Schreiben Alexanders v. Humbold, an den B. Delambre, immerwaͤhrenden Sekretaͤr des National-Inſtituts, Lima, vom 25 Nov. 1802. (Aus dem Moniteur.) Ich komme ſo eben aus dem Innern des Landes, mein achtungswuͤrdiger Freund, wo ich in einer groſen Ebene Verſuche uͤber die ſtuͤndlichen Abweichungen der Magnetnadel angeſtellt habe, und erfahre mit Verdruß, daß die Fregatte Aſtigarraga, die erſt in 14 Tagen nach Cadiz abſegeln ſollte, ihre Abreiſe beſchleunigt hat, und heute Nacht unter Segel gegangen iſt. Dieſes war ſeit 5 Monaten die erſte Gelegenheit, die ſich uns in der Einſamkeit des Suͤdmeers nach Europa anbot, und der Mangel an Zeit verbietet mir, dem National-Inſtitut, welches mir ſo eben ſo ruͤhrende Beweiſe ſeiner Theilnahme und ſeines Wohlwollens gibt, wie es meine Pflicht waͤre, zu ſchreiben. Wenig Tage vor meiner Abreiſe von Quito nach Jaen und dem Amazonenfluß empfieng ich das Schreiben vom 2 Pluvioſe Jahr 9, das mir dieſe beruͤhmte Geſellſchaft durch Sie zukommen ließ. Es blieb 2 Jahre unterwegs, ehe es mich in der Kordillera der Anden traf. Ich empfieng es den Tag nach einer zweiten Wanderung, die ich nach dem Krater des Vulkans von Pichincha machte, um einen Elektrometer von Volta dahin zu bringen, und ſeinen Durchmeſſer zu meſſen. Ich fand ihn 752 Toiſen, da der des Veſuvs nur 312 betraͤgt. Dieſes erinnert mich, daß La Condamine und Bouguer auf dem Gipfel des Guaguapichincha, wo ich oft war, (und den ich als klaſſiſchen Boden liebe), ihre erſten Briefe von der ehemaligen Akademie erhielten, und ich bilde mir ein, daß der Pichincha, si magna licet componere parvis, den Phyſikern Gluͤk bringt. Wie ſoll ich Ihnen ausdruͤken, mit welchem Genuß ich dieſen Brief des Inſtituts, und die wiederholte Verſicherung Ihres Andenkens geleſen habe! Wie ſuͤß iſt die Ueberzeugung, daß man in der Erinnerung derer lebt, welche ohne Unterlaß bemuͤht ſind, die Fortſchritte des menſchlichen Geiſtes zu befoͤrdern! In den Einoͤden der Ebenen des Apure, in den dichten Waͤldern von Caſiguian und des Oronoko’s, allenthalben waren mir Ihre Namen gegenwaͤrtig, und indem ich die verſchiedenen Zeitpunkte meines umherſchweifenden Lebens uͤberdachte, verweilte ich mit Vergnuͤgen bei den Jahren 6 und 7, wo ich unter Ihnen wohnte und wo Laplace, Fourcroix, Vauquelin, Hallé , Lalande, Guyton, Chaptal, Juſſieu, Desfontaines, Prony, und beſonders Sie, großmuͤthiger, gefuͤhlvoller Mann, mich in den Ebenen von Lieurſaint mit Guͤte uͤberhaͤuften; empfangen Sie alle den Zoll meiner zaͤrtlichen Ergebenheit, meines unablaͤſigen Dankes. Lange, ehe ich den von Ihnen als Sekretaͤr des Inſtituts geſchriebenen Brief erhielt, ſchikte ich nacheinander drei Briefe an die Klaſſe der Phyſik und Mathematik, zwei von Santa Fé - de Bogota, welche einen Aufſaz uͤber das Geſchlecht der Chinkona enthielten, (das heißt, Proben von der Rinde von ſiebenerlei Arten, kolorirte Zeichnungen, welche dieſe Pflanzen mit der Zergliederung der Blume, die in der Laͤnge der Staubfaͤden