Briefe des Herrn Oberbergraths von Humboldt. Den juͤngſten Brief unſers beruͤhmten Landsmannes Alexander von Humboldt , aus Lima d. 25 November 1802 an ſeinen Herrn Bruder gerichtet, hat das Publikum im Julius- und Auguſtheft dieſer Monatſchrift geleſen. An demſelben Tage hat aber Hr von H. auch nach Paris an Hrn Delambre, einen der beſtaͤndigen Sekretaͤre des Nazional-Inſtituts der Wiſſenſchaften, geſchrieben. Dies Schreiben iſt in dem juͤngſten Heft der — hier zu wenig bekannten — Annales du Muséum national d’Histoire naturelle (S. 170 folgg.) abgedruckt. Es beruͤhrt viele Gegenſtaͤnde, von welchen in dem zuerſt erwaͤhnten Schreiben durchaus nichts vorkoͤmmt. Es liefert die anſchaulichſten Beweiſe nicht allein von der beharrlichen raſtloſen Thaͤtigkeit des Hrn von H., ſondern auch von der uͤberaus großen Mannichfaltigkeit der Objekte, welche dieſer Reiſende ſeiner Pruͤfung hat unterwerfen koͤnnen; und dient dabei zur vollen Ueberzeugung, wie wenig es die Schuld des Hrn von H. war, daß ſeine beabſichtigte Vereinigung mit der Expedizion des Kapitaͤns Baudin unterblieb. In dieſer Hinſicht habe ich, dem Wunſche des Hrn Herausgebers dieſer Monatſchrift zufolge, fuͤr ihre Leſer eine Ueberſetzung des Briefes entworfen, und durch einige Anmerkungen zur allgemeinern Verſtaͤndlichkeit deſſelben beizutragen geſucht. Dieſe Anmerkungen des Hrn G. O. B. Raths Karſten ſind mit den Buchſtaben des lateiniſchen Alphabets bezeichnet, zur Unterſcheidung der paar kleinen von mir hinzugefuͤgten. Ich habe dieſe nicht mit Nachweiſungen auf den angefuͤhrten letzten Brief, Julius Nr 5 und Auguſt Nr 1, und die dort befindlichen Anmerkungen, vermehren wollen, weil dieſe Hefte noch wohl den Leſern im Gedaͤchtniß oder nahe zur Hand ſind. B. Berlin, d. 23 Auguſt 1803. Karſten. An Hrn Delambre in Paris. Lima, d. 25 November 1802. Ich komme aus dem Innern des Landes, mein verehrungswerther Freund, wo ich auf einer großen Ebene Verſuche uͤber die kleinen ſtuͤndlichen Abweichungen der Magnetnadel angeſtellt habe, und hoͤre leider daß die Fregatte Astigarraga, welche erſt in 14 Tagen von hier gehen wollte, ihre Abfahrt ſo beſchleunigt, daß ſie ſchon in dieſer Nacht unter Segel zu gehn gedenkt. Dies iſt die erſte Gelegenheit welche wir, in dem einſamen Suͤdmeer, ſeit fuͤnf Monaten nach Europa haben; aber Mangel an Zeit macht es mir unmoͤglich, an das Nazional-Inſtitut, meiner Pflicht gemaͤß, zu ſchreiben, da ich von Demſelben mit den ruͤhrendſten Beweiſen ſeines Antheils und ſeines Wohlwollens beehrt worden bin. Wenige Tage vor meiner Abreiſe von Quito nach Jaen und dem Amazonenfluſſe, empfing ich das Schreiben vom 2 Pluvioſe des J. 9, welches dieſe beruͤhmte Sozietaͤt, durch Ihre Feder, an mich erlaſſen hat. Dieſer Brief iſt zwei Jahre unterwegs geweſen, eh er mich in den Kordilleren angetroffen hat. Ich erhielt ihn am Tage nach meiner Zuruͤckkunft von einer zweiten Expedizion, die ich nach dem Pichincha gemacht hatte, um ein Voltaiſches Elektrometer dort mit hinzunehmen, und den Krater dieſes Berges zu meſſen, deſſen Diameter ich 752 Toiſen fand, und folglich mehr denn doppelt ſo groß als den nur 312 Toiſen weiten Krater des Vesuvs . Hiebei fiel mir ein, daß La Condamine und Bouguer auf dem Gipfel des Guagua- Pichincha, wo ich oft geweſen bin, und den ich als klaſſiſchen Boden liebe, ihren erſten Brief von der vormaligen Akademie erhielten; daher ich mir vorſtelle daß den Phyſikern — si magna licet componere parvis — ein gluͤcklicher Stern auf dem Pichincha ſtralt. Wie ſoll ich Ihnen die Freude ausdruͤcken, mit welcher ich dies Schreiben des N. I. und die wiederholten Verſicherungen Ihres Andenkens geleſen habe? Wie ſuͤß iſt das Bewußtſein, daß man denen im Gedaͤchtniß ſchwebt, deren Arbeiten unaufhoͤrlich die Fortſchritte des menſchlichen Geiſtes beſchleunigen! In den wuͤſten Ebenen des Apure , in den dicken Waͤldern des Kaſiguiara und Orinoko : uͤberall ſind Ihre Namen mir gegenwaͤrtig geweſen; und wenn ich die verſchiedenen Epochen meines unſtaͤten Lebens durchlief, ſo weilte ich genußvoll bei dem Jahre 6 und 7, wo ich mitten unter Ihnen lebte, wo die Laplace, Fourcroy, Vauquelin, Guyton, Chaptal, Juſſieu, Desfontaines, Hallé, Lalande, Prony, und vorzuͤglich Sie, mein edler und gefuͤhlvoller Freund, mich in den Ebenen von Lieurſaint mit Guͤte uͤberhaͤuften. Empfangen Sie insgeſammt die Verſicherung meiner innigen Anhaͤnglichkeit, und meiner fortdaurenden Erkenntlichkeit. Die Magnetnadel dreht ſich bekanntlich, frei und wagerecht aufgehaͤngt, von ſelbſt ſo, daß ihre eine Spitze nach Mitternacht, die andere entgegengeſetzte nach Mittag zeigt. Dies geſchieht aber nicht ganz