Von unſerm beruͤhmten Landsmann, Alexander von Humboldt, der, auf ſeiner gelehrten Reiſe, jetzt in den Wildniſſen des ſuͤdlichen Amerika, faſt alle Gegenſtaͤnde der Naturkunde und der Naturgeſchichte unterſucht, haben die Leſer dieſer Zeitung durch dieſelbe mehrere mahle Nachrichten erfahren. Heute koͤnnen wir ihnen die neueſten mittheilen, die von ihm aus jenem fernen Welttheil nach Europa gekommen ſind. Wir entlehnen ſie aus ſeinem Schreiben an Herrn Profeſſ. Willdenow, den Herr v. Humboldt als ſeinen Lehrer in der Botanik verehrt, und dem mittelbarerweiſe die Welt alle Entdeckungen zu verdanken haben wird, welche ſich von der Reiſe des Hrn. v. Humboldt erwarten laſſen, weil urſpruͤnglich die Liebe zur Kraͤuterkunde ihn vermocht hat, jene Reiſe zu unternehmen. Der Brief iſt aus der Havana und vom 21ſten Februar dieſes Jahres datirt. In nachſtehendem Auszuge aus demſelben iſt alles genauere wiſſenſchaftliche Detail weggelaſſen. „Da es nicht bloß ungewiß ſondern ſogar unwahrſcheinlich iſt, ſchreibt Hr. v. Humboldt, daß mein Reiſegefaͤhrte (Bonpland) und ich, die Reiſe um die Welt, nach unſerm Plan uͤber die Philippinen und das Cap der guten Hofnung, wohlbehalten zuruͤcklegen; ſo ſorge ich wenigſtens dafuͤr, daß die Fruͤchte unſerer Arbeiten nicht verlohren gehen moͤgen. Wir ſchicken alſo Duplicate von unſern niedergeſchriebenen Bemerkungen durch die franzoͤſiſchen Handlungsagenten nach Frankreich, und eben ſo machen wir es mit unſern Sammlungen von natuͤrlichen Merkwuͤrdigkeiten. Dir, lieber Willdenow habe ich in 2 Kiſten 1000 verſchiedene Species von Pflanzen geſchickt, die mehrentheils aus dem unbekannten Theile der Parime und Guayana zwiſchen dem Rio negro und Breſil, wo wir im vorigen Fruͤhjahre waren, geſammlet ſind. Du erhaͤltſt dieſe Kiſten durch Hrn. Fraſer, einen guten botaniſchen Gaͤrtner und Saamenhaͤndler, der bei London wohnt, und der in ſeinem Gewerbe der Lieferant des Kaiſers von Rußland iſt. Du erinnerſt dich aus Walters flora Carolinenſi, daß dieſer Herr Fraſer vier botaniſche Reiſen in Labrador und Canada gemacht hat. Seit 1799 iſt er auf einer fuͤnften ſolchen Reiſe begriffen. Dieſe gieng zuerſt in die am Ohio belegenen Staaten Kentucky und Teneſſee, welches beilaͤufig geſagt itzt ſchon ſo gangbare Gegenden ſind, daß man von Philadelphia, zu Waſſer und zu Lande, Waaren uͤber Fort-Pitt, den Ohio und den Miſſiſſippi bis nach Nueva Orleans ſchickt und zu dieſer ganzen Reiſe nicht laͤnger als 4 Wochen Zeit braucht. Vermittelſt dieſer leichten Kommunikation kam nun auch Herr Fraſer bis in die ſpaniſchen Kolonien, namentlich hieher nach Havana. Er kannte die Schwierigkeiten nicht, ohne Erlaubniß des Koͤnigs von Spanien in die Kolonien einzudringen, er haͤtte alſo ſeine Abſicht hier Pflanzen zu ſammlen ſchwerlich erreicht, wenn er nicht zum Gluͤck Schiffbruch erlitten haͤtte. Nachdem er auf einer Sandbank 10 Meilen von der Kuͤſte drei ungluͤckliche Tage zugebracht hatte, ward er endlich durch Fiſcher von Matanzas gerettet und kam, von Allem entbloͤßt, hier an. Sein Name und ſein Gewerbe waren genug, mir ihn zu empfehlen, ich nahm ihn in mein Haus auf, unterſtuͤtzte ihn mit Gelde und mit Allem was er bedurfte und verſchafte ihm, durch meine Verbindungen, die Erlaubniß die Inſel Cuba zu