Reise der Herren von Humboldt und Bonpland nach den Wendekreisen. In den Jahren 1799 bis 1804. Eine gedrängte Uebersicht des Auszugs ihrer Memoiren v. J. C. Delametherie. Nach dem Französischen übertragen von Schirges Dr. Der Französische Titel des Werkchens, wovon hier eine concentrirte Uebersetzung geliefert wird, lautet also: Notice d'un Voyage aux tropiques execute par M. M. Humboldt et Bonpland en 1799, 1800, 1801, 1802, 1803, et 1804. par I. C. Delametherie. 1805. Jahr 1799 -- 1800. Das Interesse, welches die gelehrte Welt an der Reise der Herren v. Humboldt und Bonpland nimmt, so wie meine freundschaftliche Verbindung mit diesen beyden edlen Männern, sagt Delametherie, machet es mir zur willkommnen Pflicht, allen Freunden und Verehrern dieser merkwürdigen Reisenden eine genaue Uebersicht ihrer nunmehr vollendeten Reise vorzulegen, welche ich theils aus ihrem öffentlichen und privat Briefwechsel, theils aus ihren im (französischen) National- Institut verlesenen Memoiren zusammengetragen habe. Nach achtjährigen, in mehrern Ländern Europas angestellten physicalischen Nachforschungen kam Hr. v. Humboldt 1798 nach Paris, um mit dem Capitain Baudin die Reise um die Welt zu machen, welchen der Alexander-Aim e Gougou Bonpland (Arzt und Botaniker) gleichfalls begleiten sollte. Der neue Krieg mit Oesterreich nöthigte indeß das Directorium, die Reise aufzuschieben. Herr von Humboldt, der seit 1792 eine physicalische Reise nach den Wendezirkeln beabsichtigte, beschloß nach Egypten, Arabien und Ostindien zu gehen. Frankreichs Krieg mit England setzte ihm große Schwierigkeiten entgegen, denen er unter spanischer Flagge auszuweichen hoffte. Er begab sich nach Madrit, mußte indeß sein Vorhaben aufgeben, da er den Kriegsschauplatz in Africa nicht zu gelehrten Untersuchungen zweckmässig fand. Dennoch ertheilte ihm der Spanische Hof 1799 die ausgedehnteste Erlaubniß zu einer wissenschaftlichen Reise in den spanisch americanischen Colonien. Sr. Katholischen Majestät schien ein persönliches Interesse an dem Erfolge dieses Projects zu nehmen, und der Hr. v. Humboldt verließ Europa im Julius 1799, begleitet von seinem Freunde Bonpland; und beendigte in einem Zeitraume von fünf Jahren, und auf seine eigene Kosten eine Reise zu Wasser und zu Lande von 9000 Meilen, welche die weiteste ist, so je ein Privatmann unternahm. Mit der Fregatte Pizarro giengen sie von Corunna nach den Canarischen Inseln unter Seegel, landeten zu Teneriffa, klimmten bis an den Crater des Pic von Teyde, um die atmosphärische Luft zu analysiren, und Beobachtungen über die Basalte und Porphyrschiefer Africas anzustellen. Zu Cuncana im Mittäglichen Amerika, berühmt durch Löflings Mühseligkeiten und Unfälle, landeten sie; besuchten die Küsten von Paria, die Missionen der Indier Chayma's, die Provinz Neu-Andalusien, ein vorzüglich heißes, und den Erdbeben unterworfenes, aber dennoch gesundes Land; ferner Neu- Barcellona Venezuela, und das spanische Guyana. Die Längen von Cumana, Caraccas u. s. w. wurden nach Jupiters Trabanten von ihnen bestimmt; sie botanisirten auf den Gipfeln des Ceripe, der Sylla von Avila, reiseten zu den reizenden Thälern von Aragua, wo der See von Valenzia mit der schönen tropischen Vegetation sich befindet. Von Portocabello drangen sie bis an die Grenzen von Brasilien gegen den Aequator vor, wanderten durch die Ebenen von Calabazo, Apura und Nieder-Orinoko, die Llanos, wo durch das Zurückprallen der Sonnenstrahlen