Auszug eines Briefs des Hrn. Alexander von Humboldt an Hrn. Delambre. (A. d. Ann. du Muſ. nat. d’hiſt. nat. Hft. 15.) Mexico den 29. Jul. 1803. Seit 3 Jahren bin ich nicht ſo gluͤcklich geweſen, auf meine Briefe an Sie, an Chaptal, Desfontaines und Pommard, Antwort zu erhalten. — — Ich habe Hrn. Chaptal die naͤhere Beſchreibung von meinen letztern Wanderungen durch die Provinz Quito und das Amazonenland, von unſerm Aufenthalte zu Lima, unſerer Fahrt nach Acapulco, Nachricht gegeben, bei welcher letztern ich endlich in dem Gedanken voͤllig beſtaͤrkt worden bin, daß das Inclinatorium von Borda nicht bloß zur Breitenbeſtimmung der Oerter, ſondern in gewiſſen Gegenden, wo naͤmlich die Nadel keine Abweichung hat, und der magnetiſche Meridian mit dem aſtronomiſchen zuſammenfaͤllt, ſelbſt zur Beſtimmung der Laͤnge auf der See, dienen koͤnne. Ich gedenke eine große Anzahl von Beobachtungen uͤber dieſen Gegenſtand dem Publikum vorzulegen, und hoffe, daß die Theorie Mittel finden wird, dasjenige zu ergaͤnzen, was etwa noch daran fehlen moͤchte. Fuͤr jetzt will ich Ihnen nur melden, daß ich eine Entdeckung uͤber die Laͤngenbeſtimmung der Hauptſtadt von Mexico gemacht zu haben glaube, woſelbſt ich unter einem neblichten und unzuverlaͤſſigen Himmel, in einer Hoͤhe von 1160 Toiſen uͤber der See, ſeit dem 11 Mai, beobachtet habe. Sie erinnern ſich wohl, daß Chappe hier nicht beobachtet hat, und daß man vor 1769 Mexico 106° 1′ weſtlich von Paris ſetzte? — Aus meinen Beobachtungen (welche dem Briefe beigeſchloſſen waren) ergiebt ſich die Laͤnge von Mexico 101° 22′ 30″. oder 6 St. 45 M. 30 Sec. und die von Acapulco 102° 10′ oder 6 St. 48 Min. 40 Sec. Ich habe auch die Jupiterstrabanten in dieſem abſcheulichen Klima von Acapulco beobachtet; es war aber der Planet ſeiner Zuſammenkunft mit der Sonne zu nahe. Außer der großen Zahl von Beobachtungen, die ich im Innern des Landes zwiſchen der Suͤdſee und Mexico machte, habe ich auch verſchiedene nordoͤſtliche Puncte gegen Actopan und Totonilco beſtimmt. In 3 Tagen reiſe ich nordwaͤrts in die Gegenden von Goanapoata, deren Bergwerke jaͤhrlich mehrere Millionen Piaſter hervorbringen. Ich habe auch die Gewaͤſſer der Seen von Mexico zu analyſiren angefangen, die ſehr viel kohlenſaure Soda, ſalzſauren Kalk, hydrogen- und ſchwefelichtes Gas u. ſ. w. enthalten. Ich habe einen ſehr artigen Plan gezeichnet, der den Profilſchnitt des Landes von der Nordſee bis zur Suͤdſee enthaͤlt, und die Hoͤhe des Bodens, ſo wie die wahren Laͤngenabſtaͤnde angiebt, die vorher auf 30 bis 40 Lieues ungewiß waren. Auch ſind die Hoͤhen bemerkt, auf welchen dieſe und jene Pflanze noch waͤchſt, z. B. Eichen, Tannen, die Yucca filamentosa etc. Auch die mineralogiſchen Arbeiten, die Analyſen uͤber den Luftkreis, die hygrometriſchen Unterſuchungen .... habe ich fortgeſetzt. Sie kennen die unermeßliche Thaͤtigkeit meines