BEOBACHTUNGEN über das Geſetz der Wärmeabnahme in den höhern Regionen der Atmoſphäre, und über die untern Gränzen des ewigen Schnees von Alexander von Humboldt. (Im AUSZUGE.) Herr von Humboldt eröffnete mit den Abhandlungen, welche er dieſem wichtigen und noch viel zu wenig unterſuchten Gegenſtande gewidmet hat, ſeine gelehrte Thätigkeit als Mitglied der Berliner Akademie der Wiſſenſchaften, von der die Freunde der Naturlehre ſich einen wohlthätigen Erfolg für das Studium und den Flor dieſer und aller exacter Wiſſenſchaften in unſerm deutſchen Vaterlande verſprechen. Die Schriften der Akademie auf das gegenwärtige und das folgende Jahr werden, wenn ſie endlich erſcheinen, dieſe mit großer Sorgfalt angeſtellten und mit eben ſo viel Klarheit als Vollſtändigkeit durchgeführten Forſchungen in ihrem ganzen Umfange enthalten. Dem Leſer hier eine vorläufige Nachricht von denſelben und Fragmente aus den Vorleſungen mittheilen zu können, die ihm eine ähnliche Belehrung, wie mir die Lectüre des Ganzen, verſchaffen werden, ſchätze ich mich glücklich. In Wiſſenſchaften, die ſo raſch vorwärts ſchreiten, als in den neueſten Zeiten alle Theile der Naturkunde, ſcheint das eigne Intereſſe eines gelehrten Vereins zu fordern, daß das, was jetzt neu und folgereich iſt, nicht erſt dann in das Publicum komme, wenn es den Reiz der Neuheit ganz verloren hat, und wenn andere ſchon der Ideen, oder wohl gar der ganzen Arbeit ſich bemächtigt haben; daher ſelbſt die Mitglieder des franzöſiſchen Nationalinſtituts, La Place nicht ausgenommen, allgemeiner intereſſante Unterſuchungen im Felde der Phyſik durch ziemlich vollſtändige Auszüge vorläufig in das Publicum bringen. Eine in mehr als Einer Hinſicht löbliche Sitte, die mit der für manche Fächer zweckmäßigen Einrichtung der Akademieen, daß die für ihre Schriften beſtimmten Unterſuchungen nicht eher, als in dieſen vollſtändig gedruckt werden ſollen, meiſten Theils ganz gut beſtehen kann. In der Einleitung zu ſeinen Abhandlungen macht Herr von Humboldt darauf aufmerkſam, wie wenig für die phyſikaliſche Erdbeſchreibung, oder vielmehr für die Phyſik der Erde, (Phyſique du Monde,) bis jetzt im Ganzen von reiſenden Naturforſchern geſchehen iſt, weil ſie ſich alle faſt ausſchließlich mit den naturbeſchreibenden Wiſſenſchaften und mit dem Sammeln beſchäftigt, und es vernachläſſigt haben, „den großen und ſteten Naturgeſetzen, die ſich in dem raſchen Wechſel der Erſcheinungen zeigen, und dem Ineinanderwirken, gleichſam dem Kampfe der entzweiten Naturkräfte, nachzuſpüren.“ „So leidenſchaftlich“, fügt er hinzu, „mich auch das Pflanzenſtudium beſchäftigte, ſo unbeſchreiblich groß auch der Genuß iſt, welchen mir der Anblick jener üppig aufſtrebenden und dabei ſo kraftvollen Vegetation gewährte, ſo blieb doch mein Hauptaugenmerk auf dieſe Unterſuchungen gerichtet. Intenſität des Magnetismus, oder Stärke der Ladung des Erdkörpers in verſchiedenen Zonen und Höhen, durch die Schwingungszahlen einer polariſirenden Nadel gemeſſen; ſtündliche Veränderungen des magnetiſchen Meridians; die allgemeinen meteorologiſchen Erſcheinungen; jährliche, monatliche und ſtündliche mittlere Wärmeabnahme der Temperatur in den höhern Luftſchichten, und Prüfung des Geſetzes, welches dieſe Abnahme befolgt; regelmäßige Ebbe und Fluth des Luftmeers, durch die ſtündlichen Barometerveränderungen angedeutet, und unter dem Aequator durch keine Witterungsveränderung in ihrem Gange geſtört; chemiſche und hygroſkopiſche Beſchaffenheit der Atmoſphäre; Einwirkung des Sonnenſtandes und der Berghöhen auf die electriſche Ladung der Luft;“ — dieſe und ähnliche allgemeine Naturerſcheinungen habe ich zum Hauptgegenſtande meiner Reiſebeobachtungen gemacht. — — „Eine gründliche Bearbeitung dieſer Gattung von Phänomenen, welche auf große Naturgeſetze hinleiten, und über die ich mir ſchmeicheln darf neue Verſuche und neue Meſſungen angeſtellt zu haben, iſt in dem jetzigen Zeitpunkte vielleicht um ſo wünſchenswerther, da die phyſikaliſchen Wiſſenſchaften jetzt mehr als je zwiſchen den zwei Extremen, einer kleinlichen, oft geiſtloſen Behandlung des Einzelnen, und einer gar kühnen, aber willkührlichen und naturwidrigen Behandlung des Allgemeinen ſchwanken.“ Es iſt aus der vorläufigen Anzeige der Werke, welche Herr von Humboldt über ſeine Reiſe heraus geben wird, bekannt, daß Herr Prony es übernommen hat, die barometriſchen Höhenmeſſungen, welche dieſer raſtloſe Beobachter in Amerika angeſtellt hat, über 500 an der Zahl, nach der Laplace’ſchen Formel, unter Zuziehung aller Correctionen aufs neue zu berechnen. Dieſer berichtigten Höhenbeſtimmungen bediente ſich Herr von Humboldt bei der folgenden Abhandlung noch nicht. Man iſt daher berechtigt, kleine Unterſchiede in den Höhen zu erwarten, wie er ſie hier angiebt, und wie ſie in dem Theile ſeiner Reiſe erſcheinen werden, der die aſtronomiſchen und phyſikaliſchen Beobachtungen und Meſſungen enthalten wird. (Annalen, XX, 363.) In ſo fern mag man die in dieſen Aufſätzen mitgetheilten Endreſultate, ihrem Zahlwerthe nach, nur für vorläufige Reſultate nehmen. Doch der Leſer wird begierig ſeyn, Herrn von Humboldt ſelbſt zu hören. Gilbert. Ich wähle zu dem Gegenſtande meiner heutigen und der nächſtfolgenden Vorleſungen, das Geſetz der Wärmeabnahme in der Atmoſphäre, die untere Gränze des beſtändigen Schnees, und die Erſcheinungen, welche unmittelbar mit dieſer bald niedrigern bald höhern Schneegränze zuſammen hängen. Wenn man von den Ufern der Südſee aus die hohe Andeskette hinauf ſteigt, wenn man z. B. von dem Krokodilreichen Rio de Guayaquil aus, ſich gegen den Gipfel des Chimboraço erhebt, ſo findet man in einem engen Erdraume alle Klimate ſchichtenweiſe über einander gelagert. In einem Tage ſieht man den Anblick der Natur ſich raſcher und auffallender verändern, als wenn man tauſend geographiſche Meilen weit vom Aequator nordwärts bis gegen die Mündung des Sklaven- oder Mackenziefluſſes reiſete. Von der Fläche der Südſee an, bis zu 400 oder 500 Toiſen Höhe, alſo bis zu einer Luftſchicht, in welche die Gipfel des Veſuvs und unſers deutſchen Brockens hinauf reichen, findet man Palmen und Piſanggewächſe. Dieſe Region iſt mit Theophraſten und Muſſaenden, mit roth und gelb blühenden Plumerien, mit Cäſalpinien und breitlaubigen Helikonien geſchmückt. Dieſes iſt das glühende Vaterland des Jaguars, der Affen und der bunt gefiederten Papageien. Weiter aufwärts, unter milderm Himmel, in angenehmer Kühlung, erſcheinen die baumartigen Farrenkräuter, die tropiſchen Eichen und die Cinchonen, welche die wohlthätige Fieberrinde geben, und von denen zwei Arten, Cinchona lanceifolia und Cinchona cordifolia, (nach Zea identiſch mit C. anguſtifolia und C. hirſuta, Florae Peruv.,) ſich faſt bis 1500 Toiſen, oder bis zu Höhen erheben, die der des Libanons oder des Canigou in der Pyrenäenkette gleich ſind. Auf die Region der Chinabäume folgt die der Escallonien und der Zimmt-Wintera. In kalten, ewigen Nebel gehüllt, breiten hier verkrüppelte und durch den Sauerſtoff der Luft verkohlte Stämme ſchirmartig ihre ſparrigen Zweige aus. Dieſe unfreundlichen Alpen zwiſchen 1600 und 2000 Toiſen Höhe, zwiſchen der Höhe des Aetnagipfels und des Pics von Teneriffa, nennen die Spanier Paramos. Die zwergartigen Bäume aus der Myrtenfamilie hören endlich ganz auf; kräuterartige Alpenpflanzen mit zarter Wolle dicht bedeckt, reichen bis 2100 Toiſen Höhe. Dann folgt die öde Grasflur, die in der Ferne gelblich leuchtet, und in welcher, am weſtlichen Abhange des Chimboraço, heerdenweiſe verwilderte Lamas, und einzeln der kleine kurzbeinige Berglöwe (Felis Puma) umher ſchwärmen. Wo die Gräſer aufhören, bedecken kryptogamiſche Gewächſe, beſonders Iſidien und Leprarien, den nackten Trapp-Porphyr. In einer Höhe endlich, welche die des Montblanc um einige Toiſen übertrifft, beginnt der ewige Schnee. Dieſer Berglöwe, den ich Felis Puma nennen möchte, verhält ſich zum gewöhnlichen amerikaniſchen Löwen, zur großen aber ungemähnten Felis concolor, wie die Tigerkatzen Felis pardalis und tigrina zu dem großen prächtig gelb gefleckten Tiger der Guyana, und Braſiliens Felis onza. La Condamine fand die Spur dieſes Berglöwen auf friſch gefallenem Schnee am Vulkan des Pichincha im Junius 1742. (Voyage à l’Equateur, p. 153.) Puma iſt ein Wort der