der Reaumürsche Thermometer im Schatten auf 33 bis 37° stieg, und der glühende Erdboden auf 2000 Quadrat-Meilen nur eine Abweichung der Bleywage von 5 Zoll zeigt. Die Spuren der Refraction und das sonderbarste Aufschwellen bemerket man an dem Sande der Meersfläche. Ohne daß in den heißesten Monaten das kleinste Gräschen auf ihm keimt, verbirgt er doch Krokodille und Schilderschlangen. Der Reisende hat hier mit Wassermangel, Sonnenhitze und dem von den heissen Winden aufgeregten Sand zu kämpfen, und muß sich nach den Gestirnen und nach einzelnen Sträuchen der Mauritia, und des Embothrium, die man alle 3 Meilen findet, richten. Von St. Fernando von Apura unternahmen sie eine mühselige Schiffahrt von 500 Seemeilen in Canots, und entwarfen die Karte des Landes. Der nahen Gefahr eines Schifbruchs bey der Insel Pananuma entgingen sie kaum, und besuchten die berühmten Wasserfälle von Atures und Maypure, wo eine Höhle die Mumien einer, durch den Krieg zwischen den Caraiben und Marariten aufgeriebenen Nation in sich schließet. Sie fanden, daß der Rio Guariare, den der Pater Gumilla fälschlich für die Quelle des Orenoco gehalten, auf den Anden in Neu-Grenada entspringt. Von Jarita stiegen sie bis an die Quelle des Guainia, des Rio Negro der Europäer, und den Condamine ein Meer vom süßen Wasser nennt. Ueber den schwarzen Fluß kamen sie zu der kleinen, fälschlich unter dem Aequator versetzten Festung St. Carlos und bis an Grand Para, der Hauptcapitanarie Brasiliens. Durch Anlegung eines Canals würde man von Rio Guallaga aus drey Tagereisen vom Südmeer, auf einen Canot durch den Amazonen- und Schwarzen-Fluß bis an die Mündung des Orenoco hinunter fahren können, ein Weg von beynah 2000 Meilen. Zur Untersuchung eines Armes des Orenoco, Cassiquare genannt, welcher erstern mit dem Amazonen- Fluß verbindet, und über dessen Daseyn man sich vor 50 Jahren heftig stritt, schiffte er von St. Carlos wieder nach dem Orenoco, und auf diesem letztern bis an den Ursprung des Flusses bey dem Vulkan Duida. Das Land von Westen nach Pasimoni wird von den Guaicaz-Indianern, einer weißen, sehr kleinen, fast zwerghaften, aber kriegerischen Menschenrace bewohnt; und die noch wildern, kupferfarbenen Guajariben, welche sogar Menschenfresser sind, vereiteln jeden Versuch an die Quellen des Orenoco zu gelangen. Unsere Reisende legten einen Weg von 340 Französischen Meilen bis zur Mündung des Orenoco bey St. Thomas in Neu-Guayana auf demselben zurück, passirten zum zweyten Mahle die Kataracten, auf deren südlichen Seite der Pater Gumilla und Caulin nie vorgedrungen waren. Auf dieser Schiffahrt setzten Mangel an Lebensmitteln und Bedeckung, die nächtlichen Regengüsse, der stete Aufenthalt in den Wäldern, die Mosquitos und tausend andere stechende und giftige Insekten nebst der Unmöglichkeit, wegen der Wildheit der Crocodille und der kleinen caraibischen Fische sich durch Baden zu erfrischen, und die Miasmen eines brennend heissen Himmelstrichs, welcher zugleich feucht war, unsere Reisende unaufhörlichen Leiden aus. Endlich kehrten sie unter andern über die Missionen der caribischen Indianer, einer außerordentlichen, und nach den Patagonen, wahrscheinlich der größten und nervigsten Menschenrace nach Barcellona und Cumana zurück. Ihre Reise ging darauf zur See nach Havanna und Jamaica und war wegen der späten Jahrszeit so langwierig, als gefährlich, da sie Gefahr liefen an Klippen bey Vibora zu scheitern. In Cuba beschäftigte man