Auszug eines Briefes des Hrn Alexander von Humboldt an seinen Bruder Hrn Wilhelm von Humboldt in Berlin. Neuere Berichte vom Hrn Oberbergrath von Humboldt. Der bisher neueste Brief unsers unermüdet wandernden und entdeckenden Landsmannes war vom 1 April 1801; er steht in der Monatschr. 1801 November Nr 6. Vor und nach demselben, sind mehrere von ihm, und fast alle an ihn, verloren gegangen. In diesen Tagen am Ende des Aprils und Anfang Mai's, kamen von dem innig geschätzten itzt so fernen Manne, schnell hinter einander drei Briefe in Berlin an: aus Santa Fe de Bogota, vom 6 Septemb. 1801, aus Contreras vom 21 September, aus Popayan vom 26 Novemb. 1801. -- So läßt sich ungeachtet der Lücken, doch einigermaßen seine Reise verfolgen. Die letzten Briefe aus Europa, und die ersten vom außereuropäischen Boden, schrieb er im J. 1799 hieher: sie sind in der Monatschrift 1801 August Nr 4 abgedruckt. Von seinen weiten Entdeckungsreisen in Südamerika während des J. 1800, stehn Berichte in Französischen und Deutschen Blättern; man s. vorzüglich die N. Allgem. D. Bibliothek: Bd 58 St. 1 im Intelligenzblatt, Bd 61 St. 2 S. 352, Bd 64 St. 1 S. 118. Gegen Ende des nehmlichen Jahres, sandte er eine Spanisch geschriebene Abhandlung über die von ihm genau untersuchte große Bildung des Südamerikanischen Gebirgbodens, nebst einer von ihm dort an Ort und Stelle gemachten geologischen Sammlung, an das Naturhistorische Kabinet zu Madrid; und einen Auszug jener Abhandlung, in Französischer Sprache an Hrn Delametherie zu Paris. Der Anfang einer Uebersetzung dieses wichtigen Auszugs steht in den Allg. Geographischen Ephemeriden 1802 April. -- Was haben wir nicht von ihm zu erwarten, wenn er mit den Schätzen seiner Sammlungen und seiner Beobachtungen zurückkehrt; er, der in den ungeheuren Erdstrichen jener neuen Welt, in den mannichfachsten Räumen jener wunderbaren Natur tiefer eindrang und mehr sah, als irgend ein Europäer vor ihm! Unter den gegenwärtig hier angekommenen Briefen vom September und November des vorigen Jahrs, ist der mittlere der wichtigste. Der Leser erhält aus demselben das was allgemein interessiren kann; nebst eingeschalteten Nachrichten aus den beiden anderen, und Zusätzen zur Erläuterung. -- Ibagua findet sich auf den Karten von Südamerika, westwärts von Santa Fe de Bogota, zwischen dem Rio Cauka und dem Magdalenenflusse. Das Vizekönigreich Neugranada umfaßt die Landenge von Panama, Tierra Firme, und den Spanischen Antheil von Guiana; alle übrige Besitzungen der Spanier in Südamerika gehören zu dem Vizekönigreich Peru. Auszug eines Briefes des Hrn Alexander von Humboldt an seinen Bruder Hrn Wilhelm von Humboldt in Berlin Contreras bei Ibagua, im Königreich Neugranada, (4 Grad, 5 Minuten, Nördlicher Breite); d. 21 September 1801. Ich werde nicht müde, Briefe nach Europa zu schreiben, ob ich gleich überzeugt bin, daß nur wenige den Ort ihrer Bestimmung erreichen. Zwar gehen von den größern Städten hier wöchentlich Posten nach den Häfen. Allein, nachdem die Briefe daselbst oft 4 bis 6 Monate auf eine Schifsgelegenheit gewartet haben, und endlich zur See sind, übergiebt sie die übertriebene Vorsichtigkeit der Schifskapitäne, bei dem geringsten Anschein von Gefahr , den Wellen. (Mein letzter Brief war aus Sta Anna, der östlichen Cordillera de los Andes.) Man wird sich erinnern, daß dies zur Zeit des Seekriegs geschrieben ist. Nicht besser geht es mit den Briefen die von Europa hieher geschrieben werden. Außer einigen aus Spanien, einem einzigen von Dir, und zwei von H..s, habe ich, seitdem ich Corunna verlassen [am 5 Junius 1799], schlechterdings keinen einzigen aus Europa bekommen. Da sich so Viele hier in demselben Falle befinden, so fängt man, wie schwer es auch hält, nach und nach an, diese Entbehrung gelassener zu ertragen. Ich bin äußerst glücklich; meine Gesundheit ist so gut als sie vorher nie war; mein Muth ist unerschütterlich; meine Plane gelingen