ſo ſehr voneinander abweicht, darſtellten, und ſorgſam getroknete Gerippe derſelben). Der D. Mutis, der mir tauſend Gefaͤlligkeiten erzeigt hat, und dem zu Gefallen ich den Magdalenenfluß in 40 Tagen herauf ſchifte, der D. Mutis hat mir uͤber hundert praͤchtige Zeichnungen in groß Folio geſchenkt, welche die neuen Geſchlechter und Arten ſeiner Flora von Bogota, die nur in der Handſchrift vorhanden iſt, vorſtellen. Ich habe gemeint, daß dieſe Sammlung, die eben ſo intereſſant fuͤr die Botanik, als merkwuͤrdig wegen der ſchoͤnen Farbengebung iſt, ſich in keinen beſſern Haͤnden befinden koͤnnte, als in denen von Juſſieu, Lamarck und Desfontaines, und habe ſie alſo als einen geringen Beweis meiner Ergebenheit dem National-Inſtitut vorgelegt. Dieſe Sammlung und die Chinkonas ſind gegen den Junius dieſes Jahrs nach dem indiſchen Karthagena abgegangen, und H. Mutis ſelbſt hat es auf ſich genommen, ſie nach Paris zu befoͤrdern. Ein dritter Brief an das Inſtitut gieng von Quito ab, mit einer geologiſchen Sammlung der Produkte des Pichincha, Cotopaxi und Chimboraſſo. Wie traurig iſt die Ungewißheit uͤber die Ankunft dieſer Dinge, wie auch der ſeltenen Saͤmereien, welche wir ſeit drei Jahren nach dem botaniſchen Garten zu Paris abgeſchikt haben! Die wenige Muße, welche mir heute vergoͤnnt iſt, erlaubt mir nicht, Ihnen einen Abriß meiner Reiſen und Beſchaͤftigungen ſeit unſrer Ruͤkkehr von Rio Negro zu geben. Sie wiſſen, daß es in der Havannah war, wo uns die falſche Nachricht von der Abreiſe des Kapitaͤn Baudin nach Buenos Ayres zu Ohren kam. Meinem Verſprechen, zu ihm zu ſtoſſen, wo es mir moͤglich ſeyn wuͤrde, getreu, und uͤberzeugt, den Wiſſenſchaften nuͤzlicher zu ſeyn, wenn ich meine Bemuͤhungen mit denen der Naturforſcher des Kapit. Baudin verbaͤnde, ſtand ich keinen Augenblik an, den kleinen Triumph, mein eigenes Unternehmen zu beendigen, aufzuopfern, und ruͤſtete ſogleich in Batabano ein kleines Fahrzeug aus, um mich nach dem indiſchen Karthagena zu begeben. Stuͤrme verlaͤngerten dieſen kleinen Weg uͤber einen Monat, die Winde der Suͤdſee, wo ich den Kapit. Baudin zu ſuchen meinte, waren vorbei, und ich betrat den beſchwerlichen Weg von Honda, Ibague, von den Gebuͤrgen von Quindiu, Popayan und Paſta nach Quito. Meine Geſundheit fuhr fort, auf eine wunderbare Weiſe den Abwechſelungen der Temperatur zu trozen, denen man auf dieſem Wege ausgeſezt iſt. Taͤglich ſteigt man von Schneehoͤhen von 2,460 Toiſen in Thaͤler herab, wo Reaumuͤrs Thermometer nie unter 24 bis 26° ſteht. Mein Begleiter, B. Bompland, deſſen Kenntniſſe, Muth und unbebegreifliche Thaͤtigkeit mir in den Unterſuchungen fuͤr Botanik und vergleichende Anatomie von dem groͤßten Nuzen waren, hat zwei Monate am dreitaͤgigen Fieber gelitten. Die Regenzeit uͤberfiel uns auf dem gefaͤhrlichſten Theil unſers Wegs, auf dem hohen Ruͤken der Paſta’s. Nach einer Reiſe von 8 Monaten kamen wir in Quito an, wo wir erfuhren, daß der Kapit. Baudin ſeinen Weg von Weſten nach