Digitale Ausgabe

Download
TEI-XML (Ansicht)
Text (Ansicht)
Text normalisiert (Ansicht)
Ansicht
Textgröße
Originalzeilenfall ein/aus
Zeichen original/normiert
Zitierempfehlung

Alexander von Humboldt: „Aus einem Briefe an Fourcroy“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1800-Sur_plusieurs_objets-5> [abgerufen am 25.03.2025].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1800-Sur_plusieurs_objets-5
Die Versionsgeschichte zu diesem Text finden Sie auf github.
Titel Aus einem Briefe an Fourcroy
Jahr 1801
Ort Halle
Nachweis
in: Annalen der Physik 7:3 (1801), S. 329–335.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung, Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: II.6
Dateiname: 1800-Sur_plusieurs_objets-5
Statistiken
Seitenanzahl: 7
Zeichenanzahl: 7948
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
Sur plusieurs objets d’histoire naturelle et de chimie (Paris, 1800, Französisch)
Humboldt’s travels through Spanish America (London, 1800, Englisch)
Over verscheidene onderwerpen van Natuurlyke Historie en Scheikunde (Haarlem, 1800, Niederländisch)
Ueber einige Gegenstände der Chemie und der Naturgeschichte des südlichen Amerika’s (Helmstedt, 1800, Deutsch)
Aus einem Briefe an Fourcroy (Halle, 1801, Deutsch)
|329|

Aus einem Briefe an Fourcroy. **)

Das gelbe Fieber, welches in dieſer Seeſtadt Süd-amerika’s wüthet, zwingt uns, unſern Aufenthaltſo ſehr als möglich abzukürzen, daher ich Ihnennur in aller Eil mit einem amerikaniſchen Schiffeſchreibe, das in 2 Tagen nach Boſton ſegelt. Manpflegt hier einen Brief in 4 bis 5 Copien nach Europazu ſenden, damit er bei den vielen Kapereien ſicherankomme. Wo ſoll ich aber dazu die Zeit herneh-men? Seit meiner Abfahrt von Teneriffa habe ichIhnen zweimahl geſchrieben, an Delambre und Lalande einen Auszug aus meinen aſtronomiſchen
**) Zuſammengezogen aus einem complimentenrei-chen Briefe in den Annales de Chimie, t. 35, pag.102 — 111. d. H.
|330| Beobachtungen überſchickt, (intereſſante Längen-beſtimmungen, Beobachtung der Sonnenfinſternißam 6ten Brumaire, Trabanten-Verfinſterungen,und Beobachtungen über die Lichtſtärke ſüdlicherSterne,) *) und dem National-Inſtitute eine chemi-ſche Abhandlung zugeſandt. Die letztere handeltvon der Phosphoreſcenz des Meeres, von einem ei-genthümlichen Gas, welches ſich in der Sonne ausder friſchen Frucht (ceriſe) der Caffea arabica,nach 36 Stunden entwickelt, (ein oxydirtes Koh-lenſtoff-Waſſerſtoffgas, (un carbure d’hydrogèneoxydé et gazeux,) welches vom Waſſer abſorbirt,dieſem einen Alkohol-Geſchmack giebt); von einemſchneeweißen Feldſpathe, der angefeuchtet allenSauerſtoff aus der atmoſphäriſchen Luft abſorbirt;von der Milch der Cecropia peltata und der Euphor-bia curaſſavica, im Verfolge Ihrer und Chaptal’s trefflicher Aufſätze über das Caoutchouc; und vonder Luft, die in den Vegetabilien circulirt. Mögealles dieſes nicht unterweges verloren gegangen ſeyn.