bereiſen, die er, ohne den Unfall des Schiffbruchs ſchwerlich erlangt haben wuͤrde. Dieſem Manne nun hab ich die Kiſten mit Pflanzen fuͤr dich anvertraut und die Freundſchaft, die ich ihm zu erzeigen Gelegenheit gehabt, iſt mir Buͤrge, daß er mehr als gewoͤhnliche Sorge dafuͤr tragen wird. Der gute Fraſer hat ſeinen Sohn bei ſich, einen ſehr liebenswuͤrdigen jungen Menſchen, dem ich es antrug, mich auf meiner Reiſe nach Mexiko zu begleiten. Er ſchlug es aber ab, weil er die Spanier fuͤrchtet, deren Sprache er nicht verſteht und weil er zuruͤck nach London eilt, um ſeine in Kentucky geſammelten Pflanzen zu beſchreiben. Ich gehe alſo — doch, ehe ich dir ſage, wo ich von hier aus hinzugehen gedenke, will ich dir, auf den Fall daß meine fruͤheren Briefe dir nicht zu Haͤnden gekommen waͤren, die bisherigen Hauptepochen meiner Reiſe kuͤrzlich wiederholen, damit du wenigſtens den Faden davon habeſt. Am 5. Juni 1799 ſegelte ich mit meinem Reiſegefahrten Alexander Bonpland, auf der Fregatte Pizarro, von Corunna nach den canariſchen Inſeln, wo wir den Pic de Teyde bis in den Crater beſtiegen. Seit 12 Jahren war Niemand dort geweſen. Mr. Johnſtone, ein Kaufmann aus Madeira, war der letzte vor uns. Am 16. Julius langten wir im Hafen von Cumana an; bis im November blieben wir dort und in den Gebirgen Tumiriquiri unter den Indias Chaymas, am Guarapiche und Coſta de Paria. Am 18. November giengen wir zur See nach la Guayra und Caraccas. Dort und in der umliegenden Gegend die Silla beſteigend blieben wir zwei Monathe, dann durch Valles de Aragua und durch die Cacaopflanzungen am romantiſchen See von Valencia, wo wir einen Baum entdeckten, deſſen Milch die Indianer wie Kuhmilch genießen. Sie iſt ſehr naͤhrend und giebt ſauren Kaͤſe! weiter nach Portocabelle, dann ſuͤdlich durch das große Llano (einer Wuͤſte voll Gymnotus electric. in den Suͤmpfen und voll wilder Pferde das Stuͤck zu einem Thaler!) in die Provinzen Varinas an den Graͤnzen von Santa Fé bis Rio Apure im 7. Grad ſuͤdlicher Breite. Auf dieſem Fluß oͤſtlich in den Orinoco bis Cabruta, dann dieſen ſuͤdlich aufwaͤrts bis jenſeits der fuͤrchterlichen Cataracten de Maypure und Atures an die Muͤndung der von Quito kommenden Guaviare in 3° Breite. Von hier aus, den Orinoco verlaſſend auf den kleinen Fluͤſſen Atabapo, Tuamini und Temi gegen Suͤdweſten und 150 Meilen von Quito bis an den wegen Schlangen beruͤchtigten Monte de Pimichia. Durch dieſen Wald trugen die Indianer drei Tage lang die Pirogua (unſern Kahn) bis an den Fluß Negro. Dieſen ſchifften wir alsdann hinab ſuͤdoͤſtlich bis San Carlos, einer von 8 Mann bewachten Graͤnzfeſtung gegen den Bréſil (gegenuͤber beſitzen die Portugieſen San Joſe de Maravitanos; ſie hinderten mich mit den Inſtrumenten weiter vor bis an den nahen Amazonen-Fluß zu dringen) dann durch den Caſiquiare noͤrdlich an die Quellen des Orinoco, dieſen aufwaͤrts bis jenſeits dem Vulcan Duida im Dorado in Waͤldern von Cacao, Caryocar, einem neuen Genus Juvia (Mandelbaum mit 14 Zoll breiten Fruͤchten); dann ſchifften wir den ganzen Orinoco abwaͤrts bis an die Muͤndung, eine Reiſe von 1200 Meilen immer auf den Fluͤſſen. Von der Muͤndung des Orinoco bis durch das Llano de Caracatiche nach Barcellona und endlich am 1. September 1800 nach Cumana