Auszug aus Delametheriés vorläufiger Nachricht von der durch die Herren v. Humboldt und Bonpland in den Jahren 1799, 1800, 1801, 1802, 1803 und 1804 nach den Wendekreiſen unternommenen Reiſe. Der allgemeine Antheil, den die gelehrte Welt mit ſo viel Recht an der Reiſe der Hrn. v. Humboldt und Bonpland nimmt, läßt es allerdings erwarten , daß eine vorläufige Nachricht von den Reſultaten derſelben, bis man ſolche aus der eigenen Beſchreibung der Reiſenden künftig umſtändlicher erfahren kann, dem Publikum höchſt angenehm ſeyn wird. Nachdem Hr. v. Humboldt acht Jahre hindurch in Deutſchland, Pohlen, England, Frankreich, in der Schweitz und Italien phyſikaliſche Beobachtungen angeſtellt hatte, kam er im Jahre 1798 nach Paris, wo ihm das National- Muſeum zu ſeinem Vorhaben, die Reiſe um die Welt, mit dem Kapitain Baudin zu machen, gefällig die Hand bot. Allein es tratten eben, als die Reiſe unternommen werden ſollte, und er ſich hiezu mit Hr. Alexander Aimé goujon Bonpland (Eleven der Arzneyſchule, und des botaniſchen Gartens zu Paris) nach Havre begeben wollte, Hinderniße ein, welche nicht nur eine Verſchiebung derſelben veranlaßten, ſondern auch Hr. v. Humboldt ferneres Vorhaben, eine Reiſe über Egypten durch Afrikazu unternehmen, vereitelten; bis endlich eine glückliche Vereinigung begünſtigender Umſtände Hr. v. Humboldt für den Verdruß ſo vielen Verzuges entſchädigten: der Hof von Madrid gab ihm nemlich im März 1799, als er ſich eben in Spanien aufhielt, um von hier nachAfrikazu gelangen, die ausgedehnteſte Erlaubniß nach den ſpaniſchen Kolonien in Nord- und Süd-Amerika zu gehen, und dort alle Nachforſchungen, alle Unterſuchungen: die zu den Fortſchritten der Wiſſenſchaften dienen können, anſtellen zu dürfen. Se. katholiſche Majeſtät würdigte den Erfolg dieſer Expedition mit perſönlich bezeugter Theilnahme zu beehren, und Hr. v. Humboldt gieng, nachdem er einige Monate zu Madrid und Aranjuez verweilt hatte, im Monat Junius 1799, von ſeinem Freunde Bonpland begleitet, aus Europa ab. Mit dieſem Freunde hat Hr. v. Humboldt fünf Jahre hindurch auf eigene Koſten eine Reiſe in beyde Hemisphären gemacht; eine Reiſe zu Waſſer und zu Lande von beynache 9000 franz. Meilen, und die größte, die jemals ein Privatmann unternommen hat. Beyde mit Empfehlungsſchreiben vom ſpaniſchen Hofe verſehene Reiſende giengen mit der Fregatte Pizzaro de la Corunna nach den Canariſchen Inſeln ab. Sie landeten an der Inſel Grazioſa, und zu Teneriffa, wo ſie bis an den Grater des Piks von Teyde ſtiegen, um die atmosphäriſche Luft zu analyſiren, und über die Basalte und porphyrartigen Schiefer Afrika’s geologiſche Beobachtungen anzuſtellen. Sie kamen im Monat Julius im Haven von Cumana, am Meerbuſen von Cariaco, einem Theile des mittägigen Amerika’s, an. Sie beſuchten im Verlaufe der Jahre 1799 und 1800 die Küſte von Paria, die Miſſionen der Indier, Chaymas und die Provinz Neu-Andalusien, eines der heiſſeſten, aber geſündeſten, obwohl durch häufige und ſchröckliche Erdbeben verwüſteter Länder der Erde; ſie durchreiſten die Provinz Neu-Barcelona, Venezuela und das ſpaniſche Guyana. Nachdem ſie mittelſt der Beobachtungen der Trabanten des Jupiters zu Cumana, Caracas; und auf mehreren andern Punkten die Längen beſtimmt, und nachdem ſie auf den Gipfeln des vom Bejaria bekränzten Caripe und Silla de Avila herborisirt hatten, giengen ſie von der Hauptſtadt Caracas im Februar 1800 nach den ſchönen Thälern von Aragua ab. Von Portocabelo begaben ſie ſich gegen Süden, drangen längs den Küſten des antilliſchen Meeres bis an die Gränzen von Braſilien, gegen den Aequator vor, giengen nachher mitten durch die weiten Flächen von Calabozo, Apura und des Nieder-Oronoko, die Lianos, Wüſten, die den Afrikaniſchen gleichen, und wo durch das Zurückprallen der drückendſten Hitze der Reaumurſche Thermometer im Schatten auf 33 bis 37° ſtieg., und wo der zwey Tauſend Quadratmeilen groſſe brennende Erdſtrich ſich nur 5 Zoll über die Meeresfläche erhebt. Der der Oberfläche des Meeres gleiche Sand zeigt durchgehends das ſonderbarſte Phänomen der Strahlenbrechung und Wellenbewegung. Er birgt in den Monaten der Dürre und ohne Gras Krokodille und Rieſenſchlangen. Der Mangel an Waſſer, die Sonnenhitze, und der von den brennenden Winden in die Höhe gehobene Sand ermüden wechſelſeitig den Reiſenden, welcher ſich mit ſeinem Maulthiere nach dem Laufe der Geſtirne, oder nach einigen zerſtreuten Sträuchen der Mauritia oder des Embothrium, welche man von drey zu drey franz. Meilen entdeckt, richtet. Zu St. Fernando d’Apura, in der Provinz von Varinas begannen die Herren v. Humboldt und Bonpland eine beſchwerliche Schiffahrt von ungefähr 500 Seemeilen, welche Sie auf indianiſchen Kähnen zurücklegten, und mit Hülfe der mathematiſchen Längen- Uhren, der Trabanten, Stern- und Mondsentfernungen eine Karte vom Lande aufnahmen. Sie fuhren dem Rio Apura herab, welcher ſich unter dem 7ten Grade der Breite in den Oronoko ergießt. Da ſie der drohenden Gefahr eines Schiffbruches bey der Inſel Pananuma glücklich entgangen waren, ſo fuhren ſie den letztbenannten Fluß bis an die Mündung des Guaviare, hinauf, paſſirten die berühmten Waſſerfälle von Atures und Maypure, wo die Höhle von Ataruipo