Quichua- oder altperuaniſchen Hofſprache. Pumayruna bedeutet: tapfer wie ein Löwe ſeyn; pumaimanani: Muth wie ein Löwe faſſen. Der kleine 18 Zoll hohe, braungelbe Berglöwe des Königreichs Quito iſt nicht mit dem Puma des Hernandez , der wahren Felis discolor, zu verwechſeln. v. Humb. So ſtellt der Abhang des Gebirges gleichſam die umgekehrte Scale eines botaniſchen Thermometers dar, und der Reiſende, der in den vegetations- und waſſerleeren Wüſten des peruaniſchen Küſtenlandes nach Stillung ſeines Durſtes und nach Kühlung lechzt, ſieht 15000 Fuß über ſeinem Haupte, auf dem Gipfel der Andes, die große Schneedecke ausgebreitet, welche unter günſtigen Refractionsverhältniſſen über 50 Seemeilen weit in der Ebene ſichtbar iſt. Dieſer Kontraſt zwiſchen Piſanggewächſen und ewigem Schnee, dieſer Anblick entgegen geſetzter Jahrszeiten, welche gleichzeitig und faſt ſchichtenweiſe in einer Zone über einander liegen, iſt unter dem Aequator um ſo auffallender, als, an keinen Wechſel der Temperatur gewöhnt, der Bewohner der Ebene dort das Waſſer nie, ſelbſt nicht im Hagel, zu einem feſten Körper erſtarrt ſieht. Weiter gegen den Pol hin, in der ſo genannten gemäßigten Zone, macht das Phänomen der beſtändigen Schneegränze einen analogen, aber minder lebhaften Eindruck. In einem großen Theile des Jahrs iſt hier die ganze Erdfläche, Berg und Thal, mit Schnee und Eis bedeckt. Mit wiederkehrender Milde des Frühlings ſcheint der Winter ſtufenweiſe aufwärts zu ziehen. Die Schneedecke erhebt ſich nach und nach am Abhange der Bergkette, bis ſie ſich unveränderlich, am Ende des Sommers, auf einer gewiſſen Höhe erhält. Dieſe Höhe iſt im mittlern Europa ſchon um mehr als ein Drittel niedriger als in den Tropenländern. In höhern Breitengraden naht ſich die Schneegränze der Erdfläche ſelbſt, und in den nördlichſten Gegenden bleibt ſogar die Ebene das ganze Jahr hindurch immerfort mit Schnee und Eis bedeckt. Dieſe Erſcheinung, dieſes allmählige Niederſinken der untern Gränze des ewigen Schnees, welche wir hier im Großen geſchildert haben, iſt eine allgemeine und längſt bekannte Thatſache. Sie iſt Folge der Abnahme der Wärme in der obern Luftregion, und der flüchtigſte Beobachter iſt durch ſie auf den Schluß geleitet worden, daß unter verſchiedenen Breitengraden Berge von einerlei Höhe mit ſehr ungleichen Theilen ihrer Gipfel in die beſtändige Schneezone reichen müſſen. Bouguer iſt unſtreitig der Erſte geweſen, der, in der Einleitung zu ſeinem Werke über die Figur der Erde, die verſchiedenen Höhen der untern Schneegränze unterſucht hat. Er beſtimmt ſie unter dem Aequator auf 2434 Toiſen, unter dem 28ſten Grade der Breite auf 2100 Toiſen, und in Frankreich und Chili auf 1500 bis 1600 Toiſen Höhe über dem Meere. Bloß die erſte Zahl folgte aus Bouguer’s eigner Meſſung; die zweite und dritte ſind aus fremden Beobachtungen geſchloſſen, und um ſo unzuverläſſiger, als dieſe Schlüſſe ſich auf Feuillée’s Meſſung des Pics von Teneriffa gründen; eines Bergs, der nicht nur keinen ewigen Schnee hat, ſondern auch um 200 bis 300 Toiſen niedriger iſt, als ihn der Pater Feuillée und Bouguer annehmen. Seit dieſem letztern vortrefflichen Mathematiker ſcheint ſich niemand mit der Schneegränze, weder zwiſchen den Wendekreiſen, noch in der gemäßigten Zone ſüdlicher als der 38ſte Breitengrad, beſchäftigt zu haben. Kirwan’s oft nachgedruckte Tafel über die Höhe des ewigen Schnees in den verſchiedenen Erdſtrichen iſt bloß nach meteorologiſchen Hypotheſen und nach Bouguer’s als wahr angenommenen Fundamentalzahlen berechnet worden. Nur in den mittlern Breiten von 43 und 46 Graden, in den Pyrenäen und Schweizer Alpen, hat man in neuern Zeiten genaue Beſtimmungen über dieſe wichtige Naturerſcheinung angeſtellt. Sauſſüre, Pictet, Pini und Ramond ſind vorzüglich darauf aufmerkſam geweſen, und alle klagen mit Recht, daß es an vervielfältigten Meſſungen über die Schneegränze unter andern Himmelsſtrichen fehlt. Figure de la Terre, p. XLV, und vorzüglich p. XLIX und LIII. An eſtimat. of the temperat. of differ. latitudes. Lond. 1787. Deutſche Ueberſetzung, S. 24. Ich habe bei meiner Reiſe nach den Tropenländern des neuen Welttheils Gelegenheit gehabt, die Höhe dieſer Schneegränze unter ſolchen Breitengraden zu meſſen, unter welchen ſie noch nie unmittelbar beobachtet worden war. Alle Berechnungen, welche die Mathematiker über die Krümmung der Schneelinie anſtellen könnten, würden vergeblich ſeyn, wenn nicht mehrere und genauer beſtimmte feſte Punkte angegeben werden, durch welche ſie gelegt werden ſoll. Ich glaube daher, daß es ein für die Naturkunde nicht ganz unfruchtbares Unternehmen ſeyn wird, wenn ich in zwei Abhandlungen das Phänomen des ewigen Schnees, in ſeiner ganzen Allgemeinheit von neuem betrachte, und dadurch die glückliche Anwendung einer der Interpolationsmethoden auf dieſen Gegenſtand vorbereite. Es iſt die Pflicht der Phyſik, da, wo es auf conſtruirbare Begriffe ankommt, der Mathematik durch Ausmittelung einer großen Anzahl genauer Thatſachen, brauchbare Materialien zur Berechnung der Naturgeſetze darzubieten. Ich werde in der erſten Abhandlung die progreſſive Wärme-Abnahme in den Luftſchichten, als Haupturſache des ewigen Schnees, und die Localitäten beſtimmen, welche auf dieſe Progreſſion einwirken. In der zweiten Abhandlung werde ich die Höhe betrachten, in welcher ſich die Schneelinie in den verſchiedenen Erdſtrichen erhält, die meteorologiſchen Phänomene aufzählen, welche mit dieſer Höhe unmittelbar zuſammen hängen, und endlich zeigen, welchen Nutzen die Phyſiker aus der richtigen Kenntniß der untern Schneegränze für die Beſtimmung der mittlern Temperatur der Ebene für Erweiterung der Gebirgskunde, für ſchnelle Meſſung der Berggipfel, und für die Anfertigung mineralogiſcher Karten ziehen können. Erſte Abhandlung. Ueber das Geſetz der Wärmeabnahme in den höhern Regionen des Luftkreiſes Um die Erzeugung der Wärme auf unſerm Planeten und das Geſetz der abnehmenden Wärme aus einem allgemeinen Geſichtspunkte zu betrachten, denke man ſich zuerſt ein Sphäroid gasförmiger, und alſo elaſtiſcher Flüſſigkeiten, welche über einander geſchichtet ſind, ohne einen dichten Kern einzuſchließen. Man ſtelle ſich die Materie in einem Zuſtande vor, den La Place bei der erſten Bildung der Planeten voraus ſetzt, oder wie ihn Herſchel in den dunſtförmigen kernloſen Maſſen annimmt, welche er planetariſche Nebelflecke nennt. Wäre der Halbmeſſer dieſes Sphäroids gasförmiger Flüſſigkeiten der Höhe unſrer Atmoſphäre gleich, ſo würden die Sonnenſtrahlen keine andere Wärme darin erregen, als die, welche von der Verminderung oder Verſchluckung des Lichts (extinction de la lumière) herrührt. Das Geſetz dieſer Lichtabnahme iſt in La Place’s Expoſition du Syſtème du Monde, t. 1, p. 157, entwickelt, und in meinem Gemählde der Tropenwelt, welches gegenwärtig zu Paris gedruckt wird, befindet ſich eine Tafel, welche Herr Biot über dieſes Phänomen berechnet hat. So wie die Lichtabnahme in den dichtern, dem Centrum des frei ſchwebenden Luftſphäroids nähern Schichten am ſtärkſten iſt, ſo wird, nach eben den Hypotheſen, auch dort eine etwas größere Erwärmung, als in den obern Regionen Statt finden. Da aber alle Luftſchichten als rein-durchſichtig angenommen werden, ſo kann dieſer Unterſchied der Erwärmung, wie die Erwärmung ſelbſt, nur überaus geringe ſeyn. Betrachtet man eine einzelne Luftſchicht beſonders, z. B. eine, die dem Centrum nahe iſt, ſo wird zwar in dieſer Schicht höherer und niedrigerer Sonnenſtand klimatiſche Temperaturveränderungen hervor bringen, je nachdem die Sonnenſtrahlen dieſe einzelne Luftſchicht ganz oder nur theilweiſe durchſtreichen; dieſe Temperaturveränderungen ſind aber bloße Differentiale von der ohne dies ſchon ſo unmerklichen abſoluten Wärme des Lichtverſchluckenden Luftraums. Wir werden in der Folge ſehen, daß eine ſolche Hypotheſe keinesweges ſpielend erſonnen iſt, ſondern daß die oberſten Regionen unſrer Atmoſphäre ſich wirklich faſt in einem ähnlichen Zuſtande befinden. Denkt man ſich das in dem Himmelsraume frei ſchwebende ſphäroidiſche Gasgemenge vergrößert, z. B. von gleichem Durchmeſſer als die Erde, ſo wird ſich im Innern derſelben, durch den Druck der elaſtiſchen Schichten ſelbſt, eine reine Luftmaſſe bilden, in welcher Metalle ſich ſchwimmend