Notizen Alex. von Humboldt’s von ſeinen Reiſen in der Kordillere der Anden und von ſeinen phyſikaliſchen Beobachtungen in Quito und Mexiko. [Nach dem letzten ſeiner oben mitgetheilten Briefe, (S. 399,) war Herr von Humboldt im Begriffe, ſich in Kumana nach der Havana, der Hauptſtadt der Inſel Kuba, einzuſchiffen; (es geſchah den 18ten Nov. 1801.) Auf dieſer Fahrt, die man gewöhnlich in 8 bis 10 Tagen vollendet, hielten ihn Stürme über einen Monat zurück. In Kuba veränderte er ſeinen Reiſeplan, und ſtatt nach Mexiko zu gehn, beſchloß er, nach dem weſtlichſten Theile der Nordküſte Südamerika’s zurück zu kehren. Dazu beſtimmte ihn eines Theils der Umſtand, daß die Schifffahrt von Mexiko nach Peru durch die Südſee, (von Akapulko nach Guayaquil,) ſehr langwierig und beſchwerlich iſt, und er, um nach den Philippinen zu kommen, doch wieder hätte nach Akapulko zurück kehren müſſen; andern Theils die falſche Nachricht, Kapitän Baudin ſey von Frankreich nach Buenos Ayres und der Südſee unter Segel gegangen, indem er ſich durch ſein gegebnes Wort verpflichtet hielt, ſeine eigne Reiſe aufzugeben, und ſich mit den Naturforſchern bei der franzöſiſchen Entdeckungsreiſe zu vereinigen. Er übergab ſeine ſämmtlichen Manuſcripte, Karten u. ſ. w., und ſein Herbarium den Händen eines ſeiner Freunde in Havana, des Dr. Francisko Remirez, eines geſchickten Chemikers, der ſie nach geendigtem Kriege ſelbſt mit nach Europa nehmen wollte, überſendete Dubletten ſeines Herbariums durch Reiſende nach Frankreich und Berlin, und beſtieg, nachdem er ſo alles geſichert hatte, am 8ten März zu Batabano an der Südküſte von Kuba ein kleines Fahrzeug, das ihn nach Karthagena bringen ſollte. Meeresſtröme trieben das Schiffchen zu weit weſtlich, und der Steuermann verirrte ſich, aus Unglauben an die Chronometer unſers Landsmannes, ſogar bis in den Golf von Darien, von wo er 8 Tage lang gegen einen ſtürmiſchen Oſtwind mit der größten Gefahr die Küſte hinauf fahren mußte, um Karthagena zu erreichen. In dem Rio Sinu, wo ſie einliefen, wurde 2 Tage botaniſirt; unweit Karthagena, wo Herr von Humboldt ſich an der Küſte hatte ausſetzen laſſen, um die Mondfinſterniß am 29ſten März zu beobachten, entlief er nur eben der Gefahr, von entſprungnen Negerſklaven ermordet zu werden. Endlich am 30ſten März landete er glücklich zu Karthagena, (neue berl. Monatsſchrift, 1801, Nov., S. 394.) So weit dieſe vorläufigen Nachrichten. Ich theile nun die hierher gehörigen Stellen aus den Briefen unſers Landsmannes ſelbſt mit. d. H.] 1. Aus einem Briefe an den Legationsrath von Humboldt, damahls in Berlin. Neue berlin. Monatsſchr., 1802, Juni, S. 439—453. d. H. Contreras bei Ibagua im Königreich Neu- Granada, (4° 5′ nördl. Br.,) d. 2ten Sept. 1801. — — In Karthagena traf ich Hrn. Fidalgo und die Kommiſſion, welche, um dieſe Küſte aufzunehmen, mit ſehr ſchönen Chronometern und andern Inſtrumenten hierher geſandt iſt. Da ſich meine Ortsbeſtimmungen im Innern des Orinoko-Landes auf die Lage mehrerer Küſtenpunkte gründet, ſo war ich begierig, meine Beſtimmung derſelben mit denen des Herrn Fidalgo zu vergleichen. Wir fanden eine wunderbare und durchgängige Uebereinſtimmung in den Längenbeobachtungen. Auch fanden wir durch Vergleichung unſrer Tagebücher, daß die Magnetnadel ſeit 1798 auf dieſer Küſte eben ſo weſtlich, als in Europa öſtlich, zurück weicht, d. h., daß in Südamerika die öſtliche Abweichung ſchon angefangen hat, ſich zu vermindern. Nach Bouvard’s Beobachtungen auf der pariſer Sternwarte zu ſchließen, möchte dieſes Zurückweichen ſchwerlich bleibend, ſondern nur eine Anomalie ſeyn, dergleichen im Gange der Magnetnadel häufig vorkommen. Mehr davon in einem der folgenden Hefte der Annalen. d. H. Der lebhafte Wunſch, den großen Botaniker Don Joſe Celeſtino Mutis, der noch ein Freund Linné’s iſt, und ſich jetzt in Santa Fé de Bogota aufhält, zu ſehn, und unſre Pflanzenſammlung mit der ſeinigen zu vergleichen, und die Begierde, die ungeheure Kordillere der Anden zu bereiſen, die ſich von Lima ununterbrochen bis an die Mündung des Fluſſes Atrato, (in den Golf von Darien,) erſtreckt, um ſo eine auf eigne Beobachtungen gegründete Karte des ganzen Südamerika nordwärts vom Amazonenfluſſe geben zu können, bewogen mich, den Landweg nach Quito über Sta Fé und Popayan dem Seewege über Portobelo, Panama und Guayaquil vorzuziehn. Ich ſchickte daher nur meine größern Inſtrumente, die Bücher, welche ich nicht nöthig hatte, und andre Sachen auf dem Seewege ab; wir aber ſchifften uns nach einem faſt 3wöchentlichen Aufenthalte in Karthagena, auf dem großen Magdalenenfluſſe ein. Die Gewalt des angeſchwollnen, mächtig ſtrömenden Waſſers, die Katarakten, Stürme und Gewitter, die hier faſt ununterbrochen fortdauern und alle Nächte das ganze Himmelsgewölbe in Flammen ſetzen, verzögerten unſre Fahrt zwiſchen wenig bewohnten Wäldern. Auf einer Strecke von 40 franzöſiſchen Meilen fanden wir nicht eine menſchliche Wohnung. Wir ſchifften 45 Tage lang bis Honda, unter 5° nördl. Breite. Ich habe den topographiſchen Plan des Fluſſes in 4 Blättern, von denen der Vicekönig eine Kopie behalten hat, und ein barometriſches Nivellement von Karthagena bis Sta Fé gezeichnet, und an vielen Orten den Zuſtand der Luft unterſucht, da meine Eudiometer noch alle im Stande ſind. Ueberhaupt iſt kein einziges meiner koſtbarern Inſtrumente zerbrochen. Bouguer hat zwar auch auf ſeiner Rückreiſe nach Frankreich den Magdalenenfluß [herabwärts] beſchifft, er hatte aber keine Inſtrumente bei ſich. Außer einer Bouſſole, einer Platte zu einem Gnomon und einem Proportionalzirkel, vermittelſt deren Bouguer fleißig Breitenbeſtimmungen machte, die freilich nur ungefähr ſind. Er brachte auf der Fahrt, ſeinen Aufenthalt in Munpox abgerechnet, 14 Tage zu, während welcher man alle Nächte am Lande ſchlief. Er fand die Abweichung der Magnetnadel im November 1742 zu Quito 8 [Formel] ° NO., und die Inclination ungefähr 10° nördlich, ohne doch Uebereinſtimmung mit 3 Inclinationsnadeln von verſchiedner Länge erhalten zu können. Zu La Plata war 1743 im Februar die Abweichung ebenfalls 8 [Formel] °, und zu St. Martha im Juni 6° 35′ nordöſtlich. — Honda iſt nach Bouguer eine kleine freundliche Stadt am Einfluſſe des Guali in den Magdalenenfluß unter 5° 16′ nördl. Breite, wo die Schifffahrt auf dem Magdalenenfluſſe anfängt, obgleich dieſer Strom noch höher hinauf ſchiffbar iſt. d. H. Von Honda aus beſuchte ich die Bergwerke von Mariquita und Sta Anna, wo der unglückliche d’Elhuyar ſeinen Tod fand. Hier giebt es Plantagen von Zimmet, denen von Zeilon ähnlich, Wälder von Chinabäumen, und eine wahre Mußkatnuß, auf welche die Regierung jetzt ihre Aufmerkſamkeit richtet. Von Honda nach Sta Fé de Bogota ſteigt man 1370 Toiſen aufwärts, auf einem Felſenwege, der über alle Beſchreibung ſchlecht iſt, auf kleinen eingehauenen Treppen, die nur 18 bis 20 Zoll breit ſind, ſo daß die Maulthiere nur mit Mühe hindurch können. Aus dieſer Schlucht tritt man, (unter 4° 35′ nördl. Br.,) auf eine weite Ebene, die mehr als 32 Quadratlieues faßt, auf der man zwar keine Bäume fieht, die aber mit europäiſchen Getreidearten beſäet, und voll indiſcher Dörfer iſt. Dieſe Ebene, los Llanos de Bogota, iſt nach der Mythologie der Eingebornen der Boden eines ehemahligen Sees Funzhe, der durch eine Ueberſchwemmung entſtanden, und als die Sonne den Felſen Tequendama zertrümmert habe, (wo jetzt der berühmte Waſſerfall des Bogota iſt,) abgelaufen ſey. Unſre Ankunft in Sta Fé glich einem Triumphzuge. — — Bei der außerordentlichen Achtung, in welcher Mutis ſteht, ſuchte man ſo ihn und uns zu ehren. Der Vicekönig [von Neu-Granada] darf, der Etikette nach, in der Stadt mit niemanden eſſen; er war aber gerade auf ſeinem Landſitze Fucha und lud uns dahin zu ſich ein. Mutis hatte uns ein Haus in ſeiner Nähe einrichten laſſen und behandelte uns mit ausnehmender Freundſchaft. Er iſt ein ehrwürdiger alter Geiſtlicher, von beinahe 72 Jahren, und dabei ein reicher Mann: der König zahlt für die botaniſche Expedition, an deren Spitze er ſteht, jährlich 10000 Piafter. Seit 15 Jahren arbeiten 30 Mahler bei Mutis, und er hat 2 bis 3000 Zeichnungen in groß Folio, welche Miniaturgemählde ſcheinen. Nächſt der Banksiſchen in London habe ich nie eine größere botaniſche Bibliothek als die von Mutis geſehn. — Ungeachtet der Nähe beim Aequator iſt doch das Klima wegen der hohen Lage empfindlich kalt; das Thermometer ſteht meiſt auf 6 bis 7° R., oft auf 0, nie über 18°. Ich bin bei den Flußmiasmen und den Entzündung erregenden Moskito-Stichen völlig geſund geblieben; aber der arme Bonpland bekam das dreitägige Fieber, und das nöthigte uns, 2 volle Monat bis zum 8ten September in Sta Fé zu bleiben. Ich maß indeß die umliegenden Berge, deren mehrere 2000 bis 2500 Toiſen hoch ſind, und beſuchte den See Guatavita, die Steinſalzgruben von Zipaguira, und den Waſſerfall Tequendama, der wegen der Menge ſeines Waſſers außerordentlich ſchön, aber nur 91 