zuruͤck, in das Haus unſers Freundes, Don Vincente Emperan, Gouverneurs dieſer Provinz. Hier ordneten wir unſre bisher gemachten Sammlungen und machten Excurſionen ins Gebirge Chaparuparu; dann am 24. October mit vieler Gefahr und ſchrecklichen Sturm von Nuova Barcellona nach Havana, wo wir den 19. December 1800 ankamen und wo ich ſeit 18 Monaten die erſten Briefe aus Europa antraf. — Mit meinem Reiſegefaͤhrten (Alexander Bonpland) habe ich Urſach uͤberaus zufrieden zu ſeyn. Er iſt ein wuͤrdiger Schuͤler Juͤſſieus, Desfontaines, Richard’s, iſt uͤberaus thaͤtig, arbeitſam, ſich leicht in Sitten und Menſchen findend, ſpricht ſehr gut ſpaniſch, iſt ſehr muthvoll und unerſchrocken; mit einem Worte, er hat vortrefliche Eigenſchaften fuͤr einen reiſenden Naturforſcher. Die Pflanzen (die mit den Dubletten uͤber 12000 betragen) hat Er allein getrocknet. Die Beſchreibungen ſind zur Haͤlfte Sein Werk. Oft haben wir jeder beſonders dieſelbe Pflanze beſchrieben um der Wahrheit deſto gewiſſer zu ſeyn. Wir glauben ſehr genaue Diagnoſen niedergeſchrieben zu haben, wagen es aber doch nicht, zu beſtimmen: wie viel neue Genera wir beſitzen? In Palmen und Graͤſern, in Melaſtomis, Piper, Malpighia, Cipura Aublet, Caeſalpina, der Cortex Anguſturae (die ein neues, von Cinchona verſchiedenes, Genus iſt) ſind wir ſehr, ſehr reich; dennoch bin ich gewiß, daß zwei Drittel unſrer neuen Gen. et Spec., wenn wir nach Europa zuruͤckkommen, als uralt erkannt werden; indeß gewinnt die Wiſſenſchaft immer wenn in ſo entlegenen Laͤndern neue, nach der Natur gemachte Beſchreibungen aufgezeichnet werden. Welch einen Schatz von Pflanzen enthaͤlt das wunderbare, mit undurchdringlichen Waͤldern erfuͤllte, von ſo vielen neuen Affenarten bewohnte Land zwiſchen dem Orinoco und dem Amazon, in welchen ich 1400 geographiſche Meilen zuruͤckgelegt habe! Ich bin nun voͤllig von dem uͤberzeugt, was ich in England noch nicht glaubte, obwohl ich es ſchon aus Ruiz, Pavon, Neé’s und Haͤnken’s Herbarien ahnete; ich bin, ſage ich, izt uͤberzeugt, daß wir nicht drei Fuͤnftel aller vorhandenen Pflanzenſpecies kennen! Welche wunderſame Fruͤchte, von denen wir, als wir vom Aequator zuruͤckkamen, große Kiſten voll nach Madrit und Frankreich geſandt haben! Welch einen Anblick gewaͤhrt die Palmenwelt in den undurchdringlichen Waͤldern am Rio negro! Nur hier, hier und ſelbſt nicht mehr hier nur in der Guayana, in Suͤdamerika, iſt die Welt recht eigentlich gruͤn. Der Brodtfruchtbaum (Artocarpus inciſa) den man in der Guayana cultivirt, gedeihet unglaublich. Vierjaͤhrige Baͤume ſind 30 Fuß hoch, haben 3 Fuß lange, und 18 Zoll breite Blaͤtter und geben unzaͤhlige Fruͤchte! Ich kenne Plantagen welche 4 bis 500 Staͤmme beſitzen. Epoche in der Geſchichte des Ackerbaues macht das Zuckerrohr von Otaheiti, das man in ganz Weſtindien baut, das dreimal dicker als das alte, ſonſt hier gewoͤhnliche, iſt, und wenigſtens [Formel] mehr Zucker giebt! Dieſe Pflanze allein koͤnnte Cooks Namen verewigen.