die Mumien eines durch die Kriege der Karaiben und Maravitanos vernichteten Volkes in ſich birgt. Bey der Mündung des Rio Guaviare, welcher von Neu-Grenada die Anden herabfließt, und welchen der Pater Gumilla irrig für die Quelleu des Oronoko gehalten hatte, verlieſſen ſie dieſen Fluß, und fuhren die kleinen Flüßchen Atabapo, Tuamini und Temi hinauf. Von der Miſſion javita drangen ſie zu Lande bis an die Quellen des Guainia, welchen die Europäer Rio Negro nennen, und den la Condamine (welcher ihn bloß bey ſeinem Einfluße in den Amazonenfluß geſehen hat) ein Meer von ſüſſem Waſſer nennt. Einige dreyſig Indianer trugen die Canots von hier bis an den Cano Pimichin. Vermittelſt dieſes kleinen Flüßchens gelangten die Reiſenden an den ſchwarzen Fluß, welchen ſie bis an die kleine Feſtung St. Carlos, und bis an die Gränzen von Groß-Para, einem Hauptbezirke von Braſilien hinabfuhren. Ein von Temi bis Pimichin vermöge des ebenen Terrains ſehr leicht zu grabender Canal würde eine innere Kommunikation zwiſchen der Provinz Caracas und der Hauptſtadt Para, eine unendlich kürzere Kommunikation, als die von Casiguiare darbieten. Auch könnte man vermittelſt dieſes nemlichen Kanals (denn von der Art iſt die bewundernswürdige Lage der Flüſſe in dieſem neuen Welttheile) von Rio Guallaga, drey Tagereiſen von Lima oder von der Südſee, auf Kähnen und vermittelſt des Amazonenflußes und des Nio Negro bis an die Mündungen des Oronoko gerade der Inſel Trinitad über, hinabſegeln, eine Fahrt, welche beynahe 2000 franz. Meilen beträgt. Die Mißhelligkeiten, welche gerade zu der Zeit zwiſchen dem Spaniſchen und Portugieſiſchen Hofe herrſchten, verhinderten Hrn. v. Humboldt ſeine forſchenden Unternehmungen bis jenſeits St. Gabriel de las Cochuellas in der Generalhauptmannſchaft von Groß Para auszudehnen. La Condamine und Maldonado hatten die Mündung des Rio Negro aſtronomiſch beſtimmt. Das Hinderniß war alſo weniger fühlbar, es war indeſſen ein viel unbekannterer Theil, nemlich der Arm des Oronoko, Namens Casiguiare, welcher die Kommunikation zwiſchen dem Oronoko, und Amanzonenfluſſe bildet, und über deſſen Exiſtenz man ſeit fünfzig Jahren ſo viel geſtritten hat, zu beſtimmen. Um dieſes Geſchäft auszuführen, fuhren die Herren v. Humboldt und Bonpland von der ſpaniſchen Feſtung St. Carlos durch den ſchwarzen Fluß und den Casiguiare in den Oronoko, und auf dem letztern bis an die Mißion Esmeraldo bey dem Vulkan Duida, oder bis an die Quellen des Fluſſes aufwärts. Die Guaikas-Indier, eine ſehr weiſſe, ſehr kleine, faſt zwergartige, aber höchſt kriegeriſche Nation, welche das Land öſtlich von Pasimoni bewohnt, und die ſehr kupferfarbnen Guajariben, die noch weit wilder und bis jetzt Menſchenfreſſer ſind, machten jeden Verſuch bis an die Quelle des Oronoko ſelbſt vordringen zu können, unausführbar, welche die ſonſt ſehr verdienſtlichen Charten von Caulin viel zu weit gegen Morgen ſetzten. Von der Mißion Esmeralda, einigen in dem hinterſten und einſamſten Winkel dieſer indiſchen Welt verſteckten Hütten, fuhren unſere Reiſenden mit Hülfe des hohen Waſſers 340 franz. Meilen, das heißt den ganzen Oronoko bis an ſeine Mündungen abwärts, nach St. Thomas von Nueva Cuayana oder Angostura, paſſirten zum zweitenmahle die Waſſerfälle, bis zu welchen die beyden Hiſtoriographen dieſes Landes Gumilla und Caulin niemals gekommen waren. Während dieſer langen müheſeligen Fahrt waren unſere Reiſende ununterbrochenen Leiden und Gefahren ausgeſetzt. Sie kehrten vom Oronoko durch die Ebenen von Cari und die Miſſionen der Karibiſchen Indianer, einer auſſerordentlichen Menſchengattung, und vielleicht nächſt den Patagoniern die größten und robuſteſten Leute auf der Erde, nach Barcelona und Cumana zurück. Nach einem Aufenthalte von einigen Monaten auf der Küſte verfügten ſie ſich längs der ſüdlichen Seite St. Domingos und Jamaicas nach Havana. Dieſe in einer ſehr ſpäten Jahreszeit vollzogene Fahrt, war eben ſo langwierig, als gefährlich, da das Schiff in der Nacht beynahe auf den Klippen ſüdlich der Sandbank von Vibora, deren Länge Hr. v. Humboldt vermittelſt des Zeitmeſſers beſtimmt hat, geſcheitert wäre. Er verweilte drey Monate auf der Inſel Cuba, wo er ſich mit der Längebeſtimmung von Havana und mit der Angabe einer neuen Bauart von Oefen für die Zuckerſiedereyen, welche ſich ſeitdem erhalten und ziemlich allgemein verbreitet hat, beſchäftigte. Er war eben im Begriffe, nach Vera Cruz abzugehen, in der Abſicht durch Mexico und Acapulco nach den Philippiniſchen Inſeln, und von da (wäre es möglich geweſen), über Bombai, Balſora und Haleb nach Konſtantinopel zu reiſen, als ihn falſche Nachrichten von der Reiſe des Capt. Baudin von ſeinem Plane abführten. Die amerikaniſchen Zeitungen verkündeten nämlich, daß dieſer Seemann von Frankreich nach Buenos-Ayres abgehen, und wenn er das Vorgebirge Horn umſchifft haben, längs den Küſten von Peru und Chili hinſegeln würde. Hr. v. Humboldt hatte bey ſeiner Abreiſe aus Paris im Jahr 1798 dem Muſeum und dem Capt. Baudin verſprochen, daß, ſobald die Franzöſiſche damals unterbliebene Seereiſe ſtatt haben würde, er ſich mit derſelben zu vereinigen ſuchen würde, er befinde ſich auch auf einem Theile der Erdkugel, auf welchem er wolle; er