genau, ſondern mit einiger Abweichung nach Morgen und Abend, in den mehreſten Laͤndern. Nur vom Weißen Meere an, geht durch (Aſien) das ſuͤdliche Sina und die Philippinen eine Linie wo die Magnetnadel genau den Nord- und Suͤdpunkt angiebt. Indeß hat man anderwaͤrts gefunden, daß die Abweichung nicht nur auf den verſchiednen Punkten der Erde verſchieden, ſondern daß ſie auch ſelbſt an einerlei Beobachtungsorte zu verſchiedenen Zeiten, und oft ſogar ſtuͤndlich, veraͤnderlich iſt. Fuͤr die Seefahrer iſt es ſehr wichtig, das Geſetz der Abweichung genau zu erforſchen; und deshalb ſind in Paris ſchon ſeit dem J. 1550 Beobachtungen daruͤber angeſtellt. „Wenn ich mich mit jenen großen Maͤnnern vergleichen darf“: iſt hier der Sinn dieſes zum Sprichwort gewordenen Virgiliſchen Halbverſes. Auf dieſem kleinen Fluſſe ſchifte Hr von H. ſich zur Expedizion nach dem Orinoko ein. Man ſ. 1802 Junius S. 441. Aus der Anmerkung des aͤlteren Hrn von Humboldt (S. 454 am ang. Ort dieſer Monatſchr.) wird man ſich erinnern, daß der Kaſiguiara den Orinoko mit dem Schwarzen Fluß (Rio negro) verbindet, und letzterer in den Amazonenfluß faͤllt. Dieſe bedeutende, und neuerlich beſtrittene, Waſſerkommunikazion iſt auf der 1785 bei Zatta in Venedig verlegten Karte von Tierra Firme ſehr anſchaulich zu ſehen. Dies iſt der Namen eines in der Naͤhe von Paris, auf dem Wege nach Melun, liegenden Dorfes, wo Hr Delambre wahrſcheinlich einen Sommerwohnſitz hatte. Lange vor Ankunft Ihres erwaͤhnten Schreibens, habe ich nach und nach drei Briefe an die phyſikaliſche und mathematiſche Klaſſe des Inſtituts abgeſendet. Zwei davon ſchrieb ich zu Santa-Fé de Bogota, und fuͤgte eine Arbeit uͤber die Cinchona bei: nehmlich Proben der Rinde von 7 Arten, illuminirte Zeichnungen von dieſen Pflanzen, und Zergliederungen ihrer in der Laͤnge der Staubfaͤden ſo abweichenden Bluͤthen, auch ſorgfaͤltig aufgetrocknete Exemplare. Doktor Mutis, welcher mir tauſend Freundſchaftsdienſte erzeigt hat, und dem zu Liebe ich 40 Tage lang den Fluß hinauf gefahren bin, hat mir an hundert praͤchtige Zeichnungen in Folio, von neuen Gattungen und Arten, aus ſeiner ungedruckten Flora von Bogota zum Geſchenk gemacht. Ich glaubte, dieſe fuͤr die Botanik eben ſo intereſſante, als in Anſehung der Schoͤnheit der Farben merkwuͤrdige Sammlung koͤnne in keinen beſſeren, als in den Haͤnden eines Juſſieu, Lamark und Desfontaines ſein; daher ich ſie dem Nazionalinſtitut als ein geringes Merkmaal meiner Ergebenheit uͤberſandt habe. Sie iſt mit den Cinchona-Arten gegen den Juni dieſes Jahres nach Kartagena (de las Indias) abgegangen, und Dr Mutis ſelbſt hat die Befoͤrderung nach Paris beſorgt. Ein dritter an das Inſtitut gerichteter Brief iſt, von Quito aus, mit einer geologiſchen Sammlung der Steinarten vom Pichincha Kotopaxi und Tſchimboraſſo abgeſchickt worden. Wie betruͤbt iſt es, daß wir uͤber die Ankunft dieſer Sendungen in einer eben ſo traurigen Ungewißheit bleiben als uͤber die Sammlungen von ſeltenen Saͤmereien, welche wir vor 3 Jahren dem Jardin des Plantes in Paris uͤbermacht haben. Saͤmmtliche Arten dieſer Pflanzengattung liefern die allgemein bekannte Fieber-Rinde. Den Magdalenenfluß, welcher oberhalb Santa Fé entſpringt, und ſich in den Mexikaniſchen Meerbuſen ergießt. Vielleicht iſt hier, ſchon wegen des Namens Doktor, und der Erwaͤhnung der vortreflichen Malerei, der juͤngere Matis, nicht der ehrwuͤrdige Greis Mutis, gemeint. Das Original hat mehr unrichtige Lesarten, wie bei Franzoſen in auslaͤndiſchen Namen gewoͤhnlich iſt. Von dem Botaniker Matis redet Hr von H. auch in ſeinem zweiten ſpaͤteren Briefe, der hinten folgt. Ich moͤgte dieſen Ausdruck hier lieber wie ein nomen proprium ſtehen laſſen, als ihn durch Botaniſchen Garten uͤberſetzen; weil ſich in demſelben das ganze große Inſtitut fuͤr alle Reiche der Naturgeſchichte befindet. Urſpruͤnglich war es bloß dem Pflanzenſtudium gewidmet. Die wenige Muße welche mir heut uͤbrig bleibt, geſtattet mir nicht Ihnen eine Schilderung meiner Reiſen und Beſchaͤftigungen, ſeit wir den Schwarzen Fluß verlaſſen haben, zu entwerfen. Sie wiſſen, daß wir auf Havanah die falſche Nachricht der Abfahrt des Kapitaͤns Baudin nach Buenos Ayres erhielten. Ich habe des geleiſteten Verſprechens, mich mit ihm wo ich nur koͤnnte zu vereinigen, eingedenk, und in der Ueberzeugung, daß es nuͤtzlicher fuͤr die Wiſſenſchaften ſein wuͤrde, wenn ich den Arbeiten der Naturkundigen, welche im Gefolge des Kap. Baudin reiſen, die meinigen zugeſellte, keinen Augenblick angeſtanden: ich gab den kleinen Ruhm auf, eine eigene Expedizion zu beendigen, und miethete ſogleich ein Fahrzeug zu Bataban um nach