Oſten auf das Vorgebuͤrge der guten Hofnung genommen haͤtte. Der Unfaͤlle gewohnt, troͤſteten wir uns mit dem Gedanken, ſo groſe Opfer gebracht zu haben, um das Gute zu befoͤrdern. Wenn wir den Blik auf unſre getroknete Pflanzen, auf unſre barometriſchen und geodeſiſchen Ausmeſſungen, auf unſre Zeichnungen, auf unſre Verſuche uͤber die Luft auf den Kordilleras warfen, konnten wir es uns nicht leid ſeyn laſſen, Laͤnder durchreist zu haben, deren groͤßter Theil vor uns noch kein Naturforſcher beſuchte. Wir fuͤhlten lebhaft, daß der Menſch auf nichts rechnen ſoll, als auf das, was ſeine eigene innere Kraft hervorbringt. Die Provinz Quito, der hoͤchſte Punkt der Welt, welcher durch die groſe Kataſtrophe des 4 Febr. 1797 zerriſſen iſt, bot uns ein weites Feld fuͤr phyſiſche Beobachtungen dar. Solche ungeheure Vulkane, deren Flammen auf die Hoͤhe von 1,000 Metern ſteigen, haben nie einen Tropfen fluͤſſiger Lava hervorgebracht; ſie werfen kochendes Waſſer aus, ſchwefelſauren Waſſerſtoff, Schlamm und gekohlte Thonerde, (argile carboné?). Seit 1797 iſt dieſer ganze Welttheil in Aufruhr. Jeden Augenblik empfinden wir furchtbare Erſchuͤtterungen, und in den Ebenen von Riobomba gleicht das unterirdiſche Getoͤſe einem Berg, der unter unſern Fuͤſſen einſtuͤrzte. Die atmosphaͤriſche Luft, und der durchnaͤßte Boden, (alle dieſe Vulkane befinden ſich in einem auſgeloͤsten Porphir), ſcheinen die groſen Triebfedern dieſer Entzuͤndung und unterirdiſchen Gaͤhrung.... Bis jezt glaubte man in Quito, 2,470 Toiſen ſey die aͤuſſerſte Hoͤhe, in welcher der Menſch die Duͤnne der Luft ertragen koͤnnte. Im Monat Maͤrz 1802 brachten wir einige Monate in der groſen Ebene zu, welche den Vulkan Antiſana in der Hoͤhe von 2,107 Toiſen umgibt, wo den Ochſen, wenn man ſie jagt, oft Blut aus dem Maule ſtuͤrzt. Den 16 Maͤrz entdekten wir einen Weg auf dem Schnee, einen ſanften Abhang, wo wir bis zu 2,773 Toiſen aufwaͤrts ſtiegen. Die Luft enthielt 0,008 Kohlenſaͤure, 0,218 Sauerſtof, und 0,774 Stikſtof. Der Thermometer von Reaumuͤr zeigte nur auf 15°, und es war gar nicht kalt, dennoch drang uns das Blut aus den Augen und den Lippen. Das Lokale erlaubte uns nicht, die Verſuche von Bordas Kompaß anderswo, als in einer Hoͤhle tiefer unten, auf 2,467 Toiſen, zu machen. Die Intenſitaͤt der magnetiſchen Kraͤfte war in dieſer Hoͤhe groͤſer, als in Quito, in dem Verhaͤltniß von 230 zu 218; man muß aber nicht vergeſſen, daß oft die Zahl der Schwingungen zunimmt, wenn die Inklination abnimmt, und daß dieſe Intenſitaͤt durch die Gebuͤrgsmaſſe vermehrt wird, deren Porphyre auf den Magnet wuͤrken. Bei der Expedition, die ich am 23 Jun. 1802 auf dem Chimboraſſo machte, hatten wir erfahren, daß man, wenn man Geduld hat, eine noch groͤſere Duͤnne der Luft ertragen kan. Wir gelangten 500 Toiſen hoͤher, wie La Condamine, (auf den Corazon), und nahmen auf dem Chimboraſſo bis auf 3,031 Toiſen Inſtrumente mit. Wie der Merkur im Barometer auf 18 Zoll 11,2 Linien fiel; der Thermometer 