sich mit Längenbestimmung der Havana und der Construction eines neuen Ofens für Zuckersiedereyen, der ziemlich allgemein eingeführt ward. Falsche Nachrichten von des Capitain Baudins Reise, die er hier durch Amerikanische Zeitungen erhielt, und dahin lauteten: daß er von Buenos Aires das Cap Horn umschiffen, und an den Küsten von Chyli und Peru hinsegeln würde; und sein dem Capitain 1798 gegebenes Versprechen: auf welchem Theile der Erde er sich auch befinden möge, so wolle er sich doch an die Französische Expedition anschliessen, sobald er von ihrem Auskaufen Kenntniß erhalten, bewogen den Hrn. v. Humboldt, seine gesammelten Manuscripte grades Weges nach Europa zu senden, und mit einer Goelette von Batabano nach Cartagena in Indien, und von da durch die Landenge von Panama nach der Südsee zu gehen. Er hoffte den Capitain an der Amerikanischen Küste zu treffen. Seine Manuscripte und Sammlungen wollte er nicht den Gefahren so langer Seereisen aussetzen, und sie kamen bis auf einen Theil der Sammlungen, der Dubletten enthielt, glücklich in Philadelphia an; doch verlohr ein Freund desselben, der mit ihnen reisete, in einem Schifbruch das Leben. Er hieß Bruder Juan Gonzales, war ein junger thätiger Franziscaner, der aus dem Spanischen Guayana, in diese unbekannte Welt, wohin noch kein Europäer kam, vorgedrungen war. Jahr 1801. Im März 1801 segelte der Hr. v. Humboldt von Cuba, bestimmte mehrere Puncte der Königs-Gärten genannten Insel-Gruppen, und des Hafens von Trinidat astronomisch; verweilte am Rio Sinu, wo noch kein Botaniker Kräuter suchte, und erhielt durch die Gefahr an Geant zu scheitern, Muße, die Mondfinsterniß vom 2ten März 1801 zu beobachten. Hier erfuhr er, daß die späte Jahrszeit die Fahrt nach der Südsee von Panama aus nach Guayaquil nicht erlaube; er verweilte daher einige Wochen in den Wäldern von Turbaco, fand die seltensten Pflanzen, und ging dann in 35 Tagen den schönen Magdalenen Fluß hinauf, wovon er eine Karte trotz der Qualen der Mosquitos entwarf, indeß Bonpland die reiche Vegetation studierte. Von da verfügten sie sich auf Mauleseln nach St. Fe von Bogota, der Hauptstadt von Neu-Grenada, die in einer schönen Ebene gelegen, und in einem immerwährenden Frühling Waitzen und Sesam cultiviret. Mutis prächtige Sammlungen, der Cataract von Tequendama von 98 Toisen Höhe, die Bergwerke von Mariquita, St. Anna, und Zipaguira, die Felsenbrücke von Icononzo, durch ein Erdbeben gewölbet -- beschäftigten ihn bis zum September. Um nach Quito zu gelangen, kamen sie bey den Anden von Quindiu vorbey, wo sich der beschneiete Tolina aus Wäldern von Storax, baumartigen Passions-Blumen, Bambusrohr und Wachspalmen erhebt. Durch tiefen Koth und ungebahnte Wälder, worin man schlafen mußte, nahmen sie ihren Weg und langten baarfuß und bis auf die Haut durchnäßt, am Cauca an, durchstreiften die Provinz, Choco, dem Vaterlande der Platina, die sich dort zwischen Olivin und Augit enthaltenden Basalt, Grünstein und fossilem Holz findet. Durch die Goldwäschereyen von Quilichao stiegen sie nach Popayan, mit einer reizenden Lage und durch ein vorzügliches Clima gesegnet. Der Crater des Vulkans von Purace war bis zur Mündung voll von siedendem Wasser, und wirft mitten im Schnee mit furchtbarem Gebrüll Dünste von geschwefelten Wasserstoff aus. Sie durchschnitten die Gebirgsebene der Provinz Delos Pastos, die wegen ihrer großen Fruchtbarkeit an Waitzen und Erythroxylon Peruplanum so berühmt ist, und kamen