtspunkten erhebt, einen eigenen, noch zu wenig gekannten Reiz. Bernardin de St Pierre, geboren zu Havre im Jahre 1737, machte eine ſehr wechſelsreiche militäriſche Laufbahn, zog ſich dann zurück und lebte lange in einer ſehr kümmerlichen Lage. Die Frucht dieſer, wiſſenſchaftlicher Thätigkeit gewidmeten, Einſamkeit waren mehre ſchriftſtelleriſche Arbeiten, von welchen beſonders zwei, die Studien der Natur und die Idylle Paul und Virginie, mit außerordentlichem Beifall aufgenommen wurden und ſchnell eine Verbeſſerung der äußeren Lage des Verfaſſers bewirkten; der König beſchenkte ihn reichlich mit Ehren und Penſionen. Er ſtarb 1814 als Oberaufſeher des botaniſchen Gartens und des naturhiſtoriſchen Muſeums zu Paris. — Chateaubriand, ein noch lebender franzöſiſcher Staatsmann, verfaßte, außer manchen politiſchen und religiöſen Schriften, auch die Beſchreibung einer nach Jeruſalem unternommenen Reiſe; eine ſchöne; doch zu poetiſche Darſtellungsweiſe iſt der Hauptcharakter ſeiner Schriften. Wenn aber auch der Charakter verſchiedener Weltgegenden von allen aͤußeren Erſcheinungen zugleich abhaͤngt; wenn Umriß der Gebirge, Phyſiognomie der Pflanzen und Thiere, wenn Himmelsblaͤue, Wolkengeſtalt und Durchſichtigkeit des Luftkreiſes den Totaleindruck bewirken; ſo iſt doch nicht zu leugnen, daß das Hauptbeſtimmende dieſes Eindrucks die Pflanzendecke iſt. Dem thieriſchen Organismus fehlt es an Maſſe, und die Beweglichkeit der Individuen entzieht ſie oft unſern Blicken. Die Pflanzenſchoͤpfung dagegen wirkt durch ſtetige Groͤße auf unſere Einbildungskraft. Ihre Maſſe bezeichnet ihr Alter, und in den Gewaͤchſen allein iſt Alter und Ausdruck ſtets ſich erneuernder Kraft mit einander gepaart. Der rieſenfoͤrmige Drachenbaum, den ich auf den canariſchen Inſeln ſah, und der 16 Schuh im Durchmeſſer hat, traͤgt noch immerdar (gleichſam in ewiger Jugend) Bluͤthe und Frucht. Als franzoͤſiſche Abentheurer, die Bethencourts, im Anfang des funfzehnten Jahrhunderts, die gluͤcklichen Inſeln eroberten, war der Drachenbaum von Orotava (den Eingebornen heilig wie der Oelbaum in der Burg zu Athen, oder die Ulme zu Epheſus) von eben der koloſſalen Staͤrke als jetzt . In den Tropen iſt ein Wald von Hymeneen und Caͤſalpinien vielleicht das Denkmal von einem Jahrtauſend . Der Drachenbaum (Dracaena draco) iſt ein ungeheurer Baum mit fleiſchigen Blättern, der auf den canariſchen Inſeln einheimiſch iſt und auch in Oſtindien ſich findet, und deſſen Saft, unter dem Namen Drachenblut bekannt, Heilkräfte hat. Der oben erwähnte ſteht in dem Städtchen Orotava auf Teneriffa und hat, bei einer Höhe von 50 — 60 Fuß, einen Umfang, der, in der Nähe der Wurzeln gemeſſen, 45 Pariſer Fuß beträgt; in 10 Fuß Höhe hat der Stamm noch einen Durchmeſſer von 12 Fuß. Schon im funfzehnten Jahrhundert, als der normänniſche Baron Juan de Bethencourt, der erſte Eroberer der canariſchen Inſeln, auf Teneriffa landete, ſoll der Drachenbaum von Orotava eben ſo koloſſal