“ Sie ſind bereits gluͤcklich in London angekommen. Dies iſt wirklich der Fall, es iſt keiner angelangt. (Der Beſchluß folgt.) Beſchluß des letzthin abgebrochenen Schreibens des Hrn. Alex. v. Humboldt an Hrn. Prof. Willdenow. Aber wenn es ein Genuß, ein großer Genuß iſt, dieſe Naturſchaͤtze zu bewundern, ſo glaubſt Du auch wohl liebſter Willdenow daß der Beſchwerden und der Schwierigkeiten dabei nicht Wenige ſind! Durch die beſondere Gnade des Koͤnigs von Spanien, durch die perſoͤnlichen Auszeichnungen mit welchen der Koͤnig und die Koͤnigin mich beehrt haben, und durch die dringenden Empfehlungen des Miniſters Urquijo reiſe ich zwar in dieſem Lande mit groͤßerer Freiheit und Sicherheit als je einem Naturforſcher hier zu Theil geworden ſind. Auch reiſe ich mit mehr Bequemlichkeit als viele andere, in ſo fern ich auf den Fluͤſſen 24 Indianer viele Monate lang zu meinem Gebote, und im Innern des Landes oft einen Troß von 14 Maulthieren habe um meine Pflanzen, Inſtrumente und uͤbrigen Beduͤrfniſſe fortzuſchaffen. Aber, weder die Gnade des Koͤnigs von Spanien noch meine Gefaͤhrten und Begleiter koͤnnen mich vor den Beſchwerden des Clima und der Lokalitaͤt ſchuͤtzen, und dieſe ſind nicht geringe, zumahl wenn ich als Botaniker ſprechen ſoll. In der Guayana, wo man wegen der Mosquiten (einer Art von Muͤcken) die die Luft verfinſtern, Kopf und Haͤnde ſtets verdeckt halten muß, iſt es faſt unmoͤglich am Tageslichte zu ſchreiben: Man kann die Feder nicht ruhig halten, ſo wuͤthig ſchmerzt das Gift dieſer Inſekten. Alle unſre Arbeit mußte daher beim Feuer, in einer indianiſchen Huͤtte, vorgenommen werden, wo kein Sonnenſtrahl eindringt, und in welchen man auf den Bauch kriechen muß. Dort erſtickt man faſt vor Rauch, aber man leidet weniger von den Mosquiten. In Maypure retteten wir uns mit den Indianern mitten in den Waſſerfall, wo der Strohm raſend tobt, wo aber der Schaum die Inſekten vertreibt. In Higuerote graͤbt man ſich Nachts in den Sand, ſo daß blos der Kopf hervorragt und der ganze Leib mit 3 bis 4 Zoll Erde bedeckt bleibt. Man haͤlt es fuͤr eine Fabel wenn man es nicht ſieht. Sonderbar iſt es, daß da, wo die ſchwarzen Gewaͤſſer, eigentlich die kaffebraunen Fluͤſſe (Atabapo, Guainia ꝛc.) anfangen, weder Mosquiten noch Crocodille gefunden werden. Wenn nun unter ſolchen Beſchwerden die Pflanzen endlich beſchrieben ſind, ſo geht ein neuer Jammer an, wenn man nach einiger Zeit ſeine Kiſten wieder oͤfnet! Unſre Herbarien trift nemlich hier daſſelbe Schickſal uͤber das bereits Sparrmann, Banks, Swarz und Jacquin geklagt haben. Die unermeßliche Naͤſſe des amerikaniſchen Clima’s, die Ueppigkeit der Vegetation, in der es ſo ſchwer iſt, alte ausgewachſene Blaͤtter zu finden, haben uͤber ein Drittheil unſrer Sammlungen verdorben. Taͤglich finden wir neue Inſecten, welche Papier und Pflanzen zerſtoͤhren. Kampher, Terpentin, Theer, verpichte Bretter, Aufhaͤngen der Kiſten in freier Luft, alle in Europa erſonnenen Kuͤnſte, ſcheitern hier und unſre Geduld wird auf eine harte Probe geſetzt. Iſt man vollends drei bis vier Monat abweſend, ſo kennt man ſein Herbarium kaum wieder. Von 8 Exemplaren muß man 5 wegwerfen, zumahl in der Guayana, dem Dorado und dem Amazonenlande, wo wir taͤglich in Regen ſchwammen. Dieſer Beſchwerden ungeachtet iſt aber doch die Weltgegend zwiſchen den Wendekreiſen recht mein Element, und ich bin nie ſo ununterbrochen geſund geweſen, als ſeit meiner Abreiſe aus Spanien. Trotz des ewigen Wechſels von Naͤſſe, Hitze und Gebirgskaͤlte (denn die Parime, der ſuͤdliche Theil der