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Alexander von Humboldt: „Kohlensäure-Messer“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1803-Kohlensaeure_Messer-1> [abgerufen am 20.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1803-Kohlensaeure_Messer-1
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Titel Kohlensäure-Messer
Jahr 1803
Ort Halle; Leipzig
Nachweis
in: Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung 181 (17. September 1803), Sp. 1487–1488.
Postumer Nachdruck
Alexander von Humboldt, Briefe aus Amerika 1799–1804, herausgegeben von Ulrike Moheit, Berlin: Akademie 1993, S. 233–234.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Spaltensatz; Auszeichnung: Kursivierung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: II.20
Dateiname: 1803-Kohlensaeure_Messer-1
Statistiken
Seitenanzahl: 2
Spaltenanzahl: 2
Zeichenanzahl: 5598
Bilddigitalisate

|1487| |1487|

Kohlenſäure-Meſſer.

Mit Erſtaunen leſe ich ſo eben in dem Intelligenz-blatt der Allgem. Lit. Zeitung 1800. N. 93. (welchesHr. Don Fauſto d’Elhuyar mir mittheilt) daß der Herz.Sächſ. Inſtrumentmacher Hr. Voigt zu Jena mich öf-fentlich eines Plagiats beſchuldigt hat, indem er vor-giebt, daß der Kohlenſäurenmeſſer (der in meiner Schriftüber Zerlegung der Atmosphäre S. 90 beſchrieben iſt)ihm zugehöre, daß er das erſte Exemplar mir, nach ſeiner Angabe, verfertigt, daß er dieß Inſtrument alsdas ſeinige verkauft habe. Glaubte Herr Voigt, als erdieſe Beſchuldigungen gegen einen Abweſenden nieder-ſchrieb, daß ich in den Wäldern des Orinoco oder Amazonenfluſſes ein Opfer des Südamerikaniſchen Kli-mas geworden ſey, oder daß ich aus ſo großer Ent-fernung nie Gelegenheit finden werde, mich zu recht-fertigen? Bey zuſammengeſetzten Inſtrumenten, beydenen der Künſtler während der Anfertigung Abände-rungen weſentlicher Theile vorſchlägt, mag es oft ſchwerſeyn zu entſcheiden, wer als Erfinder des Ganzen ge-nannt werden ſoll? Aber bey einer mit zwey Schrau-ben verſehenen gekrümmten Glaßröhre, wie mein Koh-lenſäure-Meſſer, kann kaum die Möglichkeit einer ſol-chen Competenz gedacht werden, da der erſte Gedan-ke des Phyſikers, die Abſorption der Gasarten in Ku-geln und die Meſſung des Volums in engen Röhrenvorzunehmen, ſogleich die Form des ganzen Appara-tus (wenn ein ſo unendlich einfaches Werkzeug dieſenNamen verdient) darſtellt. Dieſen Gedanken nun hatteich viele Monate früher, als ich Hrn. Voigts Exiſtenzkannte, zu einer Zeit, da ich mich (1796) in Bayreuth mit meinem Freunde Herrn Gödeking mit Verſuchenüber Abſorption des Sauerſtoffs durch Phosphor undSchwefelalkali beſchäftigte und wir beide auf eine MengeVorrichtungen fielen, auf die einfachſte Weiſe die klein-ſten Volume elaſtiſcher Flüſſigkeiten zu meſſen. Ich er-innere mich dagegen nie von Hrn. Voigt irgend eineIdee mitgetheilt erhalten zu haben, die auf Eudiome-trie irgend einen Bezug hatte! Im Frühjahr 1797. be-gab ich mich nach Jena, um dort, unter Hrn. Loder’s vortrefflicher Anleitung, menſchliche Anatomie zu ſtudi-ren. Begierig Gas-Abſorptionen in mit Kugeln verſe-henen, gekrümmten Röhren vorzunehmen, und ein In-ſtrument ausgeführt zu ſehen, das ich mir in Bayreuth (wegen Mangel eines