Kartagena zu ſegeln. Dieſe kurze Fahrt ward durch Stuͤrme uͤber einen Monat verlaͤngert; in der Suͤdſee, wo ich den Kap. Baudin zu finden rechnen konnte, war die Zeit der beſtimmten Winde (brises) vorbei, und ich unternahm die muͤhſelige Reiſe uͤber Honda, Ibagua, das Gebirge Quindin , Popayan, und Paſtos, nach Quito. Meine Geſundheit widerſtand fortdaurend auf bewundernswuͤrdige Weiſe dem Wechſel der Temperatur, welchem man auf dieſem Wege ausgeſetzt iſt, da man taͤglich von Schneefeldern die 2460 Toiſen uͤber das Meer erhaben ſind, in brennende Thaͤler hinabſteigt, wo das Reaumurſche Thermometer nicht unter 26 oder 24 Grade faͤllt. Mein Reiſegefaͤhrte Bompland, durch deſſen Kenntniſſe, Unerſchrockenheit, und außerordentliche Thaͤtigkeit, mir in den Unterſuchungen der Botanik und der vergleichenden Anatomie die groͤßte Huͤlfe zu Theil geworden iſt, hat zwei Monate lang am dreitaͤgigen Fieber gelitten. Die Regenzeit uͤberfiel uns an einer ſehr kritiſchen Stelle, auf dem Plateau von Paſtos; und nach einer achtmonatlichen Reiſe, erfuhren wir bei der Ankunft in Quito, daß Kapitaͤn Baudin ſeinen Weg von Weſten nach Oſten uͤber das Vorgebirge der guten Hofnung genommen habe. An Unfaͤlle gewoͤhnt, fanden wir Troſt in dem Gedanken, daß wir, um des Guten willen, ſo große Aufopferungen gemacht hatten. Sahen wir auf unſre Herbarien, unſere barometriſchen und geodetiſchen Meſſungen, auf unſre Zeichnungen, und die mit der Luft der Kordilleren angeſtellten Verſuche; ſo brauchten wir es nicht zu bedauren, daß wir einen Erdſtrich durchwandert hatten, welcher groͤßtentheils zuvor nie von Naturkuͤndigern betreten ward. Wir fuͤhlten, daß der Menſch nur auf das rechnen darf, was er durch ſeine eigene Energie bewirkt. Er hatte bekanntlich Hrn von H. zu Akapulko an der Suͤdſeekuͤſte aufnehmen wollen. Wir laſen dieſen Namen in den hieher gekommenen Briefen Quiridiu. ri und u kann leicht mit n verwechſelt werden. Die Provinz Quito, die hoͤchſte Gebirgsebene unſers Erdballs, welche durch die große Kataſtrophe vom 4 Februar 1797 zerwuͤhlt worden iſt, bot uns ein weites Feld zu phyſiſchen Beobachtungen dar. Dort haben die ungeheuren Volkane, deren Flammen oft 500 Toiſen hoch emporlodern, nie einen Tropfen fließender Lava hervorzubringen vermogt; Waſſer, geſchwefeltes Waſſerſtofgas, Schlamm, und kohlenſaure Thonerde , ſpeien ſie aus. Seit 1797 iſt dieſer ganze Welttheil in Bewegung: alle Augenblicke erleiden wir fuͤrchterliche Erſchuͤtterungen; und das unterirdiſche Getoͤſe in den Ebenen von Riobamba iſt als wenn ein Berg unter unſern Fuͤßen einſtuͤrzte. Die atmoſphaͤriſche Luft, und die mit Feuchtigkeit angeſchwaͤngerten Erdarten (alle dieſe Volkane befinden ſich in einem verwitterten Porphyr), ſcheinen die großen Werkzeuge dieſer Verbrennungen und unterirdiſchen Gaͤhrungen zu ſein. Von dieſer zuletzt erwaͤhnten Miſchung hat noch kein Beobachter brennender Volkane etwas angefuͤhrt. Bis itzt glaubte man zu Quito, daß der Menſch nicht weiter als bis zu einer Hoͤhe von 2470 Toiſen in der verduͤnnten Luft ausdauren koͤnne. Im Maͤrz 1802 brachten wir einige Tage in den großen Ebenen zu, welche den Volkan Antiſana 2107 Toiſen hoch umgeben, wo die Stiere, wenn man ſie jagt, haͤufig Blut auswerfen. Den 16 Maͤrz entdeckten wir einen Weg uͤber den Schnee: eine ſanfte Berglehne, auf welcher wir bis zu einer Hoͤhe von 2773 Toiſen hinanſtiegen. Hier enthielt die Luft [Formel] Kohlenſtofſaͤure, [Formel] Sauerſtof, und [Formel] Stickſtof. Das Reaumuͤrſche Thermometer ſtand auf 15 Grad; es war im mindeſten nicht kalt, aber das Blut drang uns aus den Augen und Lippen. Das Lokal erlaubte nirgend anders mit der Bordaiſchen Bouſſole zu experimentiren, als in einer tiefer liegenden Grotte, 2467 Toiſen uͤber dem Meer. Die magnetiſche Kraft ſtand hier in dem Verhaͤltniß von 230 zu 218 gegen die zu Quito bemerkte Intenſitaͤt, war alſo weit ſtaͤrker; indeß darf man nicht vergeſſen, daß oft die Anzahl der Schwingungen (oscillations) zunimmt, wenn die Neigung (inclinaiſon) abnimmt, und daß die Intenſitaͤt durch ſolche Gebirgsmaſſen verſtaͤrkt wird, wo der Porphyr auf den Magnet wirkt. Eine ſtaͤhlerne zweiarmige genau gearbeitete Nadel wird, wenn ſie im Mittelpunkte durchbohrt und daſelbſt mittelſt einer Axe oder eines Zapfens aufgehaͤngt iſt, eine voͤllig wagerechte Stellung annehmen, ſobald ſie in Ruhe koͤmmt. Iſt ſie aber nachher gleichfoͤrmig magnetiſirt, ſo verliert ſie ſcheinbar ihr Gleichgewicht: die eine Spitze erhebt ſich eben ſo viel uͤber die Horizontalflaͤche, als ſich die entgegengeſetzte darunter ſenkt. Dies nennt man die Neigung der Magnetnadel. Sie wird nach Graden an einem Vertikalkreiſe, auf