Toiſen hoch iſt. So bald Bonpland wieder hergeſtellt war, verließen wir Sta Fé, und ſind jetzt auf dem Wege nach Quito. Der ältere der beiden Brüder, welcher Director der Bergwerke zu Sta Fé de Bogota war. d. H. Selbſt die fabelhaften Traditionen, (ſagt Herr von Humboldt in einem ſpätern Briefe an ſeinen Bruder,) und die Mythologie des alten Königreichs Bogota ſind intereſſant. Doch iſt die Geſchichte deſſelben in Europa ganz unbekannt. Die Prieſter wußten hier eine Mittagslinie zu ziehn, beobachteten den Zeitpunkt des Solſtitiums, und reducirten das Mondjahr auf das Sonnenjahr durch Einſchaltungen. Ich beſitze ſelbſt einen 7eckigen bei Sta Fé gefundnen Stein, der ihnen diente, die eingeſchalteten Tage zu berechnen. Der anſehnliche Fluß Bogota, an welchem Sta Fé liegt, ſtürzt hier, bei dem Orte Tequendama, 15 bis 16 Lieues unterhalb Sta Fé in einem einzigen Falle ſenkrecht herab, und ergießt ſich dann 8 Lieues weiterhin in den Magdalenenfluß; die Höhe des Falles war von ältern Schriftſtellern ausnehmend übertrieben worden. d. H. Ich ſchreibe dieſe Zeilen am Fuße der Kordillere, die ich in 3 Tagen beſteige. Wir wollen über Ibagua und die Schneegegenden von Quiridiu über die Anden gehn. Bouguer ging über Guanacas. Dieſer Paß durch die öſtliche Gebirgsreihe der Anden von Quito liegt 45 Lieues ſüdlicher, als der, den Herr von Humboldt wählte, und führt über die kleinen Städte La Plata, (2° 23′ nördl. Br.,) und Neyva, früher zum Magdalenenfluſſe, längs deſſen weſtlichem Ufer faſt der ganze ziemlich ebne Weg von La Plata nach Honda hinläuft. Die kleine Stadt Ibagua liegt nach Bouguer 6 Lieues weſtlich vom Magdalenenfluſſe und 21 Lieues ſüdweſtlich von Honda. d. H. 2. Aus vier Briefen an denſelben, datirt: Popayan, den 26ſten Nov. 1801; Quito den 3ten Juni; Cuença den 13ten Juli; Lima den 25ſten Nov. 1802. Die drei letztern Briefe kamen zugleich an; ſie finden ſich im Auszuge in den Annales du Muſeum d’hiſt. nat., t. 2, p. 322—337. d. H. — — Die Kordillere der Anden beſteht, [in Neu-Granada,] aus drei von einander getrennten Aeſten, auf deren öſtlichſtem Sta Fé di Bogota liegt. Wir mußten folglich von dort, um uns den Küſten der Südſee zu nähern, über die höchſte Kette, und dies geſchah bei Quiridiu und Tolima, wo wir 14 Tage über Schnee wanderten. Man kann ſich auf dieſem Wege nur der Ochſen bedienen, die das Gepäck tragen. Die Reiſenden pflegen ſich von Menſchen tragen zu laſſen, Largeros genannt. Der Reiſende ſitzt auf einem Stuhle, der auf den Rücken des Trägers gebunden iſt, und legt ſo täglich 3 bis 4 Stunden Weges zurück. Bei dieſer mühſamen Arbeit verdient der Träger in 5 bis 6 Wochen nur 14 Piaſter. Wir gingen lieber zu Fuß, und da das Wetter ſehr ſchön war, brachten wir nur 17 Tage in dieſen Einöden zu, wo man keine Spur ſieht, daß ſie je wären bewohnt worden, und wo man in Hütten aus Heliconia-Blättern ſchläft, die man zu dem Ende ausdrücklich mitnimmt. Am weſtlichen Abhange der Andes trifft man auf Brüche, in welche wir bis an das Knie einſanken. Das Wetter hatte ſich geändert, und es regnete heftig die letzten Tage über. Unſere Stiefeln verfaulten uns an den Füßen und wir kamen barfuß und voller Wunden, doch mit einer Menge neuer Pflanzen bereichert, in Karthago an. Von hier gingen wir über Buga und durch das ſchöne Thal des Fluſſes Cauca längs dem Berge von Choca und den Platingruben in ihm, nach der Stadt Popayan. In Popayan blieben wir den ganzen November 1801, und beſuchten von hier aus die Baſaltberge von Juluſuito, die Mündungen des Vulkans von Puracé, aus denen unter einem furchtbaren Getöſe Dämpfe von ſchwefelwaſſerſtoffhaltigem Waſſer heraus dringen, und die Prophyr-Granite von Piſché, welche 5ſeitige bis 7ſeitige Säulen, denen ähnlich bilden, die ich im euganeiſchen Gebirge in Italien geſehn habe, und die Strange beſchrieben hat. Popayan liegt unter 2° 27′ nördl. Breite, zwiſchen den beiden Bergreihen der Anden von Quito, welche das Thal von Quito bilden. Eben ſo, nach Bouguer, die Stadt Paſto am Fuße eines immer brennenden Vulkans unter 1° 13 [Formel] ′ Breite, und der Flecken Combal unter 49′ nördlicher Breite, am Fuße eines mit ewigem Schnee bedeckten Vulkans. „Die öſtliche dieſer beiden Bergreihen,“ (ſagt Bouguer, p. LXV,) „geht in gleicher Höhe, (da ſich immer ſtellenweiſe Gipfel mit ewigem Schnee in ihr zeigen,) in ihrer erſten Richtung noch ungefähr 100 Lieues weiter nach Norden, zwiſchen dem Fluſſe Cauca und dem Magdalenenfluſſe, und hört auf, wo beide ſich vereinigen. Nur mit Zittern wagt man es, ſie zu überſteigen, beſonders wenn man von außen her kömmt.“ Von dem Paſſe von Guanacas, der von Popayan nach La Plata unter 2° 34′ nördl. Br. durch dieſe Gebirgskette führt, macht Bouguer eine furchtbare Beſchreibung. Ueber 2 Lieues weit iſt der ganze Weg mit Knochen von Maulthieren, die auf ihm umgekommen ſind, wie gepflaſtert. Es geht zwiſchen zwei aus ewigem Schnee bedeckten Bergen hindurch, dem Berge von Huila, der nördlich, und dem erloſchnen, mit ewigem Schnee bedeckten Vulkan, Kokunuko, der 4 bis 5 Lieues ſüdlich bleibt. Auf der Höhe der Schlucht war ein kleiner nicht gefrorner Teich, und keine 100 Toiſen davon weſtlich eine der Quellen des Kauka und öſtlich eine der Quellen des Magdalenenfluſſes. Bouguer ſchätzt die Entfernung zwiſchen La Plata und Popayan nur auf 19 bis 20 Lieues, und doch bringt man auf dieſem Wege mehrentheils 20 bis 22 Tage zu, beſonders, da man ſich vom Dorfe Guanacas aus nicht anders in den Paß wagen darf, als bei ganz ſicherm Wetter. — Nach Bouguer ſteht das Barometer zu Popayan auf 22″ 10 [Formel] ‴, zu La Plata auf 25″, und zu Honda auf 27″ 5 [Formel] ‴. d. H. Noch hatten wir den ſchwierigſten Theil des Weges vor uns, da wir über die Paramos von Paſto mußten, um nach Quito zu kommen, und das während der Regenzeit, die ſchon angefangen hatte. Paramo, [Wüſte,] nennt man in den Anden die Stellen, wo in einer Höhe von 1700 bis 2000 Toiſen faſt alle Vegetation aufhört; es herrſcht auf ihnen eine Kälte, die bis auf die Knochen dringt. Um der Hitze im Thale von Patia auszuweichen, wo man ſich in einer einzigen Nacht Fieber zu hohlen pflegt, die Monate dauern, und unter dem Namen: Fieber von Patia, berüchtigt ſind, gingen wir über den Gipfel der Kordillere, neben ſchrecklichen Abgründen, nach Almager, und von da nach der kleinen Stadt Paſto, welche am Fuße eines furchtbaren Vulkans liegt, und wo wir das Weihnachtsfeſt zubrachten. Der Eingang und Ausgang aus Paſto ſind der beſchwerlichſte und elendeſte Weg, der mir vorgekommen iſt. Es geht durch dichte moraſtige Waldungen; die Mauleſel finken bis an den halben Leib ein, und es geht durch ſo enge und tiefe Schluchten durch, daß man in ein Bergwerk einzufahren glaubt. Auch liegt der Weg voller Knochen von Maulthieren, die darauf vor Froſt und Erſchöpfung umgekommen ſind. Die ganze Provinz von Paſto, einſchließlich der Gegenden um Guachucal und Tuquères, iſt ein gefrornes Plateau, das beinahe über die Gränze aller Vegetation hinaus liegt, und von Vulkanen und Schwefelgruben umgeben iſt, aus denen immerfort Wirbel von Rauch aufſteigen. Die bedauernswerthen Bewohner dieſer Wüſten haben kein anderes Nahrungsmittel als die Patatas; fehlen dieſe, wie im vorigen Jahre, ſo gehn ſie in die Gebirge, und eſſen die Rinde eines kleinen Baums, (Pourretia pitcarnia,) von der auch die Bären der Andes leben und die ſie ihnen ſtreitig machen. Nördlich am Vulkan von Paſto habe ich in dem kleinen indianiſchen Dorfe Voiſaco, 1370 Toiſen über dem Meere, einen rothen Thonporphyr mit glaſigem Feldſpath und Hornblende gefunden, der eben ſolche magnetiſche Eigenſchaften hat, als der von mir im Fichtelgebirge entdeckte Serpentinſtein. Er hat ſehr markirte Pole, und äußert auf Eiſen nicht die geringſte anziehende Kraft. Bouguer hatte ähnliche magnetiſche Felſen außerhalb des Thals zwiſchen beiden Gipfelreihen, hinter La Plata wahrgenommen. Er habe, ſagt er, (Fig. de la terre, p. LXXXIII,) um vermittelſt der Bouſſole ſeinen Weg richtig aufzunehmen, mehrmahls die Abweichung der Magnetnadel beobachten müſſen, da ſich in ihr manche Irregularitäten zeigten: „Ich fand öfters Felsſtücke, (des quartiers de roches,) über den Boden zerſtreut, die von außen ſchwarz außahen, als wären ſie im Feuer geweſen, und die vielleicht von einem Vulkane mögen ausgeworfen ſeyn. Ich weiß ſie mit nichts beſſer, als mit Thonmaſſen zu vergleichen, die an der Sonne geriſſen und geborſten, und dann zu Stein geworden ſind. In dieſen Gegenden hatte die Magnetnadel ganz verſchiedne Abweichungen, und 5 bis 6 Schritt reichten hin, um die Abweichung bedeutend, manchmahl um volle 30°, ſich verändern zu ſehn. Man findet dergleichen Steine an verſchiednen Orten, die beiden ausgezeichnetſten aber zwiſchen La Plata und Honda 3 Lieues vom Dorfe Bacche, (3° 16′ nördl. Breite.) Der größte beider hat eine Länge von 20 und eine Höhe von 11 Fuß, iſt ſehr glatt, ohne Riß, und es waren darauf verſchiedne Charaktere eingegraben. — — Die