1°3′ unter Null ſtand, drang uns noch das Blut aus den Lippen. Unſre Indianer verlieſſen uns, wie ſie zu thun pflegten; der B. Bompland, H. Montuſon, Sohn des Marquis von Selvalegre aus Quito, waren die einzigen, die es aushielten; wir empfanden alle ein Unbehagen, eine Schwaͤche, eine Neigung zum Erbrechen, die gewiß weit mehr dem Mangel an Sauerſtof in dieſer Region zuzuſchreiben iſt, als der Duͤnne der Luft. Eine furchtbare Erdſpalte verhinderte uns, den Gipfel des Chimboraſſo ſelbſt zu erklimmen; es fehlten uns bis dorthin noch 206 Toiſen. Sie wiſſen, daß uͤber die Hoͤhe dieſes Koloſſen noch eine groſe Ungewißheit herrſcht; La Condamine, der ihn ſehr von weitem maß, gab ihm ungefaͤhr 3,220 Toiſen, indeß ihn Don George Juan auf 3,380 Toiſen ſchaͤzt, ohne daß dieſe Verſchiedenheit aus der verſchiedenen Hoͤhe entſteht, welche dieſe Aſtronomen fuͤr die Hoͤhe des Signals von Carabouron annehmen. Ich maß in der Ebene von Tapia eine Baſis von 1,702 Metern — (verzeihen Sie mir, daß ich bald von Toiſen, bald von Metern ſpreche, je wie es die Natur meiner Inſtrumente mit ſich bringt; Sie begreifen leicht, daß ich alles, ehe ich meine Unternehmungen bekannt mache, auf den Meter und den centigraden Thermometer berechnen werde); — zwei geodeſiſche Operationen beſtimmten mir den Chimboraſſo zu 3,267 Toiſen uͤber dem Meer, allein man muß dieſe Berechnung nach der Entfernung des Sektanten vom kuͤnſtlichen Horizont berichtigen. Der Vulkan Tongouragoa hat ſeit La Condamine’s Zeit ſehr abgenommen. Statt 2,620 Toiſen finde ich ihn nur noch 2,531, und ich darf glauben, daß dieſer Unterſchied, nicht aus einem Irthum in der Unterſuchung entſteht, denn bei meiner Meſſung des Cayambo, Antiſana, Cotopaxi, Iliniga weiche ich oft um keine 10 Grade von den Reſultaten La Condamine’s und Bouguer’s ab. Auch ſagen alle Einwohner dieſer ungluͤkſeligen Gegend, daß der Tongouragoa augenſcheinlich geſunken ſey. Der Cotopaxi hingegen, der ſo heftige Ausbruͤche erlitt, iſt jezt noch eben ſo hoch, wie 1744, ſelbſt noch etwas hoͤher, welches aber vielleicht einem Irthum von meiner Seite zuzuſchreiben iſt. Allein der ſteinigte Gipfel des Cotopaxi beweist wuͤrklich auch, daß es ein Rauchfang iſt, der widerſteht, und ſeine Geſtalt immer beibehaͤlt. Die Beobachtungen, welche wir vom Januar bis Julius in den Anden von Quito anſtellten, gaben den Einwohnern die traurige Nachricht, daß der Krater von Pichincha, welchen La Condamine mit Schnee angefuͤllt fand, wieder brennt, und daß der Chimboraſſo, den man fuͤr ſo friedlich und harmlos hielt, ein Vulkan war, und vielleicht es wieder werden kan. Wir fanden bis zu der Hoͤhe von 3,031 Toiſen verbrannte Felſen und Bimsſteine. Wehe dem Menſchengeſchlecht, wenn das vulkaniſche Feuer — (denn man kan ſagen, daß die ganze Bergebene von Quito ein einziger Vulkan mit mehreren Gipfeln iſt) — ſich durch den Chimboraſſo Luft macht. Es iſt oft gedrukt worden, daß dieſer Berg von Granit ſey, allein man findet keine Spur davon. Er