ſchmeichelte ſich, daß ſeine und des Hrn. Bonpland Nachforſchungen für die Fortſchritte in den Wiſſenſchaften weit nützlicher ausfallen würden, wenn ſie ihre Bemühungen mit denen der Gelehrten, welche Capt. Baudin begleiten ſollten, vereinigten. Alle dieſe Rückſichten beſtimmten Hrn. v. Humboldt, ſeine Manuſkripte von den Jahren 1799 und 1800 gerade nach Europa zu ſenden, und ſich eine kleine Goëlette in dem Haſen zu Batabano zu miethen, um nach Carthagena in Südamerika, und von da, ſo geſchwinde als immer möglich, über die Landenge von Panama in die Südſee abzugeben. Er hoffte, den Capt. Baudin zu Guayaquil oder zu Lima anzutreffen, und mit ihm Neu-Holland und die Inſeln des ſtillen Oceans, die eben ſo intereſſant wegen des Reichthums ihrer Vegetation, als in Hinſicht moraliſcher Beobachtungen ſind, zu beſuchen. Es wäre unklug geweſen, die Manuſkripte und bereits zuſammengebrachten Sammlungen den Gefahren dieſer langen Seereiſe auszuſetzen. Die Manuſkripte, über deren Schickſal Hr. v. Humboldt drey Jahre hindurch in einer grauſamen Ungewißheit lebte, waren gerettet, allein ein Drittheil der Naturalienſammlungen hat die See bey einem Schiffbruche verſchlungen. Glücklicherweiſe hat dieſer Verluſt, worunter ſich Inſekten vom Oronoko und Rio Negro befanden, nur die Doubletten betroffen. Hr. v. Humboldt gieng im März 1801 von Batabano ab, ſegelte ſüdlich längs der Inſel Cuba hin, und beſtimmte auf der Gruppe der Inſelchen, die man die Gärten des Königs nennt, und den Landungspunkten des Dreyeinigkeits-Hafens, mehrere aſtronomiſche Punkte. Die Meeresſtröme verlängerten ſeine Fahrt, welche nur 13 bis 15 Tage dauern ſollte, über einen Monat. Sie warfen die Goëlette viel zu weit weſtlich über die Mündungen des Atracto hinaus. Man landete an Rio Sinu, wo noch nie ein Botaniker herboriſirt hatte; allein die Annäherung von Carthagena war ſehr beſchwerlich wegen der Gewalt der Brandung bey St. Martha. Die Goëlette wäre nahe an der Rieſenſpitze beynahe umgeſchlagen, man mußte ſich an die Küſte flüchten, um ſich vor Anker zu legen, wo Hr. v. Humboldt aus dieſem Umfalle den Vortheil zog, die Mondsfinſterniß am 2ten März 1801 zu beobachten. Unglücklicherweiſe erfuhr man auf dieſer Küſte, daß die Jahreszeit ſchon zu ſpät ſey, um eine Schiffahrt auf der Südſee von Panama bis Guayaquil zu unternehmen; er mußte alſo auf die Ausführung des Projekts, den Isthmus zu durchreiſen, Verzicht thun; und das Verlangen, den berühmten Mutis näher kennen zu lernen, und deſſen unermeßliche Reichthümer in Naturalien zu unterſuchen, beſtimmten Hrn. v. Humboldt, einige Wochen in den mit Guſtavia, Tolui-fera, Annacardium Karacoli (Elephantenlaus) und Cavauillesca der Peruvianiſchen Botaniſten geſchmückten Wäldern von Turbaco zu verweilen; und binnen 35 Tagen den ſchönen und majeſtätiſchen Fluß de la Magdalena wieder hinauf zu fahren, von welchem Fluße er, trotz der Plage von den Musquitos, die Charte ſkizzirte, während Bonpland die in Erzeugung von Heliconia, Pſychotria, Melaſtoma, Myrodia und Dychotria emetica, deren Wurzel die Ypekakuanha von Carthagena iſt, reichhaltige Vegetation erforſchte. Nachdem unſere Reiſenden zu Honda ans Land geſtiegen waren, begaben ſie ſich auf Mauleſeln, und auf abſcheulichen Wegen, mitten durch Wälder von Eichen, Melaſtoma und Cinchona nach St. Fé de Bogota, der Hauptſtadt des Königreichs Neu-Granada, in einer ſchönen 1360 Toiſen über die Meeresfläche erhabnen, und unter Begünſtigung einer beſtändigen Frühlingstemperatur, mit europäiſchen Getreide und aſiatiſchen Seeſam angebauten Ebene. Die prächtigen Sammlungen des Mutis, der große und impoſante 98 Toiſen noch herabſtürzende Waſſerfall von Tequendama, die Bergwerke von Mariquita, St. Anna, und Zipaguira, die von der Natur gebildete Brücke von Icononzo, wo zwey losgeriſſene Felſen durch ein Erdbeben eine ſolche Stellung bekommen haben, daß ſie einen Dritten in der Luft ſchwebenden Felſen wie Pfeiler halten, alle dieſe beſondern Gegenſtände beſchäftigten unſere Reiſenden bis in den September 1801. Von dieſer Zeit an unternahmen ſie trotz des Regens, welcher die Wege faſt unbrauchbar machte, die Reiſe nach Quito; ſie ſtiegen über Fuſagaſuga wieder in das Thal Magdalena hinab, paſſirten die Andes von Quindiu, wo die ſchneeweiſe Pyramide von Tolina ſich mitten aus Wäldern von Styrax, baumartigen Paſſifloren, Bambusrohr, und Wachspalmen emporhebt. Sie mußten ſich dreyzehn Tage im Kothe herumſchleppen, und wie am Oronoko unter freyem Himmel in den Gehölzen, ohne eine Spur von Menſchen zu haben, die Nächte hinbringen. Nachdem ſie baarfuß und vom immerwährenden Regen entkräftet in dem Thale des Flußes Cauca angekommen waren, verweilten ſie zu Carthago und Buga, und durchzogen die Provinz Chaco, dem Vaterlande der Platina, welche ſich unter abgebrochenen mit Olivin und Augit angefüllten Baſaltgeröllen Grünſtein und foſſillem Holze findet. Sie ſtiegen ſodann über Caloto und die Goldwäſcherey von Quilichao nach Popayan, welches am Fuße der mit Schnee bedeckten Vulkane von Puraca und Sotara liegt, und von Bouguer zur Zeit ſeiner Rückkehr nach Frankreich beſucht ward. Es hat eine der maleriſchſten und in Betreff des Klimas der vortreflichſten Lagen auf dem Erdrund, und