Briefe des Herrn Oberbergraths von Humboldt. Den jüngsten Brief unsers berühmten Landsmannes Alexander von Humboldt , aus Lima d. 25 November 1802 an seinen Herrn Bruder gerichtet, hat das Publikum im Julius- und Augustheft dieser Monatschrift gelesen. An demselben Tage hat aber Hr von H. auch nach Paris an Hrn Delambre, einen der beständigen Sekretäre des Nazional-Instituts der Wissenschaften, geschrieben. Dies Schreiben ist in dem jüngsten Heft der -- hier zu wenig bekannten -- Annales du Museum national d'Histoire naturelle (S. 170 folgg.) abgedruckt. Es berührt viele Gegenstände, von welchen in dem zuerst erwähnten Schreiben durchaus nichts vorkömmt. Es liefert die anschaulichsten Beweise nicht allein von der beharrlichen rastlosen Thätigkeit des Hrn von H., sondern auch von der überaus großen Mannichfaltigkeit der Objekte, welche dieser Reisende seiner Prüfung hat unterwerfen können; und dient dabei zur vollen Ueberzeugung, wie wenig es die Schuld des Hrn von H. war, daß seine beabsichtigte Vereinigung mit der Expedizion des Kapitäns Baudin unterblieb. In dieser Hinsicht habe ich, dem Wunsche des Hrn Herausgebers dieser Monatschrift zufolge, für ihre Leser eine Uebersetzung des Briefes entworfen, und durch einige Anmerkungen zur allgemeinern Verständlichkeit desselben beizutragen gesucht. Diese Anmerkungen des Hrn G. O. B. Raths Karsten sind mit den Buchstaben des lateinischen Alphabets bezeichnet, zur Unterscheidung der paar kleinen von mir hinzugefügten. Ich habe diese nicht mit Nachweisungen auf den angeführten letzten Brief, Julius Nr 5 und August Nr 1, und die dort befindlichen Anmerkungen, vermehren wollen, weil diese Hefte noch wohl den Lesern im Gedächtniß oder nahe zur Hand sind. B. Berlin, d. 23 August 1803. Karsten. An Hrn Delambre in Paris. Lima, d. 25 November 1802. Ich komme aus dem Innern des Landes, mein verehrungswerther Freund, wo ich auf einer großen Ebene Versuche über die kleinen stündlichen Abweichungen der Magnetnadel angestellt habe, und höre leider daß die Fregatte Astigarraga, welche erst in 14 Tagen von hier gehen wollte, ihre Abfahrt so beschleunigt, daß sie schon in dieser Nacht unter Segel zu gehn gedenkt. Dies ist die erste Gelegenheit welche wir, in dem einsamen Südmeer, seit fünf Monaten nach Europa haben; aber Mangel an Zeit macht es mir unmöglich, an das Nazional-Institut, meiner Pflicht gemäß, zu schreiben, da ich von Demselben mit den rührendsten Beweisen seines Antheils und seines Wohlwollens beehrt worden bin. Wenige Tage vor meiner Abreise von Quito nach Jaen und dem Amazonenflusse, empfing ich das Schreiben vom 2 Pluviose des J. 9, welches diese berühmte Sozietät, durch Ihre Feder, an mich erlassen hat. Dieser Brief ist zwei Jahre unterwegs gewesen, eh er mich in den Kordilleren angetroffen hat. Ich erhielt ihn am Tage nach meiner Zurückkunft von einer zweiten Expedizion, die ich nach dem Pichincha gemacht hatte, um ein Voltaisches Elektrometer dort mit hinzunehmen, und den Krater dieses Berges zu messen, dessen Diameter ich 752 Toisen fand, und folglich mehr denn doppelt so groß als den nur 312 Toisen weiten Krater des Vesuvs . Hiebei fiel mir ein, daß La Condamine und Bouguer auf dem Gipfel des Guagua- Pichincha, wo ich oft gewesen bin, und den ich als klassischen Boden liebe, ihren ersten Brief von der vormaligen Akademie erhielten; daher ich mir vorstelle daß den Physikern -- si magna licet componere parvis -- ein glücklicher Stern auf dem Pichincha stralt. Wie soll ich Ihnen die Freude ausdrücken, mit welcher ich dies Schreiben des N. I. und die wiederholten Versicherungen Ihres Andenkens gelesen habe? Wie süß ist das Bewußtsein, daß man denen im Gedächtniß schwebt, deren Arbeiten unaufhörlich die Fortschritte des menschlichen Geistes beschleunigen! In den wüsten Ebenen des Apure , in den dicken Wäldern des Kasiguiara und Orinoko : überall sind Ihre Namen mir gegenwärtig gewesen; und wenn ich die verschiedenen Epochen meines unstäten Lebens durchlief, so weilte ich genußvoll bei dem Jahre 6 und 7, wo ich mitten unter Ihnen lebte, wo die Laplace, Fourcroy, Vauquelin, Guyton, Chaptal, Jussieu, Desfontaines, Halle, Lalande, Prony, und vorzüglich Sie, mein edler und gefühlvoller Freund, mich in den Ebenen von Lieursaint mit Güte überhäuften. Empfangen Sie insgesammt die Versicherung meiner innigen Anhänglichkeit, und meiner fortdaurenden Erkenntlichkeit. Die Magnetnadel dreht sich bekanntlich, frei und wagerecht aufgehängt, von selbst so, daß ihre eine Spitze nach Mitternacht, die andere entgegengesetzte nach Mittag zeigt. Dies geschieht aber nicht