Nachrichten aus Süd-Amerika. Aus zwey Schreiben des königl. Preuß. Ober-Berg- Raths Alexander von Humboldt. Cumana, den 1 Sept. u. 17 Nov. 1799. Hauptſtadt von Neu-Andaluſien in Tierra firme, ſonſt auch Caſtilla d’oro genannt, und der Sitz des Gouverneurs der Provinz Cumana, welche eine der neun Provinzen der Spaniſchen Beſitzungen in Tierra firme iſt. Dieſer Theil von Süd-Amerika, von Cumana bis Cabo de la Vela, in einem Bezirk von 140 Seemeilen, iſt von Deutſchen Coloniſten, welche die Augsburger Patricier Welſer dahin geſchickt haben, zuerſt bewohnt und bebaut worden. Carl V ertheilte ihnen im J. 1525 die Rechte Spaniſcher Unterthanen, und die Freyheit, Handel zu treiben. Ihre Pflanzſtädte ſind aber nicht lange beſtanden, und erhielten hernach den Namen Venezuela, welches jetzt eine der Provinzen am Maracaybo-See ausmacht. Der unſterbliche Linné ſchickte ſeine Schüler in alle Theile der Welt aus; er hatte Kalm nach Canada, Osbeck nach China, Haſſelquiſt nach Aegypten, Toren nach Surate, Montin nach Lappland geſchickt. Nach Süd-Amerika war noch kein Naturforſcher gekommen. Durch den k. Spaniſchen Ambaſſadeur am Schwediſchen Hofe, Marquis Grimaldi, und den damahligen Spaniſchen Staatsminiſter Carjaval bewirkte Linné, daß der König von Spanien im Jahr 1754 einen Schweden, einen ſeiner Schüler, Peter Loeffling, mit dem Titel eines k. Span. Botaniſten und einem Jahrgehalt von 10000 Reales de Vellon und 20000 Realen Reiſekoſten, mit einer Geſellſchaft anderer Gelehrten, worunter ein Oeſtreichiſcher Jeſuit, Namens Haller, als Aſtronom, nach Süd-Amerika, und zwar nach Cumana ſchickte. Dies iſt demnach der erſte Europäiſche Naturforſcher, der in dieſe merkwürdigen Süd-Amerikaniſchen Provinzen eingedrungen iſt, und etwas von ihren Schätzen der gelehrten Welt bekannt gemacht hat. Er ſtarb aber ſchon zu Anfange des Jahrs 1756 auf einer Reiſe ins Innere des Landes in der Miſſion Merercuri. Linné gab Loeffling’s Reiſe, (welche meiſt aus ſeinen Briefen und aus Pflanzen-Verzeichniſſen beſtehet) im J. 1758 in Schwediſcher Sprache heraus. Dr. Alex. Bernh. Kölpin, der medicin. Facultät in Greifswalde Adjunct und Aufſeher des botaniſchen Gartens, gab ſie im J. 1766 zu Berlin und Stralſund in einer Deutſchen Ueberſetzung heraus. Von dieſem öſtlichen Theile des nördl. Span. Süd-Amerika iſt uns noch wenig bekannt geworden; denn der berühmte Don Antonio de Ulloa, und die Franzöſiſchen Academiker, Condamine, Bouguer und Godin, haben mehr den weſtlichen Theil, um Carthagena, Portobello, vorzüglich Peru und Louiſiana bereiſt und geographiſch-naturhiſtoriſch beſchrieben. Was aus einem Deutſchen, Namens Nicolaus Hortsmann, ( Hornemann’s Landsmann, aus derſelben Stadt Hildesheim gebürtig) aus ſeiner Reiſebeſchreibung und ſeinen Landkarten, wovon er La Condamine in Para einen Auszug mitgetheilt hat (Relation abregée d’un voy. fait dans l’Inter. de l’Amer. merid. par de La C. Maſtricht 1778 p. 127) geworden iſt, können wir nicht ſagen. Auch der Miſſionar Gilii, (von welchem wir ſogleich mehr ſagen werden,) erwähnt ſeiner in ſeiner Beſchreibung von Süd- Amerika. Er war bis an den Rio bianco, wie ihn die Portugieſen nennen, (die Eſſequebo-Holländer geben ihm den Namen Parima) gekommen. Gilii glaubt, daß noch kein Spanier ſo weit hinauf gekommen wäre. Inzwiſchen haben wir doch in neuern Zeiten einige Beſchreibungen dieſer öſtlichen Provinzen durch