Eigenſchaft aller dieſer Felsſtücke, ſtark auf die Magnetnadel zu wirken, beweiſt zwar, daß ſie viele Eiſentheile enthalten; dieſe ſind aber in ihnen ſehr verſteckt, denn das Innere derſelben iſt weiß und von einem ſehr feinen Korne. d. H. Nachdem wir zwei Monate Tag und Nacht durchnäßt worden, und beim Städtchen Ibarra durch ein plötzliches Wachſen des Waſſers bei einem Erdbeben in Gefahr geweſen waren, zu ertrinken, kamen wir endlich am 6ten Januar 1802 in Quito an, wo der Markis von Selvalègre für uns ein ſchönes Haus hatte einrichten laſſen, das nach ſo viel Beſchwerden uns alle Bequemlichkeit darbot, wie wir ſie nur immer in London und Paris hätten wünſchen können. Quito iſt eine ſchöne Stadt, aber der Himmel iſt ſehr traurig und neblig, die Berge umher zeigen uns wenig grün, und es iſt bedeutend kalt. Das gewaltige Erdbeben vom 4ten Februar 1797, das die ganze Provinz erſchütterte, und in einem Augenblicke 35000 bis 40000 Menſchen tödtete, iſt auch in dieſer Hinſicht den Einwohnern nachtheilig geweſen; denn es hat die Temperatur der Luft ſo außerordentlich geändert, daß jetzt das Thermometer hier gewöhnlich zwiſchen 4° und 10° R. ſteht, und nur ſelten bis auf 16 oder 17° ſteigt, indeß Bouguer es hier immerfort auf 14 oder 15° R. ſtehn ſah. Seit dieſer Kataſtrophe haben die Erdbeben nicht aufgehört. Und welche Stöße! Es iſt mir ſehr wahrſcheinlich, daß der ganze hoch liegende Theil der Provinz Quito nur ein einziger Vulkan iſt. Was man die Berge Cotopaxi und Pichincha nennt, ſind nur kleine Gipfel, und ihre Krater verſchiedne Röhren, die alleſammt zu derſelben Höhlung herab gehn. Das Erdbeben von 1797 hat dieſe Hypotheſe nur allzu ſehr beſtätigt; überall öffnete ſich damahls der Erdboden, und ſpie Schwefelwaſſer u. d. m. aus. Die Einwohner von Quito ſind, ungeachtet dieſer Schrecken und Gefahren, mit denen die Natur ſie umgeben hat, fröhlich, lebhaft und liebenswürdig; ihre Stadt athmet nur Wolluſt und Luxus, und nirgends herrſcht vielleicht ein mehr entſchiedner und allgemeiner Trieb, ſich zu ergötzen. Cavanilles Nachrichten von dieſem Erdbeben, erläutert aus den frühern Erzählungen von Bouguer und Condamine, findet man in den Annalen, VI, 67—80. d. H. Das Barometer ſteht, nach Bouguer, in Quito auf 20″ 1‴, daher die Luft hier um [Formel] dünner als an der Meeresfläche iſt. d. H. Wir haben uns beinahe 8 Monat in der Provinz Quito aufgehalten, von Anfang Januar bis im Auguſt, und uns während dieſer Zeit damit beſchäftigt, die Vulkane derſelben, einen nach dem andern, zu unterſuchen. So haben wir den Pichincha, Antiſana und Illiniça durchforſcht, indem wir uns bei jedem 14 Tage bis 3 Wochen aufhielten, und in den Zwiſchenzeiten immer wieder nach Quito zurück kehrten; erſt am 9ten Juni 1802 verließen wir dieſe Stadt für immer, um den ſüdlichen Theil der Provinz zu unterſuchen. Ich bin zwei Mahl, (den 26ſten und 28ſten Mai,) am Rande des Kraters des Pichincha geweſen, des Vulkans, an deſſen Fuße die Stadt Quito ſteht. Bis jetzt hatte ihn, ſo viel man weiß, noch niemand, außer Condamine geſehn, der ihn erſt nach 5 oder 6 Tage vergebner Bemühung, ohne Inſtrumente erreicht, und wegen der ausnehmenden Kälte nur 12 bis 15 Minuten dort auszudauern vermocht hatte. Es iſt mir geglückt, meine Inſtrumente mit hinauf zu bringen, und manche Meſſungen mit ihnen anzuſtellen; auch habe ich eine Flaſche hier geſammelter Luft analyſirt. Das erſte Mahl war ich mit einem Indianer allein, und ſchlug denſelben Weg ein, den Condamine genommen hatte, über die Schneewand an der niedrigſten Stelle des Kraters. Wir liefen indeß hier Gefahr, umzukommen. Mein Begleiter verſank plötzlich bis an die Bruſt, und wir fanden mit Schrecken, daß wir auf einer Brücke aus gefrornem Schnee gegangen waren, da wenige Schritte von uns ſich Löcher zeigten, durch die das Tageslicht ſchien. Ohne es zu wiſſen, befanden wir uns alſo auf Gewölben, über dem Krater. Dieſes benahm mir indeß den Muth nicht, beſtimmte mich aber, den Plan zu ändern. Aus der Umgebung des Kraters ragen 3 felſige Pics hervor, die nicht mit Schnee bedeckt ſind, weil die Dämpfe des Vulkans den Schnee auf ihnen unaufhörlich ſchmelzen. Einen dieſer Felſen erſtieg ich, und fand auf der Spitze deſſelben eine Art von Balcon, 12 Fuß lang und 6 Fuß breit, der von der Seite des Kraters her unterminirt iſt, und in ihm vorſteht. Hier verweilte ich, ungeachtet dieſer Felſen oft und heftig bebte; in weniger als 30 Minuten zählten wir 18 Stöße. Auf dem Bauche liegend, ſchauten wir von hier bis auf den Boden des Kraters herab. Schwerlich giebt es in der ganzen Natur etwas traurigeres, finſtereres und ſchreckbareres, als was uns dieſer Anblick zeigte. Die Mündung des Vulkans iſt ein kreisrundes Loch von faſt 1 Lieue Umfang, deſſen ſenkrechte Wände oben mit Schnee bedeckt ſind. Das Innere iſt dunkelſchwarz, und der Abgrund ſo unermeßlich, daß man darin deutlich die Gipfel mehrerer in ihm ſtehenden Berge wahrnimmt, deren Spitzen 300 Toiſen unter uns zu ſeyn ſchienen. Hiernach zweifle ich nicht, daß der Boden des Kraters in einerlei Niveau mit der Stadt Quito liegt. Condamine fand dieſen Krater erloſchen und ſelbſt mit Schnee bedeckt; es war eine traurige Nachricht, die wir den Einwohnern von Quito mit herab bringen mußten, daß der Vulkan, an welchem die Stadt liegt, jetzt in Brand iſt, wovon unverkennbare Zeichen uns offenbar überzeugten. Wir wurden von Schwefeldämpfen faſt erſtickt, da wir uns dem Rande näherten; wir ſahen ſelbſt hier und da bläuliche Flammen aufwallen, und alle 2 bis 3 Minuten fühlten wir heftige Stöße von Erdbeben, welche den Rand des Kraters erſchüttern, und die 100 Toiſen davon nicht mehr merkbar ſind. Wie ich vermuthe, hat die große Kataſtrophe am 4ten Febr. 1797 auch das Feuer im Pichincha wieder entzündet. — Nach zwei Tagen wagte ich mich in Begleitung von Bonpland und Karl von Montufar, Sohn des Markis von Selvaalègre, noch ein Mahl hierher. Wir nahmen jetzt noch mehrere Inſtrumente mit, und maßen den Durchmeſſer des Kraters und die Höhe des Berges. Jenen fanden wir 754, dieſe 2477 Toiſen. Der Krater des Veſuvs hat nur 312 Toiſen im Durchmeſſer. Ein ſehr ſtarkes Erdbeben, welches wir in den 2 Tagen zwiſchen beiden Expeditionen in Quito hatten, ſchrieben die Indianer einem Pulver zu, das ich in den Vulkan geworfen haben ſollte. Es gehört zur weſtlichen Kette. Auf dem felſigen Gipfel deſſelben, der die Gränze des ewigen Schnees eben erreicht, brachten Bouguer und Condamine, bei ihren Meſſungen, in einer Höhe von 2434 Toiſen über dem Meere und mehr als 900 Toiſen über Quito, 3 volle Wochen zu. Das Barometer ſtand hier auf 15″ 11‴, das Thermometer variirte zwiſchen 17° R. und mehrern Graden unter 0, und des Abends war die Kälte in ihrer ſorgfältig verwahrten Hütte ſo groß, daß das Waſſer in ihren Trinkgläſern fror, ungeachtet ein Kohlenbecken und mehrere Lichter auf dem Tiſche ſtanden. Die körperlichen Beſchwerden, die ſie hier empfanden, rührten, nach Bouguer, nur von dieſer Kälte, und nicht von der Dünnheit der Luft her. d. H. Der Pichincha hat 1577, 1639 und 1660 Ausbrüche gehabt, von denen aber keiner der Stadt Quito ſchädlich geworden iſt. d. H. Auf unſrer Reiſe zum Vulkan Antiſana wurden wir ſo vom Wetter begünſtigt, daß wir bis zu einer Höhe von 2773 Toiſen hinauf klommen. Das Barometer ſtand da auf 14″ 7‴, und wegen der ſehr dünnen Luft drang uns Blut aus den Lippen, dem Zahnfleiſche, und ſelbſt aus den Augen. Wir fühlten eine außerordentliche Ermattung, und einer unſrer Begleiter fiel in Ohnmacht. Auch hatte man es bisher für unmöglich gehalten, höher zu kommen, als der Gipfel des Corazon iſt, den Condamine erſtiegen hatte, und der 2470 Toiſen, (14620 Fuß,) über das Meer erhaben iſt. Die auf dem höchſten Punkte, den wir erreicht hatten, eingeſammelte Luft enthielt, als ich ſie zerlegte, 0,008 kohlenſaures Gas und 0,218 Sauerſtoffgas. Einer der höchſten kegelförmigen Vulkane der Oſtkette, nur wenig ſüdlich von Quito und nordöſtlich vom Cotopaxi. Sein Gipfel iſt, nach Condamine, 3016 Toiſen über das Meer erhaben. Er warf 1590 Feuer aus. d. H. Der Corazon und der Illiniza ſtehn beide in der Weſtkette, dem Antiſana und Cotopaxi gegen über. Auf dem Corazon, der höchſten Höhe, welche Bouguer und Condamine erſtiegen haben, ſtand das Barometer auf 15″ 9 [Formel] ‴. d. H. Den Krater des Cotopaxi zu erreichen, fanden wir unmöglich. Daß dieſer Berg beim Erdbeben am 4ten Febr. 1797 niedriger geworden ſey, iſt unrichtig. Den 9ten Juni 1802 verließen wir Quito, um im ſüdlichen Theile der Provinz den Chimborazo und Tunguragua zu unterſuchen, ihre Höhe zu meſſen, und den Plan des ganzen durch die Kataſtrophe von 1797 zerſtörten Landſtrichs aufzunehmen. Es iſt uns geglückt, uns der Spitze des Chimborazo bis auf 250 Toiſen zu nähern. Eine Reihe vulkaniſcher Felſen, die frei von Schnee waren, erleichterte uns das Hinanklimmen. Wir kamen bis zu einer Höhe von 3031 Toiſen, indem wir dieſelben Unbequemlichkeiten als