ganz genau, sondern mit einiger Abweichung nach Morgen und Abend, in den mehresten Ländern. Nur vom Weißen Meere an, geht durch (Asien) das südliche Sina und die Philippinen eine Linie wo die Magnetnadel genau den Nord- und Südpunkt angiebt. Indeß hat man anderwärts gefunden, daß die Abweichung nicht nur auf den verschiednen Punkten der Erde verschieden, sondern daß sie auch selbst an einerlei Beobachtungsorte zu verschiedenen Zeiten, und oft sogar stündlich, veränderlich ist. Für die Seefahrer ist es sehr wichtig, das Gesetz der Abweichung genau zu erforschen; und deshalb sind in Paris schon seit dem J. 1550 Beobachtungen darüber angestellt. "Wenn ich mich mit jenen großen Männern vergleichen darf": ist hier der Sinn dieses zum Sprichwort gewordenen Virgilischen Halbverses. Auf diesem kleinen Flusse schifte Hr von H. sich zur Expedizion nach dem Orinoko ein. Man s. 1802 Junius S. 441. Aus der Anmerkung des älteren Hrn von Humboldt (S. 454 am ang. Ort dieser Monatschr.) wird man sich erinnern, daß der Kasiguiara den Orinoko mit dem Schwarzen Fluß (Rio negro) verbindet, und letzterer in den Amazonenfluß fällt. Diese bedeutende, und neuerlich bestrittene, Wasserkommunikazion ist auf der 1785 bei Zatta in Venedig verlegten Karte von Tierra Firme sehr anschaulich zu sehen. Dies ist der Namen eines in der Nähe von Paris, auf dem Wege nach Melun, liegenden Dorfes, wo Hr Delambre wahrscheinlich einen Sommerwohnsitz hatte. Lange vor Ankunft Ihres erwähnten Schreibens, habe ich nach und nach drei Briefe an die physikalische und mathematische Klasse des Instituts abgesendet. Zwei davon schrieb ich zu Santa-Fe de Bogota, und fügte eine Arbeit über die Cinchona bei: nehmlich Proben der Rinde von 7 Arten, illuminirte Zeichnungen von diesen Pflanzen, und Zergliederungen ihrer in der Länge der Staubfäden so abweichenden Blüthen, auch sorgfältig aufgetrocknete Exemplare. Doktor Mutis, welcher mir tausend Freundschaftsdienste erzeigt hat, und dem zu Liebe ich 40 Tage lang den Fluß hinauf gefahren bin, hat mir an hundert prächtige Zeichnungen in Folio, von neuen Gattungen und Arten, aus seiner ungedruckten Flora von Bogota zum Geschenk gemacht. Ich glaubte, diese für die Botanik eben so interessante, als in Ansehung der Schönheit der Farben merkwürdige Sammlung könne in keinen besseren, als in den Händen eines Jussieu, Lamark und Desfontaines sein; daher ich sie dem Nazionalinstitut als ein geringes Merkmaal meiner Ergebenheit übersandt habe. Sie ist mit den Cinchona-Arten gegen den Juni dieses Jahres nach Kartagena (de las Indias) abgegangen, und Dr Mutis selbst hat die Beförderung nach Paris besorgt. Ein dritter an das Institut gerichteter Brief ist, von Quito aus, mit einer geologischen Sammlung der Steinarten vom Pichincha Kotopaxi und Tschimborasso abgeschickt worden. Wie betrübt ist es, daß wir über die Ankunft dieser Sendungen in einer eben so traurigen Ungewißheit bleiben als über die Sammlungen von seltenen Sämereien, welche wir vor 3 Jahren dem Jardin des Plantes in Paris übermacht haben. Sämmtliche Arten dieser Pflanzengattung liefern die allgemein bekannte Fieber-Rinde. Den Magdalenenfluß, welcher oberhalb Santa Fe entspringt, und sich in den Mexikanischen Meerbusen ergießt. Vielleicht ist hier, schon wegen des Namens Doktor, und der Erwähnung der vortreflichen Malerei, der jüngere Matis, nicht der ehrwürdige Greis Mutis, gemeint. Das Original hat mehr unrichtige Lesarten, wie bei Franzosen in ausländischen Namen gewöhnlich ist. Von dem Botaniker Matis redet Hr von H. auch in seinem zweiten späteren Briefe, der hinten folgt. Ich mögte diesen Ausdruck hier lieber wie ein nomen proprium stehen lassen, als ihn durch Botanischen Garten übersetzen; weil sich in demselben das ganze große Institut für alle Reiche der Naturgeschichte befindet. Ursprünglich war es bloß dem Pflanzenstudium gewidmet. Die wenige Muße welche mir heut übrig bleibt, gestattet mir nicht Ihnen eine Schilderung meiner Reisen und Beschäftigungen, seit wir den Schwarzen Fluß verlassen haben, zu entwerfen. Sie wissen, daß wir auf Havanah die falsche Nachricht der Abfahrt des Kapitäns Baudin nach Buenos Ayres erhielten. Ich habe des geleisteten Versprechens, mich mit ihm wo ich nur könnte zu vereinigen, eingedenk, und in der Ueberzeugung, daß es nützlicher für die Wissenschaften sein würde, wenn ich den Arbeiten der Naturkundigen, welche im Gefolge des Kap. Baudin reisen, die meinigen zugesellte, keinen Augenblick angestanden: ich gab den kleinen Ruhm auf, eine eigene Expedizion zu beendigen, und miethete sogleich ein Fahrzeug zu Bataban um