einige Spaniſche Miſſionare erhalten, welche, wenn ſie auch nicht mit den gehörigen, gelehrten und wiſſenſchaftlichen Vorkenntniſſen abgefaßt ſind, doch hier und da einen topographiſchen Gewinn geben, und viel wiſſenswürdiges über die Eigenthümlichkeiten dieſer Provinzen, und über die Sitten und Lebensart ihrer Einwohner und der Wilden, unter denen ſie lebten, enthalten. Von dieſer Art iſt die von dem Spaniſchen Miſſionar P. Caulin, auf königl. Befehl und Koſten im J. 1779 in klein Folio herausgegebene Hiſtoria corographica natural y Evangelica de la nueva Andaluſia, Provincias de Cumana, Guajana, y Vertientes del Rio Orinoco por el M. R. P. Caulin, dos vezes Provinzial de las obſervantes de Grenada. Die Vertreibung der Jeſuiten aus dem Spaniſchen Amerika hat für die Erdbeſchreibung den unerwarteten Nutzen gehabt, daß einige Glieder dieſes aufgehobenen Ordens in Deutſchland und Italien ihre Bemerkungen über verſchiedene, entweder gar nicht, oder doch nur wenig bekannte Gegenden der neuen Welt mitgetheilt haben. So hat der Abbate Philip. Salvator Gilii zu Rom im J. 1782 in drey Bänden 8 herausgegeben: Saggio di Storia naturale, civile, e ſacra de Regni, e delle Provincie Spagnuole di Terra ferma nell America meridionale. M. C. Sprengel hat 1785 in Hamburg bey Bohn einen Auszug daraus herausgegeben: Nachrichten vom Lande Guiana, dem Oronoco-Fluß und den dortigen Wilden... kl. 8. Eben meldet mir auch der, mit der Spaniſchen Litteratur ſo vertraute Chr. A. Fiſcher aus Dresden, daß nun das 78 und 79 Heft des Viagero univerſal (A. G. E. III B. S. 415) in Madrid herausgekommen ſey, welches die Beſchreibung von Mexico und eine Darſtellung des Handels von Neu-Spanien enthält, ſo wie das 76 Heft eine Beſchreibung von Californien, die nach den neueſten Nachrichten verfertiget ſeyn ſoll. Nachrichten von dieſen Ländern erſcheinen bisweilen auch in dem Correo mercantil de Espanna y de ſus Indias. v. Z. Eine Spaniſche Brigantine aus Cadix, die ſeit dieſem Morgen hier vor Anker gekommen iſt, verſchafft mir die angenehme Gelegenheit, Ihnen ein Lebenszeichen von mir zu geben, und einige Nachrichten von meinen Arbeiten mitzutheilen. Ich muß dieſes um ſo eiliger thun, da ich eben im Begriff bin, morgen eine Reiſe in das Innere des Landes, in die Gebirge von Caripe und Carupano anzutreten, wo, erſt vor vier Tagen, eilf ſehr heftige Erderſchütterungen waren. Von da werde ich mich in das Innere von Paria, in die Miſſions-Anſtalten der Capuziner begeben, wo Pflanzen, Berge, Felſen, beſonders aber die Menſchen, friedliche Indianer und Cariben, intereſſante Gegenſtände ſind, die ſich einem Naturforſcher nur darbieten können. Hier bin ich nun ſeit zwey Monaten in einem andern Welttheile, in Tierra firme von Süd-Amerika, und genieße mit meinem Reiſegefährten, Bonpland, einem unermüdeten Naturforſcher, der vollkommenſten Geſundheit. Ich habe hier, Dank ſey es der Gnade Ihrer beyden Majeſtäten, dem Könige und der Königin von Spanien, welche mich in Madrid auf das huldreichſte aufgenommen haben, die erwünſchteſte und günſtigſte Aufnahme gefunden. Durch die Güte des Miniſters D. Mariano Urquijo habe ich mich der ausgezeichnetſten Unterſtützung zur Beſchützung und Beförderung meiner Arbeiten zu erfreuen. Die meiſten meiner aſtronomiſchen Inſtrumente, Uhren, Barometer, Thermometer, Hygrometer, Electrometer, Eudiometer, Magnetometer, Cyanometer, Compaſſe, Abweichungs- und