Guayana, iſt keinesweges ein flaches Land wie die Geographen es ſchildern, ſondern es hat einen maͤchtigen von Popayan und Quito auslaufenden mit dem Oyapock bei Cayenne ſich verbindenden Gebirgsſtock, den ich in 1 Grad noͤrdlicher Breite vom Aequator 9600 Fuß hoch fand) trotz jenes ewigen Wechſels von Naͤſſe, Hitze und Gebirgskaͤlte, hat meine Geſundheit ſichtbar zugenommen. Ich arbeite ſehr viel, (das Pflanzenbeſchreiben iſt nur ein Nebenzweck meiner Reiſe) ich ſchlafe wenig, bin oft bei aſtronomiſchen Beobachtungen, 4 bis 5 Stunden lang ohne Hut der Sonne ausgeſetzt. Ich habe mich in Staͤdten aufgehalten (la Guayra, Portocabello) wo das graͤßliche gelbe Fieber wuͤthete, und nie, nie hatte ich nur Kopfweh! Nur in St Thome de la Angoſtura , der Hauptſtadt in der Guayana und in Nueva Barcellona , hatte ich 3 Tage lang Fieber, einmal am Tage meiner Ruͤckkunft vom Rio neger, da ich nach langem Hungern zum erſtenmahl und unmaͤßig Brod genaß, das andre mahl als ich von einem hier ſtets Fieber erregenden Staubregen bei Sonnenſchein benetzt ward. Am Atabapo, wo die Wilden ſtets am Faulfieber leiden, widerſtand meine Geſundheit unbegreiflich gut. Vier Monate lang ſchliefen wir in den Waͤldern, umgeben von Crocodillen, Boas, und Tigern, (die hier ſelbſt Canots anfallen ) nichts genießend als Reis, Ameiſen, Manioc, Piſang und Orinoco-Waſſer und bisweilen Affen. Von Mondavaca bis zum Vulcan Duida, von den Graͤnzen des Quito bis Surinam hin, Strecken von achttauſend Quadratmeilen in denen kein Indianer, ſondern nichts als Affen und Schlangen anzutreffen ſind, haben wir an Haͤnden und Geſicht von Musquitenſtichen geſchwollen, durchſtrichen. Aber dagegen auch welche Groͤße in jenen majeſtaͤtiſchen Palmwaͤldern, wo man ſo viele und verſchiedene unabhaͤngige freie indianiſche Voͤlkerſchaften und bei dieſen einen Reſt peruaniſcher Cultur antrifft! Nazionen, die, ihren Acker wohl beſtellend, Gaſtfreundſchaft ausuͤben, ſanft und menſchlich ſcheinen wie die Otaheiter, aber auch, gleich dieſen — Menſchenfreſſer ſind . Ueberall, uͤberall im freien Suͤdamerica, (ich rede von dem Theil ſuͤdwaͤrts von den Cataracten des Orinoco, wo außer 5 bis 6 Franziscaner-Moͤnchen kein Chriſten- Menſch vor uns eindrang) fanden wir in den Huͤtten die entſetzlichen Spuren des Menſchenfreſſens!! — Ich habe das ſpaniſche Miniſterium gebeten einen jungen Franziskaner-Moͤnch durch Cavanilles in der Botanik unterrichten und dann ihn den Rio Neger bereiſen zu laͤſſen. Nur als Moͤnch, oder in Begleitung eines Moͤnchs, kann man dort reiſen, ohne von den Indianern etwas zu befuͤrchten zu haben. Der jetzige Padre Guardian der Miſſionen Fray Juaquin Marquez ein wackerer Moͤnch, mit dem ich in genauer Freundſchaft gelebt, hat das Project ſehr unterſtuͤtzt. Ich habe an manchen Orten Inſtrumente gelaſſen und wir duͤrfen hoffen bald uͤber dieſen finſtern unbekannten Theil der Welt, uͤber den alle Charten erlogen ſind, einiges Licht zu erhalten. Die Oſt- und Nord-Europaͤer haben uͤbrigens ſeltſame, faſt moͤchte ich ſagen tolle Vorurtheile gegen die ſpaniſche Nation. Ich habe nun zwei Jahre lang, vom Capuziner an (denn ich war lange in ihren Miſſionen unter den Chaymas Indianern) bis zum Vizekoͤnig, mit allen Menſchenklaſſen genau verbunden gelebt. Ich bin