nach Kartagena zu segeln. Diese kurze Fahrt ward durch Stürme über einen Monat verlängert; in der Südsee, wo ich den Kap. Baudin zu finden rechnen konnte, war die Zeit der bestimmten Winde (brises) vorbei, und ich unternahm die mühselige Reise über Honda, Ibagua, das Gebirge Quindin , Popayan, und Pastos, nach Quito. Meine Gesundheit widerstand fortdaurend auf bewundernswürdige Weise dem Wechsel der Temperatur, welchem man auf diesem Wege ausgesetzt ist, da man täglich von Schneefeldern die 2460 Toisen über das Meer erhaben sind, in brennende Thäler hinabsteigt, wo das Reaumursche Thermometer nicht unter 26 oder 24 Grade fällt. Mein Reisegefährte Bompland, durch dessen Kenntnisse, Unerschrockenheit, und außerordentliche Thätigkeit, mir in den Untersuchungen der Botanik und der vergleichenden Anatomie die größte Hülfe zu Theil geworden ist, hat zwei Monate lang am dreitägigen Fieber gelitten. Die Regenzeit überfiel uns an einer sehr kritischen Stelle, auf dem Plateau von Pastos; und nach einer achtmonatlichen Reise, erfuhren wir bei der Ankunft in Quito, daß Kapitän Baudin seinen Weg von Westen nach Osten über das Vorgebirge der guten Hofnung genommen habe. An Unfälle gewöhnt, fanden wir Trost in dem Gedanken, daß wir, um des Guten willen, so große Aufopferungen gemacht hatten. Sahen wir auf unsre Herbarien, unsere barometrischen und geodetischen Messungen, auf unsre Zeichnungen, und die mit der Luft der Kordilleren angestellten Versuche; so brauchten wir es nicht zu bedauren, daß wir einen Erdstrich durchwandert hatten, welcher größtentheils zuvor nie von Naturkündigern betreten ward. Wir fühlten, daß der Mensch nur auf das rechnen darf, was er durch seine eigene Energie bewirkt. Er hatte bekanntlich Hrn von H. zu Akapulko an der Südseeküste aufnehmen wollen. Wir lasen diesen Namen in den hieher gekommenen Briefen Quiridiu. ri und u kann leicht mit n verwechselt werden. Die Provinz Quito, die höchste Gebirgsebene unsers Erdballs, welche durch die große Katastrophe vom 4 Februar 1797 zerwühlt worden ist, bot uns ein weites Feld zu physischen Beobachtungen dar. Dort haben die ungeheuren Volkane, deren Flammen oft 500 Toisen hoch emporlodern, nie einen Tropfen fließender Lava hervorzubringen vermogt; Wasser, geschwefeltes Wasserstofgas, Schlamm, und kohlensaure Thonerde , speien sie aus. Seit 1797 ist dieser ganze Welttheil in Bewegung: alle Augenblicke erleiden wir fürchterliche Erschütterungen; und das unterirdische Getöse in den Ebenen von Riobamba ist als wenn ein Berg unter unsern Füßen einstürzte. Die atmosphärische Luft, und die mit Feuchtigkeit angeschwängerten Erdarten (alle diese Volkane befinden sich in einem verwitterten Porphyr), scheinen die großen Werkzeuge dieser Verbrennungen und unterirdischen Gährungen zu sein. Von dieser zuletzt erwähnten Mischung hat noch kein Beobachter brennender Volkane etwas angeführt. Bis itzt glaubte man zu Quito, daß der Mensch nicht weiter als bis zu einer Höhe von 2470 Toisen in der verdünnten Luft ausdauren könne. Im März 1802 brachten wir einige Tage in den großen Ebenen zu, welche den Volkan Antisana 2107 Toisen hoch umgeben, wo die Stiere, wenn man sie jagt, häufig Blut auswerfen. Den 16 März entdeckten wir einen Weg über den Schnee: eine sanfte Berglehne, auf welcher wir bis zu einer Höhe von 2773 Toisen hinanstiegen. Hier enthielt die Luft [Formel] Kohlenstofsäure, [Formel] Sauerstof, und [Formel] Stickstof. Das Reaumürsche Thermometer stand auf 15 Grad; es war im mindesten nicht kalt, aber das Blut drang uns aus den Augen und Lippen. Das Lokal erlaubte nirgend anders mit der Bordaischen Boussole zu experimentiren, als in einer tiefer liegenden Grotte, 2467 Toisen über dem Meer. Die magnetische Kraft stand hier in dem Verhältniß von 230 zu 218 gegen die zu Quito bemerkte Intensität, war also weit stärker; indeß darf man nicht vergessen, daß oft die Anzahl der Schwingungen (oscillations) zunimmt, wenn die Neigung (inclinaison) abnimmt, und daß die Intensität durch solche Gebirgsmassen verstärkt wird, wo der Porphyr auf den Magnet wirkt. Eine stählerne zweiarmige genau gearbeitete Nadel wird, wenn sie im Mittelpunkte durchbohrt und daselbst mittelst einer Axe oder eines Zapfens aufgehängt ist, eine völlig wagerechte Stellung annehmen, sobald sie in Ruhe kömmt. Ist sie aber nachher gleichförmig magnetisirt, so verliert sie scheinbar ihr Gleichgewicht: die eine Spitze erhebt sich eben so viel über die Horizontalfläche, als sich die entgegengesetzte darunter senkt. Dies nennt man die Neigung der Magnetnadel. Sie wird nach Graden an einem Vertikalkreise, auf