der Thermometer hielt ſich beſtändig von 17 bis 19° nach Reaumur. Nachdem unſere Reiſenden mit vieler Mühe an den Crater des Vulkans von Purace, eine mit ſiedendem Waſſer angefüllte Oefnung, die mitten im Schnee mit einem ſchrecklichen Gebrauſe hydrogene Schwefeldünſte auswirft, gelangt waren, giengen ſie von Popayan über die ſteilen Cordillieren von Almaguer nach Paſto, vermieden aber die verpeſtete und anſteckende Atmosphäre des Thales von Patia. Von Paſto, einer ebenfalls am Fuße eines brennenden Vulkans gelegenen Stadt, giengen ſie über Guachucal mitten durch die hohe Ebene der Provinz de los Patos, die von dem ſtillen Meere durch die Anden des Vulkans von Chili und Cumbal getrennt, und durch ſeine groſſe Fruchtbarkeit an Waitzen und Koka (Erythroxylon peruvianum) berühmt iſt. Endlich nach einer vier monatlichen Reiſe gelangten ſie in die ſüdliche Hemisphäre nach der Stadt Ibarra, und nach Quito. Die Herren v. Humboldt und Bonpland kamen am 6ten Januar 1802 zu Quito an, und ſetzten ihre geologiſchen und botaniſchen Nachforſchungen acht bis neun Monate hindurch in dem Königreiche Quito fort, einem Lande, deſſen koloſſaliſche Höhe ſeiner Schneebedeckten Berggipfel, die beſtändige Aktivität ſeiner wechſelweiſe Feuer, Felſen, Unrath und Schwefelleberwaſſer auswerfenden Vulkane, die Menge der Erdbeben, (das vom 7ten Februar 1797, verſchlang in wenig Sekunden nahe an 40,000 Einwohner) ſeine Vegetation, die Ueberreſte der Peruvianiſchen Architektur, und mehr noch, als alles dieſes, die Sitten ſeiner alten Bewohner, es vielleicht zu dem intereſſanteſten Lande unſerer Erde machen. Nach zwey fruchtloſen Verſuchen gelang es ihnen zweymahl, bis an den Crater des Vulkans Pichincha zu gelangen, wo ſie Verſuche über die Analyſe der Luft, deren elektriſche, magnetiſche, hygroſkopiſche Ladung, deren Elaſtizität und die Grade der Temperatur des kochenden Waſſers anſtellten. Zur Zeit als Condamine hier geweſen, war dieſer in porphyrartigen Baſalt ausgehöhlte unermeßliche Schlund ausgekühlt, und mit Schnee angefüllt; unſere Reiſenden fanden ihn neuerdings entzündet, und dieſer neue Vorfall war für die Stadt Quito, welche nur 4 bis 5000 Toiſen davon entfernt liegt, ſehr niederſchlagend. Es fehlte nicht viel, ſo hätte es Hrn. v. Humboldt auch das Leben gekoſtet; denn bey ſeinem erſten Verſuche, da er ſich mit einem Indianer, der den Rand des Craters eben ſo wenig, als er ſelbſt kannte, allein befand, wäre er bald verſunken, indem er über eine nur mit einer Lage vom gefrornen Schnee überzogene Kluft weggieng. Unſere Reiſenden machten während ihres Aufenthaltes in dem Königreich Quito beſondere Excurſionen auf die Schneegebirge von Antiſana, Cotopaxi, Tunguragua, und Chimborazo, welches der höchſte Berg unſers Erdballs, und von den franzöſiſchen Akademikern nur approximatif gemeſſen worden iſt. Sie unterſuchten und ſtudirten hauptſächlich den geognoſtiſchen Theil der Cordillieren der Anden, über welchen in Europa noch nichts erſchienen iſt; denn die Mineralogie iſt ſo zu ſagen weit jünger, als die Reiſe von Condamine, deſſen allumfaſſendes Genie, deſſen unglaubliche Thätigkeit ſonſt alles aufgrief, was in den phyſiſchen Wiſſenſchaften intereſſant ſeyn konnte. Die trigonometriſchen und barometriſchen Vermeſſungen des Hrn. v. Humboldt haben dargethan, daß einige dieſer Vulkane, hauptſächlich der von Tunguragua, ſich ſeit 1753 anſehnlich geſenkt haben. Dieſe Reſultate ſtimmen mit dem, was die Bewohner von Pelileo und den Ebenen von Topia mit ihren Augen bemerket haben, überein. Hr. v. Humboldt erkannte dieſe ganzen groſſen Maſſen für ein Werk der Cryſtalliſation. Alles, ſchrieb er an Delamétherie, was ich in dieſen Regionen, wo die höchſten Erhöhungen der Erde ſich befinden, geſehen habe, hat mich immer mehr und mehr in der groſſen Idee, die Sie von der Entſtehung der Berge aufgeregt haben, befeſtiget. Alle Maſſen, aus welchen ſie entſtanden ſind, haben ſich nach dem Grade ihrer Aehnlichkeit oder Verwandtſchaft vermöge der Geſetze der anziehenden Kraft vereinigt, und haben ebenfalls durch die Gefetze der Cryſtalliſation auf den verſchiedenen Plätzen der Erdoberfläche, die mehr oder minder wichtigen beträchtlichen Höhen gebildet. Es kann in dieſer Hinſicht für den Reiſenden, welcher ohne vorgefaßte Meinung dieſe groſſen Maſſen betrachtet, kein Zweifel übrig bleiben. Sie werden aus unſern Berichten erſehen, daß auch nicht ein einziger von den Gegenſtänden iſt, die ſie abhandeln, den wir nicht durch unſere Arbeiten weiter zu erläutern geſucht haben. Bey allen dieſen im Januar 1802 begonnenen Excurſionen wurden unſere Reiſenden durch Hrn. Karl Montufár, Sohn des Marquis Selvalégre von Quito, einen für die Fortſchritte der Wiſſenſchaften eifrig bemühten Privatmann, begleitet. Welcher damit umgeht, die Pyramiden von Sarouguier, Grundſäulen der berühmten Baſis der franzöſiſchen und ſpaniſchen Akademiker auf eigene Koſten wieder aufzubanen. — Dieſer junge höchſt intereſſante Mann iſt mit Hrn. v. Humboldt, nachdem er ihn auf ſeiner übrigen Forſchungsreiſe in Peru und Mexiko begleitete, nach Europa übergangen. Die Umſtände begünſtigten die Anſtrengungen dieſer drey Reiſenden ſo, daß ſie bis auf die höchſten Gipfel der Gebirge, bis wohin ſich