Borda’s Inſtrument, beſtimmt, und betraͤgt in der ſuͤdlichen Breite unweit des Aequators zwiſchen 20 und 30, in unſerer Gegend aber uͤber 70 Grade. Je unruhiger die Nadel iſt, deſto haͤufiger ſind die Schwingungen um ihre Axe in gleicher Zeit, deſto ſtaͤrker alſo die Intenſitaͤt der magnetiſchen Kraft, welche ſie belebt. Bei der Beſteigung des Tſchimboraſſo, die wir den 23 Juni 1802 unternahmen, ergab ſich, daß mit ein wenig Geduld man eine noch groͤßere Verduͤnnung der Luft ertragen kann. Wir kamen 500 Toiſen hoͤher als Condamine, der am Corazon war; und trugen die Inſtrumente zum Tſchimboraſſo 3031 Toiſen hoch hinauf, wo das Barometer 13 Zoll 11 Linien und das Thermometer 1 [Formel] Grad unter 0 zeigte. Die Lippen bluteten uns wiederum. Unſere Indianer verließen uns, wie gewoͤhnlich. Der Buͤrger Bompland und Hr Montufar, ein Sohn des Markis de Selvalegre in Quito, blieben allein bei mir. Wir fuͤhlten alle ein Mißbehagen, eine Schwaͤche, eine Neigung zum Erbrechen: welches ſicher eben ſowohl dem Mangel an Sauerſtof in dieſer Region, als der Verduͤnnung der Luft zugeſchrieben werden muß. Letztere enthielt, auf dieſer ungeheuren Hoͤhe, nicht mehr als [Formel] Sauerſtof (Gas). Eine graͤßliche Spalte verhinderte uns den Gipfel des Tſchimboraſſo ſelbſt, der nur 236 Toiſen uͤber uns war, zu erklimmen. Sie wiſſen welche bedeutende Ungewißheit noch uͤber die Hoͤhe dieſes Koloſſen herrſcht. Condamine, welcher ihn nur von einem ſehr entfernten Standpunkte aus maß, giebt dieſe Hoͤhe auf 3220 Toiſen an; Don George Juan hingegen beſtimmt ſie zu 3380 Toiſen: obwohl dieſer Unterſchied von der verſchiedenen Hoͤhe nicht hergeleitet werden kann, welche die erwaͤhnten Aſtronomen, in Anſehung des Signals am Carabura, annehmen. Ich habe in der Ebene von Tapia eine Grundlinie (baſe) von 1702 Metern gemeſſen (Vergeben Sie daß ich bald von Toiſen bald von Metern ſpreche, je nachdem meine Inſtrumente ſie angeben. Sobald ich dieſe Beobachtungen oͤffentlich bekannt mache, wird Alles auf das Meter und den in hundert Grade abgetheilten Waͤrmemeſſer reduzirt werden). Zwei geodetiſche Operazionen gaben mir die Hoͤhe des Tſchimboraſſo uͤber die Meeresflaͤche 3267 Toiſen; die Berechnung bedarf aber noch einer Berichtigung wegen des Abſtandes des Sextanten vom kuͤnſtlichen Horizont , und wegen anderer Nebenumſtaͤnde. Seit Condamine’s Zeiten iſt der Volkan Tunguragua um vieles niedriger geworden; ſtatt 2620 Toiſen finde ich ihn nur 2531 Toiſen hoch, und ich darf glauben, daß dieſe Differenz nicht von einem Fehler bei meiner Operazion herruͤhrt, weil die Reſultate meiner Meſſungen des Kayamba, Antiſana, Kotopaxi, und Iliniza, mit den Angaben von la Condamine und Bouguer bis auf 10 oder 15 Toiſen uͤbereinſtimmen. Auch behaupten die Bewohner dieſer ungluͤcklichen Gegenden, daß der Tunguragua ſichtbar niedriger geworden ſei. Den Kotopaxi hingegen, welcher ſo heftige Exploſionen erlitten hat, finde ich noch eben ſo hoch als er 1744 geweſen iſt, oder vielmehr — durch einen vermuthlich von mir begangnen Fehler — noch etwas hoͤher. Der ſteinige Gipfel des Kotopaxi zeigt aber auch, daß es ein Schorſtein iſt, der Widerſtand zu leiſten und ſeine Geſtalt zu erhalten vermag. Herz. Auszuſprechen: Koraßon. Der eben erwaͤhnte Corazon reicht nur 2500 Toiſen uͤber die Meeresflaͤche. Sonſt nimmt man, als eine Durchſchnittszahl, in der Atmoſphaͤre [Formel] Sauerſtofgas (Lebensluft) und [Formel] Stickſtofgas (Stickluft) an. In runden Zahlen, betraͤgt ein Meter 4 Pariſer Fuß; ſchaͤrfer, 3 Fuß 11 [Formel] Linie. Die Toiſe hat bekanntlich 6 Pariſer Fuß. Der Sextant wird bei der Beobachtung uͤber den kuͤnſtlich geſtellten Horizont gehalten. Je groͤßer der Abſtand iſt, deſto groͤßer werden die Fehler welche beim Viſiren etwa begangen worden ſind; daher die Korrekzion noͤthig wird. Unſere vom Jaͤnner bis Julius in den Anden von Quito angeſtellten Beobachtungen haben den Einwohnern die traurige Neuigkeit hinterbracht, daß der Krater des Pichincha, welchen Condamine voll Schnee ſah, von neuem brennt; und daß der Tſchimboraſſo, den man ſo ruhig und unſchuldig waͤhnte, zu den feuerſpeienden Bergen gehoͤrt hat, und ſich vielleicht in Zukunft wieder entzuͤnden wird. Wir haben in der Hoͤhe von 3031 Toiſen gebrannte Felsſtuͤcke und Bimſtein gefunden. Wehe dem menſchlichen Geſchlecht, wenn dies unterirdiſche Feuer (denn man kann die ganze Gebirgsflaͤche von Quito als einen einzigen Volkan mit mehrern Gipfeln betrachten) ſich einſt durch den Tſchimboraſſo einen Ausgang verſchaffen ſollte! Man lieſet in vielen Buͤchern: dieſer Berg beſtehe aus Granit; aber davon giebt es dort nicht ein Atom. Es iſt Porphyr, hie