nach einer 4 monatlichen Reise nach Ibarra und Quito. Die Reise durch die Cordilleren der hohen Anden, auf ungangbaren Wegen, bey anhaltenden Regengüssen, beschweret mit vielen Instrumenten und Sammlungen würde ohne die Verwendung des Hrn. Mendiunetta, Vice-Königs v. St. Fe und des Barons v. Carondelet, Präsidenten zu Quito, welche die Wege und gefährlichsten Brücken auf einem 450 langen Wege herstellen liessen, unmöglich gewesen seyn. Jahr 1802. Unsere Reisende langten am 6ten Januar in der berühmten Hauptstadt Quito an; und die Liebenswürdigkeit der Einwohner, ihre Neigung zu den Künsten und Wissenschaften zeichnet sie noch jetzt aus. Acht bis neun Monate setzten sie ihre Nachforschungen in diesem Lande fort, das durch seine hohen Gebirge, seine stets Feuer, Felsenstücke, Schlamm, und Schwefel speienden Vulkane, seine öfteren Erdbeben, Vegetation, Reste peruvianischer Baukunst, und Sitten seiner alten Bewohner eins der merkwürdigsten der Erde ist. Zweymal erklimmten sie den Feuerschlund des Pichinga, wo sie Versuche mit der Luft anstellten. La Condamine verglich ihn früher treffend mit dem Chaos der Dichter, konnte es indeß nur kurze Zeit oben aushalten. Damals war seine in Basalt gehöhlte Mündung mit Schnee gefüllt und erkaltet; jetzt war er von neuen entzündet und furchtbar für das nahe Quito. Nur wenig fehlte, daß der Hr. v. Humboldt nicht sein Leben dabey eingebüsset hatte, indem er über eine nur mit dünnem Eise belegte Spalte ging. Er besuchte unter andern auch den Chimborasso, welcher der höchste Berg unsrer Erde ist, und studierte vorzüglich den geognostischen Theil der Cordilleren der Anden, worüber noch nichts in Europa bekannt geworden ist. Seine Messungen beweisen übrigens, daß einige von diesen Vulkanen, hauptsächtlich der von Tunguragua sich seit 1753 gesenkt haben, welches die Einwohner als Augenzeugen bemerkten. Alle diese grossen Massen sind das Werk der Kristallisation. "Alle Massen, die sich bildeten, (schreibt Hr. v. Humboldt ) vereinigten sich nach ihren Verwandschaften durch die Gesetze der Attraction, und brachten diese mehr oder weniger beträchtlichen Erhöhungen an den verschiedenen Orten der Oberfläche der Erde durch die Gesetze der allgemeinen Kristallisation hervor. Ein gewisser Marquis v. Selralegre beschäftiget sich in Quito, die Pyramiden von Sarouguier, Termen von der berühmten Basis der französischen und spanischen Akademiker wiederherstellen zu lassen. Der Sohn dieses Mannes Carl Montufar begleitete den Hrn. v. Humboldt nicht allein auf seinen Reisen in Peru und Mexico, sondern selbst nach Europa. Auf dem Antisana brachten sie ihre Instrumente 2200, auf dem Chimborasso 3300 Fuß höher, als Condamine und Bouquer . Auf dem letztern kamen sie zu der Höhe von 3036 über die Fläche des Meers, und sahen das Blut aus ihren Augen, Lippen und Zahnfleisch hervordringen, erstarrten von einer Kälte, die der Thermometer nicht anzeigte, die aber von dem wenigen Wärmestoff entstand, der sich während dem Einathmen in einer so verdünnten Luft entwickelte. Durch eine tiefe und breite Spalte wurden sie gehindert, den Gipfel des Chimborasso, ohngefehr 224 Toisen zu ersteigen. Hier erhielt er Nachrichten von der Route des Capitain Baudin, welche ihn nöthigten, die Hoffnung, ihn zu treffen, aufzugeben. Er besuchte daher Cinna und den Amazonen-Fluß, um den Durchgang des Merkurs durch die Sonne zu beobachten; ferner die Ruinen von Lactacunga, Hambato und Riobamba, welche in dem