Geſellſchafters Bompland; ich hoffe, wir wollen treffliche Schaͤtze mit nach Hauſe bringen. Ich darf mir ſchmeicheln, daß unſer Herbarium eins der groͤßten ſeyn wird, das je nach Europa gekommen iſt. Unſere Manuſcripte enthalten mehr als 6000 Beſchreibungen von Pflanzengattungen. Ich habe eine große Menge Zeichnungen von Palmen, Graͤſern und andern ſeltnen Geſchlechtern gemacht. Wir werden vieles fuͤr die vergleichende Anatomie, viele Kaͤſten mit Inſecten, Schalthieren .... mitbringen und dem Publicum zeigen, was zwei mit Thaͤtigkeit und Energie ausgeruͤſtete Menſchen zu thun im Stande ſind; und das Publikum wird gegenſeitig nicht aus der Acht laſſen, daß zwei Perſonen zu wenig ſind, um ſo viel zu leiſten, als ganze Expeditionen von gelehrten Geſellſchaften, die ſich auf Koſten der Regierung vereiniget haben. Ich habe dem Nationalinſtitute, als einen ſchwachen Beweis meiner Erkenntlichkeit aus Carthagena verſchiedenes geſandt: als zwei Kiſten mit 100 illuminirten Pflanzenzeichnungen vom Hrn. Mutis; einen Aufſatz uͤber das Cinchonageſchlecht; Knochen vom Suachiſchen, fleiſchfreſſenden Elephanten aus einer Hoͤhe von 1300 Toiſen; .... eine Sammlung vulkaniſcher Produkte aus der Provinz Quito, beſonders vom Chimborazo, auf welchen wir am 23 Juni 1802, unſere Inſtrumente 3015 Toiſen hoch (4 bis 500 Toiſen hoͤher als ſie Condamine auf den Corazon brachte) getragen, wo wir das Queckſilber in der Torricelliſchen Roͤhre auf 13 Zoll 11, 2 Lin. und Reaum. Thermometer 1°, 3 uͤber 0 ſahen. Die Luft enthielt daſelbſt nicht mehr als 0,20 Oxygen, immittelſt ſie 2000 Toiſen tiefer 0,285 zeigte. Dieſe Sammlung von Quito iſt wie wir erfahren haben, mit der Fregatte Guadeloupe, zu Cadix angekommen, und ich zweifle nicht, daß ſie der Director des mineralogiſchen Cabinets zu Madrid, Hr. Hergen, dem Ambaſſadeur der Republik werde zugeſandt haben. So eben hab ich eine vierte Kiſte mit mexicaniſchen Mineralien an das Nationalinſtitut durch den Weg des Hrn. Coiſſin, der von hier nach einem Franzoͤſiſchen Hafen abgieng, uͤberſandt. Ich habe Ihnen ſchon mehrmals zu erkennen gegeben, daß die langwierigen Wanderungen in den Andes, der Zuſtand unſerer Werkzeuge, der Mangel aller Verbindung mit Europa und die Furcht, eine große Menge von unſeren Manuſcripten und Zeichnungen einzubuͤßen, meinen Plan auf die Philippinen, fuͤr jetzt wieder ruͤckgaͤngig gemacht haben; denn ſonſt habe ich noch gar große Entwuͤrfe fuͤr Oſtindien, wo ich aber nur erſt die Fruͤchte der gegenwaͤrtigen Unternehmung der Welt vor Augen legen will. Ich hoffe zu Anfang des naͤchſten Jahres bei Ihnen zu ſeyn, und ich werde wenigſtens 2 bis 3 Jahre noͤthig haben, das zu verarbeiten, was ich mitbringe .... Das ſchwarze Blutbrechen hat ſeit dem Mai entſetzliche Verheerungen in der Havannah ſo wie zu Vera Crux, angerichtet, und ich kann nicht eher als im November von hier abgehen....