Mechanicus) nicht hatte verſchaf-fen können, erſuchte ich Hrn. Voigt, deſſen Geſchick-lichkeit mir mit Recht angerühmt ward, mir ſolche Röh-ren mit Metall-Schrauben zu verfertigen. Ich erklär-te ihm den Zweck dieſes kleinen Inſtruments, und Hr. Voigt äußerte ſchlechterdings nichts, welches anzeig-te, daß er je eine ähnliche Idee über Meſſung derrückſtändigen Gasarten gehabt habe. Er verfertigte mir als Künſtler allerdings den erſten Kohlenſäure-Meſ-ſer. Dieß und nicht mehr können mehrere Perſonen |1488| |1488| in Jena bezeugen; aber wer berechtigt Hrn. Voigt zuſagen, es ſey nach ſeiner Angabe geweſen? Wenn ernachmals, während meines Auffenthalts in Wien, Salz-burg, Paris und Madrid dieſe Röhren ſein Schwefelleber-Eudiometer nannte und als ſolche verkaufte, weil erdie Schrauben daran angegeben, und weil er es mich(nach meiner ſechs Monate früher gefaßten Idee) alsſolches gebrauchen ſah, ſo iſt es freylich ſehr na-türlich, daß er es, nach Erſcheinung meiner Schrift,für vortheilhaft hielt, mich eines Plagiats zu beſchuldigen.Noch mehr! Ich erinnere mich, auf Geſuch mehrererGelehrten in Jena im herzoglichen Schloſſe einige vonmir erfundene Inſtrumente (die Rettungslampe, dasSenkbarometer, die Abſorbtionsröhren ....) vorgezeigtund erklärt zu haben. Dieß geſchah wenige Wochen,nachdem mir Herr Voigt dieſe Röhren verfertigt hatte,und in Gegenwart mehrerer ſeiner Freunde. Wie wür-de ich mir unter ſolchen Umſtänden ein ſolches Ver-fahren erlaubt haben, wenn mir der Gedanke in denSinn gekommen wäre, daß jene kleine Erfindung Hn. Voigt zugehöre! Auch würde ich drey Jahre nach der Beſchuldi-gung im Int. Bl. der A. L. Z. und in dieſer Entfernungeine ſo geringfügige Sache gern ungerügt gelaſſen ha-ben, wenn die Anklage mich nicht in einem ſehr un-moraliſchen Lichte ſchilderte. Das Publicum, beſon-ders die Phyſiker, von denen der größere Theil michperſönlich kennt, mögen entſcheiden, ob ich deſſenfähig bin, was mich Herr Voigt beſchuldigt. WenigeSchriftſteller haben ſich, glaub’ ich, dankbarer gegenihre Freunde bezeigt, als ich mich bisher zu ſeyn be-ſtrebt habe. In meinen mineralogiſchen, botaniſchenund chemiſchen Schriften, ja in meinem letzten phy-ſiologiſchen Werke über die Muskel- und Nervenfaſerfindet man faſt auf allen Seiten Perſonen genannt, wel-che mir Ideen zu Verſuchen und mechaniſchen Vorrich-tungen mittheilten, oder mich auf dieſe oder jene Um-ſtände aufmerkſam machten. Warum würde ich michgegen Herrn Voigt, deſſen phyſikaliſche Kenntniſſe undmechaniſche Geſchicklichkeit ich gleich hochſchätze,eines Verfahrens ſchuldig gemacht haben, das meinerDenkart ſo ganz zuwider iſt?

A. v. Humboldt.

Zuſatz. Wir haben zwar dem unlängſt verſtorbnen Inſtrumen-tenmacher Hrn. Voigt nicht verwehren können, ſeinevermeintlichen Anſprüche auf eine kleine Erfindung imIntelligenzblatt auszuführen, haben aber gleich damalsden vortrefflichen Hrn. v. Humboldt, der ſich bey ſei-nen Talenten und Kenntniſſen nicht fremden literari-ſchen Eigenthums anzumaßen bedarf, deſſen, was Hr. V. vorgab, nicht nur ſelbſt für ganz unfähig gehalten,ſondern auch, daß das ganze gelehrte Publikum nichtanders davon denken werde, vorausgeſetzt. Die Herausg. d. Allg. Lit. Zeit.