Ich genieße der beſten Geſundheit, und werdevon den Eingebohrnen mit Güte überhäuft. DieEmpfehlungen und Begünſtigungen der Regierungverſchaffen mir alle zu wünſchende Gelegenheit zunützlichen wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen. Keinsmeiner Inſtrumente, ſelbſt die delikateſten, wiedie Barometer, Thermometer, Hygrometer unddas Bordaiſche Inclinatorium, iſt bis jetzt im Ge-
*) Man vergl. den folgenden Brief. d. H.
|331| ringſten in Unordnung gekommen, und im Innernder Miſſionen unter den Chaymas, in den Bergenvon Toumiriquiri, war mein Laboratorium völlig ſogut verſehn als zu Paris.
Mein Gefährte Bonpland, Eleve des botani-ſchen Gartens zu Paris, wird mir täglich ſchätzba-rer. Er iſt ein gründlicher Botaniker und verglei-chender Anatom, dabei unermüdlich, und wirdſicher einſt viel leiſten. Während der 7 Monate,die wir uns in dieſem ſchönen Erdtheile befinden,haben wir, einſchließlich der Doubletten, ſchongegen 4000 Pflanzen eingelegt, mehr als 800 neueoder wenig bekannte Arten beſchrieben, (beſon-ders neue Palmenarten, Kryptogamiſten, Befaria und Melaſtoma,) vielen Samen für den botaniſchen Gar-ten geſammelt, der in 2 Decaden an das Muſeumund an Sir Joſeph Banks abgehn ſoll, Inſectenund Muſcheln geſammelt, und viele Zeichnungenzur Anatomie des Seegewürms verfertigt. Dazukommen eine Menge magnetiſcher und electriſcherVerſuche, Beobachtungen über Feuchtigkeit, Tem-peratur und Sauerſtoffgehalt der atmoſphäriſchenLuft, eine Meſſung der ganzen hohen Gebirgsket-te, die ſich bis an die Küſte von Paria hinzieht, de-ren Vulkane, (welche brennbare Luft, Schwefelund hepatiſches Waſſer auswerfen,) wir unterſuchthaben. Fünf Monate haben wir im Innern Neu-Andalu-ſiens und an den Küſten Paria’s zugebracht, wo wirim Brumaire ſehr ſtarke Erdbeben erlebten. Die |332| Einwohner ſind Indier, theils wilde, theils erſtſeit 5 bis 6 Jahren civiliſirte. Wie ſoll ich Ihnendie dortige majeſtätiſche Vegetation der Wälder von Ceiba, Hura und Hymenea ſchildern, die nie einSonnenſtrahl durchdringt; wie die mannigfaltigenThiere, die ſie bewohnen, die prächtig gefiedertenVögel, die Affen, die Tieger, und die über 30 Fußlangen Kaimans, von denen alle Flüſſe voll ſind? Von Cumana gingen wir nach Caraccas, undblieben in dieſer anmuthigen Hauptſtadt den Frimai-re und Nivoſe über. Sie liegt in einem 426 Toiſenhohen Thale, wo, in 10° 31′ Breite, die Tempera-tur von Paris herrſcht. Von dort beſtiegen wir dieberühmte Silla (?) de Caraccas oder die Sierra de Avila ,wo wir in einer Höhe von 1316 Toiſen ſchöne pris-matiſche Kryſtalle von Titanium, und Dendritenaus Titankalk fanden. — Von hier wollen wirnun über Varina und die Schneegebirge Meridas zuden Waſſerfällen des Rio Negro, und in die unbe-kannten Länder des Oronoco, und dann über Guiana nach Cumana zurückkehren, von wo ich nach derHavanna und nach Mexico zu ſegeln denke. WieSie ſehn, mein theurer Freund, fehlt es uns wenig-ſtens nicht an Muth. — — — Da ich ſelbſt 4 Monat lang auf dem Wege nach Aegypten war, ſo können Sie denken, wie ſehr michdie Siegesnachrichten der Orientaliſchen Armee unddie glorreiche