Kohlenſäure-Meſſer. Mit Erſtaunen leſe ich ſo eben in dem Intelligenzblatt der Allgem. Lit. Zeitung 1800. N. 93. (welches Hr. Don Fauſto d’Elhuyar mir mittheilt) daß der Herz. Sächſ. Inſtrumentmacher Hr. Voigt zu Jena mich öffentlich eines Plagiats beſchuldigt hat, indem er vorgiebt, daß der Kohlenſäurenmeſſer (der in meiner Schrift über Zerlegung der Atmosphäre S. 90 beſchrieben iſt) ihm zugehöre, daß er das erſte Exemplar mir, nach ſeiner Angabe, verfertigt, daß er dieß Inſtrument als das ſeinige verkauft habe. Glaubte Herr Voigt, als er dieſe Beſchuldigungen gegen einen Abweſenden niederſchrieb, daß ich in den Wäldern des Orinoco oder Amazonenfluſſes ein Opfer des Südamerikaniſchen Klimas geworden ſey, oder daß ich aus ſo großer Entfernung nie Gelegenheit finden werde, mich zu rechtfertigen? Bey zuſammengeſetzten Inſtrumenten, bey denen der Künſtler während der Anfertigung Abänderungen weſentlicher Theile vorſchlägt, mag es oft ſchwer ſeyn zu entſcheiden, wer als Erfinder des Ganzen genannt werden ſoll? Aber bey einer mit zwey Schrauben verſehenen gekrümmten Glaßröhre, wie mein Kohlenſäure-Meſſer, kann kaum die Möglichkeit einer ſolchen Competenz gedacht werden, da der erſte Gedanke des Phyſikers, die Abſorption der Gasarten in Kugeln und die Meſſung des Volums in engen Röhren vorzunehmen, ſogleich die Form des ganzen Apparatus (wenn ein ſo unendlich einfaches Werkzeug dieſen Namen verdient) darſtellt. Dieſen Gedanken nun hatte ich viele Monate früher, als ich Hrn. Voigts Exiſtenz kannte, zu einer Zeit, da ich mich (1796) in Bayreuth mit meinem Freunde Herrn Gödeking mit Verſuchen über Abſorption des Sauerſtoffs durch Phosphor und Schwefelalkali beſchäftigte und wir beide auf eine Menge Vorrichtungen fielen, auf die einfachſte Weiſe die kleinſten Volume elaſtiſcher Flüſſigkeiten zu meſſen. Ich erinnere mich dagegen nie von Hrn. Voigt irgend eine Idee mitgetheilt erhalten zu haben, die auf Eudiometrie irgend einen Bezug hatte! Im Frühjahr 1797. begab ich mich nach Jena, um dort, unter Hrn. Loder’s vortrefflicher Anleitung, menſchliche Anatomie zu ſtudiren. Begierig Gas-Abſorptionen in mit Kugeln verſehenen, gekrümmten Röhren vorzunehmen, und ein Inſtrument ausgeführt zu ſehen, das ich mir in Bayreuth (wegen Mangel eines Mechanicus) nicht hatte verſchaffen können, erſuchte ich Hrn. Voigt, deſſen Geſchicklichkeit mir mit Recht angerühmt ward, mir ſolche Röhren mit Metall-Schrauben zu verfertigen. Ich erklärte ihm den Zweck dieſes kleinen Inſtruments, und Hr. Voigt äußerte ſchlechterdings nichts, welches anzeigte, daß er je eine ähnliche Idee über Meſſung der rückſtändigen Gasarten gehabt habe. Er verfertigte mir als Künſtler allerdings den erſten Kohlenſäure-Meſſer. Dieß und nicht mehr können mehrere Perſonen in Jena bezeugen; aber wer berechtigt Hrn. Voigt zu ſagen, es ſey nach ſeiner Angabe geweſen? Wenn er nachmals, während meines Auffenthalts in Wien, Salzburg, Paris und Madrid dieſe Röhren ſein Schwefelleber- Eudiometer nannte und als ſolche verkaufte, weil er die Schrauben daran angegeben, und weil er es mich (nach meiner ſechs Monate früher gefaßten Idee) als ſolches gebrauchen ſah, ſo iſt es freylich ſehr natürlich, daß er es, nach Erſcheinung meiner Schrift, für vortheilhaft hielt, mich eines Plagiats zu beſchuldigen. Noch mehr! Ich erinnere mich, auf Geſuch mehrerer Gelehrten in Jena im herzoglichen Schloſſe einige von mir erfundene Inſtrumente (die Rettungslampe, das Senkbarometer, die Abſorbtionsröhren ....) vorgezeigt und erklärt zu haben. Dieß geſchah wenige Wochen, nachdem mir Herr Voigt dieſe Röhren verfertigt hatte, und in Gegenwart mehrerer ſeiner Freunde. Wie würde ich mir unter ſolchen Umſtänden ein ſolches Verfahren erlaubt haben, wenn mir der Gedanke in den Sinn gekommen wäre, daß jene kleine Erfindung Hn. Voigt zugehöre! Auch würde ich drey Jahre nach der Beſchuldigung im Int. Bl. der A. L. Z. und in dieſer Entfernung eine ſo geringfügige Sache gern ungerügt gelaſſen haben, wenn die Anklage mich nicht in einem ſehr unmoraliſchen Lichte ſchilderte. Das Publicum, beſonders die Phyſiker, von denen der größere Theil mich perſönlich kennt, mögen entſcheiden, ob ich deſſen fähig bin, was mich Herr Voigt beſchuldigt. Wenige Schriftſteller haben ſich, glaub’ ich, dankbarer gegen ihre Freunde bezeigt, als ich mich bisher zu ſeyn beſtrebt habe. In meinen mineralogiſchen, botaniſchen und chemiſchen Schriften, ja in meinem letzten phyſiologiſchen Werke über die Muskel- und Nervenfaſer findet man faſt auf allen Seiten Perſonen genannt, welche mir Ideen zu Verſuchen und mechaniſchen Vorrichtungen mittheilten, oder mich auf dieſe oder jene Umſtände aufmerkſam machten. Warum würde ich mich gegen Herrn Voigt, deſſen phyſikaliſche Kenntniſſe und mechaniſche Geſchicklichkeit ich gleich hochſchätze, eines Verfahrens ſchuldig gemacht haben, das meiner Denkart ſo ganz zuwider iſt? Mexico, im Königreich Neu-Spanien, im May 1803. A. v. Humboldt. Zuſatz. Wir haben zwar dem unlängſt verſtorbnen Inſtrumentenmacher Hrn. Voigt nicht verwehren können, ſeine vermeintlichen Anſprüche auf eine kleine Erfindung im Intelligenzblatt auszuführen, haben aber gleich damals den vortrefflichen Hrn. v. Humboldt, der ſich bey ſeinen Talenten und Kenntniſſen nicht fremden literariſchen Eigenthums anzumaßen bedarf, deſſen, was Hr. V. vorgab, nicht nur ſelbſt für ganz unfähig gehalten, ſondern auch, daß das ganze gelehrte Publikum nicht anders davon denken werde, vorausgeſetzt. Die Herausg. d. Allg. Lit. Zeit.