Borda's Instrument, bestimmt, und beträgt in der südlichen Breite unweit des Aequators zwischen 20 und 30, in unserer Gegend aber über 70 Grade. Je unruhiger die Nadel ist, desto häufiger sind die Schwingungen um ihre Axe in gleicher Zeit, desto stärker also die Intensität der magnetischen Kraft, welche sie belebt. Bei der Besteigung des Tschimborasso, die wir den 23 Juni 1802 unternahmen, ergab sich, daß mit ein wenig Geduld man eine noch größere Verdünnung der Luft ertragen kann. Wir kamen 500 Toisen höher als Condamine, der am Corazon war; und trugen die Instrumente zum Tschimborasso 3031 Toisen hoch hinauf, wo das Barometer 13 Zoll 11 Linien und das Thermometer 1 [Formel] Grad unter 0 zeigte. Die Lippen bluteten uns wiederum. Unsere Indianer verließen uns, wie gewöhnlich. Der Bürger Bompland und Hr Montufar, ein Sohn des Markis de Selvalegre in Quito, blieben allein bei mir. Wir fühlten alle ein Mißbehagen, eine Schwäche, eine Neigung zum Erbrechen: welches sicher eben sowohl dem Mangel an Sauerstof in dieser Region, als der Verdünnung der Luft zugeschrieben werden muß. Letztere enthielt, auf dieser ungeheuren Höhe, nicht mehr als [Formel] Sauerstof (Gas). Eine gräßliche Spalte verhinderte uns den Gipfel des Tschimborasso selbst, der nur 236 Toisen über uns war, zu erklimmen. Sie wissen welche bedeutende Ungewißheit noch über die Höhe dieses Kolossen herrscht. Condamine, welcher ihn nur von einem sehr entfernten Standpunkte aus maß, giebt diese Höhe auf 3220 Toisen an; Don George Juan hingegen bestimmt sie zu 3380 Toisen: obwohl dieser Unterschied von der verschiedenen Höhe nicht hergeleitet werden kann, welche die erwähnten Astronomen, in Ansehung des Signals am Carabura, annehmen. Ich habe in der Ebene von Tapia eine Grundlinie (base) von 1702 Metern gemessen (Vergeben Sie daß ich bald von Toisen bald von Metern spreche, je nachdem meine Instrumente sie angeben. Sobald ich diese Beobachtungen öffentlich bekannt mache, wird Alles auf das Meter und den in hundert Grade abgetheilten Wärmemesser reduzirt werden). Zwei geodetische Operazionen gaben mir die Höhe des Tschimborasso über die Meeresfläche 3267 Toisen; die Berechnung bedarf aber noch einer Berichtigung wegen des Abstandes des Sextanten vom künstlichen Horizont , und wegen anderer Nebenumstände. Seit Condamine's Zeiten ist der Volkan Tunguragua um vieles niedriger geworden; statt 2620 Toisen finde ich ihn nur 2531 Toisen hoch, und ich darf glauben, daß diese Differenz nicht von einem Fehler bei meiner Operazion herrührt, weil die Resultate meiner Messungen des Kayamba, Antisana, Kotopaxi, und Iliniza, mit den Angaben von la Condamine und Bouguer bis auf 10 oder 15 Toisen übereinstimmen. Auch behaupten die Bewohner dieser unglücklichen Gegenden, daß der Tunguragua sichtbar niedriger geworden sei. Den Kotopaxi hingegen, welcher so heftige Explosionen erlitten hat, finde ich noch eben so hoch als er 1744 gewesen ist, oder vielmehr -- durch einen vermuthlich von mir begangnen Fehler -- noch etwas höher. Der steinige Gipfel des Kotopaxi zeigt aber auch, daß es ein Schorstein ist, der Widerstand zu leisten und seine Gestalt zu erhalten vermag. Herz. Auszusprechen: Koraßon. Der eben erwähnte Corazon reicht nur 2500 Toisen über die Meeresfläche. Sonst nimmt man, als eine Durchschnittszahl, in der Atmosphäre [Formel] Sauerstofgas (Lebensluft) und [Formel] Stickstofgas (Stickluft) an. In runden Zahlen, beträgt ein Meter 4 Pariser Fuß; schärfer, 3 Fuß 11 [Formel] Linie. Die Toise hat bekanntlich 6 Pariser Fuß. Der Sextant wird bei der Beobachtung über den künstlich gestellten Horizont gehalten. Je größer der Abstand ist, desto größer werden die Fehler welche beim Visiren etwa begangen worden sind; daher die Korrekzion nöthig wird. Unsere vom Jänner bis Julius in den Anden von Quito angestellten Beobachtungen haben den Einwohnern die traurige Neuigkeit hinterbracht, daß der Krater des Pichincha, welchen Condamine voll Schnee sah, von neuem brennt; und daß der Tschimborasso, den man so ruhig und unschuldig wähnte, zu den feuerspeienden Bergen gehört hat, und sich vielleicht in Zukunft wieder entzünden wird. Wir haben in der Höhe von 3031 Toisen gebrannte Felsstücke und Bimstein gefunden. Wehe dem menschlichen Geschlecht, wenn dies unterirdische Feuer (denn man kann die ganze Gebirgsfläche von Quito als einen einzigen Volkan mit mehrern Gipfeln betrachten) sich einst durch den Tschimborasso einen Ausgang verschaffen sollte! Man lieset in vielen Büchern: dieser Berg bestehe aus Granit; aber davon giebt es dort nicht ein Atom. Es ist Porphyr, hie