Neigungs-Nadeln u. ſ. w. ſind glücklich angekommen, und in immerwährender Thätigkeit. Wir haben ſchon eine große Menge Pflanzen, Inſecten, Muſcheln geſammelt; ich habe viel gezeichnet, und mich auch vorzüglich mit Zerlegung der Luft beſchäftiget. Ihre Reinigkeit zur See (im 12 bis 13 Grade nördl. Breite) geht bis auf 0,301 (Sauerſtoff) Oxygéne, beſonders in den Nächten. Auf dem Gipfel des Pic von Teyde (ich war faſt im Krater, und wir haben da eine Nacht auf einer Höhe von 1700 Toiſen zugebracht) hielt der Luftkreis nicht mehr als 0,194 Oxygene. Wir haben auf dieſer Höhe, beym Aufgange der Sonne, eine ſehr ſonderbare Erſcheinung von Strahlenbrechung geſehen. Wir glaubten anfänglich, daß der Vulkan von Lancerotte Feuer ſpeye. Wir ſahen Licht-Funken, welche nicht nur ſenkrecht auf und ab, ſondern auch horizontal 2 bis 3 Grad hin und her flogen. Es waren Sterne, deren Licht, wahrſcheinlich durch von der Sonne erwärmte Dünſte verſchleyert, dieſe ſchnelle und wunderbare Bewegung des Lichts hervorbrachten. . Die Horizontal-Bewegung hörte bisweilen auf. So wird auch der Pic von Teneriffa von den Einwohnern dieſer Inſel genannt. Die alten Einwohner der Canariſchen Inſeln, Guanches, nannten die Hölle in ihrer Sprache Echeyde, und ſetzten ihren Sitz in den Abgrund dieſes bisweilen feuerſpeyenden Berges, daher der Name Teyde. Die Mauren nennen ihn Elbar, die Spanier und Portugieſen Pico de Terraira. Die Höhen dieſes berühmten Berges werden ſo verſchieden angegeben, als es verſchiedene Reiſende gegeben hat, welche ihn beſtiegen und gemeſſen haben. Der Franz. Minorite P. Feuillée hatte im J. 1724 ſeine Höhe zuerſt ſowol mittelſt einer trigonometriſchen Meſſung, als auch mit dem Barometer beſtimmt, Mem. de l’Acad. 1746 p. 147; letzte ſoll nach ſeiner Beobachtung 10 Zoll 7 Linien niedriger auf dem Gipfel des Berges, als an der Meeresfläche geſtanden haben. Hieraus berechnete er die Höhe 2213 Toiſen. Caſſini findet nach ſeiner Berechnungs-Art 2624 T. und nach den Mariotte’ſchen Geſetzen nur 1686 T. (Mem. de l’Acad. 1733 p. 45). Nach Bouguer würde es 2062 T. betragen. Der Span. Ingenieur Don Manuel Hernandez, welcher einige Jahre auf dieſer Inſel zugebracht, hat ſeine Höhe im J. 1742 gemeſſen, und 2658 [Formel] T. befunden. Dr. Heberden gibt dieſe Höhe, welche er ſelbſt gemeſſen hat, zu 2405,6 T. an. (Phil. Tranſ. Vol. XXVII p. 356). Borda hat ihn wol am ſorgfältigſten trigonometriſch beſtimmt, und 1904 T. gefunden (Voyage fait par ordre du Roi en 1771 et 1772 par Verdun de la Crenne, Borda, Pingré 1778 Tom. I. Supplem. p. 379). Wir wiſſen daher nicht, warum Hofr. Lichtenberg in ſeiner Erxleben’ſchen Naturlehre, ſechſte Ausgabe, Göttingen 1794 S. 662 die Höhe dieſes Berges nach dem Ritter Borda zu 1931 T. angegeben hat. In dem neueſten Annuaire de la Rep. franc. par le Bureau des Long. (1799) wird dieſe Höhe noch immer nach Borda zu 1904 Toiſ. oder 3710 Meter geſetzt. Auf La Perouſe’s Reiſe um die Welt beſtiegen mehrere Officiere und Gelehrte dieſer Expedition den Pic den 30 Aug. 1785. De Lamanon machte barometriſche Beobachtungen, und fand den Barometerſtand auf dem Gipfel 18 Zoll 4,3 Linien, den Thermometer + 9° R. An der Meeresfläche bey St. Croix Barom. 28 Z. 3 L. Therm. 