Aus einem Briefe an Fourcroy. Zusammengezogen aus einem complimentenreichen Briefe in den Annales de Chimie, t. 35, pag. 102 -- 111. d. H. Guayra d. 5ten Pluv. J. 8, (den 25. Jan. 1800.) Das gelbe Fieber, welches in dieser Seestadt Südamerika's wüthet, zwingt uns, unsern Aufenthalt so sehr als möglich abzukürzen, daher ich Ihnen nur in aller Eil mit einem amerikanischen Schiffe schreibe, das in 2 Tagen nach Boston segelt. Man pflegt hier einen Brief in 4 bis 5 Copien nach Europa zu senden, damit er bei den vielen Kapereien sicher ankomme. Wo soll ich aber dazu die Zeit hernehmen? Seit meiner Abfahrt von Teneriffa habe ich Ihnen zweimahl geschrieben, an Delambre und Lalande einen Auszug aus meinen astronomischen Beobachtungen überschickt, (interessante Längenbestimmungen, Beobachtung der Sonnenfinsterniß am 6ten Brumaire, Trabanten-Verfinsterungen, und Beobachtungen über die Lichtstärke südlicher Sterne,) und dem National-Institute eine chemische Abhandlung zugesandt. Die letztere handelt von der Phosphorescenz des Meeres, von einem eigenthümlichen Gas, welches sich in der Sonne aus der frischen Frucht (cerise) der Caffea arabica, nach 36 Stunden entwickelt, (ein oxydirtes Kohlenstoff-Wasserstoffgas, (un carbure d'hydrogene oxyde et gazeux,) welches vom Wasser absorbirt, diesem einen Alkohol-Geschmack giebt); von einem schneeweißen Feldspathe, der angefeuchtet allen Sauerstoff aus der atmosphärischen Luft absorbirt; von der Milch der Cecropia peltata und der Euphorbia curassavica, im Verfolge Ihrer und Chaptal's trefflicher Aufsätze über das Caoutchouc; und von der Luft, die in den Vegetabilien circulirt. Möge alles dieses nicht unterweges verloren gegangen seyn. Man vergl. den folgenden Brief. d. H. Ich genieße der besten Gesundheit, und werde von den Eingebohrnen mit Güte überhäuft. Die Empfehlungen und Begünstigungen der Regierung verschaffen mir alle zu wünschende Gelegenheit zu nützlichen wissenschaftlichen Untersuchungen. Keins meiner Instrumente, selbst die delikatesten, wie die Barometer, Thermometer, Hygrometer und das Bordaische Inclinatorium, ist bis jetzt im Geringsten in Unordnung gekommen, und im Innern der Missionen unter den Chaymas, in den Bergen von Toumiriquiri, war mein Laboratorium völlig so gut versehn als zu Paris. Mein Gefährte Bonpland, Eleve des botanischen Gartens zu Paris, wird mir täglich schätzbarer. Er ist ein gründlicher Botaniker und vergleichender Anatom, dabei unermüdlich, und wird sicher einst viel leisten. Während der 7 Monate, die wir uns in diesem schönen Erdtheile befinden, haben wir, einschließlich der Doubletten, schon gegen 4000 Pflanzen eingelegt, mehr als 800 neue oder wenig bekannte Arten beschrieben, (besonders neue Palmenarten, Kryptogamisten, Befario und Melastoma,) vielen Samen für den botanischen Garten gesammelt, der in 2 Decaden an das Museum und an Sir Joseph Banks abgehn soll, Insecten und Muscheln gesammelt, und viele Zeichnungen zur Anatomie des Seegewürms verfertigt. Dazu kommen eine Menge magnetischer und electrischer Versuche, Beobachtungen über Feuchtigkeit, Temperatur und Sauerstoffgehalt der atmosphärischen Luft, eine Messung der ganzen hohen Gebirgskette, die sich bis an die Küste von Paria hinzieht, deren Vulkane, (welche brennbare Luft, Schwefel und hepatisches Wasser auswerfen,) wir untersucht haben. Fünf Monate haben wir im Innern Neu-Andalusiens und an den Küsten Paria's zugebracht, wo wir im Brumaire sehr starke Erdbeben erlebten. Die Einwohner sind Indier, theils wilde, theils erst seit 5 bis 6 Jahren civilisirte. Wie soll ich Ihnen die dortige majestätische Vegetation der Wälder von Ceiba, Hura und Hymenea schildern, die nie ein Sonnenstrahl durchdringt; wie die mannigfaltigen Thiere, die sie bewohnen, die prächtig gefiederten Vögel, die Affen, die Tieger, und die über 30 Fuß langen Kaimans, von denen alle Flüsse voll sind? Von Cumana gingen wir nach Caraccas, und blieben in dieser anmuthigen