geweſen ſein, als jetzt. (Bethencourt erhielt vom caſtiliſchen Könige die Belehnung dieſer Inſeln, und ſeine Familie hatte dieſelben eine Zeitlang als ein Lehen der caſtiliſchen Krone in Beſitz). Der Stamm des Drachenbaums theilt ſich in eine große Menge von Aeſten, welche ſich in Form von Candelabern erheben und mit Büſcheln von Blättern endigen. Der Baum trägt noch jedes Jahr Blüthen und Früchte. Da die Drachenbäume überaus langſam wachſen, ſo muß der von Orotava ein ſehr hohes Alter haben. Derſelbe wurde der Sage nach von den Ureinwohnern, den merkwürdigen Guanchen, verehrt, wie der heilige Oelbaum, welcher auf der Akropolis zu Athen ſtand, und von dem man glaubte, daß Minerva ihn gepflanzt habe, oder wie die Ulme zu Epheſus, an deren Stamm die Amazonen einen Tempel der Diana gebaut haben ſollen, und von welcher die Stadt ſelbſt auch den Namen Ptelea (d. h. Ulme) hatte. — Dem Drachenbaum von Orotava an Stärke noch überlegen ſind die Boabab’s (ſ. oben S. 474. Anm. 1.), welche übrigens viel ſchneller wachſen, als die Drachenbäume. Ein jenem an Alter wenigſtens gleichkommen der Baum, gegen welchen die umwohnenden Indianer ebenfalls eine große Verehrung hegen, iſt der auf der Straße vom Dorfe Tormero nach Maracay in Columbia ſtehende Zamang del Guayre, eine Mimoſe, welche weithin durch die ungeheure Ausdehnung ihrer Zweige berühmt iſt. Der Stamm dieſes Baumes hat nur 60 Fuß Höhe und 9 Fuß Durchmeſſer; aber ſein ſchöner Gipfel, deſſen Aeſte ſich wie ein Sonnenſchirm ausbreiten und gleichmäßig zum Boden, bis zu 12—15 Fuß von demſelben entfernt, herabneigen, hat einen Umfang von 576 Fuß oder einen Durchmeſſer von 186 und 192 Fuß. Viele Schmarotzerpflanzen bedecken ſeine Zweige und zerſpalten die Rinde. (v Humboldt, Reiſe Th. III, S. 98 ff.) — Die Gewächſe, welche in verſchiedenen Klimaten zu der größten Corpulenz anſchwellen, ſind: der Drachenbaum, der Taxus, die ächte (zahme) Kaſtanie (Fagus Castanea), mehre Arten von Wollbäumen (Bombax, ſ. oben S. 474. Anm. 2,) die Mimoſen, Cäsalpinien, Feigenbäume, Swietenien (eine Art derſelben iſt der Mahagony-Baum, von welchem man auf der Inſel Cuba Bretter von 35 Fuß Länge und 9 Fuß Breite findet,), die Hymenäa Courbaril, die virginiſche Cypreſſe (Cupressus disticha), welche 9—15 Fuß Durchmeſſer erreicht, und die, bei uns nicht ſelten vorkommende, abendländiſche Platane (Platanus occidentalis; am Ohio wurden einige Platanen gefunden, welche noch in 20 Fuß Höhe einen Umfang von 47 Fuß hatten). Auch die Eichen erreichen oft eine ſolche Stärke, daß ſie den größten Bäumen nahe kommen; eine Eiche, welche 1809 7 Meilen von Abbeville in den Torfmooren der Somme neben galliſchen Helmen gefunden wurde, hatte einen Stamm von 14 Fuß Durchmeſſer. (v. Humboldt, Anſicht. Th. II. S. 107. u. Reiſe Th I. S. 168 ff.) — Die glücklichen Inſeln (Insulae fortunatae) dachten ſich die Alten zuerſt im Norden, dann im Weſten, und nachdem ſo dieſer Name von ihnen lange in unbeſtimmter Bedeutung