Erdbeben von 1797 zerstöhrt wurden; über Paramo und Soraguro-Loxa, wo sie den Baum, den die Chinarinde bekleidet, untersuchten. Ueber Loxa trafen sie in Peru ein; sie überstiegen die Anden, um den Amazonen-Fluß zu erreichen. In zwey Tagen mußten sie 35 Mal über den Rio von Chamaya setzen, eine Passage, die immer sehr gefährlich war. Sie betrachteten die stolzen Reste der Chaussee von Ynga, die über den porphyrnen Rücken der Anden auf 1200 bis 1800 Toisen Höhe von Cusco an bis Assoney gehet, und mit Herbergen und Springbrunnen besetzet ist. Herr v. Humboldt suchte die Lücken der sonst schönen Karte des französischen Astronomen Condamine über den Amazonen- Fluß dadurch auszufüllen, daß er auf diesem Strohm bis an die Cataracten von Rentema fuhr, und zu Tomependa einen detaillirten Plan von diesem unbekannten Theile des hohen Maranou, durch eigene Untersuchungen und eingezogene Nachrichten von andern Reisenden entwarf. Herr Bonpland entdeckte in der Gegend von der Stadt Jean neue Arten der Cinchona und andere Pflanzen, worauf unsere Reisende zum fünften Mahl die Cordilleren der Anden passirten, um nach Peru zurückzukehren. In den Minen von Hualguayok befindet sich das Silber in grossen Massen 2000 Toisen hoch über dem Meere. Einige metallreiche Gänge derselben enthalten versteinerte Muscheln, und sind jetzt die reichsten mit in Peru. Caramarca, durch seine Bäder und durch die Trümmer von Atahualpas Pallast berühmt, wie die Spuren der ungeheuren alten Stadt Mensiche mit Pyramiden geziert, in deren einer man im 18ten Seculo für mehr als 4 Millionen Livres geschlagenes Gold fand, wurden von ihnen besuchet. Von den Anden erblickten sie zuerst das Stille Meer, und das Thal, dessen Bewohner nichts vom Regen und Donner wissen, und wo unter einem glücklichen Clima die absoluteste, und dem Menschen gefährkichste Gewalt, die Theocratie selbst die Wohlthätigkeit der Natur nachzuahmen scheint. An der dürren Küste des Südmeers reiseten sie nach Lima, verweilten daselbst einige Monate, und bemerkten die Lebhaftigkeit des Geistes und die liberalen Gesinnungen ihrer Einwohner. Ein ungewöhnliches Glück erlaubte den Hrn. v. Humboldt da den Durchgang des Merkurs zu beobachten. Auffallend war es ihm, die neuesten litterarischen Producte in der Chemie, Mathematik und Physiologie hier zu finden; und er mußte den Verstand der Eingebohrnen, die in Europa für Weichlinge gelten, bewundern. (Der Schluß folgt.) Reise der Herren von Humboldt und Bonpland nach den Wendekreisen. (Schluß.) Jahr 1803. Im Januar schifften sich unsere Reisenden nach Guayaquil ein, eine Fahrt, die bei günstigen Ströhmungen und Winden in 3 bis 4 Tagen vollbracht wird, da die Rückreise so viele Monate erfordert. Die stolze Vegetation des Hafens übertrifft alle Beschreibung; er liegt an einem großen Fluß, und hier war es, wo sie das ununterbrochene Brüllen des Vulkans Cotopaxi hörten, der am 6ten Januar zum Ausbruch kam. Sie reisten sogleich ab, um nahe Zeugen seiner Verwüstung zu seyn, aber die Nachricht des baldigen Abgangs ihrer Fregatte Atlante nöthigte sie, wieder umzukehren. Nach einer 30tägigen glücklichen Fahrt auf dem stillen Meere erreichten sie Acapulco in Neuspanien, das durch ein Bassin, welches in Granitfelsen gehauen zu seyn scheint, durch die heftigen Erdbeben, sein ungesundes Clima, und das Elend seiner Einwohner berühmt ist, die hier Millionen von Piastern nach den Philippinen und China müssen einschiffen sehen. Hr. v. Humboldt wollte