24,°5 R. (Voy. de la Pérouſe Tom. II p. 21). La Pérouſe berechnet die Höhe nicht, ſondern überläßt es einem jeden, ſie nach einer beliebigen Hypotheſe zu berechnen. Wir haben ſie nach der Sauſſure’- ſchen harmoniſchen Progreſſion der Wärme, und nach den Oriani’ſchen Formeln berechnet, welche wir im II Bande der A. G. E. S. 302 mitgetheilt haben. Hiernach ergibt ſich die Höhe des Pic nach De Luc 1856,5 Toiſen, nach Schuckburgh 1893,2 T., nach Roy 1889,4 T. Die Höhe nach Schuckburgh ſtimmt am nächſten mit Borda’s Meſſung, und weicht davon nur 11 Toiſen ab. Man kann demnach mit ziemlicher Zuverläſſigkeit die Höhe des Pics von Teneriffa zu 1900 Toiſ. annehmen; eine größere Genauigkeit dürfte ſchwerlich zu erwarten ſeyn. Der Ingenieur-Capitain De Monneron, welcher La Pérouſe begleitete, wollte die noch nicht verſuchte Methode des Nivellirens anwenden; er hatte ſie beynahe zu Stande gebracht, als er ſie wegen ſeiner Führer und Maulthiertreiber aufgeben mußte. (Man ſehe La Perouſe’s Reiſe II Vol. p. 23). Sir Georg Staunton in ſeiner Beſchreibung von Macartney’s Geſandſchafts-Reiſe nach China (London 1797 p. 113) führt an, daß ein Engliſcher Kaufmann in Madeira, Namens W. Johnſtone, der Wiſſenſchaften liebt und treibt, und die ganze Inſel Madera geometriſch aufgenommen hat, auch den Pic von Teneriffa geometriſch gemeſſen, und 2023 Engl. Fathoms hoch gefunden habe; dies betrüge nur 2 Pariſer Fuß weniger, als 1899 Franz. Toiſen, folglich bis auf 4 Fuß daſſelbe Reſultat, welches wir oben als arithmet. Mittel geſetzt haben. v. Z. Landriani fand die Luft um den Veſuv immer ſchlechter, je näher er dem Krater kam. Ingenhouß fand die Seeluft durchgängig beſſer, als die Landluft. Ueberhaupt lehren uns die angeſtellten Verſuche, daß die über heiße und dürre Landſtriche kommenden Winde die Luft verſchlimmern, dagegen jene Winde, welche über einen großen Theil der faſt immer in Bewegung ſtehenden See ſtreichen, ſie merklich verbeſſern. v. Z. Schon Virgil beſchreibt dieſe Erſcheinung: Georgicon Lib. I v. 365. Saepe etiam ſtellas, vento impendente, videbis Praecipites coelo labi, noctisque per umbram Flammarum longos a tergo albeſcere tractus. v. Z. Ich beſchäftige mich jetzt ſehr mit dem Problem, warum die Strahlenbrechung in dem heißen Erd- Gürtel geringer, als bey uns iſt. Die Hitze kann nicht allein die Urſache hiervon ſeyn; die Hygrometrie ſpielt dabey eine große Rolle, und ich glaube, daß die große Feuchtigkeit dieſes Erdſtriches die Strahlenbrechung vermindere . Die Dünſte haben Einfluß auf die Licht-Bahn, und das Licht (Licht ohne Wärme) hat hinwieder auf die Beſtandtheile und die Zerſetzung des Waſſers ſeinen Einfluß. Nur La Caille hat am Vorgebirge der guten Hoffnung die Strahlenbrechung ziemlich groß gefunden; ſollte die Luft in Afrika etwa trockner ſeyn? Vielleicht kann ich dieſes ſelbſt unterſuchen, da ich über die Philippinen, Canton, und das Cap nach Europa zurückzukehren gedenke. Indeſſen ſammle ich eine Menge Refractions-Beobachtungen aller Art, himmliſche, terreſtriſche, horizontale, u. ſ. w. Auch zur See habe ich viele ſolche Beobachtungen zwiſchen den Canariſchen Inſeln S. Clara, Allegranza, Rocca del’ Eſte angeſtellt. Ich habe die Sonne und Sterne auf einer Höhe von drey Graden beobachtet und nur eine ſehr geringe Strahlenbrechung gefunden. Ich habe überhaupt bemerkt, daß die Refraction auf der See nicht ſo groß iſt, als man gemeiniglich annimmt; es kommt meiſtens darauf an, ob die Dünſte gleichförmig im Dunſtkreiſe vertheilt ſind. Hier in Cumana meſſe ich