gebraucht worden war, ging er auf die canariſchen Inſeln über. Die Cäsalpinien ſind färbende Bäume mit ſchwerem Holze, doppelt gefiederten Blättern und ſehr ſchönen Blumenſträußern. Caesalpinia echinata, ein hoher Strauch mit dunkelrothem Holze in Südamerika, und C. Sappan, (10—15 Fuß hoch) in Oſtindien, ſind für Fabriken und Handel ſehr wichtig; Erſtere nämlich liefert das Fernambuk-Holz, Letztere das Sappan- oder oſtindiſche Braſilien-Holz (Oken.). Umſaßt man mit einem Blick die verſchiedenen Pflanzenarten, welche bereits auf dem Erdboden entdeckt ſind, und deren Zahl nach Decandolle’s Schaͤtzung, uͤber 56,000 betraͤgt; ſo erkennt man in dieſer wundervollen Menge wenige Hauptformen, auf welche ſich alle andere zuruͤckfuͤhren laſſen, und von deren individueller Schoͤnheit, Vertheilung und Gruppirung die Phyſiognomie der Vegetation eines Landes abhaͤngt . Dieſe Zählung des berühmten Genfer Botanikers, welche bloß die den Gelehrten bekannten Pflanzen begreift, umfaßt, bei unſerer völligen Unbekanntſchaft mit ungeheuren Strecken der Erde, und zwar in den am reichſten ausgeſtatteten Ländern, wahrſcheinlich noch nicht den fünften Theil der auf der Erde exiſtirenden Gewächfe. (N. d. V.). Man zählt 16 Hauptformen, wobei bemerkt werden muß, daß „man zur Beſtimmung dieſer Formen nicht auf die kleinſten Theile der Blüthen und Früchte, ſondern nur auf das Rückſicht nimmt, was durch Maſſe den Totaleindruck einer Gegend individualiſirt.“ Da eine Kenntniß derſelben ohne genauere Bekanntſchaft mit vielen einzelnen Pflanzenarten nicht erlangt werden kann, ſo wird hier die Aufzählung und Charakteriſtik dieſer Hauptformen nicht gegeben. Um aber einen Begriff dieſer Pflanzen-Phyſiognomie zu geben, ſollen (mit den Worten des Verfaſſers) einige dieſer Hauptformen aufgeführt werden, welche entweder überhaupt bekannt ſind, oder von denen Jeder doch wenigſtens einen Repräſentanten kennt, ſei es auch nur aus Beſchreibungen. Die Palmen, die höchſte und edelſte aller Pflanzengeſtalten. Denn ihr haben ſtets die Völker (und die früheſte Menſchenbildung war in der aſiatiſchen Palmenwelt, oder in dem Erdſtriche, der zunächſt an die Palmenwelt grenzt) den Preis der Schönheit zuerkannt. Hohe, ſchlanke, geringelte, bisweilen ſtachlichte Schäfte mit anſtrebendem, glänzendem, bald gefächertem, bald gefiedertem Laube. Die Blätter ſind oft grasartig gekräuſelt. Der glatte Stamm erreicht bis 180 Fuß Höhe. Die Palmenform nimmt an Pracht und Größe ab, vom Aequator gegen die gemäßigte Zone hin. Europa hat unter ſeinen einheimiſchen Gewächſen nur einen Repräſentanten dieſer Form, die zwergartige Küſtenpalme, den Chamaerops, (Zwergpalme, Palmetto), der in Spanien und Italien ſich nördlich bis zum 44ſten Breitengrade erſtreckt. Das eigentliche Palmen-Klima hat zwiſchen 19 und 20° Reaum. mittlerer jährlichen Wärme (ſ. oben S. 310); aber die ausAfrikazu uns gebrachte Dattelpalme (Phoenix dactylifera), welche minder ſchön als andere Arten dieſer