noch nie ein Menſch verſtiegen hatte, gelangten. Auf dem Vulkan Antiſana brachten ſie die Inſtrumente mehr als 2200, auf den Chimborazo am 23. Junius 1802 über 3300 Fuß, höher als Condamine und Bouguer auf den Corazon ſteigen konnten. Sie gelangten auf eine Höhe von 3036 Toiſen über die Meeresfläche des ſtillen Oceans, und ſahen aus ihren Augen, aus ihren Lippen und Zahnfleiſche das Blut vordringen, und von einer Kälte gefrieren, die der Thermometer nicht mehr anzeigte, die aber während der Inſpiration einer ſo ſehr verdünnten Luft von dem Mangel an Wärmeſtoſſ herrührte. Eine 80 Toiſen tiefe und ſehr breite Kluft hinderte ſie auf den Gipfel des Chimborazo, wohin ſie ungefähr noch 224 Toiſen hatten, zu gelangen. Während ſeines Aufenthalts zu Quito erhielt Hr. v. Humboldt einen Brief des franzöſiſchen Nationalinſtituts, aus welchem er erſah, daß der Kapitain Baudin nach Neu-Holland abgeſegelt ſey, und die öſtliche Fahrt um das Vorgebirg der guten Hoffnung herum eingeſchlagen habe; er mußte alſo darauf, ſich zu ihm zu geſellen, Verzicht thun, und doch hatte die Hoffnung dazu unſere Reiſenden 13 Monate über beſchäftiget, und ihnen die Möglichkeit, von Havana nach Mexiko und den Philippiniſchen Inſeln zu gehen, aus den Händen geſpielt. An Unfälle aller Art gewöhnt, tröſteten ſie ſich leicht über dieſen Streich des Geſchickes; und Baudins Reiſe, oder vielmehr die falſche Nachricht von der Direktion derſelben hatte dazu Veranlaſſung gegeben, daß ſie unermeßliche Länder, auf welchen ohne dieſen Zufall vielleicht lange Zeit kein Naturforſcher zur Unterſuchung ſein Augenmerk gerichtet haben würde, bereiſeten. Da Hr. v. Humboldt ſich von jetzt an entſchloß, ſeine Expedition auſ eigene Hand zu verfolgen, ſo nahm er ſeinen Weg von Quito nach dem Amazonen-Fluße und Lima, in der Erwartung, dort den wichtigen Durchgang des Merkurs durch die Sonnenſcheibe zu beobachten. Unſere Reiſenden beſuchten anfänglich die Ruinen von Lactacunga, Hambato und Riobamba, einem in dem ungeheuern Erdbeben von 1797 über den Haufen geworfenen Erdſtrich. Sie zogen durch die Schneegefilde von Aſſouay und Cuenca, und von da mit erſtaunlichen Mühſeligkeiten wegen des Transports der Inſtrumente und eingepackten Kräuterſammlung durch den Paramo von Saragura nach Loxa. Hier in den Wäldern von Gonzanama und Malacates unterſuchten ſie den koſtbaren Baum, welcher die Fiebervertreibende Rinde (Chinarinde) liefert. Die große Ausdehnung des Erdſtriches, den ihre Expedition umfaßte, gewährte ihnen den Vortheil, den vor ihnen noch kein Botaniker genoſſen hat, durch eigene Anſicht die verſchiedenen Gattungen von Cinchona zu Sta. Fé, Popayan, Cuenza, Loxa und Jaen mit der Cuspa und Cuspara von Cumana und am Rio Carony, wovon letzterer fälſchlich Cortex Anguſturæ genannt wird, und einer neuen Gattung der Pentandria menogynia mit wechſelsweiſe ſtehenden Blättern zuzugehören ſcheint, zu vergleichen. Von Loxa kamen ſie über Ayavaca und Gouncabamba nach Peru, und giengen quer über den hohen Gipfel der Anden, um ſich gegen den Amazonen-Fluß zu wenden. Sie hatten in zwey Tagen den Rio de Chamaya fünf und dreyßig Mal zu paſfiren; dieſe Uebergänge waren immer gefährlich, und geſchahen bald mittelſt der Floſſe, bald durch Fuhrten. Sie ſahen die prächtigen Ueberreſte der Heerſtraſſe von Ynga, die die Vergleichung mit den ſchönſten in Frankreich und Spanien aushält, und auf dem porphyriſchen Rücken der Anden 1200 bis 1800 Toiſen in der Höhe von Cusko bis Aſſonay fortlief, und mit Tambos, (Wirthshäuſern) und öffentlichen Brunnen verſehen war. Endlich ſchifften ſie auf eine Flöſſe von Ochroma, an dem kleinen indianiſchen Dorfe Chamaya, ein, und fuhren auf dem Fluſſe gleiches Namens in den Amazonen-Fluß hinab, und beſtimmten die aſtronomiſche Lage dieſes Zuſammenflußes durch die Culmination verſchiedener Sterne und den Zeitmeſſer. Condamine ſchiffte ſich bey ſeiner Rückreiſe von Quito nach Para und Frankreich auf dem Amazonen-Fluße weit unter Quebrada und Cuchunga ein; mithin hatte er keine weitere Längenbeobachtung, als bis an die Mündung des Rio Napo. Hr. v. Humboldt ſuchte dieſe Lücken auf der ſchönen Charte des franzöſiſchen Aſtronomen auszufüllen, indem er auf dem Amazonen-Fluße bis an die Waſſerfälle von Rentema ſchiffte, und entwarf zu Tomependa, dem Hauptorte der Provinz Jean de Bracamorros, einen detaillirten Plan dieſes unbekannten Theiles vom Ober-Maranou, ſowohl aus ſeinen eigenen Beobachtungen, als aus den Nachrichten, welche er darüber von gereiſten Indianern erlangte. Hr. Bonpland machte unterdeſſen eine intereſſante Excurſion in die um die Stadt Jaen liegenden Wälder, wo er neue Gattungen von der Cinchona entdeckte; und nachdem er von dem brennenden Klima dieſer einſiedleriſchen Gegend viel ausgeſtanden: nachdem er Gelegenheit gehabt hatte, eine reichhaltige Vegetation in neuen Gattungen von Jacquinia, Godoya, Poleria, Bougainvillea, Colletia und Piſonia zu bewundern, giengen unſere drey Reiſenden zum fünftenmale über die Cordillieren der Anden, über Montan zurück, um ſich wieder nach Peru zu begeben. Sie fixirten den Standpunkt, auf welchem der Kompaß von Borda den Punkt Null der magnetiſchen Neigung zeigte, obwohl dieß auf 7 Grad der ſüdlichen Breite