und da ſaͤulenfoͤrmig, und mit eingemengtem glaſigen Feldſpath, Hornblende, wie auch Olivin verſehen. Dies Porphyrlager iſt 1900 Toiſen dick. Ich koͤnnte Ihnen bei dieſer Gelegenheit von einem polariſirenden Porphyr ſprechen, den wir bei Voiſako unweit Paſto entdeckt haben; welcher, wie der von mir im Journal de Physique beſchriebene Serpentinſtein , Pole, ohne Attrakzion, hat. Ich koͤnnte Ihnen andere Thatſachen anfuͤhren, welche das große Geſetz des Parallelismus der Felsſchichten und ihre ungeheure Dicke am Aequator betreffen; allein es uͤberſteigt die Graͤnze eines Briefes, der noch dazu vielleicht verloren geht. Ein andermal werde ich wieder darauf zuruͤckkommen. Nur ſoviel will ich noch hinzufuͤgen, daß wir außer den Elephantenzaͤhnen, welche wir dem Buͤrger Cuvier vom Plateau Santa Fé her (1350 Toiſen hoch) zugeſchickt haben, noch ſchoͤnere fuͤr ihn aufbewahren. Einige ſind vom fleiſchfreſſenden Elephanten, andere gehoͤren zu einer Thier-Art die von dem Afrikaniſchen Elephanten nur wenig abweicht. Die Exemplare ſtammen aus dem Thale Timana, von der Stadt Ibarra, und aus Chili her. Hier iſt alſo der Beweis von der Verbreitung dieſes fleiſchfreſſenden Ungeheuers, von dem Ohio oder dem 50 Grad Nordlicher Breite bis zum 35ſten Grade Suͤdl. Breite. Hieruͤber giebt die zweite Anmerkung S. 67 des Juliusſtuͤcks dieſes Jahres der Monatſchr. Auskunft. Der Afrikaniſche Elephant unterſcheidet ſich auffallend von dem Aſiatiſchen (bekannteren) durch die rautenfoͤrmigen Leiſten an den Zaͤhnen. Bei dem Aſiatiſchen ſind dieſe wellenfoͤrmig gebogen. Der ſogenannte fleiſchfreſſende Elephant iſt das Thier, deſſen ungeheure Skelette oder einzelne Knochen man noch in den Kalkhoͤhlen, als Ueberbleibſel einer Vorwelt antrift, deren Thierarten wenigſtens zum Theil nicht mehr exiſtiren. (Man ſ. 1801 Julius Nr 1.) Beide obenerwaͤhnte wahre Elephantenarten, in Aſien und Afrika, naͤhren ſich im wilden Zuſtande von Vegetabilien. In Quito habe ich meine Zeit ſehr angenehm verlebt. Der Praͤſident der Regierung, Baron von Corondelet, hat uns mit Guͤte uͤberhaͤuft; und ſeit 3 Jahren habe ich nicht ein einziges mal Urſache gehabt, mich uͤber die Beamten der Spaniſchen Regierung zu beklagen: vielmehr bin ich uͤberall mit einer Feinheit und Auszeichnung behandelt worden, welche mich fuͤr immer zur Erkenntlichkeit verpflichtet. Wie Zeiten und Sitten ſich geaͤndert haben! — Ich habe mich viel mit den Pyramiden und ihren Fundamenten beſchaͤftiget; hievon ſind, meiner Meinung nach, wenigſtens die Muͤhlſteine noch nicht von der Stelle geruͤckt . Ein edelmuͤthiger Privatmann, ein Freund der Wiſſenſchaften, und der Maͤnner welche ſie in Ehren brachten, wie la Condamine, Godin und Bouguer, der Markis von Selvalegre in Quito hat vor, dieſe Pyramiden wieder aufzubauen. Allein die Sache wuͤrde mich itzt zu weit fuͤhren. Zum Andenken der in Peru ſeit dem J. 1737 auf Befehl des Koͤnigs Ludwig XIV von Frankreich angefangenen Gradmeſſung, vorzuͤglich aber zur Feſtſtellung der Endpunkte der Grundlinie, welche in der Ebene Yaruqui gemeſſen worden, ließ Hr de la Condamine in den J. 1740 bis 1742 zwei Pyramiden mit Ueberwindung unſaͤglicher Schwierigkeiten errichten, und zwei Muͤhlſteine in die Baſis derſelben ſo einſenken, daß die beiden Meßſtangen, welche die aͤußerſten Endpunkte der Grundlinie abgegeben hatten, in die leeren Zentralraͤume jener Steine zu ſtehen kamen. Dies war mit Genehmigung der Regierung in Lima geſchehen. In der Folge erhob aber einer der Spaniſchen Gelehrten, welche der Expedizion beigeſellt waren, Don George Juan, daruͤber Klage. Es ward ſogar zwiſchen beiden Regierungen daruͤber korreſpondirt; und ungeachtet aller von der Akademie der Wiſſenſch. zu Paris angefuͤhrten triftigen Gruͤnde, dies nuͤtzliche Denkmaal im J. 1747 auf Befehl des Spaniſchen Hofes vernichtet. Kurz darauf, aber zu ſpaͤt, ward der Befehl wiederrufen; allein la Condamine verſichert, daß die bald nachher beabſichtigte Wiederherſtellung fruchtlos ſein wuͤrde, weil die Muͤhlſteine, eines mit eingeſenkten ſilbernen Taͤfelchens wegen, gewiß aus Gewinnſucht wuͤrden aus der Stelle geruͤckt, alſo die wahren Graͤnzen der Meſſung unzuverlaͤſſig geworden ſein. Nachdem wir Aſſuay und Kuenka beruͤhrt hatten (wo man uns Stiergefechte gab), nahmen wir den Weg nach Loxa, um unſere Arbeiten uͤber die Cinchona zu ergaͤnzen. Hienaͤchſt brachten wir einen Monat in der Provinz Jaen de Bracamoros und zu Pongos am Amazonenfluſſe zu, deſſen Ufer mit der Andira und mit Juſſieu’s Bugainvillea geſchmuͤckt ſind. Es duͤnkte mich intereſſant, die Laͤnge von Tomependa und Chuchungat zu beſtimmen, wo la Condamine’s Karte