beſteht aus hie und da in Saͤulen gebildeten Porphyr, welcher verglasten Feldſpat, Hornſtein und Olivin einſchließt. Dieſe Porphyrlage hat eine Dike von 1,900 Toiſen. Ich koͤnnte bei dieſer Gelegenheit eines polariſirenden Porphyrs erwaͤhnen, den wir in Vaiſaco bei Paſta entdekt haben, und der gleich dem Serpentinſtein, den ich in dem Journal de Physique beſchrieb, Pole ohne Anziehungskraft beſizt. Ich koͤnnte Ihnen andre Thatſachen in Ruͤkſicht des groſen Geſezes der Erdſchichten und ihrer ungeheuern Dike in der Gegend der Mittagslinie mittheilen, aber das waͤre fuͤr einen Brief, der vielleicht verloren geht, zu viel; ich komme ein andermal darauf zuruͤk. Nur das will ich noch hinzufuͤgen, daß wir dem B. Cuvier auſſer den Elephantenzaͤhnen, die wir ihm von der Berg-Ebene Santa Fé , von einer Hoͤhe von 1,350 Toiſen, ſchikten, noch andre ſchoͤnere aufbewahren, theils von dem fleiſchfreſſenden Elephanten, theils von einer, von der afrikaniſchen etwas verſchiedenen, Gattung, aus dem Thale Timana, aus der Stadt Ibarra, und aus Chili. Das Daſeyn dieſes fleiſchfreſſenden Ungeheuers von dem Ohio, 50° noͤrdlicher, bis zu 35° oͤſtlicher Breite, iſt alſo erwieſen. (Die Fortſezung folgt.) Schreiben Alexanders v. Humbold, an den B. Delambre, immerwaͤhrenden Sekretaͤr des National-Inſtituts, Lima, vom 25 Nov. 1802. (Aus dem Moniteur.) (Fortſezung.) In Quito brachte ich ſehr angenehme Augenblike zu. Der Praͤſident der Audienzen, Baron v. Corundeles, hat uns mit Guͤte uͤberhaͤuft, und ſeit 3 Jahren habe ich mich nicht einen einzigen Tag uͤber die Agenten der ſpaniſchen Regierung zu beklagen gehabt; ſie haben mich allenthalben mit einer Delikateſſe, einer Auszeichnung behandelt, die meine ewige Dankbarkeit verdient. Ich habe mich viel mit den Pyramiden und ihrer Grundlage beſchaͤftigt, und halte ſie, was die Ekſteine betrift, gar nicht fuͤr verruͤkt. Ein grosmuͤthiger Privatmann, ein Freund der Wiſſenſchaften und der Maͤnner, welche ſie befoͤrderten, wie La Condamine, Godin und Bouguer, der Marquis von Selvalegre in Quito, gedenkt ſie wiederherſtellen zu laſſen; doch das fuͤhrt mich zu weit. Nachdem wir uͤber Aſſouay und Cuença, (wo man Stiergefechte gab), gekommen waren, nahmen wir den Weg von Loxa, um unſre Arbeit uͤber den Cinchona zu vollenden. Von da brachten wir einen Monat in den Provinzen Taen, Bracamoros, und in den Pongos des Amazonenfluſſes zu, deſſen Ufer mit Juſſieu’s Andira und Bougainvillea geziert ſind. Es ſchien mir intereſſant, die Laͤnge von Tomependa und Chuchanga, wo die Karte von La Condamine anfaͤngt, zu beſtimmen, und dieſe Punkte mit der Kuͤſte zu verbinden. La Condamine hat nur die Laͤnge der Muͤndung des Napo beſtimmen koͤnnen, die Zeitbeobachter kannte man noch nicht, ſo daß die Laͤngenmaſſe dieſer Gegend noch viel Veraͤnderung beduͤrfen. Mein Chronometer von Louis Berthoud thut Wunder, wie ich mich uͤberzeuge, indem ich mich von Zeit zu Zeit durch den erſten Trabanten des Jupiters orientire, und meine