war. Sie unterſuchten die Bergwerke von Hualguayok, wo das gediegene Silber ſich in groſſen Maſſen, 2000 Fuß Höhe über der Meeresfläche befindet; Bergwerke, in welchen einige metalliſche Gänge verſteinerte Muſcheln enthalten, und die nebſt denen von Pesco und von Huantajayo gegenwärtig die reichſten in Peru ſind. Von Caxamarca, welches durch ſeine warmen mineraliſchen Bäder, und durch die Ruinen des Pallaſtes des Atahualpa berühmt iſt, ſtiegen ſie nach Truxillo hinab, deren Nachbarſchaft die Spuren der unermeßlichen Peruvianiſchen Stadt Manſiche zeigt, die mit Pyramiden geziert war, in deren einer man im achtzehnten Jahrhunderte für mehr als vier Millionen franz. Livres in geſchlagenem Golde fand. Bey dieſem weſtlichen Hinabſteigen von den Anden genoſſen unſere Reiſenden zum erſtenmale den impoſanten Anblick des ſtillen Oceans, und jenes langen und engen Thales, deſſen Bewohner weder Regen noch Donner kennen. Von Truxillo verfolgten ſie die dürren Küſten des Südmeeres, welche vor Zeiten durch die Kanäle von Ynga bewäſſert und fruchtbar gemacht waren, von denen aber nichts als traurige Ueberreſte geblieben ſind. Nachdem ſie über Santa und Guarmey zu Lima angekommen waren; blieben ſie einige Monate in dieſer intereſſanten Hauptſtadt von Peru, deren Einwohner ſich durch die Lebhaftigkeit ihres Genies und die Liberalität ihrer Geſinnungen auszeichnen. Hr. v. Humboldt hatte das Glück, im Hafen zu Calao von Lima das Ende des Durchganges des Merkurs ganz vollkommen zu beobachten; ein um ſo glücklicherer Zufall, da der dicke Nebel, der in dieſer Jahrszeit herrſcht, oft zwanzig Tage über die Sonnenſcheibe nicht zu Geſichte kommen läßt. Er war erſtaunt, in Peru, in ſo einer unermeßlichen Entfernung von Europa, die neueſten literariſchen Produkte, welche die Chymie, Mathematik, und Phyſik abhandeln, vorzufinden; und er bewunderte eine groſſe intellektuelle Thätigkeit bey den Einwohnern, welche die Europäer der Ueppigkeit zu beſchuldigen belieben. Im Januar 1803 ſchifften ſich unſere Reiſenden auf der königlichen Corvette, die Caſtora, nach Guayaquil ein; eine Fahrt, die unter Begünſtigung der Meerſtröme und der Winde in drey bis 4 Tagen vollendet iſt, wo hingegen der Rückweg von Guayaquil eben ſo viele Monate heiſcht. In dieſem erſtbenannten, an dem Ufer eines unermeßlichen Flußes gelegenen Hafen überſteigt die Majeſtät der Vegetation in Palmen, Plumeria, Tabaenermontana und Bananen alle Beſchreibung; und hier hörten ſie auch jeden Augenblick das Brauſen des Vulkans Cotopaxi, welcher den 6ten Januar 1803 in einer beunruhigenden Exploſion begriffen war. Als ſie eben abgegangen waren, um in ſeiner Nähe ſeine Verheerungen zu beobachten, nöthigte ſie die nahe Abfahrt der Fregatte Atlante zur Rückkehr, weil ſie in Gefahr ſtanden in mehreren Monaten keine andere Gelegenheit zu finden. Sie hatten eine glückliche Fahrt von dreyßig Tagen auf dem ſtillen Oceane bis Acapulco, einem weſtlich im Königreiche Neu-Spanien liegenden Hafen, der durch die Schönheit eines Baßins, den die Gewalt eines Erdbebens in den Felſen gehauen zu haben ſcheint; durch das Elend ſeiner Bewohner, welche Millionen von Piaſters nach den Philippiniſchen Inſeln und nach China einſchiffen ſehen, und endlich noch durch ein eben ſo brennendes als tödtliches Klima berühmt und berüchtigt iſt. Hr. v. Humboldt hatte anfänglich blos den Vorſatz ſich einige Monate in Mexiko aufzuhalten, und ſeine Rückkehr nach Europa zu beſchleinigen; ſeine Reiſe dauerte ohnedieß ſchon mehr als zu lange; die Inſtrumente, beſonders die Zeitmeſſer, fiengen nach und nach an, wandelbar zu werden. Alle Bemühungen, die er ſich gegeben hatte, ſolche durch neue Ueberſchickungen erſetzt zu ſehen, waren fruchtlos geblieben. Auſſerdem ſind die Fortſchritte in den Wiſſenſchaften in Europa ſo ſchnell, daß man in einer Reiſe von vier Jahren und darüber in Gefahr kömmt, die Naturerſcheinungen von Geſichtspunkten aus zu betrachten, die in dem Augenblicke, wo die Arbeiten dem Publikum mitgetheilt werden, nicht mehr intereſſant ſind. Hr. v. Humboldt ſchmeichelte ſich, im Auguſt oder September 1803 in Frankreich zu ſeyn; allein die Reize eines ſo ſchönen und abwechſelnden Landes, wie Neu- Spanien, die Gaſtfreundſchaftlichkeit der Bewohner, und die Furcht vor dem gelben Fieber von Vera Cruz, welches faſt alle diejenigen hinrafft, welche vom Monat Junius an bis zum Oktober von den Bergen herabſteigen: das Zuſammentreffen ſolcher Beweggründe forderte ihn auf, ſeine Abreiſe bis zu Ende des Winters zu verſchieben. Nachdem unſere Reiſenden ſich mit den Pflanzen, mit der Luft, mit den ſtündlichen Veränderungen des Barometers, mit den magnetiſchen Phänomenen, und hauptſächlich mit Beſtimmung der Länge von Acapulco, einem Hafen, in welchem ſchon früher zwey geſchickte Aſtronomen, die Herren Espinoſa und Galeano, Beobachtungen anſtellten, beſchäftiget hatten, unternahmen ſie die Reiſe nach Mexiko. Sie erhoben ſich allmählich durch die brennendheiſſen Thäler von Meßcala und Papagayo, wo der Thermometer ſich im Schatten auf 32° nach Reaumur erhielt, und wo man über den Fluß auf Früchten von Crescentia pinnata, die durch Stricke von Agava zuſammen gebunden ſind, ſetzt, nach den hohen Plateaus von Chilpantzingo, Tehuilotepek