Gruppen iſt, vegetirt noch im ſüdlichen Europa in Gegenden, deren mittlere Temperatur 13 — 14° iſt. — Zu den Palmen geſellt ſich in allen Welttheilen die Piſang- oder Bananenform, die Scitamineen und Muſaceen der ſogenannten natürlichen Syſteme in der Botanik (worüber man aus einem Handbuche der Botanik ſich Raths erholen mag). Ein niedriger, aber ſaftreicher, faſt krautartiger Stamm, an deſſen Spitze ſich dünn- und lockergewebte, zartgeſtreifte, ſeidenartigglänzende Blätter erheben. Piſang-Gebüſche ſind der Schmuck feuchter Gegenden. Auf ihrer Frucht beruht die Nahrung aller Bewohner des heißen Erdgürtels. Wie die mehlreichen Cerealien oder Getraidearten des Nordens, ſo begleiten Piſang-Stämme den Menſchen ſeit der früheſten Kindheit ſeiner Cultur. Wenn jene, durch die Cultur über die nördliche Erde verbreitet, und einförmige, weitgedehnte Grasfluren bildend, wenig den Anblick der Natur verſchönern, ſo vervielfacht dagegen der ſich anſiedelnde Tropenbewohner durch Piſang-Pflanzungen eine der herrlichſten und edelſten Geſtalten. — Bloß dem neuen Continent eigenthümlich iſt die Cactusform, bald kugelförmig, bald gegliedert, bald in hohen, vieleckigen Säulen, wie Orgelpfeifen, aufrechtſtehend. Dieſe Gruppe bildet den auffallendſten Contraſt mit der Geſtalt der Bananen. Sie gehört zu den Pflanzen, welche Bernardin de St. Pierre ſehr glücklich vegetabiliſche Quellen der Wüſte nennt (ſ. oben S. 688, über den Melonen-Cactus). Die ſäulenförmigen Cactus-Stämme erreichen bis 30 Fuß Höhe. Wenn man gewohnt iſt, Cactus-Arten bloß in unſern Treibhäuſern zu ſehen, ſo erſtaunt man über die Dichtigkeit, zu der die Holzfaſern in alten Cactus-Stämmen erhärten. Die Indianer wiſſen, daß Cactus-Holz unverweslich, und zu Rudern und Thürſchwellen vortrefflich zu gebrauchen iſt. Dem neuen Ankömmling macht kaum irgend eine Pflanzen-Phyſiognomie einen ſonderbarern Eindruck, als eine dürre Ebene, welche mit ſäulenförmigen, canderlaberartig-getheilten Cactus-Stämmen dicht beſetzt iſt. — So wie in den Piſang-Gewächſen die höchſte Ausdehnung, ſo iſt in den Nadelhölzern die höchſte Zuſammenziehung der Blattgefäße. Tannen, Thuja (Lebenspflanze, in unſern Gärten als Zierpflanze) bilden eine nordiſche Form, die in den Tropen ſelten iſt. Ihr ewig-friſches Grün erheitert die öde Winterlandſchaft. Es verkündigt gleichſam den Polarländern, daß, wenn Schnee und Eis den Boden bedecken, das innere Leben der Pflanzen nie auf unſerm Planeten erliſcht. — Die Grasform, beſonders die Phyſiognomie der baumartigen Gräſer (ſ. oben S. 473 Anm. 1.), charakteriſirt ſich durch den Ausdruck fröhlicher Leichtigkeit und beweglicher Schlankheit. Bambus-Gebüſche bilden ſchattige Bogengänge in beiden Indien. Der glatte, oft geneigt-hinſchwebende Stamm der Tropen-Gräſer übertrifft die Höhe unſerer Erlen und Eichen. — Mit der Geſtalt der Gräſer iſt auch die der Farrenkräuter in den heißen Erdſtrichen veredelt. Die baumartigen Farrenkräuter, welche ſich in der