Verſchiedenheiten der Mittagshoͤhen Punkt fuͤr Punkt mit denen vergleiche, welche H. Fidalga bei ſeinen Operationen fand, als er auf Befehl des Koͤnigs trigonometriſche Operationen von Cumana bis Karthagena gemacht hat. Von dem Amazonenfluß giengen wir durch die Bergwerke von Haalgayac, (welche jaͤhrlich eine Million Piaſter einbringen, und wo das graue, ſilberhaltige Kupfererz ſich zu 2,065 Toiſen befindet), uͤber die Anden. Wir ſtiegen ſie bei Truxilla herab, uͤber Cascamarca, wo ich in Atahualpas Pallaſt die peruvianiſchen Boͤgen und Gewoͤlbe zeichnete. Von da durchzogen wir die Einoͤden an der Kuͤſte vom Suͤdmeer bis Lima, wo die Haͤlfte des Jahres der Himmel mit diken Duͤnſten bedekt iſt. Ich eilte, bis dahin zu gelangen, um den 9 Nov. 1802 den Durchgang des Merkurs zu beobachten. (Hier folgen zwei Seiten aſtronomiſcher Berechnungen.) Unſre Sammlungen von Pflanzen und von Zeichnungen zur Zergliederung der Geſchlechter, nach den Ideen, die mir der B. Juſſieu bei unſern Unterredungen in der naturhiſtoriſchen Geſellſchaft an die Hand gegeben hatte, ſind durch die Reichthuͤmer, die wir in Quito, Loxa, am Amazonenfluß, und auf den Kordilleras von Peru gefunden haben, ſehr vermehrt worden. Wir haben viele Pflanzen, die Joſeph Juſſieu ſah, gefunden, zum Beiſpiel den Llogue affinis Guillajac, und andere. Wir haben eine neue Art von Heſperis, die allerliebſt iſt, einige Collatix, verſchiedene Paſſifloras und Loranthus, als Baͤume von 60 Schuh. Beſonders ſind wir an Palmen und grasartigen Pflanzen ſehr reich, woruͤber der B. Bompland eine ausfuͤhrliche Abhandlung geſchrieben hat. Wir haben jezt 3,784 ſehr vollſtaͤndige lateiniſche Beſchreibungen, und beinahe ein Drittheil Pflanzen in den Herbarien, die wir nicht Zeit hatten, zu beſchreiben. Es gibt keine Pflanze, von der wir nicht den Felſen nennen koͤnnten, wo ſie wuchs, und nach Toiſen gemeſſen, die Hoͤhe, auf welcher ſie ſich befindet, ſo daß die Geographie der Pflanzen in unſern Handſchriften ſehr genaue Materialien findet. Um unſre Sache recht gut zu machen, haben der B. Bompland und ich, jeder fuͤr ſich, dieſelbe Pflanze beſchrieben; allein zwei Drittheile und mehr von den Beſchreibungen verdankt man einzig dem Fleiß des B. Bompland, deſſen Eifer und Ergebenheit fuͤr den Fortgang der Wiſſenſchaften nicht genug zu bewundern iſt. Juſſieu, Desfontaines und Lamark haben einen Schuͤler in ihm gebildet, der ſich ſehr auszeichnen wird. Wir haben unſre Herbarien mit denen des H. Mutis verglichen, und viele Buͤcher in der ungeheuern Bibliothek dieſes groſen Mannes zu Rathe gezogen. Wir ſind uͤberzeugt, viele neue Geſchlechter und Arten zu haben. Allein es wird viel Zeit und Muͤhe koſten, um zu entſcheiden, was wuͤrklich neu iſt. Wir bringen auch eine ſchotenartige Subſtanz mit; ſie gleicht dem oſtindiſchen Tabaxir, welchen H. Mutis analyſirt hat. Sie findet ſich in den Aſtknoten einer rieſenmaͤſigen Grasart, die man mit dem Bambus verwechſelt, deſſen Blume aber von Schrebers Bambuſa