und da säulenförmig, und mit eingemengtem glasigen Feldspath, Hornblende, wie auch Olivin versehen. Dies Porphyrlager ist 1900 Toisen dick. Ich könnte Ihnen bei dieser Gelegenheit von einem polarisirenden Porphyr sprechen, den wir bei Voisako unweit Pasto entdeckt haben; welcher, wie der von mir im Journal de Physique beschriebene Serpentinstein , Pole, ohne Attrakzion, hat. Ich könnte Ihnen andere Thatsachen anführen, welche das große Gesetz des Parallelismus der Felsschichten und ihre ungeheure Dicke am Aequator betreffen; allein es übersteigt die Gränze eines Briefes, der noch dazu vielleicht verloren geht. Ein andermal werde ich wieder darauf zurückkommen. Nur soviel will ich noch hinzufügen, daß wir außer den Elephantenzähnen, welche wir dem Bürger Cuvier vom Plateau Santa Fe her (1350 Toisen hoch) zugeschickt haben, noch schönere für ihn aufbewahren. Einige sind vom fleischfressenden Elephanten, andere gehören zu einer Thier-Art die von dem Afrikanischen Elephanten nur wenig abweicht. Die Exemplare stammen aus dem Thale Timana, von der Stadt Ibarra, und aus Chili her. Hier ist also der Beweis von der Verbreitung dieses fleischfressenden Ungeheuers, von dem Ohio oder dem 50 Grad Nordlicher Breite bis zum 35sten Grade Südl. Breite. Hierüber giebt die zweite Anmerkung S. 67 des Juliusstücks dieses Jahres der Monatschr. Auskunft. Der Afrikanische Elephant unterscheidet sich auffallend von dem Asiatischen (bekannteren) durch die rautenförmigen Leisten an den Zähnen. Bei dem Asiatischen sind diese wellenförmig gebogen. Der sogenannte fleischfressende Elephant ist das Thier, dessen ungeheure Skelette oder einzelne Knochen man noch in den Kalkhöhlen, als Ueberbleibsel einer Vorwelt antrift, deren Thierarten wenigstens zum Theil nicht mehr existiren. (Man s. 1801 Julius Nr 1.) Beide obenerwähnte wahre Elephantenarten, in Asien und Afrika, nähren sich im wilden Zustande von Vegetabilien. In Quito habe ich meine Zeit sehr angenehm verlebt. Der Präsident der Regierung, Baron von Corondelet, hat uns mit Güte überhäuft; und seit 3 Jahren habe ich nicht ein einziges mal Ursache gehabt, mich über die Beamten der Spanischen Regierung zu beklagen: vielmehr bin ich überall mit einer Feinheit und Auszeichnung behandelt worden, welche mich für immer zur Erkenntlichkeit verpflichtet. Wie Zeiten und Sitten sich geändert haben! -- Ich habe mich viel mit den Pyramiden und ihren Fundamenten beschäftiget; hievon sind, meiner Meinung nach, wenigstens die Mühlsteine noch nicht von der Stelle gerückt . Ein edelmüthiger Privatmann, ein Freund der Wissenschaften, und der Männer welche sie in Ehren brachten, wie la Condamine, Godin und Bouguer, der Markis von Selvalegre in Quito hat vor, diese Pyramiden wieder aufzubauen. Allein die Sache würde mich itzt zu weit führen. Zum Andenken der in Peru seit dem J. 1737 auf Befehl des Königs Ludwig XIV von Frankreich angefangenen Gradmessung, vorzüglich aber zur Feststellung der Endpunkte der Grundlinie, welche in der Ebene Yaruqui gemessen worden, ließ Hr de la Condamine in den J. 1740 bis 1742 zwei Pyramiden mit Ueberwindung unsäglicher Schwierigkeiten errichten, und zwei Mühlsteine in die Basis derselben so einsenken, daß die beiden Meßstangen, welche die äußersten Endpunkte der Grundlinie abgegeben hatten, in die leeren Zentralräume jener Steine zu stehen kamen. Dies war mit Genehmigung der Regierung in Lima geschehen. In der Folge erhob aber einer der Spanischen Gelehrten, welche der Expedizion beigesellt waren, Don George Juan, darüber Klage. Es ward sogar zwischen beiden Regierungen darüber korrespondirt; und ungeachtet aller von der Akademie der Wissensch. zu Paris angeführten triftigen Gründe, dies nützliche Denkmaal im J. 1747 auf Befehl des Spanischen Hofes vernichtet. Kurz darauf, aber zu spät, ward der Befehl wiederrufen; allein la Condamine versichert, daß die bald nachher beabsichtigte Wiederherstellung fruchtlos sein würde, weil die Mühlsteine, eines mit eingesenkten silbernen Täfelchens wegen, gewiß aus Gewinnsucht würden aus der Stelle gerückt, also die wahren Gränzen der Messung unzuverlässig geworden sein. Nachdem wir Assuay und Kuenka berührt hatten (wo man uns Stiergefechte gab), nahmen wir den Weg nach Loxa, um unsere Arbeiten über die Cinchona zu ergänzen. Hienächst brachten wir einen Monat in der Provinz Jaen de Bracamoros und zu Pongos am Amazonenflusse zu, dessen Ufer mit der Andira und mit Jussieu's Bugainvillea geschmückt sind. Es dünkte mich interessant, die Länge von Tomependa und Chuchungat zu bestimmen, wo la Condamine's Karte anfängt, und diese