erhalten können. Ob Sauerſtoff und Stickſtoff bei dieſer ungeheuern Compreſſion noch gasförmig bleiben, oder ob ſie, wie die atomiſtiſchen Phyſiker ſagen, mit Auspreſſung eines Theils ihrer ſpecifiſchen Wärme, zu einem tropfbaren, oder gar zu einem feſten Gemiſche zuſammen treten würden, das iſt eine Frage, welche wir hier nicht zu erörtern haben. Nach jeder dieſer Vorſtellungsarten muß man das Innere eines ſo großen Sphäroids elaſtiſcher Flüſſigkeiten als einen durchſichtigen, aber überaus dichten Kern betrachten; und da in dieſem das Spiel ſtrahlender Wärme doch bemerkbar ſeyn würde, ſo gehen wir lieber von einer nun nicht mehr einfachen Hypotheſe, unmittelbar zur Wirklichkeit über. Auf unſerm Planeten ſind, nach ſeinem jetzigen Zuſtande, Materien auf einander gelagert, welche ſich in drei verſchiedenen Zuſtänden der Cohärenz befinden. Gasförmige Schichten des Luftkreiſes ruhen, (wenigſtens an dem größten Theile der Erdfläche,) auf tropfbar-flüſſigen Schichten der Meere, und dieſe bedecken den feſten Erdkörper. Aus dieſer Lagerung, aus dieſer ſcharfen und gegenſeitigen Begränzung ſo ungleich dichter und ungleich verſchiebbarer Materien, entſteht eine ungleiche Vertheilung der Temperatur; das ewige Streben in ihnen nach Wiederherſtellung des Gleichgewichts erhält Bewegung und inneres regſames Leben in der Natur. Iſt, wie auf unſerm Planeten, ein feſter Kern mit elaſtiſchen Gasgemengen bis zu einer unbekannten Gränze umfloſſen, ſo giebt es in den obern Luftregionen drei, vielleicht ſelbſt vier Urſachen der Erwärmung. Die erſte iſt Folge der geringen Lichtverſchluckung, welche die Sonnenſtrahlen bei ihrem Durchgange durch die Luftſchichten leiden. Dieſe Urſache wird um ſo wirkſamer ſeyn, je durchſichtiger das Medium ſelbſt, und je reiner und gleichmäßiger das Waſſer in der Luft aufgelöſt iſt. Wer oft hohe Berggipfel beſtiegen hat, findet ein untrügliches Merkmahl von der unbeſchreiblichen Durchſichtigkeit der Bergluft, in der Nähe in welcher durch dieſe Bergluft entfernte Gegenſtände erſcheinen. Als ich am 26ſten Mai 1802 die zweite Reiſe nach dem Krater des Pichincha, weſtlich von der Stadt Quito, unternahm, war ich von mehrern Perſonen, welche auf Maulthieren ritten, und von vielen indianiſchen Fußboten, welche Inſtrumente trugen, begleitet. Wir waren meiſt alle mit der Art weißer Mäntel, welche die Einwohner Ponchos nennen, bedeckt. Der Vulkan iſt bei dem Dorfe Chillo in der großen Ebene Cachapamba, welche ich 1285 Toiſen über der Meeresfläche erhaben gefunden habe, in ſeiner ganzen zertrümmerten Geſtalt ſichtbar. Das Wetter war ſo heiter, und die Bergluft ſo durchſichtig, daß unſre Freunde in Chillo mit bloßen Augen jeden einzelnen Reiter erkennen konnten. Die weißen Ponchos leuchteten gegen den ſchwarzen Baſaltporphyr des Vulkans. Aus einer trigonometriſchen Meſſung, welche ich in der Ebene Cachapamba angeſtellt hatte, kannte ich die Entfernung der Felsklippen, auf denen wir geſehen wurden; ſie betrug 14022 Toiſen, oder faſt 4 geographiſche Meilen von Chillo. In dieſer Entfernung erſcheint ein Menſch unter einem Winkel von 13″; ein Geſichtswinkel, der für ein nicht brennendes und bei Tage geſehenes Objekt überaus geringe iſt. Auf dem Antiſana, einem der höchſten Gipfel der Andeskette, öſtlich von der Stadt Quito, in einer Höhe von 16638 Fuß, unterſchied ich bei heiterm Sonnenſcheine, und reiner Bergluft, Kopf und Flügel des Kundurs, (Vultur gryphus,) in einer Entfernung, bei welcher ſich der ganze Vogel gewiß unter einem noch kleinern Winkel als 13″ darſtellte. In der Ebene erlaubt die Schwächung der Lichtſtrahlen beim Durchgange durch ein dichteres Medium nie, kleine Gegenſtände in ſo beträchtlichen Entfernungen zu erkennen. Die unbegreifliche, oft ſchreckende Nähe, mit der ſich bei etwas feuchter, aber heiterer Luft, plötzlich hohe Gebirge, beſonders Schneealpen, dem Auge zeigen, beweiſt ebenfalls, welcher Durchſichtigkeit die obern Luftſchichten fähig ſind. Andere Beweiſe könnte man von den cyanometriſchen Erſcheinungen hernehmen. Die Schwärze der Himmelsbläue, welche auf der hohen Andeskette 46° beträgt, während ich ſie an den Ufern der Südſee kaum 24° ſchätzte, zeugt für die ungehinderte Leichtigkeit, mit der die Sonnenſtrahlen durch die obern Luftregionen hindurch gehen. Bei einer ſo geringen Abſorption von Licht kann demnach die Wärme, welche die der Erde zuſtrömenden Sonnenſtrahlen in 3000 bis 4000 Toiſen Höhe über der Meeresfläche erregen, nur äußerſt geringe ſeyn; ſey es, daß man die Sonnenſtrahlen ſelbſt als warm, oder, mit de Lüc, als Wärme aus der Luft entwickelnd, oder mit Thomſon, nach Herſchel’s neuerlichſt ſehr zweifelhaft gemachten Verſuchen, als von ſtrahlender Wärme begleitet, annehme. Die zweite und ungleich wirkſamere Urſache der Wärme in den obern Schichten des großen Luftmeers iſt der Strom erwärmter Gasarten, (courant aſcendant,) welcher immerfort von dem feſten, dunkel gefärbten, und deshalb in ſeiner Oberfläche erhitzten Erdkerne aufſteigt. Mit den Wirkungen dieſes Luftſtroms hängen die wichtigſten meteorologiſchen Erſcheinungen, z. B. das Auflöſen der Wolken, ihr Steigen über erwärmten Ebenen, das Nichtregnen in den pflanzenloſen Wüſten zwiſchen den Wendekreiſen, und das Spiel der wechſelnden See- und Landwinde zuſammen. Ohne dieſen aufſteigenden Luftſtrom würden die Höhen des Montblanc und des Chimboraço zu jeder Jahreszeit, wegen fürchterlicher Kälte, unzugänglich ſeyn; ohne ihn würde das Verhältniß von Sauerſtoff und Stickſtoff in der obern Atmoſphäre ganz verſchieden von dem ſeyn, welches man in den untern Luftſchichten bemerkt. Dieſe vertikalen Winde haben bisweilen einen nachtheiligen Einfluß auf die Genauigkeit barometriſcher Höhenmeſſungen, wie Herr Ramond in ſeinem Mémoire über die Coefficienten der de la Place’ſchen Barometerformel ſchön entwickelt hat. In der Höhe des Col du Géant, (1763t,) wurde dieſer Einfluß in Sauſſüre’s Beobachtungen noch ſehr bemerkbar. Ob neben der Fortbewegung der Theile, oder Strömung, welche in jeder erwärmten Flüſſigkeit entſtehen muß, noch eine Mittheilung oder Leitung der Wärme Statt findet, und ob dieſe Leitung für ſich allein die Temperatur der obern Regionen der Atmoſphäre zu erhöhen im Stande wäre, iſt ſeit den Verſuchen des Grafen von Rumford, Dalton’s und anderer engliſcher und deutſcher Phyſiker über die wärmeleitende Kraft der Flüſſigkeiten, zweifelhaft geworden. Auch iſt glücklicher Weiſe dieſe Frage für die Meteorologie von minderer Wichtigkeit, da dieſe Mittheilung von den Wirkungen der Strömung nur in den ſeltenen Fällen unterſchieden werden kann, wenn die wärmere Luftſchicht über der kältern liegt und herabwärts wärmen ſoll. Winde, welche in einer großen Höhe, aus den dem Aequator nahen Gegenden in die nördlichern blaſen, könnten allerdings eine ſolche faſt unnatürlich ſcheinende Lage ungleich erwärmter Luftſchichten verurſachen. Als ein Beiſpiel davon kann man die warme Luftſtrömung betrachten, welche immerfort in den obern Regionen vom Aequator aus, gegen die Pole hin gerichtet zu ſeyn ſcheint, und welche in Verbindung mit der Rotation der Erde, nach La Place’s ſinnreicher Theorie, unten Oſt- und oben Weſtwinde in den Tropenländern erregt. Eine vierte Urſache der Wärme in den höhern Regionen der Atmoſphäre iſt die ſtrahlende Wärme, welche der von Luft umfloſſene, und von der Sonne erhitzte Erdball ſelbſt, nach allen Richtungen ausſendet. Nach der Natur und Farbe der Erdoberfläche iſt die Menge dieſer ſtrahlenden Wärme verſchieden. Sie iſt anders in Thonſchiefer- und in Grauwackenſchiefer-Gebirgen, anders auf Kalkſtein und in Kreidehügeln. Man findet ſie größer über dem feſten Lande, als über dem Meere, welches einen Theil des Sonnenlichtes, bis zu einer gewiſſen Tiefe, frei durchläßt, und ſeiner Flüſſigkeit und Verdampfbarkeit wegen, keiner beträchtlichen Erwärmung fähig iſt. Sie muß ſtärker auf vegetationsleeren, als auf waldigen und dabei feuchten Ebenen ſeyn. Das plötzliche Steigen eines Thermometers beim Durchgange eines Gewölks durch das Zenith des Beobachters beweiſt, wie beträchtlich die Wirkung der von der Erde ausgehenden Wärmeſtrahlung, wenigſtens noch in 500 bis 600 Toiſen Höhe iſt. Deßwegen ſcheint auch die Sommerhitze dann am drückendſten, wenn der Himmel mit Gewölk bedeckt iſt, und die