mir; und wo ich hinkomme, werde ich mit zuvorkommender Gefälligkeit aufgenommen. Ich habe mich bereits dergestalt an die neue Welt die mich umgiebt, gewöhnt, an die Tropen-Vegetazion, die Farbe des Himmels, die Stellungen der Gestirne, den Anblick der Indianer: daß Europa meiner Einbildungskraft manchmal nur wie ein Land vorschwebt, das ich in meiner Kindheit sah. Ich sehne mich indeß darum nicht weniger dahin zurück, und denke im Herbst 1804 wieder bei Euch zu sein. Die unangenehmste Folge der Ungewißheit des Briefwechsels von hier aus, ist die Nothwendigkeit in der man sich sieht, immer wieder von neuem zu wiederholen, was man schon oft geschrieben hat. Doch sehe ich aus Deinem Briefe , daß Du bis zum November 1799, also bis nach meiner Reise zu den Chaymas- Indianern, ziemlich häufig Briefe von mir erhalten hast. Dieser einzige Brief den Hr Al. von Humboldt von seinem Bruder erhalten hat, war vom Jänner 1800; man s. 1801 November S. 400. Vom November bis Jänner 1800, waren wir in Karakkas. Von da unternahmen wir die Reise auf dem Orinoko. Wir kamen durch den Apure in diesen Fluß, schiften ihn über die Katarakten hinweg aufwärts, gelangten unter 2 Grad Nördl. Br. in die kleinen Flüsse Atabapo, Tuamini und Temi; und trugen von da unser Kanot drei Tage lang bis Canno Pimichia am Schwarzen Fluß (rio negro). Diesen schiften wir erst abwärts, bis zu den Gränzen von Groß-Para (du Grand Para) und Brasilien; dann aufwärts bis zum Casiquiari zwölf Tage lang: zwischen so dick verwachsenen Wäldern daß wir darin die Tiger, und zwar große Tiger, auf den Bäumen erblickten, weil der zu üppige Pflanzenwuchs sie auf der Erde zu gehen verhinderte. Vom Casiquiari kamen wir [wieder] in den Orinoko, den wir nun weiter aufwärts gegen Osten, nach seinem Ursprung zu schiffend, bis über den feuerspeienden Berg Duida hinaus verfolgten. Noch weiter vorzudringen, verhinderte uns die Wildheit der menschenfressenden Guaikas. Auch ist nie ein Weißer weiter östlich in das unbekannte Land dieser unabhängigen Indianer gekommen; wir sind in den Wäldern zwischen dem Rio Negro, Orinoko, und Amazonenfluß, 500 Meilen tiefer landeinwärts gewesen, als Löffler gelangte. Von Duida, schiften wir nun den ganzen Orinoko bis an seine Mündung, 500 Französische Meilen weit, hinab . Man s. die Anmerkung 1 hinten. Von dieser über 1200 Meilen weiten Reise kehrten wir im Julius (1800) nach St Thome de la Angostura zurück. Wir verweilten hier einen Monat, wo ich die Gegend, und die Pflanzen, namentlich den Cortex Angosturae, untersuchte; während der gute Bonpland am Fieber litt: einer Folge der schrecklichen Miasmen in den nassen Wäldern des Aequators. -- Von da gingen wir, durch das Land (oder die sogenannte Mission) der Karaiben, und über Neubarcelona, nach Cumana, wo wir im September ankamen. Die Karaiben sind die größeste und muskelstärkste Nazion, welche ich je gesehen habe; sie allein widerlegt schon Raynals und Pauws Träumereien über die Schwäche und Ausartung des Menschengeschlechts in der neuen Welt. Ein ausgewachsener Karaibe gleicht einem aus Erz gegossenen Herkules. Am Orinoko, da wo er die vielen Mündungen bildet, womit er sich ins Meer ergießt. Bei dieser Gelegenheit stehe die Nachricht hier, daß gerade itzt auch die zwei Kisten mit Pflanzen, welche Hr v. H. auf der hier kurz geschilderten großen Reise, im Frühling 1800 nahe am Aequator, gesammelt hat, und deren schon mehrmal Erwähnung geschehen ist, in Berlin bei Hrn Prof. Willdenow eingetroffen sind. Im Dezember kamen wir, nach einer anderthalb Monat langen und sehr stürmischen Schiffahrt, wo wir bei den Klippen des baxo de la vibora (der Vipernbank), im Süden von Jamaika, beinahe Schifbruch litten, in der Havana an: wo wir drei Monate lang (bis Februar 1801), zum Theil im Hause des Grafen Orelly, zum Theil auf dem Lande bei dem Grafen Jaruco und dem Marques de Real Socorro, zubrachten. -- Ich hatte schon den Entschluß gefaßt, von