Punkte mit der Küste in Verbindung zu bringen. La Condamine konnte nur die Länge des Ausflusses vom Napo bestimmen; allein die Längen-Uhren existirten damal noch nicht, weshalb die Längen-Angaben dieser Gegenden sehr vieler Veränderungen bedürfen. Mein Chronometer von Louis Berthoud thut Wunder, welches ich gewahr werde wenn ich mich von Zeit zu Zeit durch den ersten (Jupiters) Trabanten orientire, und Punkt vor Punkt meine Differenzen des Meridians mit denen vergleiche, welche sich bei der Expedizion des Hrn Fidalgo ergeben haben, der auf Befehl des Königs (von Spanien) trigonometrische Messungen von Kumana bis nach Kartagena angestellt hat. Das Hauptprodukt dieser Pflanze (man s. vorher die Anmerkung e) nennen die Spanier Cascarilla (Rinde) schlechtweg, oder Casc. de Loja oder Loxa von dieser Provinz. Den Indianischen Namen schreiben sie Quina oder Quina Quina, sprechen ihn also Kina aus, wie sie ihn auch selbst im Lateinischen schreiben. Der Baum soll übrigens Quarango heißen, doch ist die von seiner Rinde hergenommene Benennung gewöhnlicher. Eine von Lamarck bestimmte, im Linne nicht vorkommende, Pflanzengattung. Eine sehr hübsche zur achten Linneischen Klasse gehörige Pflanze. Nehmlich in den Amazonenfluß, in welchen der Napo sich, nach der Condaminischen Karte, oberhalb Pevas ergießt. Wenn Jemand geraden Weges von einem bekannten Orte auf der Erde gegen Morgen reiset, und seine Uhr zeigt an dem andern Orte wo er hingekommen, erst 12 Uhr Mittags, die dasige Uhr aber 2 Uhr Nachmittags: so läßt sich hieraus, unter der Voraussetzung daß beide Uhren richtig gehn, berechnen, daß der Reisende einen Weg von 450 geographischen Meilen zurück gelegt hat. Gewöhnlicher drückt man diese Entfernung in Graden des Aequators (15 geogr. Meilen auf einen Grad gerechnet) aus; und wenn man die Entfernung von dem Punkte an berechnet, wo der angenommene erste Meridian den Aequator durchschneidet, d. i. wo auf unseren Globen 0 steht: so hat man die Länge eines Ortes gefunden. Unsere Taschenuhren sind zu dergleichen Beobachtungen aber zu fehlerhaft; deshalb setzten die Engländer wie auch die Franzosen, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, Preise auf die Erfindung eines vollkomnern hiezu dienlichen Instrumentes aus. Harrison überreichte dem Engl. Parlament im J. 1762 die erste Längenuhr, und empfing dafür den dritten Theil des Preises mit 10000 Pfund Sterling. Späterhin sind sie sehr verbessert worden, auch unter der Form von Taschenuhren verfertigt, welche Chronometer (Zeitmesser) genannt werden. Auf Schiffen bedient man sich aber der größeren Uhren dieser Art, welche auf Tischen befestigt werden müssen. Die Franzosen nennen sie garde-tems, die Engländer timekeeper; wir könnten ihnen im Deutschen auch den gleichbedeutenden charakteristischen Namen Zeitwächter beilegen. Vom Amazonenflusse, sind wir bei den Bergwerken zu Hualgayok (welche jährlich eine Million Piaster ausbringen, und wo sich das silberhaltige graue Kupfererz 2065 Toisen hoch findet) über die Anden gegangen. Wir reiseten abwärts über Kaskamaska, wo ich in dem Pallast von Atahualpa die Bogen der Peruanischen Gewölbe gezeichnet habe, nach Truxillo, und von hier durch die Einöden an der Küste des Südmeers nach Lima, wo der Himmel während der einen Hälfte des Jahres mit dicken Dünsten bedeckt ist. Ich eilte Lima zu erreichen, um am 9 November 1802 den Durchgang des Merkurs zu beobachten. -- -- Unsere Pflanzensammlungen, und die Zeichnungen welche ich in Hinsicht der Zergliederung der Gattungen, nach den mir vom Bürger Jussieu in der Naturforschenden Sozietät darüber mitgetheilten Ideen, entworfen habe, sind durch die Reichthümer sehr vermehrt, welche wir in der Provinz Quito, bei Loxa, am Amazonenflusse, und in der Kordillere von Peru, antrafen. Wir haben viele von Josef Jussieu beobachtete Pflanzen wieder gefunden: z. B. die der Quillaja verwandte Llogue und andere. Wir haben eine neue hübsche Art der Jussiea, verschiedne Arten von Colletia, mehrere Passiflora, und den Loranthus als 60 Fuß hohen Baum angetroffen . Vorzüglich sind wir sehr reich an Palmen und an Gräsern, worüber mein Freund Bompland eine ausführliche Ausarbeitung verfertigt hat. Bis itzt haben wir 3784 lateinische Beschreibungen vollendet, und in unsern Herbarien steckt fast noch der dritte Theil aller Pflanzen, die wir aus Mangel an Zeit nicht haben beschreiben können. Der Großvater des jetzt lebenden Gelehrten dieses Namens in Paris. Er begleitete la Condamine 1735 als Botaniker nach Peru. Von der Gattung Llogue ist hier noch wenig oder nichts bekannt. Die Quillaja ist