ſtrahlende Wärme des Erdkörpers auf denſelben zurück geworfen wird. Schon in den Problemen des Ariſtoteles, in der 25ſten Section, wird eine ganz ähnliche Erklärung dieſer Naturerſcheinung gegeben. Die Dunſthülle, heißt es daſelbſt, hindert die Wärme, von der Erde zu entweichen. Wenn man dieſe Stelle mit einer andern ſehr merkwürdigen im erſten Buche der Meteorologica zuſammen hält, ſo erkennt man, daß der alles ahndende Stagirite neben ſeiner Auflöſungstheorie auch recht deutliche Begriffe von der Zerſtreuung ſtrahlender Wärme, und von dem Einfluſſe der letztern auf die Höhe der Wolkenſchichten hatte. Ariſtot. Opera omnia, Ed. Caſaub., T. II, p. 458. Meteorologica, l. 1, c. 3; l. c., p. 327. Die Entwickelung der genannten vier Urſachen: (der Abſorption des Lichtes in den dichtern oder dünnern Luftſchichten, des Aufſteigens der erwärmten gasförmigen Flüſſigkeiten, der Mittheilung durch Leitung, und der vom feſten Erdkörper ausgehenden ſtrahlenden Wärme,) erklärt zugleich von ſelbſt, warum die Temperatur der Luft abnehmen muß, ſo wie man ſich von dem feſten planetariſchen Kerne entfernt. Die Wärme entbindende Lichtverſchluckung, (extinction de la lumière) abgerechnet, ſind die übrigen Urſachen von der Art, daß man den von der Sonne erleuchteten Erdball gleichſam ſelbſt als die Quelle der Wärme betrachten kann. Je mehr man ſich alſo der Oberfläche des Luftoceans nähert, (falls er anders begrenzt und eine Oberfläche deſſelben wellenſchlagend vorhanden iſt;) deſto mehr entfernt man ſich von dem Wärme-ſtrahlenden und Luftſtröme-erregenden Kerne. Wärme und Feuchtigkeit nehmen in den obern Regionen ab, dagegen nimmt die Intenſität der electriſchen Spannung daſelbſt zu. Das Geſetz der Wärmeabnahme in der Atmoſphäre iſt eins der wichtigſten phyſikaliſchen Probleme, welches Sauſſüre zuerſt praktiſch zu unterſuchen angefangen hat, das aber noch weit von ſeiner vollſtändigen Auflöſung entfernt iſt. Dieſes Problem hat den auffallendſten Einfluß, nicht bloß auf alle Betrachtungen über klimatiſche Verhältniſſe, über Geographie der Pflanzen und Kultur derſelben, ſondern auch auf die Formeln barometriſcher Höhenmeſſungen, und auf die ſchwierige Berechnung der aſtronomiſchen Refractionen, wenn die beobachteten Höhenwinkel der Geſtirne kleiner als 10° ſind. Die Wärmeabnahme der Atmoſphäre kann entweder in einer gewiſſen Zeitepoche, z. B. an einem heitern Tage, betrachtet werden, oder man beſtimmt ihr Geſetz nach dem Zuſtande der mittlern jährlichen Temperatur ungleich erhabener Luftſchichten. Die zweite Methode könnte ihrer Natur nach allerdings intereſſantere und ſicherere Reſultate, als die erſte geben, wenn die Orte der Beobachtung nicht gar zu entfernt von einander liegen, und die Erhitzung der Gebirgsebenen nicht dabei einwirkt. Da man ſich aber auf aeroſtatiſchen Reiſen höher, als die höchſten Gebirge der Erde, erheben kann; da wir ferner die mittlere Temperatur, aus vielen täglichen Thermometerbeobachtungen gezogen, von keinem höhern Orte, als von dem Hoſpital des St. Gotthards, alſo aus 1065 Toiſen Höhe beſitzen; und da endlich die höchſten von Menſchen fortwährend bewohnten Gegenden auf unſerm Erdkörper in Europa, (das Kloſter auf dem großen St. Bernhard,) nur 1246 Toiſen, und in Amerika, (die Meierei Antiſana,) 2110 Toiſen hoch liegen: — ſo wird die erſte Beobachtungsmethode auch dann noch wichtig bleiben, wenn die wiſſenſchaftliche Menſchenkultur auf hohen Gebirgen in irgend einem Lande beträchtlich zunehmen ſollte. Der unſterbliche Lambert hat in ſeiner Pyrometrie, und früher noch in den Schriften unſrer Akademie für das Jahr 1772, das Problem der Wärmeabnahme theoretiſch unterſucht. Er ſetzt feſt, daß bis zur Höhe des Brockens 1° R. Wärmeabnahme zu 52 Toiſen, vom Brocken bis zur Höhe des Aetna zu 70 Toiſen, und höher hinauf zu 84 Toiſen Höhenunterſchied gehöre. Diejenigen, welche dieſe Annahme beſtritten haben, ſcheinen zu vergeſſen, daß dieſer tiefſinnige Mathematiker bloß die Wirkung der ſtrahlenden Wärme, die er das Aufſteigen des ſpecifiſch leichtern Wärmeſtoffs nennt, in Anſchlag bringen wollte. Sauſſüre zieht aus ſeinem in den ſchweizer und italiäniſchen Gebirgen angeſtellten Beobachtungen den Schluß, daß die Wärmeabnahme eine arithmetiſche Progreſſion befolge, und daß in der mittlern Breite von 44 bis 46°, ein Höhenunterſchied von 100 Toiſen im Sommer, und von 150 Toiſen im Winter, eine Temperaturveränderung von einem Grade des Reaumür’ſchen Thermometers begründe. Bei Sauſſüre’s Beſteigung des Aetna im Jahre 1773 fanden ſich 114t, bei der Reiſe nach dem Gipfel des Montblanc aber nur 90t,8 für 1° R. Das Geſetz der Wärmeabnahme im Winter iſt, bei dem Mangel an genauen Beobachtungen, unſicherer, als das Geſetz für den Sommer; doch ſcheinen mehrere Erfahrungen zu lehren, daß die Winterkälte der obern Luftregionen geringer iſt, als man es nach der im Sommer bemerkten ſchnellen Wärmeabnahme vermuthen ſollte. Wäre dieſe Verminderung der Temperatur in allen Jahreszeiten dieſelbe, ſo müßte z. B. auf dem Kloſter des St. Bernhards das Thermometer jedes Mahl auf —20° herab ſinken, wenn es an der Ebene auf —5° ſteht; und doch ſind dieſe ſehr tiefen Thermometerſtände auf hohen Bergen nicht ſehr häufig. Nur im Frühjahre, wenn der Schnee in den tiefen Thälern bereits geſchmolzen iſt, und noch die hohen Alpengipfel bedeckt, iſt der Wärmeunterſchied zwiſchen der Ebene und dem Gebirge ſo auffallend groß, daß man dann ſtatt 150 Toiſen, bisweilen nur 10 bis 27 Toiſen Höhenunterſchied auf R. rechnen kann. Als ich mich im Monat Mai des verfloſſenen Jahres mit Herrn Gay-Luſſac 5 Tage in dem Hoſpice des Mont-Cenis aufhielt, um daſelbſt einige Verſuche über die magnetiſchen Schwingungen und die chemiſche Beſchaffenheit der Bergluft anzuſtellen, ſahen wir das Thermometer ununterbrochen 12 bis 15° tiefer, als in Lanslebourg, obgleich der Höhenunterſchied beider Orte kaum 324 Toiſen beträgt. Die Wärmeabnahme muß daher im Winter nur in Zeiten gemeſſen werden, wenn die tiefern Regionen noch mit Schnee bedeckt ſind. Und zu einer ſolchen Zeit iſt ſie langſamer als im Sommer, nicht bloß, weil vielleicht die hohen Schichten der Aequatorialluft dann ſchneller gegen die Pole hinſtrömen, und unſre obere Atmoſphäre erwärmen, ſondern auch, (und das iſt wohl der vorzüglichſte Grund,) weil die Erdoberfläche in unſern Klimaten von den ſchiefern Sonnenſtrahlen getroffen, im Winter wenig erwärmte Luft, und faſt gar keine ſtrahlende Wärme in die höhern Regionen ſchickt. Der Temperaturunterſchied zwiſchen dieſen und den untern Luftſchichten iſt dann, eben deßhalb, geringer als im Sommer, indem dann die ganze Atmoſphäre ſich dem Zuſtande des oben betrachteten kernloſen Luftſphäroides naht. Der Erdball kann, wo er in Schnee gehüllt iſt, nur wenig auf die nahen Luftſchichten wirken. Wo ihn Waſſer bedeckt, oder wo er den Winter über, (wie im ſüdlichen Europa,) ſchneelos bleibt, da iſt ſein wärmender Einfluß kein anderer, als der, welcher durch die, jedem Planeten eigenthümliche Temperatur begründet wird. Die langſamere Wärmeabnahme im Winter läßt ſich daher aus theoretiſchen Gründen leicht einſehen. Daß die aſtronomiſche Strahlenbrechung, ſelbſt nach Correction von Luftelaſticität und Temperatur, bei heitern Wintertagen ſtärker als bei heitern Sommertagen gefunden wird, iſt auch Folge dieſer langſamern Wärmeabnahme im Winter. Wie viel dieſe letztere aber betrage, ob Sauſſüre’s Vermuthung von 150 Toiſen für 1° R. richtig ſey, das müſſen erſt vervielfältigte Beobachtungen, beſonders aeroſtatiſche Winterreiſen aufklären. Meine eignen Beobachtungen in heißen Klimaten weichen etwas von den Sauſſüre’ſchen Angaben der Wärmeabnahme im Sommer ab, ſtimmen aber, für ſich betrachtet, ſehr ſchön mit einander überein. Die vortheilhafteſten Fälle ſind die, wenn man ſich auf einem iſolirt ſtehenden Berge erhebt, und wenn die Höhe ſelbſt ſo beträchtlich iſt, daß ein kleiner Fehler in dem bemerkten Unterſchiede der Temperatur zweier Stationen den Quotienten wenig verändert. Sind die Berge von geringer Höhe, z. B. nur 400 bis 500 Toiſen über dem Meere erhaben, ſind die Oerter der correſpondirenden Beobachtungen ſehr entfernt, hat das Gebirge eine beträchtliche Maſſe oder gar auf ſeiner Kuppe eine weite Ebene, in der die ſtrahlende Wärme wirkſam wird; ſo iſt dem