hier nach Nordamerika zu segeln, bis zu den Fünf Seen zu gehen, durch den Ohio und Missisipi nach Luisiana herunter zu schiffen, und von da den wenig bekannten Landweg nach Neubiscaja und Mexiko einzuschlagen. Allein, mehrere Umstände bewogen mich diesen Plan aufzugeben, und wieder nach Südamerika zurückzukehren. Ich schifte mich daher in Batabano (auf Kuba) ein; wir kamen aber, weil wir, durch den Unglauben des Steuermanns an meine Instrumente, in den Meerbusen von Darien geriethen, erst nach 35 Tagen, da sonst diese Ueberfahrt höchstens 14 Tage währt, am 1 April 1801 nicht ohne große Gefahr in Cartagena an. Doch hatte ich unterwegs Gelegenheit, die geographische Lage der beiden Caymans und andrer Sandbänke und Klippen, welche noch nicht genau genug bekannt war, durch meinen Chronometer zu bestimmen. Die zwei Kaymans sind noch von dem Großen Kayman verschieden. Sie liegen sämmtlich unter Kuba, und westwärts über Jamaika. Wahrscheinlich haben sie, wie die vorher erwähnte Sandbank von den Vipern, ihren Namen von den Antillischen Krokodilen, welche Kaiman heißen. [Bis hieher war die Reise schon aus frühern Nachrichten bekannt. Nur glaubte man, diesen Theil des Briefes nicht unterdrücken zu dürfen, da er kurz und deutlich die ganze Folge derselben vor Augen legt]. Von Karthagena aus besuchten wir häufig den wegen der ungeheuren Dicke seiner Bäume berühmten Wald Turbako; in welchem doch Stämme von 8 Fuß im Durchmesser, z. B. die Cavanillesia Mokando, der Aufmerksamkeit des treflichen Jacquin entgangen sind. -- Hier in Karthagena traf ich Hrn Fidalgo und die Kommission, welche den Plan dieser Küste aufzunehmen hieher gesandt ist, mit sehr schönen Chronometern und andern Instrumenten an. Da sich meine geographischen Beobachtungen in dem Lande der Indianer zwischen dem Orinoko, Kasiquiari, Schwarzen Fluß, und Marannon (Amazonenfluß), auf die Lage mehrerer Küstenpunkte gründete; so war ich begierig, meine Bestimmung derselben mit der welche Hr Fidalgo gemacht hatte, zu vergleichen. Wir fanden eine wunderbare und durchgängige Uebereinstimmung in den Längenbeobachtungen. Auch fanden wir durch Vergleichung unsrer Tagebücher, daß die Magnetnadel seit 1798 auf dieser Küste eben so westlich als in Europa östlich abweicht, d. h. daß in Südamerika die östliche Abweichung schon angefangen hat sich zu vermindern . Dieser große Botaniker in Wien ward von Kaiser Franz I, zur Beförderung der Wissenschaft und Bereicherung der kostbaren Pflanzensammlung, nach Amerika gesandt. Man s. hinten die Anmerkung 2. Der lebhafte Wunsch, den großen Botaniker Don Jose Celestino Mutis, der noch ein Freund Linne's war, und sich itzt in Santa Fe de Bogota aufhält, zu sehen, und unsre Pflanzensammlungen mit den seinigen zu vergleichen; und die Begierde, die ungeheure Cordillere der Anden zu übersteigen, die sich von Lima (nördlich herauf) bis an die Mündung des Flusses Atrato (in den Golf von Darien) erstreckt, um so allein eine auf meine eigenen Beobachtungen gegründete Karte des ganzen Südamerikas nordwärts vom Amazonenfluß geben zu können: bewogen mich, den Landweg nach Quito über Sta Fe und Popayan dem Seewege über Portobelo, Panama und Guayaquil vorzuziehen . Ich schickte daher nur meine größten Instrumente, die Bücher die ich nicht nöthig hatte, und andre Sachen, auf dem letztern (dem Seewege) ab; wir aber schiften uns, nach einem fast dreiwöchentlichen Aufenthalt in Karthagena, auf dem Magdalenenfluß ein. Außer diesen Anden, welche in der Richtung des Meridians fortstreichen, hat Hr v. H. noch große Cordilleras (das Spanische Wort für Bergketten) parallel mit dem Aequator, gefunden und bestiegen, da wo die gewöhnlichen Landkarten lauter Ebenen zeichnen, obgleich diese Berge zum Theil von erstaunenswürdiger Höhe sind. Portobelo liegt am Nordmeere, an der öbern Küste der schmalen Landenge von Tierra Firme, welche man natürlich zu Lande übersteigen muß, um sich an der