Ueber einige Gegenstände der Chemie und der Naturgeschichte des südlichen Amerika's. Vom Hrn. A. v. Humboldt . Aus einem Briefe an den B. Fourcroy Annal. de Chim. T. 35. pag. 102-111. Hoffentlich werden meine Abhandlungen über die Phosphorescenz des Meers, über das besondre Gas, welches im Sonnenscheine aus dem Fleische der frischen Kaffeefrucht sich entbindet , über einen schneeweißen Feldspath, welcher, angefeuchtet, allen Sauerstoff der Atmosphäre einsaugt; über die Milch der Cecropia peltata und Euphorbia curassauica (als Beytrag zur Entstehungsart des Caoutchouc); über die Luft, die in den Pflanzen circulirt -- gehörig eingelaufen seyn. Ich genieße hier stets der besten Gesundheit von der Welt, werde mit Gefälligkeiten von den Einwohnern überhäuft, und die Vergünstigungen und Empfehlungsschreiben der Spanischen Regierung verschaffen mir alle Leichtigkeit zu den vorgesetzten wissenschaftlichen Untersuchungen. Alle meine Instrumente, auch die feinsten, haben nichts gelitten, und mitten in den Besitzungen der Indianer, Choymas, in den Gebirgen von Tumiriquiri, ist mein Laboratorium eben so eingerichtet, als es in Paris war. Mein Reisegefährte Bonpland , ein guter Kräuterkenner, wird mir jeden Tag unentbehrlicher. Die großen Vergünstigungen vom Könige, deren noch nie ein Reisender genoß, wären schon allein vermögend, unsre Thätigkeit zu verdoppeln. Seit 7 Monaten, daß wir in diesem schönen Lande sind, haben wir fast 4000 Pflanzen (und jede doppelt) getrocknet, 800 Beschreibungen von neuen oder wenig bekannten Arten abgefaßt, Insekten und Muschelschaalen gesammelt, viele Zeichnungen über die Anatomie der Meergewürme gefertigt. Wir unternahmen viele Beobachtungen über den Magnetismus, die Elektricität, die Feuchtigkeit, die Temperatur, die Menge des Sauerstoffs in der Luft, die Messung der hohen Kette der Gebirge, welche sich bis nach Paria zu erstrecken, deren Vulkane wir untersucht haben, Vulkane, die entzündete brennbare Luft, Schwefel und Schwefelleber- Wasser ausstoßen. Wir sammelten viele Saamenkörner, welche für den Pflanzengarten zu Paris bestimmt sind. Wir haben uns 3 Monate im Innern von Neu-Andalusien, und an den Ufern des Paria aufgehalten, wo wir ein sehr starkes Erdbeben erlitten. Ein Theil dieser Gegenden ist noch durch Wilde bewohnt, ein andrer nur erst seit 5 bis 6 Jahren angebaut. Wie vermöchte ich, Ihnen die Majestät dieser Vegetationen, diese Gehölze von Ceiba, Hura, Hymenäa zu beschreiben, wo man niemals die Sonnenstrahlen empfindet; die große Mannigfaltigkeit der Thiere, das prächtige Gefieder der Vögel, die Affen, Tieger, den abscheulichen Anblick der (30' langen) Crokodile, von welchen die Flüsse wimmeln? -- -- Caraccas ist eine reizende Hauptstadt, die in einem Thale gelegen ist, welches 426 Lachter Höhe hat, und bey 10° 31 der Breite, der kühlen Temperatur von Paris genießt. Von dort ab erstiegen wir die Spizze des berüchtigten Silla de Caraccas, oder Sierra de Avila , wo, auf 1316 Lachter Höhe, wir schöne prismatische Krystallen von Titanium; und außer denselben noch Dendriten (statt des Braunsteins) von Titankalke fanden. Es ist angesäuertes gekohltes Wasserstoffgas, welches, vom Wasser eingesogen, ihm den Geschmack von Alkohol giebt. Wir denken von hier über Varina, und die mit Schnee bedeckten Gebirge von Merida nach den Cascaden des Rio nigro, zu gehn, um durch Gujana und Cumana zurückzukommen, von da wir nach der Havana und Mexico gehen werden. -- Schon vor 3 Jahren erwähnte ich, daß man in den uranfänglichen Gebirgen von Italien, Frankreich, Deutschland, Pohlen (und jetzt füge ich hinzu) Spanien einen Parallelismus in der Richtung (oder Neigung) zwischen den Lagen der blättrigen Granite und der Thon-, Glimmer- und Hornschiefer wahrnimmt, daß diese Lagen nach Nordwest fallen, und daß ihre Richtung mit der Achse der Erdkugel einen Winkel von 45,57° machen, daß dies Fallen und Streichen keinesweges von der Direktion oder Gestalt des Gebirges abhängt; daß die Thäler keinen Einfluß darauf haben, sondern daß jenes sich auf eine viel größere und allgemeinere Ursache, und zwar auf die Anziehungskraft beziehe, die bey dem Festwerden des Erdkörpers wirksam war. Da ich den größten Theil von Europa zu Fuß und mit dem Sextanten und der Magnetnadel durchwandert habe, so habe ich eine beträchtliche Menge Beobachtungen über diesen Gegenstand gesammelt. Zu meinem großen Erstaunen habe ich in den Cordilleren des Paria, in Neu-Andalusien, Neu-Barcellona und Venezuela beobachtet, daß in der neuen Welt, nahe beym Aequator, die Schichten dieselben Gesetze, denselben Parallelismus befolgen. Nach Coulomb's merkwürdigen Versuchen über die Luft, die mit einer Art von Verplatzung aus den Baumstämmen geht, wenn man in sie bohrt, versuchte ich dasselbe mit der Clusea rosea in deren vasis cochlear. (nach Malpighi ) eine unermeßliche Menge Luft circulirt. Diese Luft enthält [Formel] an Sauerstoff. Ihre Blätter, im Sonnenscheine unter Wasser, geben nicht einen Millimeter-Würfel an Luft. Diese umlaufende Luft dient sicherlich (wie im thierischen Körper) die faserigten Theile durch Einsaugung des Sauerstoffs gerinnen zu machen; aus jener Milch bildet sich ein elastischer Schleim. Obgleich die Reinigkeit der hiesigen Luft über 0,305 an Sauerstoff, besonders die Nachtzeit steigt, so habe ich dagegen gefunden, daß die Luft in den Schoten und Kapseln der Aequinoctial-Pflanzen, z. B. die Paulinien viel mehr Stickstoff enthält, als in unsrer atmosphärischen Luft ist; sie steigt selten auf 0,24 oder 0,25 an Sauerstoff. Die Luft in den Knoten der grasartigen Pflanzen (culmi genic.) hat hier nur 0,15 an Sauerstoff. Alles dies beweist, daß die Luft, die circulirt, reiner ist, und die Luft, die in Ruhe, und in Kapseln oder Beutelchen abgesetzt ist, weniger rein als die atmosphärische Luft sey. Die erste ist frisch durch die Werkzeuge hervorgebracht, die das Wasser zerlegt, und sie begiebt sich hin, wo sie die Fäserchen niederschlagen soll, um das faserigte Gewebe zu bilden. Die andre ist das Rückbleibsel eines Gas's, welches schon seine Dienste gethan hat.