anfaͤngt, und dieſe Punkte mit der Kuͤſte in Verbindung zu bringen. La Condamine konnte nur die Laͤnge des Ausfluſſes vom Napo beſtimmen; allein die Laͤngen-Uhren exiſtirten damal noch nicht, weshalb die Laͤngen-Angaben dieſer Gegenden ſehr vieler Veraͤnderungen beduͤrfen. Mein Chronometer von Louis Berthoud thut Wunder, welches ich gewahr werde wenn ich mich von Zeit zu Zeit durch den erſten (Jupiters) Trabanten orientire, und Punkt vor Punkt meine Differenzen des Meridians mit denen vergleiche, welche ſich bei der Expedizion des Hrn Fidalgo ergeben haben, der auf Befehl des Koͤnigs (von Spanien) trigonometriſche Meſſungen von Kumana bis nach Kartagena angeſtellt hat. Das Hauptprodukt dieſer Pflanze (man ſ. vorher die Anmerkung e) nennen die Spanier Caſcarilla (Rinde) ſchlechtweg, oder Caſc. de Loja oder Loxa von dieſer Provinz. Den Indianiſchen Namen ſchreiben ſie Quina oder Quina Quina, ſprechen ihn alſo Kina aus, wie ſie ihn auch ſelbſt im Lateiniſchen ſchreiben. Der Baum ſoll uͤbrigens Quarango heißen, doch iſt die von ſeiner Rinde hergenommene Benennung gewoͤhnlicher. Eine von Lamarck beſtimmte, im Linné nicht vorkommende, Pflanzengattung. Eine ſehr huͤbſche zur achten Linnéiſchen Klaſſe gehoͤrige Pflanze. Nehmlich in den Amazonenfluß, in welchen der Napo ſich, nach der Condaminiſchen Karte, oberhalb Pevas ergießt. Wenn Jemand geraden Weges von einem bekannten Orte auf der Erde gegen Morgen reiſet, und ſeine Uhr zeigt an dem andern Orte wo er hingekommen, erſt 12 Uhr Mittags, die daſige Uhr aber 2 Uhr Nachmittags: ſo laͤßt ſich hieraus, unter der Vorausſetzung daß beide Uhren richtig gehn, berechnen, daß der Reiſende einen Weg von 450 geographiſchen Meilen zuruͤck gelegt hat. Gewoͤhnlicher druͤckt man dieſe Entfernung in Graden des Aequators (15 geogr. Meilen auf einen Grad gerechnet) aus; und wenn man die Entfernung von dem Punkte an berechnet, wo der angenommene erſte Meridian den Aequator durchſchneidet, d. i. wo auf unſeren Globen 0 ſteht: ſo hat man die Laͤnge eines Ortes gefunden. Unſere Taſchenuhren ſind zu dergleichen Beobachtungen aber zu fehlerhaft; deshalb ſetzten die Englaͤnder wie auch die Franzoſen, um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, Preiſe auf die Erfindung eines vollkomnern hiezu dienlichen Inſtrumentes aus. Harriſon uͤberreichte dem Engl. Parlament im J. 1762 die erſte Laͤngenuhr, und empfing dafuͤr den dritten Theil des Preiſes mit 10000 Pfund Sterling. Spaͤterhin ſind ſie ſehr verbeſſert worden, auch unter der Form von Taſchenuhren verfertigt, welche Chronometer (Zeitmeſſer) genannt werden. Auf Schiffen bedient man ſich aber der groͤßeren Uhren dieſer Art, welche auf Tiſchen befeſtigt werden muͤſſen. Die Franzoſen nennen ſie garde-tems, die Englaͤnder timekeeper; wir koͤnnten ihnen im Deutſchen auch den gleichbedeutenden charakteriſtiſchen Namen Zeitwaͤchter beilegen. Vom Amazonenfluſſe, ſind wir bei den Bergwerken zu Hualgayok (welche jaͤhrlich eine Million Piaſter ausbringen, und wo ſich das ſilberhaltige graue Kupfererz 2065 Toiſen hoch findet) uͤber die Anden gegangen. Wir reiſeten abwaͤrts uͤber Kaſkamaſka, wo ich in dem Pallaſt von Atahualpa die Bogen der Peruaniſchen Gewoͤlbe gezeichnet habe, nach Truxillo, und von hier durch die Einoͤden an der Kuͤſte des Suͤdmeers nach Lima, wo der Himmel waͤhrend der einen Haͤlfte des Jahres mit dicken Duͤnſten bedeckt iſt. Ich eilte Lima zu erreichen, um am 9 November 1802 den Durchgang des Merkurs zu beobachten. — — Unſere Pflanzenſammlungen, und die Zeichnungen welche ich in Hinſicht der Zergliederung der Gattungen, nach den mir vom Buͤrger Juſſieu in der Naturforſchenden Sozietaͤt daruͤber mitgetheilten Ideen, entworfen habe, ſind durch die Reichthuͤmer ſehr vermehrt, welche wir in der Provinz Quito, bei Loxa, am Amazonenfluſſe, und in der Kordillere von Peru, antrafen. Wir haben viele von Joſef Juſſieu beobachtete Pflanzen wieder gefunden: z. B. die der Quillaja verwandte Llogue und andere. Wir haben eine neue huͤbſche Art der Juſſiea, verſchiedne Arten von Colletia, mehrere Paſſiflora, und den Loranthus als 60 Fuß hohen Baum angetroffen . Vorzuͤglich ſind wir ſehr reich an Palmen und an Graͤſern, woruͤber mein Freund Bompland eine ausfuͤhrliche Ausarbeitung verfertigt hat. Bis itzt haben wir 3784 lateiniſche Beſchreibungen vollendet, und in unſern Herbarien ſteckt faſt noch der dritte Theil aller Pflanzen, die wir aus Mangel an Zeit nicht haben beſchreiben koͤnnen. Der Großvater des jetzt lebenden Gelehrten dieſes Namens in Paris. Er begleitete la Condamine 1735 als Botaniker nach Peru. Von der Gattung Llogue iſt hier noch wenig oder nichts bekannt. Die