entgegengesetzten südlichen Küste in Panama wieder einzuschiffen, und in dem Meerbusen von Guayaquil, unterhalb des Aequators, zu landen. Die Gewalt des angeschwollenen mächtig strömenden Wassers hielt uns 45 Tage lang auf dem Magdalenenflusse, während welcher Zeit wir uns immer zwischen wenig bewohnten Wäldern befanden. Auf einer Strecke von 40 Französ. Meilen ist nicht ein Haus oder andre menschliche Wohnung anzutreffen. Ich sage Dir nichts mehr von der Gefahr der Katarakten, von den Mosquitos, von den Stürmen und Gewittern, die hier fast ununterbrochen fortdauren und alle Nächte das ganze Himmelsgewölbe in Flammen setzen; ich habe dies alles umständlich in einer Menge andrer Briefe beschrieben. -- Wir schiften auf diese Weise bis Honda, im 5ten Grad N. Breite. Ich habe den topographischen Plan des Flusses in vier Blättern gezeichnet, wovon der Vizekönig eine Kopie behalten hat; ich habe ein barometrisches Nivellement von Karthagena bis Sta Fe gezeichnet; ich habe an vielen Orten den Zustand der Luft untersucht: denn meine Eudiometer sind noch alle im Stande, so wie überhaupt kein einziges meiner kostbarern Instrumente zerbrochen ist. Bouguer hat auf seiner Rückreise nach Frankreich gleichfalls den Magdalenenfluß, nur abwärts, beschift; er hatte aber damal keine Instrumente bei sich. Von Honda aus besuchte ich die Bergwerke von Mariquita und Sta Anna, wo der unglückliche d'Elhuyar seinen Tod fand . Hier giebt es Pflanzungen von Zimmet (Laurus cinnamomoides Mutis ), welcher dem von Zeilan ähnlich, und derselbe ist den ich schon früher am Fluß Guaviare und am Orinoko fand. Hier findet sich auch der berühmte Mandelbaum (Caryocar amygdaliferum); Wälder von Kinabäumen; und die Otoba, die eine wahre Myristica (Muskatnuß) ist, und auf welche die Regierung itzt ihre Aufmerksamkeit richtet. Hr Desieux, ein Franzose, welcher mit 2000 Piastern (500 Frd'or unsers Geldes) zum Aufseher dieser Pflanzungen ernannt ist, begleitete uns auf unsrer Schiffahrt. Man s. hinten Anmerkung 3. Es giebt sehr viele Arten der Cinchona oder des Fieberrindenbaums. Von Honda steigt man 1370 Toisen aufwärts nach Sta Fe de Bogota. Der Weg zwischen den Felsen -- kleine eingehauene Treppen, nur 18 bis 20 Zoll breit, so daß die Maulthiere nur mit Mühe ihren Leib durchbringen -- ist über alle Beschreibung schlecht. Man tritt aus der Mündung des Berges (la boca del monte) bei 4° 35' N. Breite; und nun befanden wir uns auf einmal in einer großen Ebene von mehr als 32 Französ. Quadratmeilen, auf der man zwar keine Bäume sieht, die aber mit Europäischen Getreidearten besäet und mit Indianischen Dörfern angefüllt ist. Diese Ebene (los Ilanos de Bogota) ist der ausgetrocknete Grund des Sees Funzhe, welcher in der Mythologie der Muyscas Indianer eine wichtige Rolle spielt. Das böse Prinzip oder der Mond, ein Weib, brachte eine Sündfluth hervor, durch welche sich der See bildete. Aber Bochika, das gute Prinzip oder die Sonne , zertrümmerte den Fels Tequendama, wo heutiges Tags der berühmte Wasserfall ist; der See Funzhe lief ab; die Bewohner der Gegend, die sich während der Fluth auf die nächsten Berge geflüchtet hatten, kehrten in die Ebne zurück; und Bochika, nachdem er den Indianern eine politische Verfassung und Gesetze, welche denen der Inkas ähnlich waren, gegeben hatte, ging den Tempel von Sagamuri zu bewohnen. Da lebte er 25000 Jahre, und zog sich hernach in sein Haus, die Sonne, zurück. Dieser Sonnengott scheint, des Gegensatzes wegen, der Mann zu sein; also stellt auch diese Nazion sich die Sonne männlich, und den Mond weiblich vor. Unsre Ankunft in Sta Fe glich einem Triumphzug. Der Erzbischof hatte uns seinen Wagen entgegen geschickt; mit demselben kamen die Vornehmsten der Stadt. Man gab uns ein Mittagsessen 2 Meilen von der Stadt, und wir zogen mit einem Gefolge von mehr als 60 Personen zu Pferde ein. Da man wußte, daß wir Mutis zu besuchen kamen, und dieser durch sein hohes