Verſuche wenig zu trauen. Eben wegen dieſer lokalen Schwierigkeit kann ich, trotz meiner vielen Reiſen in der Andeskette und andern hohen Gebirgen, doch nur eine geringe Zahl von Beobachtungen auswählen, die zu ſichern Reſultaten führen. [Herr von Humboldt theilt dieſe Beobachtungen in allem dem Detail mit, welches zur Beurtheilung des Reſultats in jedem einzelnen Falle zu wiſſen nöthig iſt. Jeden ſtörenden Einfluß, Wind, Wärmeſtrahlung, Seeluft und andere, zieht er, ſo weit ſie ſich beobachten ließen, ſorgfältig zu Rathe, und hierdurch wird dieſer Auszug aus ſeinen Beobachtungsregiſtern nicht wenig belehrend. Als ein Beiſpiel der Behandlung mag hier eine einzige ſeiner Beobachtungen ſtehen, nämlich die auf der hohen Bergſpitze bei Caraccas an der Nordküſte des ſüdlichen Amerika. G.] Den 1ſten Januar 1800 beſtiegen wir, Herr Bonpland und ich, den großen Sattelberg von Caraccas, la Silla oder Cerro de Avila genannt; ein ungeheures Glimmerſchiefergebirge, welches den Seefahrern in 30 bis 35 Seemeilen Entfernung, die nördlichen Küſten von Südamerika, und die Lage des Hafens von La Guayra kenntlich macht. Außer der mit ewigem Schnee bedeckten Sierra de Santa Martha, öſtlich von Carthagena de Indias, giebt es an der ganzen Küſte der Terra Firma kein höheres Gebirge als die Silla. Das Thermometer, nahe an dem berufenen fürchterlichen Abſturze gegen Caravalleda, (einem faſt ſenkrechten Abgrunde von 9800 Fuß,) zeigte 11° R. In der Guayra, am Meeresufer, war, nach der Beſtimmung des Don Joſeph Herera, die gleichzeitige Temperatur 22°. Höhe des Bergs nach meiner barometriſchen Meſſung, (die trigonometriſche habe ich noch nicht Zeit gehabt zu berechnen,) wenigſtens 1336 Toiſen. Alſo Wärmeabnahme 121t,4 auf 1° R. Wind, Nordoſt, vom nahen Meere her; alſo ſehr erkältete Luftſchichten zuführend. Das Reſultat ſcheint zu beſtätigen, was ſo eben von der Wirkung des wenig Wärme-ſtrahlenden Oceans bemerkt wurde. Die Wärmeabnahme muß etwas beſchleunigt ſcheinen, wenn man die tiefe oder untere Landluft mit hoher Seeluft vergleicht. Doch iſt das Reſultat nur um 3 Toiſen von meiner Beobachtung auf dem Pic von Teneriffa verſchieden. Breite der Silla de Caraccas 10° 37′ nördlich. — Mit dieſer Wärmeabnahme von 121 Toiſen auf 1° R. ſtimmt ziemlich genau eine Beobachtung überein, welche ich auf einer Fußreiſe von Caraccas nach dem Hafen La Guayra gemacht habe. Ich erſtieg das Fort de la Cuchilla, welches faſt in der Höhe der ſchleſiſchen Schneekoppe, am Gebirge Avila, zur Beſchützung der Stadt Caraccas angelegt iſt. Höhe 766 Toiſen. Abends, Thermometerſtand 15°,2; unten an der Küſte 22°. Seewind. Wärmeabnahme 114,1 Toiſen. — Berechnet man die Wärmeabnahme auf der Silla nicht nach Gegenbeobachtungen in der Ebene, ſondern nach den in dem Thale von Caraccas angeſtellten, (welches ſchon 435 Toiſen über der Meeresfläche erhaben iſt,) ſo erhält man ein gar zu kleines Reſultat. Wir werden in der Folge ſehen, daß auch in der Andeskette die Wärmeabnahme ſtets ſchneller erſcheint, wenn man die Luftſchichten hoher Gebirgsebenen mit denen der Berggipfel vergleicht. Dieſe Gebirgsebenen oder engen Thäler, wie das von Caraccas, erhitzen ſich nämlich um Mittag, und ihre Temperatur iſt dann in einem Theile des Tages höher, als ſie nach der ſenkrechten Höhe des Orts ſeyn ſollte. In der Stadt Caraccas ſtand das Thermometer auf 19°, während es auf der Silla 11° zeigte. Hieraus folgt eine Wärmeabnahme von 112,6 Toiſen auf 1° R. ſtatt 121 Toiſen, welche dieſelbe Beobachtung gab, wenn man ſie mit der in der Ebene des Meeres bemerkten Temperatur verglich, und ſtatt 118 Toiſen, welche meine Beobachtungen auf dem Pic de Teyde gaben. — — — [In der folgenden Tafel ſind alle Beobachtungen des Herrn von Humboldt, [ſammt ein Paar fremden,] welche er für zuverläſſig anerkennt, und die Reſultate, auf die ſie führen, zuſammen geſtellt. Ich habe in den Anmerkungen einige der Hauptumſtände aus dem hier übergangenen Detail der Beobachtungen, welches zum Verſtändniſſe und zur Beurtheilung derſelben nöthig iſt, hinzu gefügt. G.] Thermometerſt. Name der Orte. Geographiſche Breite. Höhe über dem Meere. oben. im Niv. des Meers. Pic von Teneriffa 28° 17′ n. 1901t 2°,2 R. 9,3 18°,3 R. 24°,5 Cofre de Perote 19 29 n. 2066 1,7 19,4 Nevada de Toluca 19 6 n. 2364 3,5 22 Silla de Caraccas 10 37 n. 1336 11 22 Fuerta de la Cuchilla 10 33 n. 776 15,2 22 Guadaloupe 4 36 n. 1646 8,5 22 Montſerrate 4 36 n. 1692 10 22 Gipfel des Pichincha 0 14 ſ. 2415 3 22 2488 4,1 22 Chimboraço 1 28 ſ. 3012 — 1,3 23,3 [Ueber Paris 48 50 n. 3580 — 7,6 24,5 üb. P. [ 22,2 i. P. [Aetna 38 n. 1713 + 3,5 18,5 [Das Mittel mit Ausſchluß Wärmeunterſchied. Wärmeabnahme oder Höhenveränderung für 1° R. Wärme. Beobachter. 16°,1 R. 118t,3 Ht. Jun. 22. 1799 15,2 125,3 Lamanon Aug. 24. 1785 17,7 116,3 Ht. Febr. 7. 1804 18,5 127,8 Ht. Sept. 29. 1803 11 121,4 Ht. Jan. 1. 1801 6,8 114,1 Ht. 12 137 * Ht. Jul. 25. 1801 13,5 124,6 Ht. Aug. 15. 1801 19 130,9 Ht. Apr. 14. 1802 17,9 139 * Ht. Mai 28. 1802 23,3 129,3 Ht. Jun. 23. 1802 32,1 111,5 Gay-Luſſac Sept. 16. 1804] 29,8 120,1] 15 114 Sauſſüre Jun. 5. 1773] der beiden * iſt 121,1] Vergl. Annalen, XVI, 394, und IV, 144.) Der Wind war weſtlich, führte alſo keine erhitzte Luft der nahen afrikaniſchen Wüſten herbei, wie das der Fall war, als Labillardiere den 17ten Oct. 1791 am Rande des Kraters bei Südſüdoſtwind, das Thermometer auf 15° und kaum 7°,5 niedriger als in Santa Cruz ſtehen ſah. Beobachtungen in Santa Cruz geben die Wärmeabnahme um 21 Toiſen kleiner, weil hier das Thermometer wegen der Nähe wärmeſtrahlender Felsmaſſen immer 3 bis 4° höher als in der Orotava im Niveau des Meeres ſteht. G. Dieſe beiden mexikaniſchen Beobachtungen erklärt Hr. von Humboldt für vorzüglich ſicher, da ſie auf ſchroffen thurmähnlichen Bergen angeſtellt wurden, und die verglichenen Luftſchichten faſt ſenkrecht über einander lagen. Ein heftiger nördlicher Seewind erniedrigte bei der erſten die Temperatur der obern Luftſchicht ein wenig. G. Zwei berühmte Wallfahrtskapellen auf der ſteilen Felswand der Andeskette, öſtlich von St. Fé de Bogota. Die Thermometerſtände in der Ebene des Meeres beruhen auf der Erfahrung, daß ſie um dieſe Jahrszeit ſich dort um keine 2° ändern. G. Beide Gipfel ſtehen am weſtlichen Rande der Andeskette, auf dem lang geſtreckten mit einzelnen grotesken Klippen beſetzten Gebirgsrücken des Pichincha, am ſchauderhaft jähen Abſturze nach den Ebenen an der Südſee. Der höchſte Gipfel, (Rucu-Pichincha,) enthält den Krater. Beide Tage waren überaus heiter und ſchön. Bei der mit einem * bezeichneten Beobachtung bemerkt Herr von Humboldt, daß in dieſer Zone damahls ein Irrthum von 6° F., (2 [Formel] ° R.,) in der [bloß geſchloſſenen?] Temperatur an der Meeresküſte wohl möglich geweſen ſey; ein ſolcher Irrthum würde aber doch nur 16 Toiſen Unterſchied im Reſultate bewirkt haben. G. (Vergl. Annalen, XVI, 469.) Zu Calpi, einem indianiſchen Dorfe in einer weiten Gebirgsebene am Fuße des Koloſſes, 1630t über dem Meere, ſtand zu gleicher Zeit das Thermometer auf 12°; ein Beweis, daß dieſe Ebene eine höhere Temperatur annahm, als ihr nach ihrer Lage zukam. Der Tag war neblig. G. — — Die Reſultate aller dieſer Beobachtungen, welche ich, [ſagt Herr von Humboldt,] zwiſchen den Wendekreiſen angeſtellt habe, ſchwanken zwiſchen 114 und 130 Toiſen; und beweiſen alſo, daß man ſich dort um ungefähr 122 Toiſen erheben muß, um die Temperatur um einen Grad des Reaumür’ſchen Thermometers verändert zu ſehen. Da in den Tropenländern ein regelmäßiger Wind, der der Erdrotation, oder der Paſſatwind herrſcht, und da alle Wetterveränderungen daſelbſt innerhalb ſehr enger Gränzen eingeſchloſſen ſind, ſo darf man ſich nicht über die große Uebereinſtimmung wundern, welche die Beobachtung bei ſo ungleich hohen Luftſäulen, von 800 bis 3000t giebt. Im Sommer, beſonders 2 bis 3 Stunden nach der Culmination der Sonne, wenn an heitern Tagen die aufſteigende warme Luft die obern Schichten der Atmoſphäre gleichmäßig erwärmt hat, ſcheint die Wärmeabnahme in unſrer gemäßigten Zone, in der mittlern Breite von 45 bis 50°, daſſelbe Geſetz als unter dem Aequator zu befolgen. Die große aeroſtatiſche Reiſe meines Freundes, Herrn Gay-Luſſac, welche über die magnetiſchen Phänomene und die chemiſche Beſchaffenheit der