alle Tage, mit einem vortrefflichen Engliſchen Quadranten von Bird, den ich in Madrid von Megnié gekauft habe, die Höhe eines Berges von den Cordilleren, Tataraqual genannt. Der Winkel iſt nur 3° 4′ und doch iſt bis jetzt die Strahlenbrechung nicht über 32″ gegangen . Die Entfernung des Tataraqual, welche ich mittelſt einer großen Standlinie, auf dem Strande gemeſſen, gefunden habe, beträgt 27300 Meter. Allerdings iſt die Feuchtigkeit des Dunſtkreiſes bey der Strahlenbrechung mit im Spiele. Alles hängt, wie Dr. Kramp in ſeiner vortrefflichen Analyſe des Refractions aſtronomiques et terreſtres. Strasburg 1799. gezeigt hat, von der ſpecifiſchen Elaſticität der Luft ab, und dieſe iſt ſelbſt eine Function der Wärme und der Feuchtigkeit zugleich. Aber, wie ſollen wir die letzte meſſen, da wir noch keine Hygrometer haben? Watt’s Verſuche haben uns gelehrt, daß hygroskopiſche Körper, Federkiele, Haare, Fiſchbein, ſelbſt im Waſſerdampfe Trockenheit zeigen, wenn er nur durch die nöthige Wärme im elaſtiſchen Zuſtande erhalten wird. Auf dieſem Wege werden wir daher ſchwerlich zu der für die Refraction ſo nöthigen Kenntniß der ſpecifiſchen Elaſticität der Luft gelangen. Dr. Kramp hat daher einen andern Weg eingeſchlagen; er hat einen neuen Dichtigkeitsmeſſer (Manometer) erfunden, welcher auf der Stelle und in jedem Augenblicke das Verhältniß der Dichtigkeit der Luft zu der des Queckſilbers angibt. Wenn man die Barometer- Höhe durch die Dichtigkeit dividirt, ſo hat man ſogleich die ſpecifiſche Elaſticität der Luft für alle mögliche Fälle. Es iſt zu wünſchen, daß Dr. Kramp dieſes allen Phyſikern, und vorzüglich Aſtronomen unentbehrliche Inſtrument, ſeinem Verſprechen gemäß, ſo bald als möglich, bekannt machen möge. Ein merkwürdiges Reſultat müſſen wir noch aus D. Kramp’s Werke anführen: daß er aus Bouguer’s und Condamine’s Refractions-Beobachtungen in Peru, ſo wie aus ſeiner Theorie gefunden hat, daß die ſpecifiſche Elaſticität der Luft in dieſem heißen Erdſtriche, vom Horizont an bis zu den größten Höhen der Atmoſphäre, merklich und beſtändig dieſelbe bleibt; und daß man faſt als eine ausgemachte geometriſche Wahrheit annehmen könne, daß in der Diſpoſition der atmoſphäriſchen Luftſchichten keine mögliche Miſchung von Gas-Arten, Dünſten, heterogenen Flüſſigkeiten, dieſe zwey großen Geſetze der Natur verändern und modificiren könne: nämlich, 1) Die Dichtigkeit der Luft bleibt dem Gewichte, das ſie zuſammendrückt, immer proportionell; und 2) ihre Brechbarkeit ſteht immer im Verhältniß mit ihrer Dichtigkeit. Es iſt zu bedauern, daß v. Humboldt von dem Kramp’ſchen Manometer vor ſeiner Abreiſe keine Kenntniß haben konnte. v. Z. Soll wol heißen: Die größte Veränderung der Strahlenbrechung ſey nicht über 32″ gegangen, denn die Wirkung der Strahlenbrechung ſelbſt mag wol über 12 Min. betragen haben. Inzwiſchen haben doch Bouguer in Peru, und Le Gentil in Pondichery die Veränderung der Horizontal-Refraction 4 bis 5 Min. ſtark gefunden; letzter fand ſie auch in Renneville, an der Küſte der Normandie, faſt eben ſo groß. Unter einem ſo ſchönen Himmel und reinen Meeres- Horizont, wie in Süd-Amerika, wäre zu wünſchen, daß v. Humboldt die Veränderungen der Horizontal-Refraction nach der von Le Monnier in den Pariſer Mem. 1766 S. 608 vorgeſchlagenen Methode beobachten möchte. In den tropiſchen Ländern wären die hellglänzenden Planeten, wie