der ſpaniſchen Sprache itzt faſt ſo gut als meiner Mutterſprache maͤchtig, — wohlan, mittelſt dieſer genauen Kenntniß kann ich verſichern, daß dieſe Nation trotz alles politiſchen und religioͤſen Drucks, den- noch mit Rieſenſchritten ihrer Bildung entgegen geht, daß ein großer Character ſich in ihr entwickelt. Daraus, daß hier in Amerika nichts von ihr verlautbart, daraus urtheile nicht, daß ſie nichts fuͤr die Wiſſenſchaften thut. Es giebt hier ungeheure Pflanzenſchaͤtze; vortrefliche Zeichnungen, Beſchreibungen, alles iſt fertig, allein an Publication iſt nicht zu denken in einem Lande wo die Buchhaͤndler 20 tauſend Thaler fordern um ein Buch drucken zu laſſen! Mit Ruiz flora wird man wenigſtens noch 10 Jahre lang beſchaͤftigt ſeyn. Don Celeſtino Mutis in St. Fe, hat gewiß uͤber 1500 bis 2000 neue Species; die Flora novae Grenadae iſt fertig. Haͤnke iſt noch in Chili, nachdem er mit Malaspina die Welt umreiſet hat. Reicher an Pflanzen iſt Niemand in der Welt! Seſſe, ein ſehr, ſehr guter Botaniker, hat 7 Jahre lang ganz Mexico und Californien bereiſet. Er hat 2000 Zeichnungen. Tafala arbeitet noch in Peru wie Cervantes in Mexico. Hier in der Inſel Cuba iſt eine eigene botaniſche Commiſſion, deren Haupt Dr. Boldo am gelben Fieber geſtorben iſt. Der junge Eſtevez, Seſſe’s Schuͤler, iſt ihm ſubſtituirt. Mit ihm arbeitet ein mexikaniſcher Mahler Echevaria, deſſen Talent im Pflanzenzeichnen alles hinter ſich laͤßt, was Europa nur aufzuzeigen hat! So ſehr ich das alles ruͤhme und lobe, ſo glaube Du es uͤbrigens doch nicht, wenn etwa die deutſchen Zeitungen es den engliſchen nachſchreiben ſollten, „— daß ich mit großen Auftraͤgen vom ſpaniſchen Gouvernement reiſe, und zu einem hohen Poſten im Rath von Indien beſtimmt ſei“ — ſondern, wie ich, lache daruͤber. Falls ich gluͤcklich nach Europa zuruͤckkehre; ſo werden mich ganz andre Plaͤne beſchaͤftigen, die mit dem Conſejo de Indias wenig zuſammenhaͤngen. Ein Menſchenleben, begonnen wie das meinige, iſt zum Handeln beſtimmt, und ſollte ich unterliegen, ſo wiſſen die, welche meinem Herzen ſo nahe als Du ſind, daß ich mich nicht gemeinen Zwecken aufopfre. Aber die Erfuͤllung meiner Zwecke erfordert Unabhaͤngigkeit, und die meinige wird mir mit jedem Tage theurer. Um ihrentwillen habe ich nie, nie einen Schein von Unterſtuͤtzung von irgend einer Regierung angenommen. Wenn ich in meiner Phantaſie die Rehberge und die Panke mit den Cataracten von Atures und mit einem Hauſe von China (Cinchone alba) in dem ich lange gewohnt, zuſammenſtelle, ſo kommt mir dies alles oft wie ein Traum vor. Wie viele Schwierigkeiten habe ich uͤberwunden! vergeblich auf Baudins Reiſe um die Welt gewartet, dann Egypten und Algier um einen Schritt nahe, dann in Suͤdamerica! und nun wieder in der Hofnung, Baudin und Michaux in der Suͤdſee zu finden — — wie wunderbar iſt ein Menſchenleben verkettet — denn ich gehe von hier uͤber Mexico und Californien nach Acapulco, um dort mit dem Capitian Baudin die Reiſe um die Welt zu vollenden. Unbedeutende Huͤgel in der ſogenannten Jungfernheide bei Berlin. Neuere Briefe aus der Havanna melden, daß Herr von Humboldt und ſein Reiſegefaͤhrte Bonpland am 5ten Maͤrz d. J. von dort nach Carthagena, und zwar ſehr geſund und wohl, unter Seegel gegangen ſind.