abweicht. Ich weiß nicht, ob der B. Fourcroix die Milch der Kuhpflanze, wie die Indier dieſen Baum nennen, erhalten hat. Es iſt eine Milch, welche mir durch Huͤlfe der Salpeterſaͤure einen balſamiſch riechenden Caoutchouk gegeben hat, die aber, ſtatt freſſend und ſchaͤdlich zu ſeyn, wie alle andre Pflanzenmilch, nahrhaft und angenehm zu trinken iſt. Wir fanden ſie auf dem Wege nach dem Oronoko in einer Pflanzung, wo ſie die Neger viel trinken. Ich habe auch an den B. Fourcroix uͤber Guadeloupe, und an Sir Joſeph Banks uͤber die Trinidad, unſer Dapiſche, oder den weiſſen oxygenirten Caoutchouk geſchikt, welchen ein Baum in den Waͤldern von Pimichin, in dem entfernteſten Winkel der Welt, bei den Quellen des Rio Negro, durch ſeine Wurzeln ausſchwizt. Endlich nach dreijaͤhrigem Warten iſt uns der himmliſche Mechanismus von Laplace im November 1802 zugekommen. Ich habe mich mit grenzenloſem Heißhunger daruͤber her geworfen....... Dieſes Buch hat mich aufs neue vermocht, meine Unterſuchungen uͤber die atmosphaͤriſche Ebbe und Fluth, woruͤber ich im Jahre 1799 zu Cumana eine Menge Beobachtungen anſtellte, wieder fortzuſezen; ich ſprach davon in meinem Brief an den B. Lalande. Godin hat etwas davon gewußt, ohne die Urſache anzugeben. Moſely ſagt faͤlſchlich in einer Abhandlung uͤber die Krankheiten unter den Wendezirkeln, daß der Barometer alsdann das Maximum erreicht, wenn die Sonne in der Mittagshoͤhe ſteht, das iſt ſehr falſch; das Maximum findet ſtatt in der 21 und der 11 Stunde, das Minimum um 4 Uhr und 15 1∫2 Uhr. Der Mond ſcheint nicht ſowohl die Epochen als die Quantitaͤt der Hoͤhen zu veraͤndern. Ich beobachte jezt vorzuͤglich die Tage der Oppoſition und Konjunktion, und da mein Barometer die Zwanzigtheile einer Linie angibt, ſo zweifle ich nicht, daß der B. Laplace, deſſen Genie die Ebbe und Fluth des Meers gebaͤndigt hat, nicht auch die Geſeze der Ebbe und Fluth der Luft entdeken werde, ſo bald ich ihm nur einige tauſend Beobachtungen werde vorgelegt haben. Sehen Sie ſelbſt, wie merkwuͤrdig die Erſcheinung iſt. p. lig. 24 November 10 Uhr Morgens 27 . 5 . 75 — — — — — 12 . 45 M. . . . 5 . 45 — — — — — 2 . 0 . . . . 5 . 25 — — — — — 3 . 30 . . . . 5 . 10 — — — — — 4 . 45 . . . . 5 . 0 — — — — — 5 . 30 . . . . 5 . 10 — — — — — 7 . 0 . . . . 5 . 60 — — — — — 8 . 0 . . . . 5 . 60 — — — — — 9 . 0 . . . . 5 . 65 — — — — — 10 . 30 . . . . 5 . 65 Zugleich beobachte ich den Hygrometer und Thermometer. Mein Barometer iſt ein engliſcher. Ich gehe aber zu weit. Ich wollte meinem lieben Freund Pommard ſchreiben; die Zeit fehlt mir, er liebt mich und wird mich entſchuldigen. Ich gehe nicht nach den Philippinen. Ich gehe uͤber Akapulko, Mexiko, Havannah, nach Europa, wo ich Sie, wie ich hoffe, im September oder Oktober 1803 zu Paris umarmen werde. Im Februar werde ich in Mexiko ſeyn, im Julius in Havannah, denn ich denke an nichts als an die Manuſcripte, die ich beſize, und dem Publikum mittheilen will. O wie wuͤnſche ich in Paris zu ſeyn!