nördlichen Hemiſphäre bis 33° und in der ſüdlichen bis 42° Breite finden, ſind oft 35 Fuß hoch und haben ein palmenartiges Anſehen; aber ihr Stamm iſt minder ſchlank, kürzer, ſchuppig-rauher, als der der Palmen. Das Laub iſt zarter, locker gewebt, durchſcheinend und an den Rändern ſauber ausgezackt. Dieſe koloſſalen Farrenkräuter ſind faſt ausſchließlich den Tropen eigen, aber in dieſen ziehen ſie ein gemäßigtes Klima dem ganz heißen vor. Da nun die Milderung der Hitze bloß eine Folge der Höhe iſt: ſo darf man Gebirge, die 2—3000 Fuß über dem Meere erhaben ſind, den Hauptſitz dieſer Form nennen. Hochſtämmige Farrenkräuter begleiten in Süd-Amerika den wohlthätigen Baum, der die heilende Fieberrinde darbietet (Cinchona). Beide bezeichnen die glückliche Region der Erde, in der ewige Milde des Frühlings herrſcht. Die Zahl dieſer Formen wird gewiß anſehnlich vermehrt werden, wenn man einſt in das Innere der Continente tiefer eindringt, und neue Pflanzengattungen entdeckt. Im ſuͤdoͤſtlichen Aſien, im Innern vonAfrikaund Neuholland, in Suͤd-Amerika vom Amazonenſtrome bis zu der Provinz Chiquitos hin, iſt uns die Vegetation noch voͤllig unbekannt. Wie, wenn man einmal ein Land entdeckte, in dem holzige Schwaͤmme, z. B. Clavarien, oder Mooſe, hohe Baͤume bildeten? Neckera dendroïdes, ein deutſches Laubmoos, iſt in der That baumartig , und die tropiſchen Farrenkraͤuter, oft hoͤher als unſere Linden und Erlen, ſind fuͤr den Europaͤer noch jetzt ein eben ſo uͤberraſchender Anblick, als dem erſten Entdecker ein Wald hoher Laubmooſe ſein wuͤrde! Groͤße und Entwickelung der Organe haͤngt von der Beguͤnſtigung klimatiſcher Verhaͤltniſſe ab. Die kleine, aber ſchlanke Form unſerer Eidechſe dehnt ſich im Suͤden zu dem koloſſalen und gepanzerten Koͤrper furchtbarer Krokodile aus. In den ungeheuern Katzen vonAfrikaund Amerika, im Tiger, im Loͤwen und Jaguar, iſt die Geſtalt eines unſerer kleinſten Hausthiere nach einem groͤßeren Maßſtabe wiederholt. Dringen wir gar in das Innere der Erde, durchwuͤhlen wir die Grabſtaͤtte der Pflanzen und Thiere, ſo verkuͤndigen uns die Verſteinerungen nicht bloß eine Vertheilung der Formen, die mit den jetzigen Klimaten in Widerſpruch ſteht; nein, ſie zeigen uns auch koloſſale Geſtalten, welche mit den kleinlichen, die uns gegenwaͤrtig umgeben, nicht minder contraſtiren, als die einfache Heldennatur der Griechen gegen die Charaktergroͤße neuerer Zeit. Hat die Temperatur des Erdkoͤrpers betraͤchtliche, vielleicht periodiſch wiederkehrende Veraͤnderungen erlitten; iſt das Verhaͤltniß zwiſchen Meer und Land, ja ſelbſt die Hoͤhe des Luftoceans und ſein Druck nicht immer derſelbe geweſen : ſo muß die Phyſiognomie der Natur, ſo muͤſſen Groͤße und Geſtalt des Organismus, ebenfalls ſchon manchem Wechſel unterworfen geweſen ſein. — — Die Clavarien ſind die bei uns in vielen Arten häufig vorkommenden und zum Theil eßbaren Keulenſchwämme. — Neckera dendroïdea, baumartiges Ting- oder Stufenmoos, hat einen