auf dem Gipſel des Antiſana empfanden; ja, es blieb uns ſelbſt noch 2 bis 3 Tage nachher eine Unbehaglichkeit, die wir lediglich der Wirkung der verdünnten Luft zuſchreiben konnten. Die hier aufgefangene Luft enthielt nur 0,20 Sauerſtoffgas. Die Indianer, welche uns, (das heißt, Bonpland, Karl von Montufar, mich und einen meiner Bedienten, der einen Theil meiner Inſtrumente trug,) begleiteten, hielten es nicht aus, und verließen uns, ehe wir dieſe äußerſte Höhe erreichten, indem ſie uns fragten, ob wir ſie tödten wollten. Wir würden deſſen ungeachtet unſern Weg bis zur höchſten Spitze fortgeſetzt haben, hätte uns nicht eine Spalte, die zu tief war, als daß wir hätten hindurch klettern können, den Weg abgeſchnitten. Es war ſehr gut, daß wir da umgekehrt waren; denn auf unſerm Rückwege bekamen wir ſo viel Schnee, daß wir uns kaum zurecht fanden. Nur ſchlecht geſchützt gegen die durchdringende Kälte dieſer hohen Regionen litten wir alle außerordentlich, beſonders ich, dem vor ein paar Tagen ein Fall einen geſchwollenen Fuß zugezogen hatte, auf dieſem Wege, wo man jeden Fußtritt berechnen mußte, und alle Augenblicke an einen ſpitzigen Stein ſtieß. Unſer kurzer Aufenthalt in jener außerordentlichen Höhe war gar traurig; Nebel (brume) umhüllten uns, und ließen uns nur dann und wann die ſchrecklichen Abgründe erblicken, die uns umgaben; nicht ein einziges lebendes Weſen zeigte ſich in dieſen Höhen, obſchon auf dem Antiſana der Condor noch über unſerm Haupte geſchwebt hatte; kleine Mooſe waren die einzigen organiſchen Weſen, die uns daran erinnerten, daß wir uns noch auf der bewohnten Erde befanden. — — Dieſer ganze ungeheure Koloß, (ſo wie alle hohe Gipfel der Anden,) beſteht nicht aus Granit, ſondern aus Porphyr, vom Fuße bis zur Spitze, und der Porphyr hat hier eine Mächtigkeit von 1900 Toiſen, (11400 Fuß.) Höchſt wahrſcheinlich iſt auch er ein Vulkan, ſo gut als der Pichincha und der Antiſana. Der Felſenweg, auf dem wir ihn beſtiegen, beſteht aus einer gebrannten und verſchlackten, mit Bimsftein gemengten Gebirgsart, und gleicht in allem den Lavaſtrömen dieſes Welttheils; er ging noch über den Punkt, wo wir unſre Nachforſchung endigen mußten, zum Gipfel des Bergs hinauf. Es iſt möglich, daß dieſer Gipfel der Krater eines erloſchenen Vulkans iſt, und das ſcheint mir ſelbſt wahrſcheinlich zu ſeyn. — — Beide liegen einander gegen über, unter 1° 30′ ſüdl. Breite, der Tunguragua in der Oſt-, der Chimborazo in der Weſtkette. Nach Bouguer und Condamine iſt jener 2623, dieſer 3217 Toiſen hoch. d. H. Während unſers Aufenthalts zu Riobamba, wo wir bei dem Bruder Montufar’s, der Corregidor iſt, einige Wochen zubrachten, führte uns der Zufall eine ſehr intereſſante Entdeckung zu. [Bei dem Könige der Indianer zu Lican fanden ſie eine von ſeinen Vorfahren im 16ten Jahrhundert geſchriebne Geſchichte von Quito, vor dem Einfalle der Peruaner 1470.] Wir ſchöpften aus ihr beſonders ſehr wichtige Nachrichten über den Ausbruch des Nevado del Attas, der ehemahls höher als der Chimborazo und folglich der höchſte Berg der Erde geweſen ſeyn muß, und den die Eingebornen Capa-urcu, das heißt, Haupt der Berge, nannten. Damahls regierte zu Lican der letzte unabhängige König des Landes; und die Prieſter weiſsagten ihm aus jener Kataſtrophe ſeinen Untergang. Der Ausbruch des Vulkans dauerte 7 Jahr, und das Manuſcript erzählt, es ſey wegen des Aſchenregens in Lican 7 Jahre lang unaufhörlich Nacht geweſen. Nach der ungeheuren Menge vulkaniſcher Materien zu urtheilen, die ſich in der Ebene von Tapia um den gewaltigen Berg finden, der damahls eingeſtürzt ſeyn ſoll, möchte man dieſes faſt für möglich halten, da der Cotopaxi ſchon oft Quito 14 bis 18 Stunden lang in Finſterniß gehüllt hat. — — — Ich beſuchte noch von hier aus die großen Schwefelbergwerke von Tirrau. Dieſen Berg von Schwefel wollten die Indianer, die ſich nach dem Erdbeben von 1797 empört hatten, in Feuer ſetzen, um, wie ſie hofften, dadurch einen Vulkan hervor zu bringen, der die ganze Provinz von Alauſſy verſchlingen ſollte. Wahrſcheinlich der el Altar mont neigée auf Bouguer’s Karte, der in der Weſtkette, zwiſchen dem Tunguragua und dem Sangay, gerade weſtlich über Riobamba und Lican ſteht, und nach Condamine jetzt 2730 Toiſen hoch iſt. d. H. Von Riobamba gingen wir nach Cuença, über das berüchtigte Paramo del Aſſuay, auf dem man in einer Höhe von 2300 Toiſen noch jetzt die Ruinen des herrlichen Weges der Incas ſieht, der faſt bis nach Cuzco ging. Er war ganz aus gehauenen Steinen erbauet, ſehr gut allignirt, und glich den ſchönſten Heerſtraßen der Römer. Auch finden ſich hier die Ruinen des Pallaſtes des Inca Tupayupangi, (des Eroberers von Quito,) welchen Condamine in den berliner Mémoires beſchrieben hat. — — In Cuença blieben wir nur 10 Tage, gingen dann in die Provinz von Jaen, wo wir uns in der Nachbarſchaft des Amazonenfluſſes einen Monat verweilten, und langten am 23ſten October 1802 in Lima an. Von hier denke ich im December nach Akapulko in Mexiko abzugehn. — — Den Plan, über die Philippinen zurück zu kehren, habe ich aufgegeben. Ich würde auf dieſer langwierigen Fahrt nichts als Manilla und das Cap zu ſehn bekommen haben; und ſelbſt, um nach Oſtindien zu kommen, würde mir die Gelegenheit gefehlt haben. Der Aſſuay trennt die Provinzen Riobamba und Cuença. Auf einem ſeiner Gipfel, dem Sinazahuan, ſtand, 2334 Toiſen über dem Meere, das höchſte Signal der franzöſiſchen Akademiker, das zu ihrer Gradmeſſung wirklich diente, und ſie brachten dort über 10 Tage unter einem Zelte mit Lebensgefahr zu. d. H. In der Stadt Munpox hatten wir uns 40 bis 50 junge, 7 bis 8 Zoll lange Krokodille verſchafft, über deren Reſpiration ich ſehr merkwürdige Verſuche angeſtellt habe. Statt, daß andre Thiere das Gasvolumen, worin ſie leben, vermindern, vermehren es die Krokodille. Ein Krokodill in 1000 Theilen atmoſphäriſcher Luft eingeſchloſſen, die 274 Th. Sauerſtoffgas, 15 Th. kohlenſaures Gas und 711 Th. Stickgas enthielten, vermehrte dieſe Luftmaſſe innerhalb 1 Stunde und 43 Minuten, um 124 Theile, und die 1124 Theile, welche nun vorhanden waren, enthielten 106,8 Th. Sauerſtoffgas, 79 Th. kohlenſaures Gas und 938,2 Th. Stickgas, vielleicht mit andern unbekannten Gasarten, auf welche die ſalzbaren Grundſtoffe keine Wirkung äußerten, vermiſcht. Das Krokodill erzeugt folglich in 1 [Formel] St. 64 Th. kohlenſaures Gas, und abſorbirt 167,2 Th. Sauerſtoffgas, wovon 46 im kohlenſauren Gas vorhanden ſind, 121 aber das Thier ſich aneignet, welches bei der Farbe ſeines Bluts ſehr wenig iſt. Zu der Analyſe der Luft diente mir Kalkwaſſer und ſehr ſorgfältig bereitetes Salpetergas. Die Verſuche ſind ſehr mühſelig und erfordern große Vorſicht. — Das Krokodill iſt für kohlenſaures Gas ſo empfindlich, daß es ſtirbt, wenn man es in Luft bringt, die ſchon durch ein Krokodill verdorben worden iſt; doch kann es 2 bis 3 Stunden ohne alle Reſpiration leben. So klein die Thiere auch waren, ſo hätten ſie doch einen Finger abbeißen können, und ſie hatten den Muth, einen Hund anzugreifen. Wir bringen ſehr genaue und umſtändliche Beſchreibungen des ſüdamerikaniſchen Krokodilles mit, wovon es 3 verſchiedne Arten giebt, die das Volk durch die Namen: Bava, Caiman, Krokodill, unterſcheidet. Dieſe Ungeheuer ſind in den hieſigen tropiſchen Gegenden die wahren Fiſche der Flüſſe, und an einigen Orten von einem ſo guten Naturell, daß man ſich in ihrer Gegenwart badet, an andern ſo bösartig und grauſam, daß ſie wohl Indianer mitten in der Straße an den Kayen anfallen und verſchlingen. — — Eine bedeutende Handelsſtadt, unter 9° 19′ nördl. Br., am weſtlichen Uſer des Magdalenenfluſſes, der 7 Lieues oberhalb Munpox den Fluß von Cauca aufnimmt, und ſich 44 Lieues nördlicher in das Meer ergießt. Im December ſchwillt hier der ſehr breite Strom um 12 bis 13 Fuß jährlich an. d. H. Nahe bei Sta Fé findet ſich im Campo de Gigante in einer Höhe von 1370 Toiſen eine ungeheure Menge foſſiler Elephantenknochen, theils von der afrikaniſchen, theils von der fleiſchfreſſenden Art, deren Skelette man am Ohio entdeckt hat. Wir haben da nachgraben laſſen, und mehrere Exemplare dem Nationalinſtitute überſendet. Ich zweifle, daß man dieſe Knochen ſchon anderswo in einer ſolchen Höhe gefunden hat. Seitdem habe ich einen ſolchen Knochen erhalten, den man in den Andes von Quito unter 2° Breite gefunden hatte, und einen zweiten aus Chili. Daraus läßt ſich die Exiſtenz dieſer gigantesken Elephanten vom Ohio bis zu den Patagonen darthun. Ich bringe eine ſchöne Sammlung dieſer foſſilen Knochen für Cuvier mit. Im Thale des Magdalenenfluſſes hat man vor 15 Jahren ein vollſtändiges verſteinertes Krokodillſkelett in einem Kalkſteinfelſen gefunden; leider iſt es zerſchlagen worden, und der Kopf, der noch vor kurzem exiſtirte, war nicht mehr aufzutreiben. 