z. B. Venus, Jupiter, beſonders geſchickt dazu. v. Z. Zur See hat mich auch die Temperatur des Oceans und deſſen ſpecifiſche Schwere viel beſchäftiget, welche ich mit einer vortrefflichen Dollond’ſchen Wage beſtimmt habe. Franklin ’s und Jonathan Williams’s Idee, mit dem Thermometer zu ſondiren, iſt ein eben ſo ſinnreicher als glücklicher Gedanke und wird mit der Zeit für die Schiffahrt ſehr wichtig werden. Das Waſſer wird auf den Untiefen 4 bis 5 Grad des Fahrenheitſchen Therm. kalt, in einer Breite von 17 bis 18 Grad. Es gibt einen Streifen im Weltmeer, wo das Waſſer ſpecifiſch dichter iſt, als etwas weiter nach Norden, oder nach Süden; da gibt es aber auch keine Strömungen (Courrans). Ich habe viele Verſuche zu Schiffe mit Hadley’ſchen Spiegel-Sextanten angeſtellt. Ich habe einen 8zolligen von Ramsden mit ſilbernem Limbus, worauf die unmittelbare Theilung von 20 zu 20 Sec. geht. Dann habe ich einen Sextanten von Troughton von 2 Zoll, den ich nur den Sextant à Tabatière nenne; es iſt unglaublich, was man mit dieſem kleinen Inſtrumentchen ausrichten kann. Einzelne Sonnen-Höhen damit genommen, wenn die Sonne durch den erſten Vertical geht, geben die Zeitbeſtimmung bis auf 2 oder 3 Sec. genau. Wenn dieſe Genauigkeit Zufall iſt, ſo muß man doch bekennen, daß dieſe Zufälle ſich ſehr häufig ereignen. Ich habe ein ordentliches aſtronomiſches Tagebuch gehalten, und ſo oft es die Witterung und die Meeresſtille erlaubten , Breiten- und Längen-Beſtimmungen des Schiffes, oder der Landungsplätze gemacht, die Neigung der Magnet-Nadel auf dem neuen Borda’ſchen Inſtrumente beobachtet, welches eine Sicherheit von 20 Minuten in der Beobachtung gewährt. Hier theile ich Ihnen meine damit zur See angeſtellten Beobachtungen mit. Breite Länge weſtlich von Paris magnetiſche Neigung magnetiſche Kraft durch die Oſcillationsmenge in e. Zeitm. ausgedrückt G 38° 52′ 16° 20′ 75, 18 24, 2 32 15 17 7 71, 50 — — 25 15 20 36 67, 0 23, 9 21 36 25 39 64, 20 23, 7 14 20 48 3 58, 80 — — 12 34 53 14 50, 15 23, 4 10 59 61 23 46, 40 22, 9 Vom 14 Grade der nördl. Breite an nehmen die Neigungen ſehr ſchnell ab . Längen und Breiten ſind nach der alten, die magnet. Neigung nach der neuen Grad-Eintheilung angegeben. Hier in Cumana habe ich dieſe Neigung 44,G 20 gefunden, und die Anzahl der Oſcillationen der Nadel in einer Minute Zeit = 22,9. Die Abweichung der Magnet-Nadel im October 1799 4° 13′ 45″ nach Oſten. Ich weiß nicht, ob Ihnen mein Brief aus Spanien, den ich Ihnen vor meiner Abreiſe nach Süd-Amerika geſchrieben habe, zugekommen iſt, worin ich Ihnen mehrere magnetiſche Beobachtungen, in Spanien angeſtellt, mitgetheilt habe; auf alle Fälle ſetze ich die Reſultate nochmahls her . Dieß beſtätigen auch ältere Beobachtungen vom J. 1776. Man ſehe Tib. Cavallo. Abhandl. der Lehre vom Magnet der Deutſch. Ueberſetz. Leipzig 1788 S. 40. La Pérouſe war in ganz anderen Längen geſegelt, als die Span. Fregatte le Pizarro, auf welcher v. H. war; daher laſſen ſich ſeine magnetiſchen Beobachtungen mit jenen nicht vergleichen. La Manon bemerkt in einem Briefe an Condorcet, daß er den Aequator der magnetiſchen Neigung den 8 Octob. 