Quillaja iſt eine Baumart deren Rinde ſeifenartig ſein, und auch von den Eingebornen ſtatt der Seife benutzt werden ſoll. Die Loranthus-Arten ſind ſonſt alle paraſitiſch, d. h. ſie finden ſich auf andern Gewaͤchſen, namentlich auf Baͤumen. Ob dieſer 60 Fuß hohe Loranthus es ebenfalls iſt, muß man bis auf naͤhere Nachrichten dahin geſtellet ſein laſſen. Unmoͤglich waͤre es nicht, da in Suͤdamerika mehrere Baͤume auf andern Baͤumen wachſen. Unter dieſen Gewaͤchſen iſt kein einziges, wovon wir nicht die Steinart angeben koͤnnten, worauf es waͤchſt, und die Hoͤhe, bis zu welcher es ſich uͤber die Meeresflaͤche erhebt; ſodaß fuͤr die Pflanzen-Geographie in unſern Manuſkripten ſehr genaue Materialien vorhanden ſind. Oft, um ſo viel als moͤglich zu leiſten, iſt eine und dieſelbe Pflanze von Bompland und von mir beſonders beſchrieben worden. Sonſt aber verdanke ich zwei Drittel meiner Beſchreibungen, und druͤber, einzig meinem Reiſegefaͤhrten, deſſen Eifer und gaͤnzliche Aufopferung fuͤr die Fortſchritte der Wiſſenſchaften man nicht genug bewundern kann. Die Juſſieu, Desfontaines und Lamarck haben an ihm einen Zoͤgling, der es ſehr weit bringen wird. Wir verglichen unſere Herbarien mit den Sammlungen des Hrn Mutis, und zogen eine Menge Werke in der ungeheuren Bibliothek dieſes großen Mannes zu Rathe. Zuverlaͤßig beſitzen wir viele neue Gattungen und Arten; aber es wird eine geraume Zeit und Arbeit dazu gehoͤren, um das wirklich Neue zu ſichten. Wir haben auch eine kieſelige Subſtanz bei uns, dem Tabacher aus Oſtindien aͤhnlich, welchen Hr Macie analyſirt hat . Sie iſt in den Knoten einer rieſenfoͤrmigen Grasart anzutreffen, welche mit dem Bambus verwechſelt wird, deren Bluͤthen aber von Schrebers Bambuſa ganz abweichen. — Ich weiß nicht ob Fourcroy die Milch der vegetabilen Kuh (ein auf dieſe Art von den Indianern genannter Baum) erhalten hat; eine Milch nehmlich, welche mit Salpeterſaͤure behandelt, mir eine Art balſamiſch riechenden Kautſchuk geliefert hat; uͤbrigens aber gar nicht aͤtzend oder ſchaͤdlich iſt, wie andere Arten von Pflanzenmilch, ſondern nahrhaft und angenehm zu trinken. Wir haben ſie auf dem Wege nach dem Orinoko, in einer Pflanzung, entdeckt, wo die Neger ſie haͤufig genießen. Ich habe auch an den Buͤrger Fourcroy uͤber Guadeloupe und an Sir Joſeph Banks uͤber Trinidad unſer Dapiché oder ein weißes oxydirtes Kautſchuk uͤbermacht, welches die Wurzeln einer Baumart in den Waͤldern von Pimichim, dem unzugaͤnglichſten Winkel der Erde, gegen die Quellen des Rio Negro hin, ausſchwitzen. Der Indiſche Tabaſcher, Tabaſheer, Tabaxir, ſoll nach Verſicherung der Herren Ruſſell und Macie, im eigentlichen Bambusrohre gefunden werden, in Geſtalt von Konkrezionen, welche einer kieſeligen weißen harten Steinart, dem Cacholong, aͤhnlich ſind. Aus dem Verhalten dieſer Subſtanz gegen Saͤuren und Alkalien, zog man den Schluß, daß Kieſelerde der Hauptbeſtand des T. ſei. Indeß iſt Macie’s Analyſe, nach meiner Ueberzeugung, noch nicht ganz befriedigend. Drs Ruſſell Brief aus Oſtindien ſteht in den Philosophical Transactions, vol. 80, p. 273; der Aufſatz des Hrn Macie in London, daſelbſt vol. 81, p. 368, und uͤberſetzt in Hrn v. Crell Chemiſchen Annalen 1792, S. 342, 428, 513. Ich glaube, in irgend einer Franzoͤſiſchen Zeitſchrift von dem richtigen Eingang derſelben etwas geleſen zu haben; kann mich aber nicht genau erinnern, wo dieſe Nachricht anzutreffen iſt. Kautſchuk iſt der eigentliche Name des bekannten Elaſtiſchen Harzes. Von einer Bereitung deſſelben ſ. man 1795 Februar Nr 5. Ich gehe nicht nach den Philippinen; ich reiſe uͤber Akapulko, Mexiko, und Havanah nach Europa. Hoffentlich umarme ich Sie im September oder Oktober 1803 zu Paris. Gruß und Hochachtung. Humboldt. Im Februar bin ich in Mexiko. Im Juni in Havanah. Denn ich denke auf nichts als auf die Erhaltung und Bekanntmachung meiner Manuſkripte. Wie ſehne ich mich nach Paris!!! Seitdem iſt noch ein Brief hier eingelaufen, von viel ſpaͤterem Datum, von einem naͤheren Orte auf dem Heimwege, und mit neuen Beſtimmungen uͤber die Zuruͤckkunft nach Europa: alſo ſchon darum hoͤchſt intereſſant. Hier iſt das allgemein Mittheilbare daraus. An Hrn Prof. Willdenow in Berlin. Mexiko, den 29 April 1803. Wenig Tage nach meiner Ankunft in dieſer großen und ſchoͤnen Hauptſtadt Neuſpaniens, erhielt ich Deinen lieben Brief vom 1 Oktober 1802. Die Freude daruͤber war um ſo groͤßer, da, ſeitdem ich Europa verlaſſen habe, dies das erſte- und einzigemal iſt daß ich etwas von Dir leſe, obgleich ich uͤberzeugt bin daß Du mir oft geſchrieben haſt. Auch von meinem Bruder habe ich, ſeit meiner Abreiſe aus Corunna, hoͤchſtens 