Rückkunft Bonaparte’s, Ber-thollet’s und Monge’s intereſſirt haben. Wie |333| ſehr wünſchte ich Berthollet zu ſehn, und wiebedaure ich unſern armen Dolomieu! — — — Schon vor 3 Jahren und länger ſtellte ich gegenihn und Lamétherie die Behauptung auf, daßin den Urgebirgen Italiens, Frankreichs, der Schweiz,Deutſchlands, Polens, (und jetzt kann ich nochhinzufügen: Spaniens,) in den Lagern des geſchich-teten Granits und des Thon-, Glimmer- und Horn-blendſchiefers, (cornéennes ſchiſteuſes,) ein Parallelis-mus in der Richtung herrſcht, daß alle dieſe Lagernordweſtlich einfallen, ſo daß ihre Richtung mit derErdachſe einen Winkel von 45° bis 57° macht, daßdieſe Neigung und Richtung unabhängig von der Rich-tung und der Geſtalt der Gebirge iſt, und die Thälerdarauf keinen Einfluß haben, ſo daß ſie eine viel all-gemeinere, mehr ins Große gehende Urſach habenmüſſen, die auf einer Anziehung der Theilchen beimErhärten der Erde zu beruhen ſcheint. Da ich dengrößten Theil Europa’s mit Sextanten und Bouſſolenzu Fuße durchreiſt bin, habe ich ausgebreitete Beo-bachtungen hierüber ſammeln können; mein Manu-ſcript über die Richtung und Identität der Gebirgsla-ger, oder über die Bildung der Erde, woran ich ſeit 1791gearbeitet habe, iſt in den Händen meines Bruders,ſoll aber nicht eher erſcheinen, als bis ich noch mehrgeſehn habe. Zu meinem größten Verwundernhabe ich in den Cordilleren von Paria, Neu-Anda-luſien, Neu-Barcellona und Venezuela, daſſelbeGeſetz und dieſelbe Richtung in den Gebirgslagernder neuen Welt, unweit des Aequators gefunden. |334| Sie erinnern ſich der intereſſanten Beobachtun-gen Coulomb’s über die Luft, die aus den Baum-ſtämmen, wenn man ſie durchbohrt, in kleinenExploſionen herauskömmt. Ich habe hier dieſe Be-obachtungen an der Cluſea roſacea wiederholt, ei-ner milchigen Pflanze, die ein elaſtiſches Glutengiebt, und in deren Gefäßen, (den pneumato-chi-miferis Hedwig’s, oder den cochleatis Malpi-ghi’s ,) eine ungeheure Menge von Luft circulirt.Dieſe Luft enthält bis auf 0,35 Sauerſtoff, und dientdaher höchſt wahrſcheinlich, gleich der Luft immenſchlichen Körper, durch Verſchluckung desSauerſtoffs den fibröſen Theil zu coaguliren. DieBlätter dieſes Baums, unter Waſſer der Sonne aus-geſetzt, geben kein Kubik-Millimètre Luft. —Dagegen fand ich, ungeachtet der Sauerſtoffgehaltder atmoſphäriſchen Luft hier, beſonders bei Nacht,meiſt über 0,305 ſteigt, in den Schoten und Frucht-kapſeln der Aequinoctial-Pflanzen, z. B. in der Paullinia, eine Luft, die nur 0,24 bis 0,25 Theile,und in den Culmis geniculatis eine Luft, die ſelbſtnur 0,15 Theile Sauerſtoff enthielt. Ich ſchließedaraus, daß die in den Pflanzen circulirende Luftſtets reiner, die ruhende Luft in den Kapſeln oder urticulis der Pflanzen dagegen immer weniger reinals die atmoſphäriſche Luft iſt. Erſtere wird inden Organen, die das Waſſer zerſetzen, friſch er-zeugt, und dahin geführt, wo ſie durch den Ueber-fluß an Sauerſtoff den Faſerſtoff präcipitiren unddas faſrige Gewebe bilden ſoll; letztere iſt der Rück- |335| ſtand des Gas, welcher bleibt, nachdem dieſes Ge-ſchäft vollendet iſt.