1785 um 8 Uhr früh in 10° 46′ ſüdl. Breite und 25° 25′ weſtl. Länge von Paris beobachtet habe; das heißt, die Neigung der Magnet-Nadel war auf dieſem Erdpunct ganz 0,°0, die Abweichung 5° 50′ weſtl. v. Z. Dieſer Brief iſt uns richtig zu Händen gekommen, und wir haben ſeinen intereſſanten Inhalt den Leſern unſerer A. G. E. im IV B. S 146 bereits mitgetheilt, wo auch S. 150 die in Spanien angeſtellten magnetiſchen Beobachtungen, von denen hier die Rede iſt, angeführt werden. Allein in gegenwärtigem Briefe finden wir zwey Spaniſche Beobachtungen mehr, welche in jenem nicht angezeigt waren, und die wir hier nachholen; nämlich, in Ferrol Neigung der Nadel 76,°15; in Medina del Campo 73,°50. Auch finden wir in dieſem Briefe die Neigung in Marſeille zu 72°, 40, in jenem zu 72,°14 angegeben; wir können nicht entſcheiden, welches die rechte Leſe-Art iſt. v. Z. Mein Chronometer von Louis Berthoud, Nr. 27, der viel auf Reiſen geweſen iſt, und deſſen Genauigkeit Borda wohl kannte, hat ſeinen ſehr gleichförmigen Gang beybehalten. Thulis hat ihn in Marſeille 18 Tage, mittelſt des Paſſagen-Inſtruments auf der Sternwarte der Marine, ſehr fleißig beobachtet, und ſeinen Gang in dieſer Zeit bis auf [Formel] Sec. gleichförmig befunden. In einem ganzen Monat ging ſeine größte Anomalie nicht über 1 [Formel] Sec. . Ich halte nun durch correſpondirende Sonnen-Höhen, welche ich mit meinem Bird’ſchen Quadranten nehme, ein Regiſter ſeines Ganges, (mein Borda’iſcher Kreis, und der Theodolit ſind noch in Europa); ich erfahre dadurch nicht nur ſeinen fortgeſetzten guten Gang, bis auf 0,″5 genau, ſondern habe mich auch davon auf der Reiſe, durch die gute Übereinſtimmung der Längen überzeugen können, die mein Chronometer von ſolchen Orten angegeben hat, die bereits ſehr gut beſtimmt waren, wie z. B. Teneriffa, die Land-Spitze von Tabago, La Trinidad u. a. m. Dieſes Regiſter ſeines Ganges ſehe man im IV B. unſerer A. G. E. S. 153. v. Z. Zu Ferrol in Spanien habe ich die Länge dieſes See-Hafens mit dieſem Chronometer 42′ 22″ in Zeit weſtl. von Paris gefunden; Teneriffa (Mole St. Croix) 1 St 14′ 25″ Tabago; (Pointe des Sables) 4 St 12′ 32″. Da mein Chronom. nach Madrider mittlerer Sonnen- Zeit läuft, ſo ſind alle meine Längen mit Madrider Zeit gemacht und 24′ 8″ Meridian-Differenz auf Paris gebracht worden. Wenn dieſe ſich nach neueren Unterſuchungen, mit welchen ſich Chaix auf Befehl des Staats-Miniſters Urquijo beſchäftiget, etwas verändern ſollte; ſo müſſen auch alle meine Längen hiernach geändert und verbeſſert werden . Ich habe auch ſchon gefunden, daß ſich der tägliche Gang meines Chronometers in dieſem heißen Erdſtriche etwas geändert, und ſeine Verſpätung um anderthalb Secunden täglich zugenommen hat. Es iſt auch bey einer ſolchen Hitze kein Wunder, wo man ſich die Finger bey Berührung der metallenen und der Sonne ausgeſetzten Inſtrumente verbrennt. Es iſt daher möglich, daß meine, auf der Reiſe beſtimmten Längen, etwas zu klein ausgefallen ſind; allein ich glaube es nicht, weil die Kühlung zur See doch immer groß genug war, meiſt 18° Réaumur unter dem 12 Grade der Breite. Übrigens führe ich meine Regiſter über den Gang des Chronometers, ſammt allen dazu gehörigen Beobachtungen, Tag vor Tag in größter Ordnung, ſo daß, wenn ich auch umkomme, und nur meine Papiere gerettet werden, man in Europa meine Reſultate wird prüfen, nachrechnen, nach Gutdünken und beſſern Einſichten verbeſſern können. Indeſſen habe ich mit vieler Geduld und Fleiß folgende Beſtimmungen gemacht, welche ich für ſehr genau halte. In der That, es gehört himmliſche Geduld dazu, um bey einer ſolchen Hitze aſtronomiſche Beobachtungen