Alter, sein Ansehn bei Hofe, und seinen persönlichen Charakter, in der ganzen Stadt in außerordentlicher Achtung steht; so suchte man seinetwegen unsrer Ankunft einen gewissen Glanz zu geben, und ihn in uns zu ehren. Der Vizekönig darf in der Stadt, der Etikette nach, mit Niemand essen; er war aber gerade zufällig auf seinem Landsitz Fucha, und lud uns dahin zu sich ein. -- Mutis hatte uns ein Haus in seiner Nähe einrichten lassen, und behandelte uns mit ausnehmender Freundschaft. Er ist ein ehrwürdiger alter Geistlicher, von beinahe 72 Jahren; und dabei ein reicher Mann: der König zahlt für die botanische Expedizion hieselbst jährlich 10000 Piaster. Seit funfzehn Jahren arbeiten 30 Maler bei Mutis; er hat 2 bis 3 tausend Zeichnungen in Großfolio, welche Miniaturgemälde scheinen. Nächst der Bankssischen in London, habe ich nie eine größere botanische Bibliothek als die Mutisische gesehen. -- Ungeachtet der Nähe beim Aequator, ist das Klima hier empfindlich kalt, wegen der vorher angezeigten hohen Lage: das Thermometer steht meist auf 6 bis 7 Grad Reaumur, oft auf 0, nie über 18°. Ich bin, bei den Flußmiasmen und den Entzündungerregenden Moskitostichen, völlig gesund geblieben; aber der arme Bonpland bekam, auf dem Wege von Honda nach Sta Fe, wieder das dreitägige Fieber. Dies nöthigte uns, zwei volle Monate, bis zum 8 Septemb. 1801, in der letzten Stadt zu bleiben. Ich maß indeß die umliegenden Berge, von denen mehrere 2000 bis 2500 Toisen hoch sind; besuchte den See Guatavita, den Wasserfall Tequendama, der wegen der Menge seines Wassers außerordentlich schön, aber nur 91 Toisen hoch ist, die Steinsalzgruben von Zipaguira, u. s. w. Die Spitze beim Kloster auf dem St Bernhard ist nur 1274 Toisen über der Meeresfläche hoch. Selbst der Montblanc hält, nach der höchsten Angabe, noch keine 2400 Toisen. Sobald Bonpland wieder hergestellt war, verließen wir Sta Fe, und sind itzt auf dem Wege nach Quito. Wir wollen durch Ibagua und die Schneegegenden von Quiridiu über die Anden gehn. Bouguer ging über Guanacas. -- Ich schreibe diese Zeilen am Fuß der Cordillere, die ich in drei Tagen besteige. Wir sind mehr zu Fuße als auf unsern Maulthieren. Aber diese Art zu reisen bekömmt uns wohl, und wir sind sehr gut mit allem Nöthigen versehn. Im Jänner 1802 gehe ich nach Lima; von dort im Mai nach Akapulko; und von da, nachdem ich vorher Mexiko bereis't haben werde, vollende ich meine eigene Reise um die Welt, indem ich über die Philippinen, und hierauf um das Vorgebirge der guten Hofnung herum, nach Europa zurückkehre. [In dem Briefe aus Sta Fe, vom 6 September, findet sich noch die naturhistorische Merkwürdigkeit]: Wir haben entdeckt, und ich halte es keinem Zweifel mehr unterworfen: daß der Krokodil, von dem alle große Flüsse hier leider voll sind, ein Krokodil von 25 Fuß Länge, ein Cor biauritum, biloculare (ein Herz mit zwei Ohren und mit zwei Kammern), wie ein warmblütiges Thier, hat. [Das Wichtigste in dem Briefe aus Popayan, vom 26 November, ist Folgendes]: Wir reisten am 8 September von Sta Fe de Bogota ab, und stiegen über die Cordillere der Anden bei Quiridiu, wo wir 14 Tage lang über Schnee gehen mußten. Wir haben auf dieser Reise interessante Wanderungen in die Gebirge gemacht; und unter andern den Vulkan von Purace besucht, dessen Mündung, die 2300 Toisen hoch liegt, schon auf eine große Entfernung ein furchtbares Getöse macht. Ende Dezembers rechnen wir in Quito einzutreffen. Anmerkungen. 