aus erheblichen Gründen nur wenige Monate in Mexico bleiben, und dann nach einer vierjährigen Abwesenheit nach Europa zurückkehren; doch die Reize des Landes, die Hospitalität der Einwohner, die Furcht vor dem in Vera Crux herrschenden schwarzen Erbrechen, bewogen ihn, seine Abreise bis im Winter aufzuschieben. Nachdem ihn botanische, physikalische Untersuchungen und die Länge von Acapulco beschäftigt hatten, erhob er sich durch die schwülen Thäler von Mescala und Papagayo, wo der Thermometer sich im Schatten auf 32° Reaumür hielt, zu den 6 bis 700 Toisen über dem Meere erhabenen Ebenen von Tasco u. s. w., wo unter einem kühlen Clima die Eichen, Cypressen, Taunen, die baumartigen Farrenkräuter und europäisches Getreide gedeihen. In den ältesten und sonst reichsten Bergwerken von Tasco untersuchten sie die Natur der Silbergänge, und stiegen durch Cuernaraca nach der Hauptstadt Mexico, welche 150,000 Einwohner zählet, und auf dem alten Tenochritlän erbauet ist. Sie liegt mit breiten und schnurgraden Straßen zwischen zwey Schneecolossen, wovon der eine noch brennet, und die die Höhe von 1160 Toisen haben; genießt ein gemäßigtes Clima, hat Canäle, Alleen, und eine große Menge kleiner Dörfer um sich her: so daß sie mit den schönsten Städten in Europa eine Vergleichung erträgt. Noch zeichnet sie sich durch große wissenschaftliche Anstalten aus, die ihres gleichen nicht in der neuen, und sich nicht häufig in der alten Welt finden. Der botanische Garten, unter Direction des Herrn Cervantes, das Institut des Herrn Sesse, lediglich dem Studium mexicanischer Pflanzen bestimmt, und mit den besten Zeichnern versehen, die Bergschule, die man der Freigebigkeit des Bergwerks-Corps, und dem Genie des Herrn D'Ethuyar verdankt, die Maler, Kupferstecher- und Bildhauer-Akademie, verbreiten Geschmack und Aufklärung in einem Lande, wo Reichthümer ihnen entgegenstreben. Die Länge von Mexico, die bisher um zwei Grad unrichtig war, bestimmte Herr von Humboldt mit schönen Instrumenten aus der Bergwerks- Schule. Er besuchte darauf die Bergwerke von Moran und Real del Monte, und untersuchte die Obsidiane von Oyamel, welche in dem Perlstein und Porphyr Lager bilden, und den alten Bewohnern zu Messern dienten. Das ganze Land bietet die merkwürdigsten Phänomene für die Geologie dar, die Herr del Rio, ein Schüler von Werner, entwickelt hat. Nach der Rückkehr von Moran im Julius, unternahm man einen Ausflug in den mitternächtlichen Theil des Königreichs. Zu Huehuetoca hat man eine Oeffnung in das Gebirge von Sincoq gemacht, die 6 Millionen Piaster kostet, um das Wasser aus dem Thale von Mexico in den Fluß Montezuma zu leiten. Guanaxuato, mit 50,000 Einwohnern, liegt in einem engen Kessel, und hat noch beträchtlichere Bergwerke, als Potosi. Das Bergwerk des Grafen von Valenziana, wodurch eine beträchtliche Stadt entstand, auf einem Hügel, wo vor 30 Jahren noch Ziegen weideten, hat bereits eine seigere Tiefe von 1840 Fuß. Es ist das tiefste und reichste auf der Erde; der reine Gewinn beträgt im Durchschnitt jährlich 3 Millionen Livres, in einzelnen Jahren belief er sich auf 5 bis 6 Milionen. Nach zweimonatlichen Messungen und geologischen Untersuchungen und Prüfung der Bäder von Comagillas, die Sonnerat für die wärmsten auf der Erde hält, deren Temperatur 11° Reaumur höher, als die der Philippinischen Inseln ist, gingen unsere Reisende nach der ehemaligen Hauptstadt des Königreichs Michoacan, Valladolid. Von da begaben