3. Aus einem Briefe an Delambre, einen der Secretaires perpetuels des Nationalinſtituts. Annales du Muſeum d’hiſt. nat., t. 2, p. 322. d. H. Lima den 25ſten Nov. 1802. Mein verehrter Freund. Eben komme ich vom Innern des Landes zurück, wo ich in einer weiten Ebene Beobachtungen über die ſtündlichen Abweichungen der Magnetnadel angeſtellt habe, und erfahre mit Bedauern, daß die Fregatte Aſtigarraga, welche erſt in vierzehn Tagen abgehn ſollte, ihre Reiſe beſchleunigt hat, und dieſe Nacht nach Cadix unter Segel gehn wird. Seit 5 Monaten iſt das die erſte Gelegenheit, um von dieſen Ländern an der Südſee nach Europa zu ſchreiben. Dem Nationalinſtitute, das mir ſeine Theilnahme auf eine ſo aufmunternde Weiſe bezeugt hat, wie ich ſollte, zu ſchreiben, iſt mir bei der Kürze der Zeit unmöglich. Der Brief, den Sie, als Organ deſſelben, mir am 9ten Pluvioſe Jahr 9 geſchrieben haben, hat volle zwei Jahre gebraucht, um mich in der Kordillere der Anden zu erreichen. Ich erhielt ihn kurz vor meiner Abreiſe von Quito, den Tag nach einer zweiten Expedition zum Krater des Pichincha, die ich unternommen hatte, um dort ein Voltaiſches Electrometer zu beobachten, und den Durchmeſſer des Kraters zu meſſen. Auf der Spitze des Guaga- Pichincha, wo ich oft geweſen bin, und die ich als klaſſiſchen Boden liebe, war es auch, wo Condamine und Bouguer den erſten Brief von der pariſer Akademie erhielten; und ſo ſcheint der Pichincha den Phyſikern Glück zu bringen. — — Wie ſüß iſt es, zu wiſſen, daß man im Andenken derer lebt, deren Arbeiten unausgeſetzt das Gebiet des menſchlichen Wiſſens erweitern. — — Lange zuvor, ehe ich dieſen Brief erhielt, habe ich der phyſikaliſchen und mathematiſchen Klaſſe des Nationalinſtituts drei Briefe überſandt: zwei von Sta Fé di Bogota und den dritten von Quito aus. Bei den erſtern befand ſich ein Aufſatz von mir über das Genus Cinchona, [des Baums der Fieberrinde,] mit einer Sammlung von 7 verſchiednen Arten von Chinarinde, mit farbigen Zeichnungen der Bäume, von denen ſie kommen, und der Anatomie ihrer Blüthen, welche ſich durch die Länge der Staubfäden weſentlich von einander unterſcheiden, und mit trocknen, ſorgfältig gemachten Skeletten. Der Dr. Mutis, der mich mit der ausgezeichnetſten Freundſchaft behandelt hat, und aus Liebe zu dem ich 40 Tage zugebracht habe, um den [Magdalenen-] Strom hinauf zu fahren, hatte mir gegen hundert prachtvolle Pflanzengemählde in groß Folio, von neuen Geſchlechtern und Arten, aus ſeiner Flora von Bogota, die noch Manuſcript iſt, geſchenkt. Ich habe geglaubt, dieſe könnten ſich nicht in beſſern Händen als denen der Juſſieu, Lamark und Desfontaines befinden, und habe mich daher beeifert, ſie dem Nationalinſtitute als ein ſchwaches Zeichen meiner Anhänglichkeit zu überreichen. Sie und die Sammlung der Cinchonen ſind in der Mitte Juni 1802 nach Karthagena abgegangen, und Mutis ſelbſt hat es übernommen, für ihre Ankunft in Paris zu ſorgen. Den dritten von Quito aus geſchriebnen Brief begleitete eine geologiſche Sammlung der vulkaniſchen Produkte des Pichincha, Cotopaxi und Chimborazo. Wie unangenehm iſt es, in Zweifel zu bleiben, ob dieſe Sendungen gehörig angekommen ſind. — — — Mit derſelben Gelegenheit erhielt der Herr Legationsrath von Humboldt in Rom die oben mitgetheilten Briefe von ſeinem Bruder, ſ. S. 457. d. H. Beide Sendungen hat das Nationalinſtitut vor kurzem erhalten. d. H. Meine Geſundheit hat fortdauernd den großen Temperaturveränderungen, denen man auf dem höchſt beſchwerlichen Wege von Sta Fé über den Berg von Quiridiu, und über Popayan und Paſtos nach Quito ausgeſetzt iſt, auf eine bewundernswürdige Art widerſtanden. Täglich ſtiegen wir von Schneefeldern, die 2460 Toiſen über dem Meere liegen, in brennend heiße Thäler hinab, wo das Thermometer auf 24 bis 26° R. ſtand. Dagegen litt mein Gefährte Bonpland, deſſen Kenntniſſe, Muth und unendliche Thätigkeit mir bei den botaniſchen und anatomiſchen Unterſuchungen vom größten Nutzen ſind, 2 Monate lang am 3tägigen Fieber. Die Regenzeit überfiel uns auf der mißlichſten Stelle, auf dem hohen Plateau von Paſtos. Endlich, nach einer Reiſe von 8 Monaten, kamen wir in Quito an, und erfuhren hier, daß Baudin ſeinen Weg öſtlich um das Vorgebirge der guten Hoffnung genommen habe. Des Mißgeſchicks gewohnt, tröſteten wir uns mit dem Gedanken, ſo große Opfer einem guten Zwecke gebracht zu haben, und ein Blick auf unſer Herbarium, unſre barometriſchen und geodätiſchen Meſſungen, unſre Zeichnungen, unſre Verſuche mit der Luft auf den Kordilleren, reichte hin, uns es nicht bedauern zu laſſen, daß wir Landſtriche durchwandelt waren, die größten Theils noch nie ein Naturforſcher betreten hatte. Wir ſahen ſehr deutlich, daß der Menſch auf nichts rechnen muß, als auf das, was er durch ſeine eigne Energie bewirkt. Das heißt, von Karthagena ab gerechnet. d. H. Vergl. S. 453. d. H. Die Provinz Quito, das höchſte Plateau auf unſrer Erde, welches durch die große Kataſtrophe am 4ten Febr. 1797 zerriſſen und verwüſtet iſt, hat uns ein weites Feld zu phyſikaliſchen Beobachtungen geöffnet. So ungeheure Vulkane, deren Flammen oft eine Höhe von 500 Toiſen erreichen, haben noch kein Tröpfchen fließender Lava hervor zu bringen vermocht; ſie ſpeien nichts als Waſſer, Schwefelwaſſerſtoffgas, Koth und kohlenſtoffhaltigen Thon aus, (argile carbonnée.) Seit 1797 iſt dieſer ganze Erdſtrich in Aufruhr; alle Augenblicke verſpüren wir heftige Erdſtöße, und das unterirdiſche Getöſe in den Ebenen von Riobamba gleicht dem eines Berges, der unter unſern Füßen einſtürzt. Die atmoſphäriſche Luft und der durchnäßte Boden, (alle dieſe Vulkane befinden ſich in einem verwitterten und zerſetzten Porphyr,) ſcheinen das große Agens bei dieſen Bränden und bei dieſen unterirdiſchen Gährungen zu ſeyn. Vergl. S. 443. d. H. Man hatte bisher in Quito geglaubt, eine Höhe von 2470 Toiſen, (14820 par. Fuß,) über der Meeresfläche ſey die äußerſte, in welcher der Menſch die verdünnte Luft zu ertragen vermöge. Im März 1802 brachten wir einige Tage auf den großen Ebenen zu, welche den Vulkan von Antiſana umgeben, und 2107 Toiſen über dem Meere liegen. Die Ochſen, welche man auf dieſer Ebene jagt, ſpeien oft Blut aus. Am 16ten März entdeckten wir auf dem Schnee einen Weg, der uns einen ſanften Abhang herauf führte, bis zu einer Höhe von 2773 Toiſen, (16638 Fuß.) Die Luft enthielt hier 0,08 kohlenſaures Gas, 0,218 Sauerſtoffgas und 0,774 Stickgas. Das Reaumüriſche Thermometer ſtand auf 15°, und es war nicht im mindeſten kalt; das Blut aber drang uns aus den Lippen und aus den Augen. Das Local erlaubte es nicht hier, ſondern nur in einer tiefer liegenden Grotte, 2467 Toiſen über dem Meere, Beobachtungen mit Borda’s Inclinationsbouſſole anzuſtellen. Die Intenſität der magnetiſchen Kraft war hier größer als zu Quito, im Verhältniſſe von 230:218. Doch darf man dabei nicht aus der Acht laſſen, daß oft die Zahl der Schwingungen der Nadel in einer gegebnen Zeit zunimmt, wenn gleich die Inclination abnimmt, und daß die Intenſität der magnetiſchen Kraft durch die Maſſe des Berges vermehrt wurde, da der Porphyr, woraus er beſteht, auf die Magnetnadel wirkt. Vergl. S. 467. d. H. Es ſey mir erlaubt, bei dieſer Gelegenheit ein paar Stellen in den frühern Bänden der Annalen, die Intenſität der magnetiſchen Kraft betreffend, zu berichtigen. Annalen, IV, 451, ſoll es heißen: „Bei gleichen Pendellängen verhalten ſich die Zahlen von Schwingungen in einerlei Zeit wie die Quadratwurzeln der beſchleunigenden Kräfte; und in ſo fern kann die Zahl der Oſcillationen der Inclinationsnadel die magnetiſche Kraft meſſen. Durch ein Verſehen ſind die beiden hier Curſiv gedruckten Worte dort ausgelaſſen, und dadurch iſt das Reſultat aus den Nouetſchen und von Humboldtſchen Verſuchen in den Annalen, V, 184, unrichtig geworden. Schwingt die Inclinationſnadel in 1 Minute in Paris 24,5 und in Cumana 22,9 Mahl, wie Herr von Humboldt fand, dagegen in Alexandrien, nach Nouet’s Beobachtung, nur 20,8 oder 21,83 Mahl; ſo ſteht die Intenſität der magnetiſchen Kraft zu Paris, zu Cumana und in Alexandrien zu einander in dem Verhältniſſe von 2452:2292:218,32 oder 2082, das iſt, in dem Verhältniſſe von 1:0,874:0,794 oder 0,721, und die magnetiſche Kraft der Erde iſt in Cumana um [Formel] und in Alexandrien um [Formel] oder ſelbſt [Formel] ſchwächer als in Paris und im ſüdlichen Frankreich. Hiernach möchte auch die obige Angabe des Herrn von Humboldt zu berichtigen ſeyn, wenn 230:218, wie es ſcheint, das Verhältniß der Schwingungsmengen der Inclinationsnadel in einerlei Zeit an dem Antiſana und zu Quito iſt. d. H. Bei unſrer Expedition auf dem Chimborazo, die wir am 23ſten Juni 1802 in Geſellſchaft von Karl von Montufar, Sohn des Marquis von Selvalègre zu Quito, unternahmen, bewieſen wir, daß man, wenn man nur Geduld und Standhaftigkeit hat, eine noch weit beträchtlichere Verdünnung der Luft zu ertragen vermag. Wir kamen 500 Toiſen höher als Condamine, (auf dem Carazon,) und nahmen bis auf dieſe Höhe von 3031 Toiſen, (18186 par. Fuß,) Inſtrumente mit hinauf. Das Queckſilber im Barometer ſtand hier auf 