1. Zu Seite 442. Durch diese Fahrt wird ein bisher in der Erdbeschreibung bestrittener Punkt, ob es nehmlich eine Vereinigung zwischen dem Orinoko und Amazonenfluß gebe? außer Zweifel gesetzt. Noch ganz neuerlich hat Hr Buache, Mitglied des Nazionalinstituts in Paris, diese Vereinigung, die er une monstruosite en Geographie nennt, geläugnet. Dieser schätzbare und gelehrte Geograph gab nehmlich 1798, vermuthlich mit Rücksicht auf die im Jahr vorher geschehene Deportazion nach Guiana, eine neue Karte dieses Landes (Carte generale de la Guiane, dressee d'apres les observations les plus recentes, par N. Buache. an 6 de la Rep. a Paris, chez Desenne) heraus, bei der er vorzüglich eine 1775 erschienene Spanische von D. Juan de la Cruz benutzt hatte. Er änderte aber die letztere dahin ab, daß er die Vereinigung zwischen dem Orinoko und Amazonenfluß aufhob, und den Parima, Maquiritari, Casiquiari und andere -- nicht, wie Cruz, zu Armen des Orinoko, sondern -- zu Armen des Schwarzen Flusses machte. Er beruft sich, bei Rechtfertigung dieser Abänderung, auf eine große wasserscheidende Gebirgskette zwischen den beiden großen Strömen; ohne aber hinzuzusetzen, auf welche Weise er sich von dem Dasein dieser Gebirgskette überzeugt hat. -- Nach der obigen Beschreibung meines Bruders, scheint dieselbe gar nicht zu existiren. Vielmehr windet sich, wie es scheint, der Orinoko unter 2° N. Br. auf einmal östlich, und nimmt auf diesem östlichen Laufe den Casiquiari auf, der unmittelbar vom Schwarzen Flusse herkömmt, so daß man von ihm in diesen letztern, und durch diesen weiter in den Amazonenfluß gelangen kann. W. von Humboldt. Condamine, welcher sich 7 bis 8 Jahre lang in Südamerika aufhielt, und 1743 den Amazonenfluß befuhr, auch selbst, obgleich nicht weit, den Schwarzen Fluß aufwärts schifte, erfuhr schon damal: daß vermittelst des letztern, welcher bekanntlich in den erstern fällt, eine Verbindung zwischen diesem und dem Orinokoflusse Statt finde. Noch umständlicher ward ihm dies von dem P. Ferreyra 1744 gemeldet. Man s. Relation d'un voyage fait dans l'interieur de l'Amerique meridionale par M. de la Condamine, a Maestricht 1778, p. 116. Er zeigt zugleich an, daß diese Verbindung auf allen alten Karten angegeben, und nur erst von den neuern Geographen bezweifelt oder geläugnet ist. Nur weiß er freilich nicht recht, wie der Schwarze Fluß mit dem Orinoko zusammen hängt. Dies scheint gleichfalls Danville'n unbekannt gewesen zu sein, der den Rio Negro als einen schrägen Kanal zwischen dem Orinoko und dem Amazonenfluß zeichnet. Erst durch unsern Reisenden werden wir das Umständliche und Zuverlässige hievon erfahren. 2. Zu Seite 446. Die Magnetnadel des Kompasses zeigt mit der einen Spitze nur beinahe nach Norden, und mit der andern beinahe nach Süden. Diese Abweichung ist weder zu Einer Zeit auf der ganzen Erd- und Meeresoberfläche gleich: sondern an einigen Orten, mehr oder weniger östlich, an andern westlich vom Meridian, und wieder an andern Orten gleich Null; noch bleibt sie an dem nehmlichen Orte immer dieselbe. Man hat Karten entworfen, worauf die Abweichungen zur nehmlichen Zeit in allen Welttheilen abgebildet sind, und woraus sich ergiebt, daß die Entfernung vom Meridian in Südamerika nach der entgegengesetzten Richtung zu sein pflegt, als in Europa und Afrika. Auch hat man einige Verzeichnisse von den Aenderungen dieser Abweichung am nehmlichen Orte zu verschiedenen Zeiten. So zeigte sie sich in Paris am Ende des 16 Jahrhunderts östlich; am Anfang des folgenden nahm sie ab, und nach der Mitte desselben war gar keine Abweichung; worauf sie im 18ten Jahrh. nach Westen, und zwar immer weiter ging: vom J. 1700 bis 1790, von 8 bis an 22 Grade. (Man s. unsers Bode Erläut. der Sternkunde, Th. 2, Berlin 1793, S. 737 folgg.). Seit einigen Jahren wird sie in Europa wiederum östlicher. Die Theorie dieser Abweichung, und ihrer Aenderungen, ist noch sehr im Dunkeln. -- Eben so verhält es sich mit der Neigung der Magnetnadel, vermittelst deren sie eine ihrer Spitzen aus der geraden horizontalen Richtung zur Erde niedersenkt: welche Richtung gleichfalls weder überall, noch an dem nehmlichen Orte zu verschiedenen Zeiten, dieselbe ist. 3. Zu Seite 448. (Da der hier genannte Mann auch in Deutschland mit Ruhm bekannt, und also manchen Lesern interessant ist, so ersuchte ich meinen und des Briefstellers gemeinschaftlichen Freund, Hrn