eine Baumart deren Rinde seifenartig sein, und auch von den Eingebornen statt der Seife benutzt werden soll. Die Loranthus-Arten sind sonst alle parasitisch, d. h. sie finden sich auf andern Gewächsen, namentlich auf Bäumen. Ob dieser 60 Fuß hohe Loranthus es ebenfalls ist, muß man bis auf nähere Nachrichten dahin gestellet sein lassen. Unmöglich wäre es nicht, da in Südamerika mehrere Bäume auf andern Bäumen wachsen. Unter diesen Gewächsen ist kein einziges, wovon wir nicht die Steinart angeben könnten, worauf es wächst, und die Höhe, bis zu welcher es sich über die Meeresfläche erhebt; sodaß für die Pflanzen-Geographie in unsern Manuskripten sehr genaue Materialien vorhanden sind. Oft, um so viel als möglich zu leisten, ist eine und dieselbe Pflanze von Bompland und von mir besonders beschrieben worden. Sonst aber verdanke ich zwei Drittel meiner Beschreibungen, und drüber, einzig meinem Reisegefährten, dessen Eifer und gänzliche Aufopferung für die Fortschritte der Wissenschaften man nicht genug bewundern kann. Die Jussieu, Desfontaines und Lamarck haben an ihm einen Zögling, der es sehr weit bringen wird. Wir verglichen unsere Herbarien mit den Sammlungen des Hrn Mutis, und zogen eine Menge Werke in der ungeheuren Bibliothek dieses großen Mannes zu Rathe. Zuverläßig besitzen wir viele neue Gattungen und Arten; aber es wird eine geraume Zeit und Arbeit dazu gehören, um das wirklich Neue zu sichten. Wir haben auch eine kieselige Substanz bei uns, dem Tabacher aus Ostindien ähnlich, welchen Hr Macie analysirt hat . Sie ist in den Knoten einer riesenförmigen Grasart anzutreffen, welche mit dem Bambus verwechselt wird, deren Blüthen aber von Schrebers Bambusa ganz abweichen. -- Ich weiß nicht ob Fourcroy die Milch der vegetabilen Kuh (ein auf diese Art von den Indianern genannter Baum) erhalten hat; eine Milch nehmlich, welche mit Salpetersäure behandelt, mir eine Art balsamisch riechenden Kautschuk geliefert hat; übrigens aber gar nicht ätzend oder schädlich ist, wie andere Arten von Pflanzenmilch, sondern nahrhaft und angenehm zu trinken. Wir haben sie auf dem Wege nach dem Orinoko, in einer Pflanzung, entdeckt, wo die Neger sie häufig genießen. Ich habe auch an den Bürger Fourcroy über Guadeloupe und an Sir Joseph Banks über Trinidad unser Dapiche oder ein weißes oxydirtes Kautschuk übermacht, welches die Wurzeln einer Baumart in den Wäldern von Pimichim, dem unzugänglichsten Winkel der Erde, gegen die Quellen des Rio Negro hin, ausschwitzen. Der Indische Tabascher, Tabasheer, Tabaxir, soll nach Versicherung der Herren Russell und Macie, im eigentlichen Bambusrohre gefunden werden, in Gestalt von Konkrezionen, welche einer kieseligen weißen harten Steinart, dem Cacholong, ähnlich sind. Aus dem Verhalten dieser Substanz gegen Säuren und Alkalien, zog man den Schluß, daß Kieselerde der Hauptbestand des T. sei. Indeß ist Macie's Analyse, nach meiner Ueberzeugung, noch nicht ganz befriedigend. Drs Russell Brief aus Ostindien steht in den Philosophical Transactions, vol. 80, p. 273; der Aufsatz des Hrn Macie in London, daselbst vol. 81, p. 368, und übersetzt in Hrn v. Crell Chemischen Annalen 1792, S. 342, 428, 513. Ich glaube, in irgend einer Französischen Zeitschrift von dem richtigen Eingang derselben etwas gelesen zu haben; kann mich aber nicht genau erinnern, wo diese Nachricht anzutreffen ist. Kautschuk ist der eigentliche Name des bekannten Elastischen Harzes. Von einer Bereitung desselben s. man 1795 Februar Nr 5. Ich gehe nicht nach den Philippinen; ich reise über Akapulko, Mexiko, und Havanah nach Europa. Hoffentlich umarme ich Sie im September oder Oktober 1803 zu Paris. Gruß und Hochachtung. Humboldt. Im Februar bin ich in Mexiko. Im Juni in Havanah. Denn ich denke auf nichts als auf die Erhaltung und Bekanntmachung meiner Manuskripte. Wie sehne ich mich nach Paris!!! Seitdem ist noch ein Brief hier eingelaufen, von viel späterem Datum, von einem näheren Orte auf dem Heimwege, und mit neuen Bestimmungen über die Zurückkunft nach Europa: also schon darum höchst interessant. Hier ist das allgemein Mittheilbare daraus. An Hrn Prof. Willdenow in Berlin. Mexiko, den 29 April 1803. Wenig Tage nach meiner Ankunft in dieser großen und schönen Hauptstadt Neuspaniens, erhielt ich Deinen lieben Brief vom 1 Oktober 1802. Die Freude darüber war um so größer, da, seitdem ich Europa verlassen habe, dies das erste- und einzigemal ist daß ich etwas von Dir lese, obgleich ich überzeugt bin daß Du mir oft geschrieben hast. Auch von meinem Bruder habe ich, seit meiner Abreise aus Corunna, höchstens 5 bis 6 