und Tasco. Auf dieſen Höhen 6 bis 700 Toiſen über die Meeresfläche erhaben, begünſtiget das milde und friſche Klima das Wachsthum der Eichen, der Cypreſſen, der Tannen, des baumſtämmigen Farnkrautes, und den Anbau der Europäiſchen Getreidearten. Nachdem ſie einige Zeit in den Bergwerken von Tasco, den allerälteſten und ſonſt den einträglichſten des Königreichs zugebracht hatten; nachdem ſie die Eigenſchaft dieſer ſilbernen Erzgänge, welche von dem harten kalkartigen Felſen zum Glimmerartigen Schiefer von blätterigem Gypſe eingefaßt übergehen, unterſucht hatten, ſtiegen ſie über Cuernaraca und durch die Nebeldünſte von Guchilaque nach der Hauptſtadt Mexiko. Dieſe Stadt von mehr als 150,000 Einwohnern auf dem Grund und Boden des alten Tenochtitlan, zwiſchen den Seen von Tezcuca und Xochomillo liegend, (Seen, die ſich, ſeit die Spanier, um die Gefahr der Ueberſchwemmungen zu vermeiden, die Bergſchlüfte von Sinkoq eröfneten, ſehr verringert haben,) dieſe von eben ſo breiten, als nach der Schnur gezogenen Straſſen durchſchnittene, im Angeſicht zweyer mit Schnee bedeckter Coloſſen, wovon der eine (der Popocatepek) ein noch in Brand ſtehender Vulkan iſt, liegende Stadt, die auf einer Höhe von 1160 Toiſen eines temperirten und angenehmen Klimas genießt, mit Kanälen, mit angepflanzten Alleen, mit einer unendlichen Menge kleiner indiſchen Marktflecken umgeben iſt, dieſe Hauptſtadt Mexikos iſt ohne Zweifel mit den ſchönſten Städten Europens zu vergleichen. Sie zeichnet ſich noch beſonders durch groſſe wiſſenſchaftliche Etabliſſements aus, welche mit mehreren in der alten Welt um den Rang ſtreiten könnten, und die in der neuen Welt ihres Gleichen nicht haben. Der botaniſche Garten, welcher unter der Auſſicht eines vortreflichen Botaniſten, des Hrn. Cervantes, ſteht; die Expedition des Hrn. Seſſé, blos zum Studium der Mexikaniſchen Vegetabilien beſtimmt, und mit den vortreflichſten Zeichnern beſetzt; die Bergwerksſchule, deren Entſtehen man der Freygebigkeit des Korps der Bergleute und dem ſchöpferiſchen Genie des Hrn. Elhuyar verdankt; die Maler-, Kupferſtecher- und Bildhauerſchule; alle dieſe Anſtalten verbreiten den Geſchmack und die Aufklärung in einem Lande, wo die Reichthümer ſich der geiſtigen Ausbildung entgegenzuſtämmen ſcheinen. Mit den aus der ſchönen Sammlung der Bergwerksſchule entlehnten Inſtrumenten begann Hr. v. Humboldt eine ſehr weitläuftige Arbeit über die Längenbeſtimmung Mexikos, die, ſo wie die zu Havanna gemachten korrespondirenden Obſervationen der Trabanten es beſtättigen, beynahe um zwey Grad falſch war. Nach einem Aufenthalte von einigen Monaten in der Hauptſtadt beſuchten unſere Reiſenden die berühmten Bergwerke von Moran und von Real-del-Monte, in welchen der Erzgang von der Biscayna dem Grafen von Regla Millionen von Piaſtern eingebracht hat. Sie lieſſen die Obſidiane von Oyamel, welche Lagen in dem Perlenſteine und Porphyr bilden, und deſſen ſich die alten Mexikaner zu Meſſern bedienten, ausgraben. Dieſe ganze Landſchaft iſt mit Baſalten, Amygdaloiden und kalkartigen ſecondairen Formationen, von der groſſen Höhle von Danto von einem Fluſſe durchſchnitten, bis an die Porphyrorgeln von Aktopan, angefüllt, und ſtellt für die Geologie die intereſſanteſten Erſcheinungen dar, Erſcheinungen, die auch bereits durch Hrn. M. del Rio, einen Schüler Werners, und einen der geſchickteſten Mineralogen unſerer Zeit analyſirt worden ſind. Nach ihrer Rückkehr von der Excurſion nach Moran im Julius 1803 unternahmen ſie eine andere in den nördlichen Theil des Königreichs. Sie richteten ihre Forſchungsreiſe gleich auf Huehuetoca, wo man mit einem Koſtenaufwande von 6 Millionen Piaſter eine Oefnung in dem Berg Sincoq gegraben hat, um die Gewäſſer aus den Thälern von Mexiko in den Fluß Montezuma zu leiten. Sie giengen nachher über Queretaro, wo der Abt Chappe im Jahr 1700 geweſen war, über Salamanca und die fruchtbaren Ebenen von Yrapuato nach Guanaxuato, einer Stadt mit 50,000 Einwohnern, die in einem engen Keſſel liegt, und durch die weit einträglicheren Bergwerke, als die von Potoſi je waren, berühmt iſt. Das Bergwerk des Grafen Valenciana, welches einer beträchtlichen Stadt auf einem Hügel, wo vor 30 Jahren noch Ziegen weideten, ſeine Entſtehung gegeben hat, hat ſchon eine perpendikuläre Tiefe von 1840 Fuß. Es iſt dies die reichhaltigſte und tiefſte Mine auf der Erde; der jährliche Vortheil der Proprietaires, der niemals dem des Jahres der Auffindung der Ader, beykömmt, neigt ſich auf drey Millionen Livres, da er ſonſt bis auf fünf und ſechs Millionen geſtiegen war. Nach zwey Monaten von Vermeſſungen und geologiſcher Nachforſchungen zu Guanaxuato, und nachdem ſie zu Comagillas die mineraliſchen warmen Bäder unterſuchten, deren Temperatur 11° nach Reaumur ſtärker iſt, als der auf den Philippiniſchen Inſeln, die Sonnerat für die allerheiſſeſten auf der Erde hält, wandten ſich unſere Reiſenden über das Thal von St. Yago, wo man in verſchiedenen an dem Gipfel der Baſalt-Berge befindlichen Teichen eben ſo viele Craters ausgebrannter Vulkane zu finden geglaubt hat, nach Walladolid, der Hauptſtadt des alten Königreichs Michoakan. Von da ſtiegen ſie trotz des ununterbrochenen Herbſtregens, über Patzquaro, welches