13″ 11,2‴ und das Thermometer auf — 1°,3 R. Wir bluteten wiederum aus den Lippen. Unſre Indianer verließen uns, wie gewöhnlich, und Bonpland, Montufar und ich, wir waren die einzigen, die aushielten. Wir empfanden insgeſammt eine Unbehaglichkeit, eine Schwäche, eine Neigung zum Erbrechen, die ſicher eben ſo ſehr von dem Mangel an Sauerſtoff in dieſen Regionen, als von der Verdünnung der Luft bewirkt wurden. Ich fand den Sauerſtoffgehalt der Luft in dieſer ungeheuren Höhe nur zu 0,20. Eine furchtbare Spalte hinderte uns, ganz bis zum Gipfel des Chimborazo hinauf zu klimmen; es fehlten uns daran nur noch 236 Toiſen ſenkrechter Höhe. Die wahre Höhe dieſes Koloſſes war bisher noch ſehr zweifelhaft. Condamine, der ihn indeß nur aus einer großen Entfernung maß, giebt ihm 3217, dagegen Don George Juan 3380 Toiſen ſenkrechter Höhe über dem Meere, obgleich beide Aſtronomen über die Höhe des Signals auf dem Carabura einig ſind. Ich habe in der Ebene von Tapia eine Grundlinie von 1702 Mètres gemeſſen, und zwei geodätiſche Operationen geben mir die ſenkrechte Höhe des Chimborazo über dem Meere auf 3267 Toiſen; doch bedarf die Berechnung noch einiger kleiner Correctionen, z. B. wegen der Entfernung des Spiegelſextanten vom künſtlichen Horizonte, u. ſ. f. Die Höhe des Vulkans von Tunguragua hat ſeit Bouguer’s und Condamine’s Zeit beträchtlich abgenommen. Damahls betrug ſie 2620, jetzt finde ich ſie nur zu 2531 Toiſen, und ſchwerlich rührt dieſer Unterſchied von Irrthümern in den Meſſungen her, da bei den Höhen des Cayambe, des Antiſana, des Cotopaxi und des Illiniza die Reſultate meiner Meſſungen von den ihrigen oft kaum um 10 bis 15 Toiſen abweichen. Auch verſichern die Bewohner der benachbarten Gegend, daß ſie bei dem Erdbeben von 1797 den Gipfel deſſelben haben einſtürzen ſehen. Dagegen finde ich den Cotopaxi, der ſo gewaltige Exploſionen gehabt hat, noch gerade ſo hoch, und ſelbſt noch etwas höher, als er 1744 war, welches an einer kleinen Unrichtigkeit meiner Meſſung liegen kann. Der Felſenmaſſe des Gipfels des Cotopaxi ſieht man es indeß auch an, daß dies ein Rauchfang der unterirdiſchen Werkſtätte iſt, welcher widerſtehn und ſeine Geſtalt beibehalten kann. Von unſern Excurſionen und Operationen in den Anden von Quito, die uns vom Januar bis in den Juli beſchäftigt haben, mußten wir leider den Bewohnern die traurige Neuigkeit mitbringen, daß der Krater des Pichincha, den Condamine voll Schnee fand, von neuem in Brand iſt, und daß der Chimborazo, den man für ſo friedlich und unſchuldig hielt, ehemahls ein Vulkan geweſen iſt, und es vielleicht künftig einmahl wieder ſeyn wird. Wir haben auf ihm gebrannte Steinmaſſen und Bimsſteine in einer Höhe von 3031 Toiſen gefunden. Wehe den Bewohnern Quito’s, wenn das vulkaniſche Feuer, (denn man darf behaupten, daß das ganze hohe Plateau von Quito ein einziger Vulkan, nur mit mehrern Gipfeln, iſt,) ſich durch den Chimborazo Luft macht. Man hat oft gedruckt, dieſer Berg beſtehe aus Granit; allein es findet ſich auf ihm nicht das kleinſte Stückchen Granit. Er beſteht aus Porphyr, der hier und da in Säulen vorkömmt, und in welchem glaſiger Feldſpath, Hornblende und Olivin eingeſprengt iſt; und dieſes Porphyrlager iſt 1900 Toiſen mächtig. Ich könnte Ihnen bei dieſer Gelegenheit etwas von einem polariſirenden Porphyr ſagen, den wir bei Voiſaco unweit Paſto gefunden haben, und der gerade ſo, wie der von mir im Fichtelberge entdeckte Serpentin, Pole hat, aber nicht attractoriſch iſt. Auch könnte ich Ihnen intereſſante Thatſachen mittheilen, das große Geſetz des Parallelismus der Gebirgslager, und deren ungeheure Mächtigkeit nahe bei dem Aequator betreffend. Doch das wird zu viel für einen Brief, der ohnedies vielleicht verloren geht. Ich bemerke nur, daß wir für Cuvier, dem wir ſchon Elephantenzähne überſchickt haben, die auf dem Plateau von Santa-Fé 1350 Toiſen über dem Meere gefunden ſind, noch ſchönere Zähne aufheben, ſo wohl von dem fleiſchfreſſenden Elephanten, als auch von einer Art, die von der afrikaniſchen etwas verſchieden iſt, aus dem Val de Timana, von der Stadt Ibarra und aus Chili. So iſt alſo die Exiſtenz dieſes fleiſchfreſſenden Ungeheuers vom Ohio oder von 50° nördlicher Breite an, bis zu einer ſüdlichen Breite von 35°, erwieſen. Vergl. S. 461. d. H. Vergl. S. 427. d. H. Ich habe in Quito eine ſehr angenehme Zeit verlebt. Vom Präſidenten der Audienza, dem Baron von Corondelet, wurden wir mit Güte überhäuft, und überhaupt habe ich ſeit den 3 Jahren, die ich nun im ſpaniſchen Amerika bin, nicht ein einziges Mahl Urſache gehabt, mit dem Gouvernement unzufrieden zu ſeyn, das mich überall mit einer Feinheit und Auszeichnung behandelt hat, die mich zu immerwährender Dankbarkeit verpflichtet. Wie die Zeiten und Sitten ſich geändert haben! Die Pyramiden, welche Condamine, Godin und Bouguer bei ihrer Meſſung errichten ließen, haben mich ziemlich beſchäftigt. Ich glaube gefunden zu haben, daß die Mahlſteine derſelben noch völlig unverrückt ſind. Ein liberal denkender Particulier, der ein Freund der Wiſſenſchaften und der Männer iſt, die in ihnen geglänzt haben, der Marquis von Selvalègre in Quito, hat ſich vorgeſetzt, die Pyramiden wieder aufzubauen. Doch, dieſes würde mich zu weit führen. Zur immerwährenden Bezeichnung der beiden Endpunkte der 6272 Toiſen langen Grundlinie, welche ſie bei Yaruqui, öſtlich von Quito, gemeſſen hatten. Die Inſchrift dieſer beiden Pyramiden verwickelte Condamine in einen Prozeß, den er erſt nach zwei Jahren vor dem Parlamente von Quito gewann. d. H. Wir gingen von Quito über den Aſſonay nach Cuença, wo man uns ein Stiergefecht gab; und nach Loxa, um unſre Unterſuchungen über die Cinchona, (Quinquina,) zu vervollſtändigen, und brachten dann einen Monat in der Provinz von Jaën de Bracamorros und an den Pongos des Amazonenfluſſes zu, deſſen Ufer mit der Andiva und Bougainvillaea Juſſieu’s geziert ſind. Es ſchien mir intereſſant zu ſeyn, hier die Länge von Tomependa und Chuchunga zu beſtimmen, wo Condamine’s Karte anfängt. Condamine hat bloß die Länge der Mündung des Napo durch Beobachtung beſtimmt, und damahls gab es noch keine Zeithalter; die Längen aller dieſer Gegenden ſind beträchtlich zu ändern. Mein Chronometer von Louis Berthoud thut Wunder, wie ſich zeigt, wenn ich mich von Zeit zu Zeit, vermittelſt des erſten Jupiterstrabanten, orientire, und als ich meine Meridianunterſchiede mit den von Fidalgo beſtimmten verglich, der auf Befehl des Königs eine Reihe von Dreiecken zwiſchen Kumana und Karthagena gemeſſen hat. Ueber die Städte Cuença und Loxa geht der gewöhnliche Weg nach Lima, und auf dem Berge Caxanuma, 2 Lieues ſüdlich von Loxa, wächſt, nach Condamine, die beſte Quinquina. d. H. Jaen ſelbſt iſt ein ſchlechtes Dorf unter 5° 30′ ſüdl. Breite; die Pongos ſind Stromengen, da, wo der Amazonenfluß durch die Kordilleren ſich einen Weg gebahnt hat; zu Chuchunga, einem Dörfchen an dem gleichnamigen Flüßchen, öſtlich von Jaen, ſchiffte Condamine ſich ein, nachdem er hier einige Beobachtungen gemacht hatte. Das Barometer ſtand hier auf 26″ 8‴, und beim Einfluſſe dieſes Stroms in den Amazonenfluß, wohin Condamine in 8 Stunden gelangte, um 4‴ höher, woraus Condamine die Höhe des Orts auf 235 Toiſen über dem Meere und den Fall bis zu dem Amazonenfluſſe auf 50 Toiſen beſtimmt. d. H. Eines Austritts des erſten Jupiterstrabanten. d. H. Von dem Amazonenfluſſe gingen wir nach Truxillo. Ueber die Anden kamen wir bei den Bergwerken von Hualgayoc, welche man in einer Höhe von 2065 Toiſen über dem Meere auf ſilberhaltiges Kupferfahlerz betreibt, und die jährlich eine Million Piaſter geben, und ſtiegen über Cascamasca herab, wo ich im Pallaſte des Atahualpa die Bogen der peruaniſchen Gewölbe gezeichnet habe. Von Truxillo nahmen wir unſern Weg durch die Wüſten der Meeresküſte nach Lima, wo der Himmel die Hälfte des Jahres über voll dicker Dünſte iſt. Ich beſchleunigte hier unſere Reiſe, um von Lima aus den Durchgang des Merkurs durch die Sonne am 9ten November 1802 zu beobachten. — — Unſre Sammlung von Pflanzen und unſre Zeichnungen über die Anatomie der Geſchlechter nach Juſſieu’s Idee, ſind durch die Schätze, die wir in der Provinz Quito, zu Loxa, am Amazonenfluſſe und in der Kordillere von Peru gefunden haben, ſehr bereichert worden, beſonders an Palmenarten und Grasarten. Wir beſitzen jetzt 3784 ſehr vollſtändige lateiniſche Pflanzenbeſchreibungen, von denen mehr als zwei Drittel von Bonpland herrühren, und faſt noch ein Drittel Pflanzen in unſerm Herbarium, die zu beſchreiben wir noch nicht Zeit gehabt haben. Von allen können wir den Wohnplatz und die Höhen deſſelben in Toiſen genau angeben, ſo daß die Pflanzengeographie aus unſern Manuſcripten manche Bereicherung zu erwarten hat. Wir haben unſre Herbaria mit denen des Dr. Mutis und mit vielen Werken in der zahlreichen Bibliothek dieſes großen Botanikers verglichen, und ſind überzeugt, viel neue Geſchlechter und Arten zu beſitzen. — Auch bringen