Briefe innerhalb vier Jahre bekommen. Es scheint als wenn ein feindlicher Unstern, mehr in Absicht der Briefe, als der Schiffe, hier über uns waltet. Doch ich will nicht klagen, da mir nun bald die Freude bevorsteht, Euch alle wieder zu umarmen. -- -- Wir haben schon über zehn- oder zwölfmal große Sendungen frischer Sämereien von hier abgeschickt: an den Botanischen Garten in Madrid, wo Cavanilles, wie ich sehe, in den Anales de Historia natural bereits einige neue Spezies aus diesen Samen beschrieben hat; an den Garten in Paris; und, über Trinidad, an Sir Josef Banks in London. Allein, denke darum nicht, daß mein Reichthum erschöpft sei, oder daß ich Berlin vergessen werde. Ich besitze eine ausgezeichnete Sammlung, die ich zu Quito, zu Loxa, am Amazonenfluße bei Jaen, auf den Anden von Peru, und auf dem Wege von Akapulko nach Chilpensingo und Mexiko, zusammengebracht habe. Diesen Schatz will ich nicht dem Zufall der Posten, die unglaublich nachläßig sind, anvertrauen; sondern, da ich nun im Begrif stehe selbst nach Havanah und Europa abzureisen, Dir selber überbringen. Ich habe Alles höchst sorgfältig getrocknet. Was ich Dir bringe, sind viele Samen von Melastoma, Psychotria, Kassia, Bignonia, Mimosa (ohne Zahl!), Solanum, Jacquinia, Embothrium, Ruellia, Gyrokarpus Jacq., Bornadesia, Achras, Lukuma, Bugainvillea, Lobelia, und ein halbes Hundert Pakete unbekannter Arten aus den Andes, aus dem Amazonenlande, u. s. w.... Ferner werden meine Freunde in Amerika immer bereit sein, Dir auf mein Ersuchen recht häufig ganz frische Samen zu schicken. Ich nenne Dir itzt nur gleich als die thätigsten Männer: Tafalla zu Guayaquil; Olivedo zu Loxa; Matis, der erste Pflanzenmaler in der Welt und ein treflicher Botaniker, zu Santa Fe, ein Schüler von Mutis; imgleichen einige Kapuziner in Neuandalusien und Guayana. Auch ist ein vortreflicher und eifriger Naturforscher Hr Caldas zu Popayan. Es freut mich sehr, daß meine Pflanzen durch Hrn Fraser endlich bei Dir angekommen sind. Du wirst aus meinen älteren Briefen wissen, daß, nachdem wir ein halbes Jahr in den Volkanen zu Quito zugebracht, und fast die Spitze des Tschimborasso erstiegen haben, wir zu Kuenka und Loxa gewesen sind, um dort die Cinchona-Arten zu studieren. Von Loxa gingen wir, über fürchterliche Wege, nach der Provinz Jaen de Bracamoros, und nach dem Amazonenfluß; von da, über die Kordillere, durch die großen Bergwerke von Chota, nach Truxillo, und längs der Küste des Südmeers nach Lima: wo ich den Durchgang des Merkurs beobachtet habe. Von Lima machten wir die Reise nach Guayaquil zur See, blieben dort einen Monat, und schiften nach Akapulko, auf welcher letzten Fahrt wir 35 Tage zubrachten, und einen grausamen Sturm dem Golf von Nicoya gegenüber auszustehn hatten. Daß ich seit lange die Reise nach den Philippinen aufgegeben habe, weißt Du. Ich würde einen ungeheuren Seeweg machen, bloß um eine einzige Inselgruppe zu sehn. Auch erlaubt der gegenwärtige Zustand meiner Instrumente mir nicht die Reise zu verlängern, die schon vier Jahre dauert; und es ist mir unmöglich gewesen, mir neue Instrumente aus England zu verschaffen. Man ist hier fast ganz abgeschnitten von der übrigen Welt, wie im Monde. Ich wünschte gegen Ende dieses Jahres in Europa zu sein. Allein, das schwarze Erbrechen, welches schon zu Vera Cruz und in Havanah herrscht, und die Furcht vor der üblen Schiffahrt im Oktober, müssen mich zurückhalten. Ich will nicht mit einer Tragödie endigen. Weil ich nun aber den sicherern Weg wähle, so werde ich wahrscheinlich erst im April oder Mai 1804 in Europa anlangen. Ich weiß nicht, ob ich heute Zeit haben werde meinem Bruder zu schreiben. Sei so gut, ihm diesen Brief mitzutheilen, und ihm zu sagen daß ich vollkommen gesund bin, und daß mir nichts fehlt, als seine Briefe. -- (Eine Beilage dieses Schreibens war die, vom Mai 1803 datirte, und in das Intelligenzblatt der Allgemeinen Literaturzeitung zu befördernde, Erklärung des Hrn von Humboldt über den Kohlensäure-Messer, gegen eine höchst sonderbare Nachricht die daselbst in Nr 93 vom J. 1800 gestanden hatte. Dies letzte Blatt fand unser Reisender bei Hrn Don Fausto d'Elhuyar in Mexiko. Es muß in der That erfreuen, daß diese Deutsche Zeitschrift auch in dem entfernten Welttheile gelesen wird. Zugleich ersieht man aus dieser kleinen Angabe, wie richtig Hr Geheimerath Karsten vermuthete (1802 Junius, S. 461), als Hr von Humboldt den unglücklichen Tod eines Bergdirektors d'Elhuyar ohne weitere Bezeichnung gemeldet hatte, daß dies der ältere Bruder Don Josef sein müsse, nicht der jüngere Don Fausto.)