Oberbergrath Karsten, um eine Nachricht über den braven Spanier.) Unser gelehrter Landsmann Alex. von Humboldt setzt zuweilen mehr Kenntnisse bei den Lesern seiner Briefe voraus, als sie besitzen. Er scheint itzt im Spanischen Amerika gewissermaßen nazionalisirt, und nimmt, was dort die unterrichteten Leute wissen, überall für bekannt an. In Deutschland wenigstens wußte man, vor Eingang dieses Schreibens, nichts von d'Elhuyar's Tode; vermuthlich also in dem größten Theile von Europa nicht: denn wir Deutsche pflegen Alles zu erfahren, weil wir uns um Alles bekümmern. Noch weniger ist hier bekannt, welcher der beiden Brüder d'Elhuyar in den Bergwerken seinen Tod, und auf was für eine Weise er ihn gefunden hat. Die Spanier Don Joseph und Don Fausto d'Elhuyar wurden beide durch eine im J. 1783 gemeinschaftlich unternommene wichtige chemische Arbeit, und damit verknüpfte Entdeckung, berühmt. Die beiden verewigten Chemisten Bergman und Scheele in Schweden hatten nehmlich in dem Schwerstein (Tungsteen), einem Fossil welches fälschlich für ein weißes Zinnerz gehalten wurde, und damal nur aus den Böhmischen und Schwedischen Bergwerken in die Sammlungen der Liebhaber kam, eine Mischung von Kalkerde mit einer kleinen Säure entdeckt, deren metallische Natur sie, nach Analogie der Arseniksäure, ahneten. In einem andern verrufenen Fossil, welches den Namen Wolfram führt, fanden die Gebrüder d'Elhuyar nicht allein denselben gesäuerten Stof, sondern es gelang ihnen auch wirklich die Darstellung eines zeither unbekannt gewesenen Metalles aus dem letztern, wodurch daher die auf guten Gründen ohnehin beruhende Vermuthung der Schwedischen Chemiker volle Bestätigung erhielt. Sie gaben dieser neuen Substanz den Namen: Wolfram-Metall, von dem Fossil durch dessen Zergliederung sie es erhalten hatten; und beschrieben das hiebei beobachtete Verfahren genau in den Abhandl. der Königl. Biscajischen Sozietät vaterländischer Freunde, welche im J. 1766 gestiftet sein soll, und damal abwechselnd in Bilbao, in Vergara und Vitoria ihre Versammlungen hielt. Man findet den Namen auch, aber unrichtig, de Luyart, geschrieben. Unter dem Titel: Analysis quimica del Volfram ... Diese Abhandlung ward von Cullen ins Englische, und daraus von Gren ins Deutsche übersetzt (Halle 1786). Im Auslande ist übrigens Don Fausto d'Elhuyar persönlich bekannter geworden, als sein Bruder. So viel ich weiß, haben zwar Beide in Freiberg um das J. 1780 studirt; aber nur Jener hat in Upsala den Unterricht des berühmten Bergman in der Chemie genossen. Letzterer erwähnt seiner in einem Briefe an Hrn von Crell unterm 23 März 1784 (man s. die Chem. Annalen 1784, Bd 2, S. 207); und bei dieser Gelegenheit bekamen die Deutschen Chemisten die erste Nachricht von jener Entdeckung des Wolfram-Metalls. Im J. 1786 reis'te D. Fausto d'Elh. zu dem bekannten Metallurgischen Kongreß nach Schemnitz in Ungarn, welcher durch v. Born's Verpflanzung der in Südamerika eingeführten Amalgamazion auf Europäischen Boden veranlaßt wurde. Im September desselben Jahrs ward daselbst die "Sozietät der Bergbaukunde" errichtet, und der genannte Spanier gehörte, nebst den berühmten Mineralogen verschiedener Länder, zu ihren Stiftern . Von dort aus verbreitete er die Kenntniß der Wernerschen Methode in der mineralogischen Charakteristik nach Frankreich. Dies ging so zu. Die lange Zeit verborgen gebliebene Uebersetzerinn von Scheele's Chemischen Abhandlungen (Demoiselle Piccardet zu Dijon, welche sich aus Bescheidenheit nicht genannt hatte) faßte zu der Zeit, als Werner's klassisches Werk: "Von den äußerlichen Kennzeichen der Fossilien, Leipzig 1774" einigen wenigen Gelehrten und ihr selbst in Frankreich bekannt geworden war, den Entschluß auch davon eine Französ. Uebersetzung zu liefern. Jedoch unter mehrern Bedenklichkeiten welche bei ihr aufstiegen, trat auch die ein: Werner werde wahrscheinlich bald das Werk neu herausgeben und ihre Arbeit