wir eine dem Tabaſcher in Oſtindien ähnliche Kieſelſubſtanz aus den Knoten einer gigantesken Grasart mit, die man für Bambusrohr ausgiebt, deren Blüthe aber von der des Baumbusrohrs abweicht. Ich weiß nicht, ob Fourcroy die Milch der von den Indianern ſo genannten vegetabiliſchen Kuh erhalten hat. Wir fanden den Baum auf unſrer Reiſe nach dem Orinoko, in einer Pflanzung, wo die Neger dieſe Milch tranken. Statt daß die Milch der andern Pflanzen cauſtiſch und ſchädlich iſt, iſt dieſe nahrhaft und ſchmeckt angenehm. Mit Salpeterſäure behandelt, gab ſie mir ein Kautſchuck von Balſamgeruch. Auch habe ich an Fourcroy und an Banks unſer Dapiché, oder den weißen oxygenirten Kautſchuck, geſchickt, welchen ein Baum in den Waldungen von Pimichin, unweit der Quellen des Rio Negro, aus ſeinen Wurzeln ausſchwitzt. Ich gehe nun nicht nach den Philippinen, ſondern über Akapulko nach Mexiko, wo ich im Februar 1803 zu ſeyn denke, und von da im Juni über die Havannah nach Europa, wo ich Sie im September oder October 1803 in Paris zu umarmen hoffe. Denn jetzt iſt meine größte Sorge, meine Manuſcripte in Sicherheit zu ſehn und ſie zur Herausgabe zu bearbeiten. — — 4. Aus einem andern Briefe an Delambre. Mexiko den 29ſten Juli 1803. Annales du Muſ. d’hiſt. naturelle, t. 3, p. 228. d. H. Ich fahre fort, Ihnen, mein würdiger Freund, Nachrichten von meiner Reiſe mitzutheilen. — — Seit drei Jahren bin ich ohne Antwort; ich weiß nicht, was ich davon denken ſoll, und betrübe mich darüber oft; doch verliere ich den Muth nicht, und arbeite unaufhörlich. — — In einem Briefe an den B. Chaptal habe ich im Detail unſre letzten Streifzüge in der Provinz von Quito, unſern Eintritt in das Land des Amazonenfluſſes durch Jaen de Bracamorros, unſern Aufenthalt in Lima, und unſre Reiſe nach Akapulko beſchrieben. Auf dieſer letzten Schifffahrt habe ich mich vollends davon überführt, daß ſich durch Borda’s Inclinationsbouſſole nicht bloß die Breiten, ſondern in einigen Gegenden, (wo die Declinationskreiſe in die Richtung der Meridiane fallen,) ſelbſt die Längen auf dem Meere beſtimmen laſſen. Ich denke hierüber eine große Zahl von Beobachtungen bekannt zu machen, und zweifle nicht, daß die Theorie Mittel finden werde, die, welche mir noch fehlen, zu ergänzen. Für heute theile ich Ihnen nur eine Entdeckung mit, die ich über die Länge der Hauptſtadt von Mexiko gemacht zu haben glaube. Unter einem nebligen und trügeriſchen Himmel, in einer Höhe von 1160 Toiſen, habe ich hier ſeit dem 11ten Mai beobachtet, — — und finde die Länge von Mexiko, (die man bis 1769 auf 86° 1′) beſtimmte,) 81° 22′ 30″, oder 6St. 45′ 30″ von Paris. Die Länge von Akapulko iſt 6St. 48′ 40″ weſtl. von Paris, oder 82° 10′. — Ich habe auch Verfinſterungen von Jupiterstrabanten unter dem ſchrecklichen Klima von Akapulko beobachtet, und aus einer Menge von Beobachtungen im Innern des Landes zwiſchen der Südſee und Mexiko, die Lage mehrerer nordöſtlicherer Punkte, nach Actopan und Totonisco zu, beſtimmt. In drei Tagen geht es in die nördlichen Provinzen, nach Goanaxoata, wo die Bergwerke jährlich mehrere Millionen Piaſter produciren. — Ich habe eine Analyſe des Waſſers aus den Seen von Mexiko angefangen; es enthält viel kohlenſaures Natron, ſalzſauren Kalk, Schwefel-Waſſerſtoffgas. — — Ich habe ein ſehr intereſſantes Profil von der Höhe des Bodens, vom Nordmeere bis zum Südmeere gezeichnet, worauf die Höhe über dem Meere, die wahren Längenunterſchiede, die bisher um 30 bis 40 Lieues ungewiß waren, und die Höhen, in welchen die ausgezeichnetern Pflanzen wachſen, angegeben ſind, und ſetze hier meine mineralogiſchen und phyſikaliſchen Beobachtungen fort. — — Wir haben nun ſchon Beſchreibungen von mehr als 6000 Arten von Pflanzen. Ich habe viele Palmen- und Grasarten und andere ſeltne Gewächſe gezeichnet, und bringe viel für die vergleichende Anatomie und Kiſten voll Inſekten und Muſcheln mit. Wir hoffen, zu zeigen, daß zwei Beobachter mit Thätigkeit und Energie ſehr viel leiſten können, darf man gleich von uns ſo viel nicht, als von Expeditionen erwarten, an denen viele Gelehrte auf Koſten des Gouvernements Antheil nehmen. — — Ich habe von hier aus eine Kiſte mit mexikaniſchen Mineralien an das Nationalinſtitut geſendet. Ich habe Ihnen ſchon mehrmahls geſchrieben, daß die Länge unſrer Reiſe in den Anden, der Zuſtand unſrer Inſtrumente, das Ausbleiben aller Nachrichten aus Europa, und die Furcht, unſre Manuſcripte und Zeichnungen in Gefahr zu bringen, mich beſtimmt haben, die Reiſe nach den Philippinen für jetzt aufzugeben. Doch nur für jetzt; denn ich habe noch große Plane auf Indien. Erſt will ich indeß die Früchte meiner jetzigen Expedition bekannt machen. Ich denke im Anfange des künftigen Jahres bei Ihnen zu ſeyn. Zwei bis drei Jahre wenigſtens werde ich haben müſſen, um unſre Bemerkungen zu verarbeiten. Und dann — Lachen Sie nicht über meine Unbeſtändigkeit, über die maladie centrifuge, deren Madame *** mich und meinen Bruder beſchuldigte. Jeder Mann muß ſich in die Lage ſetzen, in der er glaubt am nützlichſten ſeyn zu können, und ich für meinen Theil glaube, daß ich am Rande eines Kraters oder in den Fluthen des Meeres umkommen müſſe. Dieſes iſt meine Meinung jetzt, nach 5 Jahren von Strapazen und Erduldungen; doch wäre es wohl möglich, daß bei fortſchreitenden Jahren, und wieder im Genuſſe der Reize des Lebens in Europa meine Meinung ſich änderte. Das ſchwarze Erbrechen, (gelbe Fieber,) macht in der Havannah und zu Vera Cruz ſeit dem Mai große Verwüſtungen, und ich werde daher nicht vor dem November fort können. — — Herr Prof. Willdenow in Berlin, von dem ich mir ſeine neueſten Nachrichten von unſerm vortrefflichen Landsmanne für die Annalen erbat, meldet mir, das letzte Schreiben, welches er von ſeinem Freunde erhalten habe, ſey zwar aus der Stadt Mexiko, es finde ſich darin aber nichts über dieſe Gegenden. Herr von Humboldt behalte ſich dieſe Nachrichten bis zu ſeiner Ankunft nach Europa vor, da doch der größte Theil ſeiner Briefe verloren gehe, und der Brief enthalte meiſtens nur Nachrichten über ſeine Sammlungen, und Adreſſen für Herrn Prof. Willdenow, um für ihre glückliche Ankunft ſorgen zu können. d. H. NACHTRAG zu Alex. von Humboldt’s Notizen von ſeinen phyſikaliſchen Beobachtungen in Peru und Mexiko. (Annalen, XVI, 450 f.) 5. Aus einem Schreiben Alex, von Humboldt’s an das National-Inſtitut. Mexiko den 2ten Meſſid., J. XI, (21ſten Juni 1803.) Zuſammen gezogen aus den Ann. du Muſ. d’hiſt. nat., t. 3, Cah. 17, p. 396 — 404. Dieſer Brief iſt über einen Monat älter, als der an Delambre, Annalen, XVI, 489. Hier das, was aus den dort ausgezogenen Briefen noch nicht bekannt war. d. H. — — Seit zwei Jahren ſind wir ohne alle Nachricht von Europa, und über das Schickſal der Sammlungen, die wir Ihnen überſchickt haben, in der unangenehmſten Ungewißheit. — — Unter den Gebirgsarten der Kordillere der Anden, welche Sie über Madrit werden erhalten haben, finden ſich ſehr merkwürdige, mit problematiſchen Foſſilien untermengte, ſchwarze, grüne, gelbe, weiße und rothe Obſidiane aus den Vulkanen von Quito, beſonders von Quinché. Um die Naturgeſchichte dieſer für die Geologie ſo intereſſanten Gebirgsart zu vervollſtändigen, überſchicken wir Ihnen dieſes Mahl eine Sammlung von Obſidianen aus dem Königreiche Neu-Spanien. Die große Leichtigkeit, womit die ſchwarzen und grünen Obſidiane ſich im Feuer zu einer weißen, ſchwammartigen Maſſe, vom ſieben - bis achtfachen Volumen aufblähen, und die Hartnäckigkeit, womit dagegen die rothen und braunen der Veränderung durch Feuer widerſtehn, zeigen weſentliche Verſchiedenheiten in der Miſchung beider an, über welche die chemiſche Zerlegung Belehrung geben wird. Während der Obſidian beim Glühen ſich aufbläht, entweicht aus ihm Gas, welches unterſucht zu werden verdiente. In keinem Theile der Welt kömmt Porphyr häufiger und in gewaltigern Maſſen, als zwiſchen den Wendekreiſen vor. Um Riobamba und am Tunguragua haben wir ihn in einer Mächtigkeit von 2080 Toiſen gefunden. Man reiſt Monate lang in der Kordillere der Anden, ohne Thonſchiefer, Glimmerſchiefer, Gneuß, und beſonders ohne die geringſte Spur von Granit zu ſehen, der in Europa, und überhaupt in den gemäßigten Zonen, die höchſten Punkte der Erde bildet. In Peru, beſonders in der Gegend der Vulkane, zeigt ſich der Granit nur an den niedrigſten Stellen, in den tiefſten Thälern, zu Tage. In den Höhen von 1000 bis 3000 Toiſen über die Südſee iſt hier der Granit überall mit Porphyren, Mandelſteinen, Baſalten und andern Gebirgsarten von der Trappformation bedeckt. Der Porphyr iſt hier überall der Sitz des vulkaniſchen Feuers; und in dieſen Porphyren, welche glaſigen Feldſpath, Hornblende und ſelbſt Olivin enthalten, finden ſich die Obſidiane, bald als Lager, bald als halb zerſtörte Felſenmaſſen von grotesker Geſtalt. In den Vulkanen von Popayan, Paſto, Quito und andern Theilen der Anden, ſcheint das vulkaniſche Feuer ſeine Kraft auf dieſe