am Ufer eines ſehr groſſen Teiches liegt, gegen die Küſten des ſtillen Oceans in die Ebenen von Jorullo hinab, da wo im Jahr 1759 in einer Nacht aus der Erde ein Vulkan von 1494 Fuß Höhe, rund herum mit mehr denn 2000 kleinen noch rauchenden Oefnungen umgeben, ſich emporhob. Unſere Reiſenden ſtiegen in den entzündeten Crater des groſſen Vulkans auf 258 Fuß perpendikulairer Tiefe hinab, indem ſie über Spalten ſprangen, welche entzündeten ſchweflichten hydrogenen Stoff aushauchten. Sie gelangten mit vieler Gefahr, wegen der Zerbrechlichkeit der Baſalte und ſienitiſchen Lava, bis beynahe auf den Boden des Craters, wo ſie die mit Kohlenſäure auſſerordentlich überladene Luft analyſirten. Von dem Königreiche Mechoacan, einem der lachendſten und fruchtbarſten Länder von Amerika, kehrten ſie über die hohe Gebirgsebene von Toluca, wo ſie den mit Schnee bedeckten Berg des nämlichen Namens, indem ſie auf deſſen höchſten Gipfel den Pik von Fraide, welcher 2364 Toiſen über die Meeresfläche erhaben iſt, ausmaſſen, nach Mexiko zurück. Sie beſuchten auch zu Tulucca den berühmten Händebaum, (den Cheiranthoſtämon des Hrn. Cervantes ) ein Geſchlecht, welches ein faſt einziges Phänomen darſtellt, weil dieſer, der nur als einziges Individuum exiſtirt, von dem höchſten Alter iſt. Bey ihrer Rückkehr nach der Hauptſtadt von Mexiko blieben ſie mehrere Monate über daſelbſt, um ihre Kräuterſammlung, die hauptſächlich an Grasarten ſehr reichhaltig war, und ihre geologiſchen Sammlungen zu reguliren; um die Berechnung der in dem Laufe dieſes Jahres vollzogenen barometriſchen und trigonometriſchen Meſſungen und Vermeſſungen zu ziehen, und hauptſächlich, um die Riſſe des geologiſchen Atlaſſes, welchen Hr. v. Humboldt herauszugeben ſich vorgenommen hat, ins Reine zu zeichnen. Im Januar 1804 verlieſſen unſere Reiſenden Mexiko, um den öſtlichen Fall der Cordilleren von Neu-Spanien zu erforſchen. Sie nahmen eine geometriſche Vermeſſung der beyden Vulkane von Puebla, des Popocatepek und Jtzaccihuatl vor. Hr. v. Humboldt fand, daß der nämliche Vulkan Popocatepek, auf welchen Hr. Sonnenſchmidt, ein eifriger Mineralog, ſich bis auf 2557 Toiſen zu ſteigen gewagt hat, viel höher iſt, als der Pik von Orizava, welchen man bis jetzt für den höchſten Coloß des Landes Anahuac gehalten hat. Er maaß auch die groſſe Pyramide von Cholula aus, ein myſteriöſes Werk, welches von den Tultequen aus ungebrannten Ziegelſteinen aufgeführt worden iſt, und von deren Spitze man eine prächtige Ausſicht auf die beſchneiten Berggipfel und die lachenden Ebenen von Tlascala genießt. Nach dieſen gemachten Erforſchungen ſtiegen ſie über Perote nach Xalapa hinab, einer Stadt, die 674 Toiſen über der Meeresfläche erhaben liegt, eine mittlere Höhe, welche die Früchte aller Klimate begünſtigt, und wo man einer für die Geſundheit der Menſchen gleich ſanften und wohlthätigen Temperatur genießt. Hier fanden unſere Reiſenden an dem Hrn. Thomas Murphy, einem achtungsvollen Manne, welcher, was ſo ſelten iſt, ein groſſes Vermögen mit dem Geſchmacke für die Wiſſenſchaften verbindet, einen Freund, der ihnen alle mögliche Erleichterungen, ihre Operationen in den Gebirgen zu vollenden, verſchafte. Der abſcheuliche Weg, welcher von Xalapa nach Perote durch faſt undurchdringliche Eichen- und Tannenwälder führt, ein Weg, den man zu Chauße umzuſchaffen anfängt, ward vermittelſt des Barometers dreymal nivellirt. Hr. v. Humboldt gelangte, trotz der Menge des Tages vorher gefallenen Schnees, bis zum Gipfel des berühmten Cofre, der 162 Toiſen höher, als der Pik von Teneriſſa iſt. Er nahm auch eine trigonometriſche Vermeſſung des Pik von Orizava vor, den die Indianer Sitlaltepetl nennen, weil die aus ſeinem Crater aufſteigenden leuchtenden Dünſte ihnen von weitem wie ein untergehender Stern vorkommen, und von deſſen Länge Hr. Terrino ſehr genaue Verſuche bekannt gemacht hat. Nach einem ſehr intereſſanten Aufenthalte in dieſen Gegenden, wo im Schatten der Liquidambars und Amyriße, die Epidendrum vanilla, und der Convolvulus jalappa, zwey zur Ausfuhr gleich koſtbare Erzeugniße gedeihen, ſtiegen unſere Reiſenden gegen die Küſte nach dem Hafen von Vera-Cruz hinab, welcher zwiſchen lockern Sandhügeln liegt, deren Reverberation der Sonnenſtrahlen eine erſtickende Hitze verurſacht. Sie blieben glücklicherweiſe von dem ſchwarzen Erbrechen, welches ſchon daſelbſt graſſirte, verſchont. Sie giengen mit einer ſpaniſchen Fregatte nach Havanna, um dort die im Jahr 1800 in Verwahrung gegebenen Kräuterſammlungen wieder zu ſich zu nehmen. Nach einem Aufenthalte von zwey Monaten ſegelten ſie nach den vereinigten amerikaniſchen Staaten; ein heftiger Sturm ſetzte ſie beym Herausſchiffen aus dem Kanale von Bahama in groſſe Gefahr. Nach einer Fahrt von 32 Tagen kamen ſie zu Philadelphia an. Sie hielten ſich in dieſer Stadt, und zu Washington zwey Monate lang auf, und kamen im Auguſt 1804 zu Bordeaux mit einer groſſen Menge Zeichnungen, mit 35 Kiſten Sammlungen, und 6000 Pflanzenarten verſehen, wieder in Europa an. Eine umſtändliche Beſchreibung dieſer höchſt merkwürdigen Reiſe, und der dabey angeſtellten Beobachtungen iſt bereits von Levrault zu Straßburg angekündiget, und erſcheint im Laufe dieſes Jahrs daſelbſt.