hohen Luftregionen ſo vieles Licht verbreitet, hat uns auch die wichtigſten Reſultate über die Abnahme der Temperatur in der Atmoſphäre geliefert. Als dieſer eben ſo erfahrne als genaue Beobachter am 16ten Sept. 1804 ſich über Paris zu der ungeheuern Höhe von 3580 Toiſen, (3600t über dem Meere,) alſo faſt 2000 Fuß höher als der Gipfel des Chimboraço, erhob, traf er daſelbſt Luftſchichten an, in welchen eine Winterkälte von 7°,6 R. unter dem Gefrierpunkte herrſchte, während wir zu Paris die übermäßige Hitze von 24°,5 R. erlitten. Der Wärmeunterſchied betrug hiernach 32°,1 R., und die Wärmeabnahme 111t,5 auf 1° R., alſo nur 6t,8 weniger als die, welche ich auf dem Pic von Teneriffa beobachtet habe. Betrachtet man aber die Luftſäule, welche Herr Gay-Luſſac durchlief, als aus zwei ungleichen Theilen beſtehend, ſo ergiebt ſich, daß von der Ebene an bis zu der Höhe von 1900t, alſo bis zur Höhe des Pic von Teneriffa, die Wärmeabnahme volle 123t auf 1° R. betrug, daß aber von dieſer Höhe bis über den Gipfel des Chimboraço hinaus oder bis 3600t, die Wärmeabnahme ſo ſchnell war, daß 91t zu 1° veränderter Temperatur gehörten. Annales de Chimie, t. 52, p. 75; und dieſe Annalen der Phyſik, B. XX, S. 19. Als Herr Gay-Luſſac in ſeinem Aeroſtate die Erde um 9U. 40′ Morgens verließ, ſtand das Centeſimalthermometer auf 27 [Formel] °, (Annalen, XX, 23, 26,) und war, als er ſich um 3U. 11′ Nachmittags in der größten Höhe, 3580t über Paris befand, in Paris bis 30 [Formel] ° geſtiegen, (daſ., S. 27, wo man Zeile 5 ſtatt nicht merklich, nicht bedeutend, und Zeile 11 ſtatt 3 [Formel] °, 3° leſe; und S. 28, wo man in Zeile 15 die Worte: bei meiner Abfahrt, wegſtreiche.) In jener größten Höhe ſtand es auf —9 [Formel] °. Nach der Reaumür’ſchen Scale betragen dieſe Thermometerſtände 22°,2; 24°,5; —7°,6; aus den beiden letzten folgt die obige Wärmeabnahme 111t,5 für 1° R. — In 1894t Höhe über Paris ſtand bei dem Anſteigen das Thermometer auf 6°,8 R.; und dieſem Sinken um 15°,4 R. entſpricht eine Höhe von 123t für jeden Grad Reaum. Wärmeabnahme. Die Urſachen, welche die Temperatur der Luft an der Erdfläche von 10 bis 3 Uhr allmählig um 2°,3 R. erhöhten, wirkten ſchwerlich in ſo kurzer Zeit bis zu einer Höhe von 3580t merklich erwärmend in der Atmoſphäre hinauf. Sollte daher die Temperatur hier nicht auch um 10 Uhr wie um 3 Uhr nahe —7°,6 R. betragen haben? und ſollte dieſe Vormittagsſtunde, wo die Temperatur der mittlern des Tages näher kam, nicht ſchicklicher, als die Stunde der größten Hitze, zur Beſtimmung der Wärmeabnahme in der Atmoſphäre geweſen ſeyn? In dieſem Falle würden die Beobachtungen des Herrn Gay-Luſſac für die Region von 1893 bis 3580t die Wärmeabnahme zu 117t auf 1° R., alſo nahe dieſelbe als für die untern 1900t gehen. Die Wärmeabnahme in der ganzen Luftſäule von der Erde ab gerechnet, fände ſich dann zu 120t,1 auf 1° R., ganz übereinſtimmend mit dem, was Hr. von Humboldt aus ſeinen Beobachtungen in Amerika folgert, und daß ſie um 3 Uhr Nachmittags ſich etwas kleiner zeigte, würde für einen Beweis mehr des Einfluſſes zu nehmen ſeyn, welchen erwärmte Ebenen auf die Beſtimmung der Wärmeabnahme haben. (Vergl. S. 35 unten, und S. 44 unten.) Folgende Thermometerſtände, welche Herr Gay-Luſſac heraus hebt, 4°,2, 0°,4 R. in 2566t, 2912t Höhe, und 0°, —7°,6 R. in 2889t, 3580t Höhe, geben zwar eine ganz gleiche Wärmeabnahme für dieſe hohen Luftregionen, erſtere von 91t,1, letztere von 91t für 1° R.; allein dieſes Zuſammentreffen könnte doch nur zufällig ſeyn. Hebt man andere Beobachtungen aus, ſo erhält man bedeutend verſchiedene Zahlen. Mit zunehmender Höhe beim Auffluge ſtieg die Temperatur ein paar Mahl, ſtatt zu ſinken, und nicht immer fand Herr Gay-Luſſac in gleicher Höhe gleiche Thermometerſtände. Er ſchreibt dieſes dem Zurückbleiben des Thermometers hinter der Temperatur der Luft zu; da aber doch kalte oder warme Luftſtröme eben ſo gut Antheil daran haben könnten, wie dieſes weiterhin Herr von Humboldt bemerkt, ſo müßte, dünkt mich, wenigſtens die Richtung des Windes in den verſchiedenen Stationen genau beobachtet worden ſeyn, ehe wir aus Thermometerſtänden in Höhen, die vielleicht noch in den Regionen ſolcher Strömungen ſind, und nur wenig von einander abſtehn, einiger Maßen zuverläſſige Schlüſſe über das Geſetz der Wärmeabnahme ziehen können. Gilb. Dieſe Beſchleunigung der Wärmeabnahme in den hohen Luftſchichten iſt der von Lambert in der Pyrometrie aufgeſtellten und ſchon von Sauſſure angegriffenen, allerdings etwas einſeitigen Theorie entgegen. Sie erklärt ſich aber keinesweges aus dem Einfluſſe der Wärme-ſtrahlenden und warme Luft aufwärts ſendenden Erdfläche. Wo dieſer Einfluß im Aufhören iſt, d. h., ein Unendlichkleines wird, wo die Wärme des Luftkreiſes größten Theils nur noch von der Lichtverſchluckung (extinction de la lumière) abzuhängen beginnt, da ſcheint die Kälte der Luftſchichten langſamer zuzunehmen, ja dieſe Zunahme der Luftdünne proportional ſeyn zu müſſen. Ehe man eine Beſchleunigung der Wärmeabnahme in den höchſten Regionen der Atmoſphäre annehmen darf, muß dieſelbe durch mehrere übereinſtimmende Beobachtungen begründet werden. Denn die Luftreiſen, welche von genauen und gelehrten Beobachtern angeſtellt worden ſind, die eines Charles, Guyton, Biot und Gay-Luſſac, lehren, daß bis zur Höhe des Aetna die Temperatur der Luftſchichten in unſerm europäiſchen Klima, (der Winde und anderer zufälligen Urſachen wegen,) ſehr unregelmäßig ſcheinenden Veränderungen ausgeſetzt iſt. Je höher man ſich aber hinauf ſchwingt, deſto mehr hören die Urſachen dieſer Anomalieen auf. Wenn man übrigens aus meinen eignen Beobachtungen, die ich zwiſchen den Wendekreiſen angeſtellt habe, auf eine analoge Beſchleunigung der Wärmeabnahme in großer Entfernung von der Meeresfläche ſchließen wollte, ſo würde man ſich durch Nichtbeobachtung der Localverhältniſſe zu einem Fehlſchluſſe verleiten laſſen. Allerdings finde ich bei der Beſteigung des Chimboraço 119 Toiſen für 1° R., wenn ich die ganze Luftſäule von 18072 Fuß als ein Ganzes betrachte. Theile ich ſie hingegen in zwei Theile, ſo finde ich für die erſten 9780 Fuß von der Meeresfläche bis zum indianiſchen Dorfe Calpi, 166 Toiſen, und von Calpi bis zu unſerm höchſten Standpunkte am Bergrücken, (alſo in den letzten 8292 Fuß,) 103 Toiſen für 1° R. Wärmeabnahme. Aehnliche Verſchiedenheiten gaben die Beobachtungen auf der Silla de Caraccas, in den Kapellen bei Santa Fé, und auf dem Vulkan von Toluca, je nachdem man ſie über der Meeresfläche, oder über den Thälern von Caraccas, von S. Fé de Bogota und von Toluca berechnet. In allen dieſen Fällen entſteht der Schein einer Beſchleunigung der Wärmeabnahme offenbar nur aus dem Umſtande, daß die Thäler, in denen Calpi, Caraccas, S. Fé und Toluca liegen, weit gedehnte ſölige Ebenen ſind, welche ſich ſtärker erhitzen, als der ſteile Abhang eines Gebirges, oder als Luftſchichten, welche, ſtatt einen hervor ragenden Theil der Erdfläche unmittelbar zu berühren, auf andern Luftſchichten ruhn. Da die hohen amerikaniſchen Gebirgsketten der peruaniſchen und mexikaniſchen Andes bis zur Höhe des St. Gotthards eine ungeheure Maſſe haben, da ſie bis zu dieſer Höhe Flächen von 120 geogr. Quadratmeilen bilden, ſo iſt bis zu der bewohnten Höhe der Andes die Wärmeabnahme langſam, dann aber plötzlich ſchneller, in der 1800 bis 2000 Toiſen hohen Bergſchicht, wo die Gebirgsmaſſe abnimmt, und kegelförmige Gipfel ſich auf einer breiten Grundfläche iſolirt erheben. Dieſer Umſtand erklärt die mittlern Temperaturen, welche, wie ſie aus wirklichen Beobachtungen gefolgert werden, in meinem Naturgemählde der Tropenwelt auf einer Thermometerſcale aufgezeichnet ſind. Pflanzen heißer Erdſtriche ſteigen da am höchſten in dem Gebirge aufwärts, wo die Maſſe der Andeskette am größten iſt. Villar hat längſt ähnliche Bemerkungen über die Geographie der Alpenpflanzen in der Dauphiné gemacht. Sauſſure Voyage dans les Alpes, §. 936. In einer Abhandlung, welche ich zu Paris in der Sitzung der erſten Klaſſe des Nationalinſtituts am 26ſten Novbr. 