Obſidiane geäußert zu haben. Große Maſſen von Obſidian ſind aus den Kratern heraus geworfen worden, und die Wände dieſer Schlünde, welche wir in der Nähe unterſucht haben, beſtanden aus Porphyren, deren Grundmaſſe das Mittel zwiſchen Obſidian und Pechſtein hielt. Daſſelbe überraſchte uns auf dem Pic von Teyde, [auf Teneriffa,] auf welchem die durch das Feuer veränderten Gebirgsarten noch ſehr gut von den unveränderten Porphyrlagern, die vor den vulkaniſchen Ausbrüchen da waren, zu unterſcheiden ſind. Einige achtungswerthe Mineralogen betrachten noch immer Baſalt, baſaltiſchen Porphyr und Obſidian als vulkaniſche Produkte; wie ſollte aber ein Foſſil, das ſich, gleich den Obſidianen der Anden und aus Mexiko, bei geringen Graden unſrer Ofenhitze ſchon entfärbt, aufſchwillt, ſchwammartig und faſerig wird, ein Produkt des vulkaniſchen Feuers ſeyn? Sollte man nicht vielmehr das ungeheure Aufſchwellen des Obſidians beim Glühen, und die Menge von Gas, welche aus ihm entweicht, für Urſachen der vulkaniſchen Erdbeben in den Anden halten dürfen? Die Höhe, wo der Porphyr in größter Menge in der neuen Welt vorkömmt, iſt 1800 bis 1900 Mètres über dem Meere; und über dieſem Niveau haben wir auch die meiſten Obſidiane gefunden. Um Popayan, bei den Vulkanen von Puracé und Sotara, fangen die Obſidiane in einer Höhe von 4560 Mètres an; in der Provinz Quito kommen ſie in Menge in einer Höhe von 2700 Mètres vor; und in Neu-Spanien finden ſie ſich nordöſtlich von der Hauptſtadt Mexiko, (deren Marktplatz über das Südmeer 2256 Mètres, oder 1163 Toiſen nach Trembley’s, 1133 Toiſen nach de Lüc’s Formel erhaben iſt,) in einer Höhe von 2292 bis 2948 Mètres, am Oyamel und am Cerros de las navajas, (zu Deutſch Berg der Meſſer,) von wo die beiliegenden Obſidiane herkommen. Dieſe Gegend hatte durch den ungeheuern Depot von Obſidianen, welcher hier am Fuße der Porphyrfelſen von Jacal zwiſchen Moran, Totoapa und dem indianiſchen Dorfe Tulancingo liegt, einen ganz beſondern Werth für die alten Bewohner von Anahuac, da ſie ihre ſchneidenden Werkzeuge aus Obſidian machten. Zwar iſt das Eiſen in Peru und Mexiko ſehr häufig, wo bei Toluca und in den nördlichen Provinzen große Maſſen gediegenen Eiſens, den ſibiriſchen und ſüdamerikaniſchen ähnlich, und von eben ſo problematiſchem Urſprunge als dieſe, auf den Feldern umher liegen; die alten Bewohner dieſer Länder bedienten ſich deſſelben aber nicht zu ſchneidenden Inſtrumenten, ſondern nur des Kupfers und dreier Arten von Stein, die dazu noch jetzt unter den Inſulanern der Südſee und den Wilden am Oronoko gebraucht werden, nämlich des Nephrits, des lidiſchen Steins, den man oft mit Baſalt verwechſelt hat, und des Obſidians, (Itztli.) Hernandes ſah noch mexikaniſche Meſſermacher arbeiten, die in einer Stunde über 100 Meſſer aus Obſidian verfertigten; und Cortez erzählt in einem ſeiner Briefe an Kaiſer Karl V., zu Tenochtitlan habe er Schermeſſer aus Obſidian geſehn, womit die Spanier ſich hätten raſiren laſſen. Noch ſieht man am Cerro de las navajas eine Menge von Gruben, aus welchen die Mexikaner die Obſidiane förderten, Spuren ihrer Werkſtätte, und halb vollendete Stücke. Es ſcheint, daß hier mehrere tauſend Indianer auf einem Flächenraume von etwa 2 Quadratlieues arbeiteten. Ich habe durch Beobachtungen des Antares die Breite von Moran, welches etwas ſüdlich von den Obſidiangruben liegt, 20° 9′ 26″ gefunden. Dieſer Berg iſt nach Herrn von Humboldt 694 Mètres über den See Tescuco und 2948 Mètres über das Meer erhaben. d. H. Außer 11 Abarten von Obſidian und einigen andern mineralogiſchen Merkwürdigkeiten, fanden ſich in dieſer Kiſte, nach Herrn von Humboldt’s Katalog, auch polariſirender Porphyr von Voiſaco, (Ann., XVI, 484;) gediegener Schwefel in Quarz von dem großen 2312 Mètres hohen Schwefelberge, zwiſchen Alauſi und Ticſan in der Provinz Quito; (Ann., XVI, 472;) und eine Stufe des merkwürdigen braunen Bleies von Zimapan. „Statt daß in Europa“, ſagt Herr von Humboldt, „der Schwefel ſich immer nur im Flötzgebirge, beſonders im Gypſe findet, bildet er in jenem Schwefelberge mit dem Quarze ein Lager in einem uranfänglichen Berge aus Glimmerſchiefer; zwei andere Schwefelgruben der Provinz Quito ſind beide in primitivem Porphyr, die eine bei Ibarra, weſtlich von Cueſaca, die andere am Vulkane Antiſana 4850 Mètres über dem Meere. In dem braunen Blei von Zimapan hat Herr Delrio, Profeſſor der Mineralogie zu Mexiko, ein vom Chromium und dem Uranium ſehr verſchiedenes Metall entdeckt, welches er für ein neues hält, und, weil die Salze deſſelben im Feuer und in Säuren alle ein ſchönes Roth annehmen, Erithronium genannt hat. Die Miner enthält in 100 Theilen 80,72 Theile gelben Bleioxyds, 14,8 Erithronium, und etwas Arſenik und Eiſenoxyd.“ d. H. Alſo wieder ein neues Beiſpiel meteoriſcher Eiſenmaſſen, denen am Senegal ähnlich, wo ſie ſich als kleine ſchwarze Felſen ſinden. d. H. Das ſchwarze Erbrechen und das gelbe Fieber, welche jetzt in Vera Cruz ſchreckliche Verheerungen anrichten, machen es uns unmöglich, früher als im November nach der Küſte herab zu ſteigen, ſo daß wir nicht vor dem Mai 1804 in Europa anzukommen hoffen dürfen. Nach einem Aufenthalte von mehr als einem Jahre in der Provinz Quito in den Wäldern von Loxa und am Amazonenfluſſe, verließen wir Lima, (wo ich das Ende des Durchganges des Merkurs durch die Sonnenſcheibe beobachtet habe,) im Januar 1803, (Nivoſe An XI.) Wir blieben faſt 1 [Formel] Monat in Guayaquil, und wurden hier faſt Augenzeugen des damahligen ſchrecklichen Ausbruchs des Cotopaxi. Unſre Schifffahrt durch die Südſee nach Acapulco war äußerſt glücklich, ungeachtet eines heftigen Sturms, den wir in der Breite der Vulkane von Guatimala, doch 300 Lieues weſtlicher, auszuhalten hatten. Der beſchädigte Zuſtand unſrer Inſtrumente; die Fruchtloſigkeit unſrer Bemühungen, uns neue zu verſchaffen; das Ausbleiben des Kapitäns Baudin, auf den wir an den Ufern der Südſee umſonſt gewartet hatten; die Scheu, welche wir hatten, einen ungeheuern Ocean auf einem Kauffahrteiſchiffe zu durchſegeln, ohne an einer der dem Naturforſcher ſo intereſſanten Inſeln anzulegen; und vor allem das ſchnelle Fortſchreiten der Wiſſenſchaften, welches es nothwendig machte, nach einer Abweſenheit von 5 bis 6 Jahren die neuen Entdeckungen nachzuhohlen: — alles das beſtimmte uns, die Rückreiſe über die Philippinen, das rothe Meer und Aegypten aufzugeben. Der ausgezeichneten Protection des Königs von Spanien ungeachtet, hatten wir, die wir auf eigne Koſten reiſten, doch tauſende von Schwierigkeiten zu überwinden, welche Expeditionen, die eine Regierung ausſchickt, nicht kennen. Wir werden uns von jetzt an mit der Bearbeitung und Bekanntmachung unſrer Beobachtungen beſchäftigen. Noch jung, und der Gefahren und Entbehrungen gewohnt, behalten wir indeß Aſien und die benachbarten Inſeln noch immer im Auge, und mit tiefern Kenntniſſen und genauern Inſtrumenten ausgerüſtet, werden wir vielleicht in der Zukunft eine zweite Reiſe unternehmen können; wir beſchäftigen uns mit dem Plane dazu, wie mit einem verführeriſchen Traume. Nach Zeitungsnachrichten befand ſich Herr von Humboldt im März gegenwärtigen Jahrs auf Cuba, von wo er über Boſton nach Frankreich zurück zu kehren dachte. (Hamb. Correſp., 2ten Jun.) Am 19ten Juni langte er in Neu-York an, (daſ., No. 126.) „Nach einer ſehr glücklichen Fahrt von 29 Tagen ſind die Herren von Humboldt und Bonpland von Philadelphia zu Bordeaux angekommen, und haben, außer den Sammlungen, die ſie ſchon nach Europa geſchickt hatten, noch gegen 30 Kiſten mit Naturalien mitgebracht.“ (daſ., No. 134, aus Briefen von Bordeaux den 6ten Auguſt.) — Noch in Bordeaux machte Herr von Humboldt einen berichtigenden Brief in den Zeitungen bekannt, in welchem es unter andern heißt: „Es iſt bekannt, daß ich im Jahre 1799 nur deßhalb nach Madrit kam, um mir die Erlaubniß des Hofes auszubitten, auf meine eignen Koſten Nachſuchungen in den weitläufigen ſpaniſchen Kolonieen anzuſtellen. Dieſe Erlaubniß iſt mir mit den liberalen Ideen bewilligt worden, welche unſer Jahrhundert auszeichnen, und denen man den ſchleunigen Fortgang der menſchlichen Kenntniſſe zu danken hat. Der König, welcher an dem guten Fortgange meiner Reiſe Antheil nahm, geruhte, mich mit dem großmüthigſten Schutze zu beehren; und indem ich von dieſer von dem Könige fortgeſetzten Gunſt Gebrauch machte, habe ich in einem Zeitraume von 5 Jahren, die ich im ſpaniſchen Amerika herum gereiſt bin, Bemerkungen machen können, von welchen einige vielleicht die Aufmerkſamkeit der Naturkündiger verdienen. (daſ., No. 137.) — „Seit 3 Wochen befindet ſich Alex. von Humboldt unter uns. Von allen hieſigen Gelehrten iſt er auf eine ſeiner großen Talente würdige Art aufgenommen worden. Seine lange und mühevolle Reiſe, und ſeine der Naturwiſſenſchaft gebrachten Opfer aller Art, verbürgen ihm auch hier die allgemeine Verehrung. (daſ., No. 155. Aus einem Schreiben aus Paris vom 18ten Sept.) d. H.