kriechenden Stamm mit aufrechten Aeſten, büſchelförmige, ſtehende Aeſtchen und ei-lanzettförmige Blätter. Es findet ſich in ganz Europa und in Nordamerika auf feuchten Wieſen und in Wäldern. Der Druck der Atmosphäre hat einen auffallenden Einfluß auf die Geſtalt und das Leben der Gewächſe. Dieſes Leben iſt gleichſam nach Außen gekehrt. Die Pflanzen leben hauptſächlich an der Oberfläche, daher ihre Abhängigkeit von dem ſie Umgebenden. Thiere folgen inneren Reizen und geben ſich ſelbſt ihre Temperatur. Eine Art Hautreſpiration iſt die wichtigſte Lebensfunction der Gewächſe, und dieſe Reſpiration, in ſo fern ſie Verdampfung, Aushauchen von Flüſſigkeiten iſt, hängt vom Druck des Luftkreiſes ab. Daher ſind die Alpenpflanzen aromatiſcher, daher ſind ſie behaarter, mit zahlreichen Ausdünſtungsgefäßen bedeckt; denn Organe entſtehen um ſo häufiger und bilden ſich um ſo vollkommener aus, je leichter die Bedingungen zu ihren Functionen erfüllt ſind. Alpenpflanzen gedeihen daher ſo ſchwer in der Ebene, weil die Reſpiration ihrer äußeren Bedeckungen durch den vermehrten Luftdruck geſtört wird. — Ob der Luftocean, welcher unſern Erdkörper umgiebt, ſtets denſelben mittleren Druck ausgeübt hat, iſt völlig unentſchieden. (D. V.) Am gluͤhenden Sonnenſtrahl des tropiſchen Himmels gedeihen die herrlichſten Geſtalten der Pflanzen. Wie im kalten Norden die Baumrinde mit duͤrren Flechten und Laubmooſen bedeckt iſt, ſo beleben dort Cymbidium und duftende Vanille den Stamm der Anacardien und der rieſenmaͤßigen Feigenbaͤume . Das friſche Gruͤn der Pothos-Blaͤtter und der Dracontien contraſtirt mit den vielfarbigen Bluͤthen der Orchideen. Rankende Bauhinien , Paſſifloren und gelbbluͤhende Baniſterien umſchlingen den Stamm der Waldbaͤume. Zarte Blumen entfalten ſich aus den Wurzeln der Theobroma , wie aus der dichten und rauhen Rinde der Crescentien und der Guſtavia . Bei dieſer Fuͤlle von Bluͤthen und Blaͤttern, bei dieſem uͤppigen Wuchſe und der Verwirrung rankender Gewaͤchſe, wird es oft dem Naturforſcher ſchwer zu erkennen, welchem Stamme Bluͤthen und Blaͤtter zugehoͤren. Ein einziger Baum mit Paullinien, Bignonien und Deudrobium geſchmuͤckt, bildet eine Gruppe von Pflanzen, welche, von einander getrennt, einen betraͤchtlichen Erdraum bedecken wuͤrden. Cymbidium und Vanille gehören der natürlichen Pflanzen-Familie an, welche man die Orchideen nennt, deren Blumen Aehnlichkeit mit denen der Lilien haben, aber dennoch durch eine Verwachſung der Theile unter einander große Verſchiedenheiten davon darſtellen. Hierher gehört auch die (bei uns in vielen Gattungen vorkommende) Stendel oder Ragwurz (Orchis), deren Wurzel den Salep liefert. Die oben genannten Gattungen kommen nur in heißen Ländern vor und ſind Schmarotzer auf Bäumen. Die Frucht der Vanilla iſt das unter gleichem Namen bekannte Gewürz. (*). Das (im heißen Amerika wachſende) Anacardium occidentale iſt ein kleiner Baum. Es gehört zu den Terebinthaceen, Pflanzen, welche