dann mangelhaft bleiben. Indeß erfolgte gerade das Gegentheil. Hr D'Elhuyar versicherte sie schon bei seiner Durchreise 1786, daß man vergebens auf eine neue Ausgabe dieses Buchs rechne; und schickte ihr von Glashütte (oder Szkleno, bei Schemnitz) ein durchschossenes Exemplar der Wernerschen Abhandlung, mit allen denen Zusätzen und Verbesserungen versehen, welche der Verfasser dieser mineralogischen Charakteristik damal schon bei seinen Vorlesungen hinzufügte. Dies erzählt sie selbst pag. V und VI der Vorrede zu dem Traite des caracteres exterieurs des Fossiles; traduit de l'allemand de M. Werner: par le traducteur des Memoires de Chymie de Scheele, a Dijon 1790. Da diese Uebersetzung eines Theils vermöge der neuen Zusätze Vorzüge vor dem Original erhalten, andern Theils aber die kenntnißvolle Uebersetzerinn alle bei dieser Arbeit, besonders in Hinsicht der Terminologie, eingetretene Schwierigkeiten vortreflich zu besiegen gewußt, und eine treue Kopie des Originals geliefert hat; so bin ich dadurch veranlaßt worden, dies Französische Werk, vor Herausgabe meiner neueren Tabellen, eine ganze Zeit hindurch bei den mineralogischen Vorlesungen zum Grunde zu legen. Die nächste Folge dieser Verbindung war die Herausgabe einer Sammlung unter dem einfachen Titel: "Bergbaukunde;" wovon aber nur zwei Bände, Leipzig 1789, und 1790, erschienen sind. In beiden Theilen stehn Aufsätze und Briefe von D. Fausto. Bei Gelegenheit der Zurückreise aus Ungarn, warb Don Fausto d'Elhuyar auf Befehl der Spanischen Regierung Sächsische Bergleute mit Genehmigung ihres Landesherrn, für Amerika an. Er engagirte auch einige subalterne Beamte und Unterdirektoren, von denen die Herrn von Nordenflycht (vormal in Polen) und Sonnenschmidt dem gelehrten Publikum durch die Nachrichten bekannt geworden sind, welche in das Intelligenzblatt der Allg. Literaturzeitung eingerückt waren, als dieses Korps von Bergleuten im Jänner 1789 den Boden Spaniens betreten hatte, und Hr Hüttendirektor Helms durch das Tagebuch seiner Reise nach Peru (Dresden 1789). Auch an mich erging damal eine Aufforderung, Theil an dieser Expedizion zu nehmen. Ich lehnte sie ab, weil mein Vater kürzlich gestorben war, und mir eine einzige zu der Zeit unverheiratete Schwester hinterlassen hatte, welche meines Beistandes bedurfte. -- Gegen Ende des Sommers 1787 kam Don Fausto d'Elhuyar, Generaldirektor der Spanischen Bergwerke in Mexiko, nach Berlin. Er ward am 4 September in unsre Gesellschaft Naturforschender Freunde eingeführt, und erhielt das Diplom eines auswärtigen Mitgliedes. Er besuchte die vorzüglichsten der hiesigen Gelehrten, und die Herren Gerhard und Klaproth erinnern sich seiner wissenschaftlichen Unterhaltungen mit vielem Vergnügen. Der Letztere überzeugte ihn durch mehrmalige Versuche von der irrigen Meinung der Auflöslichkeit des Goldes in reiner Salpetersäure, worauf Hr D' Elhuyar bereits eine falsche Theorie gegründet hatte. Er ist der jüngere der beiden Brüder. Dies ergiebt sich theils daraus, daß auf dem Titel der gedachten Analysis Don Joseph's Namen vorangedruckt steht; theils bestimmter aus dem Ersten Bande der angeführten "Bergbaukunde, wo es S. 7 heißt: "In Santa Fe der ältere Herr d'Elhuyar; in Mexiko der jüngere Herr d'Elhuyar." Hier sind die Vornamen zwar nicht angegeben, aber der Name Mexiko verweist auf unsern Don Fausto. Deutlicher noch ist daselbst, hinten, die letzte Seite des (nicht paginirten) Verzeichnisses: "In Santa Fe di Bogoda (de Bogota), Hr d'Elhuyar der ältere, Direktor der Bergwerke zu S. Fe d. B. In Mexiko: Don Fausto d'Elhuyar, Generaldirektor des Königl. Spanischen Tribunals des Bergwerkskorps in Neuspanien." -- Höchst wahrscheinlich ist also auch der ältere dieser wackeren Männer der Verunglückte: da das Bergwerk Sta Fe, wo der traurige Unfall geschehen ist, in der Nachbarschaft und in dem Bezirke des in Santa Fe wohnenden Bergwerksdirektors liegt. Berlin. Karsten.