1804 vorgeleſen, habe ich bereits entwickelt, wie über die Höhe des Montblanc hinaus, alſo in einer Region, wo der Einfluß der ſtrahlenden Wärme ſehr geringe iſt, im Sommer in 49° nördlicher Breite, und unter dem Aequator, gleich kalte Luftſchichten in einerlei Höhe liegen. Die Vergleichung von Herrn Gay-Luſſac’s Beobachtungen auf ſeiner großen Luftfahrt, und den meinigen am Chimboraço, gaben dieſes auffallende Reſultat: Höhe Temperaturen am Chimboraço über Paris 2440t + 5°,2 R. + 5°,8 R. + 6°,6 R. 5,6 2850 2,3 1,6 2,0 3012 — 1,3 — 2,0 — 1,2 Da die Höhen über Paris in Hrn. Gay-Luſſac’s Tabelle (Ann., XX, 26,) um 20 Toiſen kleiner ſind, als die Höhen über dem Meere, ſo finde ich durch Interpolation zwiſchen den Zahlen dieſer Tabelle die Thermometerſtände über Paris, welche zu den in der erſten Columne angegebenen Höhen über dem Meere gehören, etwas anders, als ſie in der dritten Columne ſtehn, und zwar ſo, wie ich ſie in der eingeklammerten Columne daneben geſetzt habe. Man ſieht, daß dieſe Temperaturen noch genauer, als jene, mit denen am Chimboraço in den höhern Regionen harmoniren. Sie ſind, die erſten aus Zeile 9; die zweite aus Zeile 11 und 12; die dritte aus Zeile 14; die vierte aus Zeile 19 und 20 der Gay- Luſſac’ſchen Tabelle abgeleitet. Gilb. Die Unterſchiede betragen nicht mehr als 0°,7. Auch herrſchte damals in den Ebenen des nördlichen Frankreichs eine Hitze, welche der Temperatur der Tropenländer gleich war. Bis hierher haben wir zwei Mittel unterſucht, das Geſetz der abnehmenden Wärme kennen zu lernen. Bergreiſen und Luftfahrten geben Reſultate, welche mehr überein ſtimmen, als man wegen des Spiels der horizontalen und ſenkrechten Winde erwarten ſollte. Drei andere nicht gleich zuverläſſige Mittel ſind: die Jahre lang beobachtete mittlere Lufttemperatur; die Wärme der Quellen; und die Wärme der unterirdiſchen Höhlen, welche letztere man etwas gewagt die Wärme des Erdkörpers zu nennen pflegt. Herr von Humboldt bemerkt über das erſte dieſer Mittel, daß es immer nur von geringerm Werthe für die Beſtimmung des Geſetzes der Wärmeabnahme in der Atmoſphäre bleiben werde, es ſey denn, es ließen ſich auf der Höhe des Montblanc, des Pic von Teneriffa und des Aetna phyſikaliſche Obſervatoria, und zwar, um ſtationären Luftbällen zu gleichen, auf ſpitzen Kegelbergen oder an ſenkrechten Abſtürzen bauen, und in ihnen täglich correſpondirende Beobachtungen über Horizontal-Refraction, Luftfeuchtigkeit, electriſche Tenſion, Elaſticität und Temperatur der Atmoſphäre anſtellen. In Europa ſind indeß die höchſten Punkte, die fortwährend bewohnt werden, die Hoſpice am St. Gotthards- und am St. Bernhards-Paß, nur in 6390 und 7476 Fuß Höhe. In Amerika haben ſich zwar ſeit den älteſten Zeiten die Menſchen noch bedeutend höher angeſiedelt; peruaniſche Städte, wie Mincuipampa und Huancavelica, liegen in 1900t Höhe, und Menſchenwohnungen erheben ſich ſelbſt bis 12610 Fuß, alſo vier Mahl höher als die großen, aber lichten Wolken, welche im Sommer über unſerm Scheitel hinziehen; auch werden im ſpaniſchen Amerika, wo ſeit La Condamine’s Reiſe Liebe zu phyſikaliſchen Wiſſenſchaften mehr verbreitet iſt, als man in Europa ſelbſtgefällig zu glauben wünſcht, tägliche Thermometerbeobachtungen ziemlich regelmäßig in 8 bis 9000 Fuß Höhe angeſtellt. Allein die Orte, deren mittlere Temperatur mit einander verglichen werden ſoll, liegen zu weit von einander; iſt ihre Höhe über der Meeresfläche unter 3000 Fuß, ſo verurſacht die zufällige Variation um 1° R. ſchon eine übermäßige Verſchiedenheit in dem Reſultate; und wie ſoll man unter den verwickelten, die Temperatur beſtimmenden localen Urſachen den Einfluß der Höhe erkennen, und was der ſenkrechten Höhe über dem Meere allein zuzuſchreiben iſt, beſtimmen? Faſt alle hoch gelegene Städte und Dörfer in Amerika und Europa ſind in engen Gebirgsthälern und auf unermeßlich weiten, durch ehemahligen Waſſerſtand geebneten Gebirgskuppen angebaut, die ſich ſtark erhitzen, und je nachdem man die mittlere Temperatur dieſer hohen Gebirgsebenen mit der der Küſten, oder mit den noch höhern Gebirgsſpitzen vergleicht, erhält man ſehr verſchiedene Beſtimmungen für die Wärmeabnahme. Ich wähle, ſagt Hr. von Humboldt, um dieſen Gegenſtand genauer zu unterſuchen, vier Städte, deren mittlere Temperatur und Höhe über der Meeresfläche bekannt ſind: Quito, Santa Fé de Bogota, Popayan und Mexiko. Es kömmt zuerſt darauf an, den mittlern Wärmegehalt der Tropenregion in der Ebene des Meeres feſt zu ſetzen. Wenn ich meine eignen fünfjährigen Beobachtungen mit denen vergleiche, welche Cotte in ſeinem klaſſiſchen Werke: Mémoires de Meteorologie, vereinigt hat, ſo ſcheint es entſchieden, daß vom Aequator bis 60° nördl. Breite das Thermometer zu einer gleich großen Höhe ſteigt; daß die außerordentlich hohen Thermometerſtände in den gemäßigten Klimaten häufiger als zwiſchen den Tropen ſind; und daß, (wenn man in der Sonne, oder mit Licht-abſorbirenden, gleichſam photoſkopiſchen Thermometern, oder von wenig genauen Beobachtern angeſtellte Verſuche ausſchließt,) das Tropenklima im Innern von Aſien, Afrika und Amerika gleich heiß iſt. Seitdem die Reiſenden mit Queckſilberthermometern verſehen ſind, und im Schatten, außerhalb des Reflexes von Gebäuden und Felswänden beobachten, verſchwinden nach und nach die Angaben von 33 bis 36° R. Tropenwärme, ob man gleich noch Thermometerſcalen ſieht, auf denen 50 und 60° ſyriſcher und ſenegal’ſcher Hitze angedeutet ſind. Nach Cotte fällt die mittlere Temperatur der Länder zwiſchen den Wendekreiſen zwiſchen 21° und 22°,7 R. La Condamine beſtimmt ſie für die Ufer der Südſee nur auf 20°. Allerdings iſt die ſüdliche Hemiſphäre unſers Erdballs etwas kühler, oder vielmehr gleichmäßig milder, als die nördliche. Doch liegt dieſer Unterſchied mehr in den Extremen, als in der mittlern Wärme. Die Länder ſüdlich vom Aequator, beſonders die der gemäßigten ſüdlichen Zone, ſind wegen der großen Waſſermenge der ſüdlichen Halbkugel weder ſo übermäßig kalt, noch ſo übermäßig warm, als die nördlichen Regionen der Erde unter gleichen Breiten. Nach meinen Beobachtungen zu Guayaquil, einem Hafen an der Südſee, ſcheint die mittlere Temperatur dieſer Küſtenländer gegen 21°,3 zu betragen. Natürlich muß hiervon der Erdſtrich zwiſchen Amotape und Coquimbo ausgeſchloſſen werden, der weſtlichſte und ſandige Theil von Peru, in dem es nie regnet und donnert, und in welchem fünfmonatliche Verhüllung der Sonne durch dicke Nebel eine dort empfindliche Kälte von 9 bis 10° R. erregt. In Cumana, (10°27′37″ ſ. Breite,) einem wegen ſeiner übermäßigen Hitze weit berufenen Orte, wo ich theils ſelbſt beobachtete, theils mit meinen Inſtrumenten während der Orinoco-Reiſe ſorgfältigſt beobachten ließ, iſt die mittlere jährliche Wärme 22°,2. In Vera Cruz, wo ich ein Tableau von 21000 Beobachtungen des Don Bernardo de Orta durchſuchte, finde ich die mittlere Temperatur zu 20°,3. Die Breite des nahen amerikaniſchen Continents und Nordſtürme vermindern dort im Winter die Wärme des Klima. Auch liegt dieſer Hafen ſchon den Wendekreiſen nahe, unter 19° 12′ nördl. Breite. Dieſelben Urſachen bringen die mittlere Wärme der Havanna, über die ich vierjährige Beobachtungen bekannt machen werde, auf 18° R. herab; ja man ſieht dort, unter 23° 9′ nördl. Breite, an Orten, die nur 240 Fuß über das Meer erhaben ſind, das Thermometer manchmahl auf dem Gefrierpunkte. Im Jahre 1801 ſank an den kälteſten Tagen in Lima, den 28. Julius, den 30. Auguſt und den 27. September, das Thermometer auf 11° herab. Die wärmſten Tage waren der 25. Febr. und 25. März zu 22° R. Die mittlere Temperatur von Lima ſcheint gegen 17°, alſo 4° weniger zu ſeyn, als an der Küſte gelegenen Orten dieſer geogr. Breite zukömmt. Ein vortreffliches Mittel, die mittlere Temperatur der Tropenregion kennen zu lernen, bietet die Oberfläche des Oceans dar, nämlich da, wo ſeine Wärme weder durch Untiefen noch durch Strömungen modificirt iſt. Ich arbeite an einer Karte über die Temperatur der Meere, zu der ich außer meinen eignen Verſuchen eine Menge von Beobachtungen benutze, welche ſpaniſche Seeofficiere auf meine Bitte in der ſüdlichen Halbkugel angeſtellt haben, und noch anſtellen. Nicht bloß der bekannte, von Franklin, Williams und Pownall unterſuchte Golf-Strom, welcher die warmen Waſſer des mexikaniſchen Meerbuſens über die Bank von Neufoundland führt, ſondern auch ein Strom kalter Gewäſſer, den wir in der Südſee gefunden haben, ſoll darauf verzeichnet werden; ein Strom, welcher an der Küſte