dem Terebinthin ähnliche Säfte führen, und iſt beſonders dadurch merkwürdig, daß der Fruchtſtiel fleiſchig, ſaftreich und genießbar bis zur Größe einer Birne anſchwillt. Die darauf ſitzende Frucht ſelbſt heißt bei uns Elephantenlaus (Acaju-Apfel) und wird bisweilen als Amulet gegen Augenentzündungen angehängt und getragen. (*). Die Feigenbäume heißer Länder werden gewöhnlich ſehr hoch und koloſſal-dick und zeichnen ſich dann auch durch eine majeſtätiſche Krone mit ungeheuren Zweigen aus. Die Pothos und Dracontien gehören in die natürliche Familie, welche man Aroiden nennt. Man kann ſich ein Bild von ihnen machen, wenn man die Aronpflanze oder Zehrwurz (Arum maculatum) anſieht, welche bei uns in ſchattigen Wäldern wächſ’t. Die Pothos wohnen auf Bäumen und ſind alſo Schmarotzerpflanzen (*). Bauhinien werden nach den großen Botanikern Gebrüdern Bauhin tropiſche Bäume und Sträuche mit zweilappigen Blättern und weißen Schmetterlingsblumen genannt. Sie gehören zu den Hülſenfrüchten. (*). — „Am Orinoco haben die blattloſen Zweige der Bauhinien oft 40 Fuß Länge. Sie fallen theils ſenkrecht aus dem Gipfel hoher Swietenien herab; theils ſind ſie ſchräg wie Maſttaue ausgeſpannt, und die Tigerkatze hat eine bewundernswürdige Geſchicklichkeit, daran auf- und abzuklettern.“ (D. V.) Die Paſſifloren oder Paſſionsblumen ſind Schlingpflanzen heißer Länder, welche in unſern Gewächshäuſern ſehr häufig vorkommen. Sie haben ihren Namen davon erhalten, daß man die einzelnen Theile ihrer Blumen den Inſtrumenten des Leidens Chriſti ähnlich fand. Die Baniſterien, aufrechte oder ſchlingende Geſträuche mit äußerſt niedlich gebildeten, ſchön gefärbten Blumen, welche man jedoch gleisneriſch nennen könnte, weil ſie ihres lieblichen Anſehens ungeachtet keinen Geruch haben. Sie gleichen Menſchen, die viel verſprechen und wenig halten. (*) S. oben S 665. Anm 1. Crescentia cujete (der Calebaſſenbaum) iſt ein Baum, der in Veräſtlung am meiſten dem Granatapfelbaum, in der Blume einem Fingerhute ähnlich ſieht; die Frucht, von der Größe eines Kopfes, hat, wie der Kürbiß, viele Samen im Breie liegen. Aus ihr werden von den Indianern die Schalen (Cujas) gemacht, deren ſie ſich ſtatt der Teller bedienen. — Guſtavia ſieht aus wie eine Myrthe, aber die weiße Blume iſt ſo groß, als die einer Paſſionsblume. (*) Ueber die Paullinien ſ. oben S. 654. Anm. 2. — Die Bignonien ſind, wie die Paullinien, in warmen Ländern einheimiſch; ſie ſind theils hochſtämmig, theils Schlingpflanzen. Zwei Arten derſelben ſind in ſuͤddeutſchen Gartenanlagen wegen ihrer Schönheit, und weil ſie daſelbſt im Freien fortkommen, nicht ſelten: der rankende Strauch Bignonia radicans mit rothen Blumen, und der Catalpa- oder Trompetenbaum, B. Catalpa, ein durch ſchöne wohlriechende Blüthen und große herzförmige Blätter ausgezeichneter, gegen 20 Fuß hoher Baum. Eine auf Bäumen ſchmarotzende Orchidee mit großen Blumen. In den Tropen ſind die Gewaͤchſe ſaftſtrotzender, von friſcherem