sie sich an die Küsten des stillen Meers, in die Ebene Jorullo, wo im Jahre 1750 in einer einzigen Nacht, in einer der furchtbarsten Revolutionen, die je der Erdball erlitt, aus der Ebne sich ein Vulkan von 1494 Fuß Höhe erhob, der noch mit mehr als 2000 kleinen Oeffnungen umgeben ist. Sie stiegen in den brennenden Crater des großen Vulkans 258 Fuß perpendiculair hinab, sprangen über Spalten, die entzündetes, geschwefeltes Wasserstoffgas ausdampften, und kamen mit vieler Gefahr fast bis in den Grund des Craters, dessen mit Kohlensäure ausserordentlich überladene Luft sie untersuchten. Aus Mechoacan kehrten sie über die Ebene von Tolucca nach Mexico zurück, auf welchem Wege sie den berühmten Hände-Baum, den Cheironthostaemon des Herrn Cervantes, eine Gattung, die ein fast einziges Phänomen darstellt, weil nämlich von den ältesten Zeiten her nur ein einziges Individuum davon existiret, in Augenschein nahmen. In Mexico verweilten sie, um ihre besonders an Grasarten reiche Herbaria und geologische Sammlungen zu ordnen, und vorzüglich um die Blätter zu dem geologischen Atlas, den Herr von Humboldt herauszugeben Willens ist, ins Reine zeichnen zu lassen. Sie wohnten der Errichtung der colossalischen Statue des Königs zu Pferde bei, die ein einziger Künstler, Tolsa, mit Ueberwindung von Schwierigkeiten, wovon man sich in Europa keine richtige Vorslellung machen kann, modellirte, goß, und auf einem hohen Fußgestell errichtete. Sie ist, im reinsten, einfachsten Styl gearbeitet, ein Meisterwerk. Jahr 1804. Im Januar verliessen unsre Reisenden Mexico, um den östlichen Abhang der Cordilleren Neuspaniens zu untersuchen; sie maßen die Vulkane von La Puebla. Sie fanden, daß der Vulkan Popocatepec, den Sonnenschmidt 2557 Toisen hoch erkletterte, höher als der Pic von Oricaba sey, auch maßen sie die große Pyramide von Cholula, ein mysteriöses Werk, aus gebrannten Ziegeln von den Toltuquen emporgethürmt, die man bis zum Gipfel ersteigen kann. In Xalapa, 674 Toisen über das Meer erhaben, genießt man die Früchte aller Himmelsstriche. Die Temperatur ist höchst gesund. Ein Herr Thomas Murphy, reich und gelehrt, erleichterte ihnen, ihre Versuche in den benachbarten Gebirgen zu machen. Der Weg nach Perote geht durch undurchdringliche Wälder; indeß arbeitet man jetzt an einer Heerstraße, die unsere Reisenden dreimal mit dem Barometer nivellirten. Sie erstiegen den Cofre, der 162 Toisen höher, als der Pic auf Teneriffa ist. Man maaß auch den Pic von Orizava, dessen hellleuchtende Ausdünstungen aus seinem Crater, ihn einem untergehenden Sterne ähnlich machen. Ueber seine Länge sind von Ferrer genaue Untersuchungen angestellt. Nach einem interessanten Aufenthalte stiegen unsere Reisenden nach Vera Crux hinab, der zwischen beweglichen Sandhügeln liegt, wo das Zurückprellen der Sonnenstrahlen ein erstickende Hitze verursacht. Glücklich entgingen sie dem dort grassirenden, schwarzen Erbrechen. Sie reiseten mit einer spanischen Fregatte nach der Havanah, um ihre daselbst deponirten Herbaria und Sammlungen in Empfang zu nehmen. Darauf besuchten sie die vereinigten Staaten; ein heftiger Sturm brachte sie in dem Canal von Bahame in die größe Gefahr; er dauerte 7 ganze Tage. Nach 32 Tagen landeten sie in Philadelphia an, besuchten die Stadt Washington, und kehrten im August 1804. nach Europa zurück. Sie gingen über Bordeaux, und brachten eine große Anzahl Zeichnungen, 35 Kisten mit Sammlungen, und 6000 Arten Pflanzen mit sich.