5 bis 6 Briefe innerhalb vier Jahre bekommen. Es ſcheint als wenn ein feindlicher Unſtern, mehr in Abſicht der Briefe, als der Schiffe, hier uͤber uns waltet. Doch ich will nicht klagen, da mir nun bald die Freude bevorſteht, Euch alle wieder zu umarmen. — — Wir haben ſchon uͤber zehn- oder zwoͤlfmal große Sendungen friſcher Saͤmereien von hier abgeſchickt: an den Botaniſchen Garten in Madrid, wo Cavanilles, wie ich ſehe, in den Anales de Hiſtoria natural bereits einige neue Spezies aus dieſen Samen beſchrieben hat; an den Garten in Paris; und, uͤber Trinidad, an Sir Joſef Banks in London. Allein, denke darum nicht, daß mein Reichthum erſchoͤpft ſei, oder daß ich Berlin vergeſſen werde. Ich beſitze eine ausgezeichnete Sammlung, die ich zu Quito, zu Loxa, am Amazonenfluße bei Jaen, auf den Anden von Peru, und auf dem Wege von Akapulko nach Chilpenſingo und Mexiko, zuſammengebracht habe. Dieſen Schatz will ich nicht dem Zufall der Poſten, die unglaublich nachlaͤßig ſind, anvertrauen; ſondern, da ich nun im Begrif ſtehe ſelbſt nach Havanah und Europa abzureiſen, Dir ſelber uͤberbringen. Ich habe Alles hoͤchſt ſorgfaͤltig getrocknet. Was ich Dir bringe, ſind viele Samen von Melaſtoma, Pſychotria, Kaſſia, Bignonia, Mimoſa (ohne Zahl!), Solanum, Jacquinia, Embothrium, Ruellia, Gyrokarpus Jacq., Bornadeſia, Achras, Lukuma, Bugainvillea, Lobelia, und ein halbes Hundert Pakete unbekannter Arten aus den Andes, aus dem Amazonenlande, u. ſ. w.... Ferner werden meine Freunde in Amerika immer bereit ſein, Dir auf mein Erſuchen recht haͤufig ganz friſche Samen zu ſchicken. Ich nenne Dir itzt nur gleich als die thaͤtigſten Maͤnner: Tafalla zu Guayaquil; Olivedo zu Loxa; Matis, der erſte Pflanzenmaler in der Welt und ein treflicher Botaniker, zu Santa Fe, ein Schuͤler von Mutis; imgleichen einige Kapuziner in Neuandaluſien und Guayana. Auch iſt ein vortreflicher und eifriger Naturforſcher Hr Caldas zu Popayan. Es freut mich ſehr, daß meine Pflanzen durch Hrn Fraſer endlich bei Dir angekommen ſind. Du wirſt aus meinen aͤlteren Briefen wiſſen, daß, nachdem wir ein halbes Jahr in den Volkanen zu Quito zugebracht, und faſt die Spitze des Tſchimboraſſo erſtiegen haben, wir zu Kuenka und Loxa geweſen ſind, um dort die Cinchona-Arten zu ſtudieren. Von Loxa gingen wir, uͤber fuͤrchterliche Wege, nach der Provinz Jaen de Bracamoros, und nach dem Amazonenfluß; von da, uͤber die Kordillere, durch die großen Bergwerke von Chota, nach Truxillo, und laͤngs der Kuͤſte des Suͤdmeers nach Lima: wo ich den Durchgang des Merkurs beobachtet habe. Von Lima machten wir die Reiſe nach Guayaquil zur See, blieben dort einen Monat, und ſchiften nach Akapulko, auf welcher letzten Fahrt wir 35 Tage zubrachten, und einen grauſamen Sturm dem Golf von Nicoya gegenuͤber auszuſtehn hatten. Daß ich ſeit lange die Reiſe nach den Philippinen aufgegeben habe, weißt Du. Ich wuͤrde einen ungeheuren Seeweg machen, bloß um eine einzige Inſelgruppe zu ſehn. Auch erlaubt der gegenwaͤrtige Zuſtand meiner Inſtrumente mir nicht die Reiſe zu verlaͤngern, die ſchon vier Jahre dauert; und es iſt mir unmoͤglich geweſen, mir neue Inſtrumente aus England zu verſchaffen. Man iſt hier faſt ganz abgeſchnitten von der uͤbrigen Welt, wie im Monde. Ich wuͤnſchte gegen Ende dieſes Jahres in Europa zu ſein. Allein, das ſchwarze Erbrechen, welches ſchon zu Vera Cruz und in Havanah herrſcht, und die Furcht vor der uͤblen Schiffahrt im Oktober, muͤſſen mich zuruͤckhalten. Ich will nicht mit einer Tragoͤdie endigen. Weil ich nun aber den ſicherern Weg waͤhle, ſo werde ich wahrſcheinlich erſt im April oder Mai 1804 in Europa anlangen. Ich weiß nicht, ob ich heute Zeit haben werde meinem Bruder zu ſchreiben. Sei ſo gut, ihm dieſen Brief mitzutheilen, und ihm zu ſagen daß ich vollkommen geſund bin, und daß mir nichts fehlt, als ſeine Briefe. — (Eine Beilage dieſes Schreibens war die, vom Mai 1803 datirte, und in das Intelligenzblatt der Allgemeinen Literaturzeitung zu befoͤrdernde, Erklaͤrung des Hrn von Humboldt uͤber den Kohlenſaͤure-Meſſer, gegen eine hoͤchſt ſonderbare Nachricht die daſelbſt in Nr 93 vom J. 1800 geſtanden hatte. Dies letzte Blatt fand unſer Reiſender bei Hrn Don Fauſto d’Elhuyar in Mexiko. Es muß in der That erfreuen, daß dieſe Deutſche Zeitſchrift auch in dem entfernten Welttheile geleſen wird. Zugleich erſieht man aus dieſer kleinen Angabe, wie richtig Hr Geheimerath Karſten vermuthete (1802 Junius, S. 461), als Hr von Humboldt den ungluͤcklichen Tod eines Bergdirektors d’Elhuyar ohne weitere Bezeichnung gemeldet hatte, daß dies der aͤltere Bruder Don Joſef ſein muͤſſe, nicht der juͤngere Don Fauſto.)