Gruͤn, mit groͤßeren und glaͤnzenderen Blaͤttern geziert, als in den noͤrdlichern Erdſtrichen. Geſellſchaftlich lebende Pflanzen, welche die europaͤiſche Vegetation ſo einfoͤrmig machen, fehlen am Aequator beinah gaͤnzlich. Baͤume, faſt zweimal ſo hoch als unſere Eichen, prangen dort mit Bluͤthen, welche groß und prachtvoll wie unſere Lilien ſind. An den ſchattigen Ufern des Magdalenenfluſſes in Suͤd-Amerika waͤchſ’t eine rankende Ariſtolochia, deren Blume, von vier Fuß Umfang, ſich die indiſchen Knaben in ihren Spielen uͤber den Scheitel ziehen . Im ſuͤdindiſchen Archipel hat die Bluͤthe der Raffleſia faſt drei Fuß Durchmeſſer und wiegt 14 Pfund. Ariſtolochien, aufrechte oder ſich windende Gewächſe, von denen eine Gattung die bei uns vorkommende Oſterluzei (Aristolochia Clematitis) iſt; ihre Blume hat die Form eines Fühlhornes und iſt meiſtens von brauner, unangenehmer Färbung. Die Wurzel der meiſten dieſer Pflanzen, von ſehr durchdringendem Geruche, iſt ein Schlangengift. (*) Die Raffleſia, ſo genannt von ihrem Entdecker Hamford Raffles, trägt die größte aller bekannten Blumen. Ihre Knospe iſt ſo groß, wie ein Krautskopf. Sie hat weder Stamm, noch Blätter, ſondern iſt eine Schmarotzerpflanze, welche auf einem wilden Weinſtocke ſitzt. (*) Die außerordentliche Hoͤhe, zu welcher ſich unter den Wendekreiſen nicht bloß einzelne Berge, ſondern ganze Laͤnder erheben, und die Kaͤlte, welche Folge dieſer Hoͤhe iſt, gewaͤhren dem Tropen-Bewohner einen ſeltſamen Anblick. Außer den Palmen und Piſang-Gebuͤſchen umgeben ihn auch die Pflanzenformen, welche nur den nordiſchen Laͤndern anzugehoͤren ſcheinen. Cypreſſen, Tannen und Eichen, Berberisſtraͤucher und Erlen (nahe mit den unſrigen verwandt) bedecken die Gebirgsebenen im ſuͤdlichen Mexiko, wie die Andeskette unter dem Aequator. So hat die Natur dem Menſchen in der heißen Zone verliehen, ohne ſeine Heimath zu verlaſſen, alle Pflanzengeſtalten der Erde zu ſehen; wie das Himmelsgewoͤlbe von Pol zu Pol ihm keine ſeiner leuchtenden Welten verbirgt . S. oben S. 222. Anm. Dieſen und ſo manchen andern Naturgenuß entbehren die nordiſchen Voͤlker. Viele Geſtirne und viele Pflanzenformen, von dieſen gerade die ſchoͤnſten (Palmen und Piſang-Gewaͤchſe, baumartige Graͤſer und feingefiederte Mimoſen) bleiben ihnen ewig unbekannt. Die krankenden Gewaͤchſe, welche unſere Treibhaͤuſer einſchließen, gewaͤhren nur ein ſchwaches Bild von der Majeſtaͤt der Tropenvegetation. Aber in der Ausbildung unſerer Sprache, in der gluͤhenden Phantaſie des Dichters, in der darſtellenden Kunſt der Maler, iſt eine reiche Quelle des Erſatzes geoͤffnet. Aus ihr ſchoͤpft unſere Einbildungskraft die lebendigen Bilder einer exotiſchen Natur. Im kalten Norden, in der oͤden Haide, kann der einſame Menſch ſich aneignen, was in den fernſten Erdſtrichen erforſcht wird, und ſo in ſeinem Innern eine Welt ſich ſchaffen, welche das Werk ſeines Geiſtes, frei und unvergaͤnglich, wie dieſer, iſt. A. v. Humboldt.