von Chili und Peru hinfließt, und ſich beim Cap Pariña gegen Weſten wendet. Außerhalb dieſer Strömungen finde ich das Meer in der dem Aequator nahen Zone zwiſchen 20°,6 und 22°,5. Das Endreſultat aller dieſer Beobachtungen iſt, daß man die mittlere Wärme der Ebene des Meeres zwiſchen den Parallelen 10° nördlich und ſüdlich von der Linie, auf 21°,5 und zwiſchen 10° und den Wendekreiſen auf 20°,8 anſchlagen kann. Kirwan’s Annahme von 23° für den Aequator iſt demnach zu hoch. Phyſ. chem. Schriften, nach Crell’s Ueberſetzung, B. 3, S. 132. Mit ihr vergleicht nun Hr. von Humboldt die mittlern Temperaturen der oben genannten in großen und hohen Gebirgsebenen gelegenen Städte. Die Höhe der Stadt Quito, (0°,13′ 17″ ſ. Br.,) iſt nicht, wie ſie La Condamine und Bouguer bei Berechnung der Berghöhen annehmen, 1462t, ſondern barometriſch gemeſſen und nach La Place’s Formel berechnet 1500t. Das Thermometer ſah Hr. von Humboldt bei ſeinem ſechsmonatlichen Aufenthalte daſelbſt oft den ganzen Morgen über zwiſchen 5° und 9° R. Beſonders ſeit dem fürchterlichen landverheerenden Erdbeben von 1797 iſt das ganze Klima der Gegend merklich kälter geworden, als es zu La Condamine’s Zeiten war. Die mittlere Temperatur, die er, doch, wie es ſcheint, nach keinem genauen Journal, auf 13°,7 ſetzte, ſcheint gegenwärtig nur auf 12°, alſo unter der von Rom zu ſtehen. Der Unterſchied mit den nahen Küſtenländern beträgt hiernach 9°,5 R., und die Wärmeabnahme 157t auf 1° R. Auf ähnliche Weiſe berechnet, erhält man ſie für St. Fé de Bogota 163t, für Mexiko 160t, für Popayan 168t. St. Fé de Bogota, die Hauptſtadt des Königreichs Neu-Granada, liegt 1356t über dem Meere; mittlere Temperatur 13°,2. Die Höhe von Mexiko nach meinen Beobachtungen iſt 1173t, die mittlere Temperatur 13°,5; nördl. Breite 19° 26′ 2″. Popayan, der Sitz eines Biſchofs, liegt in dem anmuthigen Thale des Caucafluſſes, am Fuße zweier Schneebedeckter Vulkane, Sotara und Puracé; Höhe 840t; das Klima überaus angenehm; mittlere Temperatur nach Doctor Calda’s Beobachtungen 16°,5; nördl. Breite 2° 24′ 33″. In allen dieſen Beobachtungen zeigt ſich, wie man ſieht, eine bewundernswürdige Harmonie. Alle geben die Wärmeabnahme von 157 bis 168t auf 1° R., und beweiſen dadurch gleichmäßig den Einfluß der Erhitzung und der ſtrahlenden Wärme großer Gebirgsebenen. Dieſer Einfluß erklärt, warum man in der Andeskette nahe am Aequator noch in 800t Höhe das Klima, oder wenigſtens die mittlere Temperatur von Algier, und in 1400t Höhe die mittlere Temperatur von Rom und Florenz findet. Was das zweite der oben erwähnten Mittel betrifft, die mittlere Wärme einer Gegend auszumitteln, nämlich die Temperatur der Quellen, ſo hat, wie der Verfaſſer bemerkt, Herr von Buch, der dieſes ſinnreiche Verfahren neuerlich in dieſen Annalen, B. XX, S. 343, wieder gründlich empfahl, auf ſeinen Reiſen durch die Schweiz und Italien mehrere Beobachtungen geſammelt, welche in beträchtlichen Höhen angeſtellt ſind, und für die Zuverläſſigkeit dieſes Mittels zu zeugen ſcheinen. Allein in ſteilen und großen Höhen, wo ſich entweder das Schneewaſſer raſch tiefern Quellen beimiſcht, oder wo dieſe Quellen ihrem Urſprunge in höhern Regionen nahe ſind, wird es unzuverläſſig, und ſolche Gebirgsquellen zeigen eine geringere Temperatur, als der Gegend, wo ſie ausbrechen, im Mittel zukömmt. John Hunter, den Cavendiſh veranlaßt hatte, auf dem blauen Gebirge von Jamaika die Wärme der Quellen zu meſſen, fand ſie vom Meere an bis zu einer Höhe von 1400 Yards, (gleich 653t,) von 21°,3 allmählig bis 13°,3 abnehmen. Nun iſt, nach Edward’s Hiſtory of Jamaica, Vol. I, p. 184, der Gipfel der blauen Berge nur 7431 engl. Fuß (1161t) über die Meeresfläche erhaben. Die Quelle bei Mr. Wallens Houſe ſcheint alſo die große Kälte von 13° vom Gipfel ſelbſt zu haben. In den Gebirgen von Cumana und Caraccas habe ich mehrere ähnliche Beobachtungen über die Temperatur der Gebirgsquellen angeſtellt, und ebenfalls dieſe Quellen ſtets kälter gefunden, als man nach ihrer Höhe hätte vermuthen ſollen; ſo z. B. eine Quelle in 680t Höhe von 13°,2, eine andre in 505t Höhe von 13°,5, und eine dritte in 392t Höhe von 16°,8 Wärme. Alle waren alſo wenigſtens 3° kälter, als ſie es nach der mittlern Temperatur der Gegend ſollten, wo ſie ausbrechen. Philoſophical Transact. of the Roy. Soc. of Lond. for 1788. So wie die Quellen, da, wo ſie langſam in weiten Gebirgsebenen fließen, die wahre mittlere Wärme anzeigen, ſo erkennt man dieſe auch in der Temperatur der Höhlen. Wie ſchwer es indeß iſt, dieſe ſo genannte innere Erdwärme auszumitteln, und wie ſehr Localverhältniſſe darauf einwirken, das habe ich bereits in meiner Schrift über die unterirdiſchen Gasarten durch Verſuche gezeigt. Da dieſe Erdwärme gewöhnlich in Kellern oder in Bergwerken auf Querbrüchen und abgeworfnen zimmerungsloſen Stellen beobachtet wird, ſo hat man bald mit äußerm Luftwechſel, bald mit Verdampfung des naſſen Geſteins, bald mit luftausblaſenden trocknen Klüften, bald mit Wärmeentbindung der ſich zerſetzenden Gang- und Gebirgsarten zu kämpfen. Wenn ein Phyſiker mehrere Jahre lang auf dem Rücken der hohen Andeskette lebte, ſo wäre es allerdings ein herrliches Unternehmen, von 500 zu 500t am Gebirgshange Querſchläge in dürre Porphyrfelſen treiben zu laſſen, um dort die Temperaturabnahme zu beobachten. Leider aber ſind Unternehmungen dieſer Art für Reiſende unmöglich; ſie ſehn ſich in ihren Beobachtungen auf Höhlen und Bergwerke eingeſchränkt, wie ſie ihnen die Natur und Kunſt zufällig darbietet. — — [Hier von denen, welche Herr von Humboldt in ſeiner Abhandlung mittheilt, nur zwei Beobachtungen jeder Art:] Höhlen. Thermometerſtand in den Kalkhöhlen öſtlich von der Stadt Havana, kaum 10t über der Meeresfläche, 18°,3 R.; die äußere Luft 21° R. — Temperatur der Höhle Guacharo beim Kloſter Caripe in 505t Höhe, und 10°12′ nördl. Breite, 15° R.; des in ihr entſpringenden Flüßchens 13°,5; der äußern Luft 13°. Gruben. Temperatur der mexikaniſchen Grube S. Ygnacio bei Tehuilotapec, in 840t Höhe und 18° 38′ nördl. Breite, unter ſehr günſtigen Umſtänden, 19°,5; der Grubenwaſſer 16°; der äußern Luft 17°. — Temperatur der peruaniſchen Grube la Guadaloupe bei der Stadt Micuipampa in 1840t Höhe und 6°45′ ſüdl. Breite, 11°5; der Grubenwaſſer 9°; der äußern Luft 4°,5. In allen dieſen Beobachtungen, bemerkt Herr von Humboldt, über die ſo genannte innere Wärme der Erde iſt zwar der Einfluß der Höhe nicht zu verkennen; im Ganzen ſind die Reſultate aber doch zu ungleich, um ſie über das Geſetz der Wärmeabnahme entſcheiden zu laſſen. Wir haben jetzt alle Hülfsmittel unterſucht, durch welche man zu der Kenntniß dieſes Geſetzes gelangen kann. — — Das Reſultat, zu welchem ſie uns führen, iſt, wie man aus der Tafel S. 28 erſieht, daß man ſich 121t,1 erheben muß, um die Temperatur einer Luftſchicht um 1° R. vermindert zu ſehen. Dieſes Geſetz ſcheint für die Tropenländer und für unſer europäiſches Klima im Sommer faſt gleichgültig zu ſeyn. Vielleicht iſt die Wärmeabnahme nahe am Aequator um ein Geringes langſamer als in Europa, welches in der größern Menge ſtrahlender Aequatorialwärme gegründet ſeyn kann. Wie die Wärmeabnahme bei uns im Winter ſey, welcher Unterſchied zwiſchen dem Tage und der Nacht Statt findet, und ob man ſie, wie ich ſelbſt bezweifle, als eine arithmetiſche Progreſſion im ſtrengſten Sinne des Wortes betrachten könne; das müſſen fernere Verſuche in der Zukunft lehren. Die Verſchiedenheit der Horizontalrefraction, welche man ſeit Bouguer zwiſchen der heißen Zone und unſern Klimaten annimmt, könnte als Einwendung gegen die Uebereinſtimmung gelten, die wir zwiſchen meinen Beobachtungen unter dem Aequator und den europäiſchen Sommerbeobachtungen gefunden haben. Aber man darf nicht vergeſſen, daß Herr Delambre durch genaue Verſuche neuerlich erwieſen hat, die Horizontalrefraction im mittlern Europa ſey viel geringer, als man bisher geglaubt hat. Dazu kömmt, daß Bouguer’s Beobachtungen in Quito im Widerſpruch mit denen ſtehn, welche Le Gentil in faſt gleicher Breite in Aſien angeſtellt hat. So lange die Aſtronomen ſelbſt noch nicht über die Horizontalrefraction in verſchiedenen Breiten mit einander einig ſind, iſt es vorſichtiger, bei dem reinen Ausſpruche der phyſikaliſchen Verſuche ſtehen zu bleiben.