Hauptstadt den Frimaire und Nivose über. Sie liegt in einem 426 Toisen hohen Thale, wo, in 10° 31' Breite, die Temperatur von Paris herrscht. Von dort bestiegen wir die berühmte Silla (?) de Caraccas oder die Sierra de Avila , wo wir in einer Höhe von 1316 Toisen schöne prismatische Krystalle von Titanium, und Dendriten aus Titankalk fanden. -- Von hier wollen wir nun über Varina und die Schneegebirge Meridas zu den Wasserfällen des Rio Negro, und in die unbekannten Länder des Oronoco, und dann über Guiana nach Cumana zurückkehren, von wo ich nach der Havanna und nach Mexico zu segeln denke. Wie Sie sehn, mein theurer Freund, fehlt es uns wenigstens nicht an Muth. -- -- -- Da ich selbst 4 Monat lang auf dem Wege nach Aegypten war, so können Sie denken, wie sehr mich die Siegesnachrichten der Orientalischen Armee und die glorreiche Rückkunft Bonaparte's, Berthollet's und Monge's interessirt haben. Wie sehr wünschte ich Berthollet zu sehn, und wie bedaure ich unsern armen Dolomieu! -- -- -- Schon vor 3 Jahren und länger stellte ich gegen ihn und Lametherie die Behauptung auf, daß in den Urgebirgen Italiens, Frankreichs, der Schweiz, Deutschlands, Polens, (und jetzt kann ich noch hinzufügen: Spaniens,) in den Lagern des geschichteten Granits und des Thon-, Glimmer- und Hornblendschiefers, (corneennes schisteuses,) ein Parallelismus in der Richtung herrscht, daß alle diese Lager nordwestlich einfallen, so daß ihre Richtung mit der Erdachse einen Winkel von 45° bis 57° macht, daß diese Neigung und Richtung unabhängig von der Richtung und der Gestalt der Gebirge ist, und die Thäler darauf keinen Einfluß haben, so daß sie eine viel allgemeinere, mehr ins Große gehende Ursach haben müssen, die auf einer Anziehung der Theilchen beim Erhärten der Erde zu beruhen scheint. Da ich den größten Theil Europa's mit Sextanten und Boussolen zu Fuße durchreist bin, habe ich ausgebreitete Beobachtungen hierüber sammeln können; mein Manuscript über die Richtung und Identität der Gebirgslager, oder über die Bildung der Erde, woran ich seit 1791 gearbeitet habe, ist in den Händen meines Bruders, soll aber nicht eher erscheinen, als bis ich noch mehr gesehn habe. Zu meinem größten Verwundern habe ich in den Cordilleren von Paria, Neu-Andalusien, Neu-Barcellona und Venezuela, dasselbe Gesetz und dieselbe Richtung in den Gebirgslagern der neuen Welt, unweit des Aequators gefunden. Sie erinnern sich der interessanten Beobachtungen Coulomb's über die Luft, die aus den Baumstämmen, wenn man sie durchbohrt, in kleinen Explosionen herauskömmt. Ich habe hier diese Beobachtungen an der Clusea rosacea wiederholt, einer milchigen Pflanze, die ein elastisches Gluten giebt, und in deren Gefäßen, (den pneumato-chimiferis Hedwig's, oder den cochleatis Malpighi's ,) eine ungeheure Menge von Luft circulirt. Diese Luft enthält bis auf 0,35 Sauerstoff, und dient daher höchst wahrscheinlich, gleich der Luft im menschlichen Körper, durch Verschluckung des Sauerstoffs den fibrösen Theil zu coaguliren. Die Blätter dieses Baums, unter Wasser der Sonne ausgesetzt, geben kein Kubik-Millimetre Luft. -- Dagegen fand ich, ungeachtet der Sauerstoffgehalt der atmosphärischen Luft hier, besonders bei Nacht, meist über 0,305 steigt, in den Schoten und Fruchtkapseln der Aequinoctial-Pflanzen, z. B. in der Paullinia, eine Luft, die nur 0,24 bis 0,25 Theile, und in den Culmis geniculatis eine Luft, die selbst nur 0,15 Theile Sauerstoff enthielt. Ich schließe daraus, daß die in den Pflanzen circulirende Luft stets reiner, die ruhende Luft in den Kapseln oder urticulis der Pflanzen dagegen immer weniger rein als die atmosphärische Luft ist. Erstere wird in den Organen, die das Wasser zersetzen, frisch erzeugt, und dahin geführt, wo sie durch den Ueberfluß an Sauerstoff den Faserstoff präcipitiren und das fasrige Gewebe bilden soll; letztere ist der Rückstand des Gas, welcher bleibt, nachdem dieses Geschäft vollendet ist.