mit Genauigkeit und con amore anzuſtellen! Sie ſehen inzwiſchen, daß mir dieſe drückende Hitze dennoch nichts von meiner Thätigkeit benommen hat. Nach der zu Ferrol den 21 Oct. 1793 beobachteten Bedeckung Aldebarans wäre ſeine Länge nur 42′ 10,″5 (A. G. E. I B. S. 285) nach Herrera 42′ 27″. Teneriffa nach Verdun, Borda und Pingré 1 St 14′ 24″, nach La Perouſe und Dagelet 1 St 24′ 26″, Tabago nach Chabert 4 St 12′ 36″. Obige zum Grunde gelegte Madrider Länge iſt nach den neueſten Unterſuchungen (M. C. I B. S. 235) nur um eine Secunde größer. v. Z. weſtl. Läng. v. Paris in Zeit nördl. Br. Cumana Stadt, Schloß v. St. Anton . 4 St 26′ 4″ 10° 27′ 37″ Cabo N. Oſt von Tabago .... 4 11 10 ... Cabo Macanao auf der Inſel St. Marguerita 4 26 53 ... Punta Araya, Batterie des neuen Salzwerkes 4 26 22 ... Isla Coche, das öſtliche Vorgebirge . 4 24 48 ... Bocca de Dragos ..... 4 17 32 ... Cabo de 3 puntas ..... 4 19 38 ... Die Breite von Cumana habe ich durch viele Sonnen-Beobachtungen und durch die beyden Sterne β und γ im Drachen mit dem Bird’ſchen Quadranten und Ramsden’ſchen Spiegel-Sextanten beſtimmt. Von Punta Araya aus habe ich mittelſt einiger Triangel Macanao trigonometriſch beſtimmt, und die Länge 4 St. 26′ 41″ gefunden; ich traue aber der aſtronomiſchen Beſtimmung mehr zu. Isla Coche habe ich auch nur von weiten durch Dreyecke beſtimmt. Die alten Karten, z. B. die von Bonne, welche er zu Raynal’s Hiſt. philoſ. et polit. du commerce de deux Indes entworfen hat, ſind beſſer als die neuern, welche die Seefahrer in die größten Gefahren bringen können. Wir ſelbſt ſind mit unſerer königlichen Fregatte le Pizarro in dieſe Gefahr gerathen, indem wir der neuen Seekarte des Atlantiſchen Weltmeers vom J. 1792 gefolgt ſind, welche ſonſt in andern Theilen recht gut und allgemein im Gebrauch iſt. Dieſe Karte ſetzt z. B. die Inſel Tabago, weſtlich von Trinidad, (Punta de la Galera) da ſie doch öſtlich davon liegt. Cumana liegt darauf in 9° 52′ nördl. Breite, alſo über einen halben Grad falſch und zu weit nach Süden. Das weſtliche Vorgebirge von der Inſel Marguerita liegt da, wo das öſtliche liegen ſollte, u. ſ. w. Nichts iſt indeſſen den Seefahrern wichtiger, als die richtige Lage von der Punta de la Galera auf Trinidad und von Tabago; denn das erſte Land von Amerika, das die aus Europa kommenden und nach Caracas und den Inſeln unter dem Winde beſtimmten Schiffe zu Geſicht bekommen, ſind dieſe Inſeln. Das geringſte Verſehen kann ſie den Canal zwiſchen Trinidad und Tabago verfehlen machen, und ſie in die Bocca de Dragos führen. Inzwiſchen iſt auch auf der Bonne’ſchen Karte die Punta de la Galera unrichtig verzeichnet: auf die nordöſtliche Spitze, und nicht auf die ſüdöſtliche, wie auf der Karte ſteht, muß dieſes Vorgebirge zu liegen kommen. Die Spaniſchen Schiffs-Capitaine D. Churruca und Fidalgo ſetzen die Länge von der Punta de la Galera auf 54° 39′ von Cadix. Setzt man Cadix 34′ 25″ in Zeit weſtlich von Paris, ſo iſt die Länge von dieſer Punta von Paris 4 St. 13′ 1″. Nach meinen Beobachtungen iſt die Länge des Cabo Eſie von Tabago 4 St. 11′ 10″ und nach Chabert die Pointe des Sables 4 St. 12′ 36″. So viel iſt auch gewiß, daß man von dieſer Punta de la Galera Tabago in Nord- Oſten liegen ſieht, welches auch meine und Chabert’s Beobachtung beſtätiget. Auch auf Bryant Edwards Karte von Weſtindien, und nach ihm auf der Güſſefeld’ſchen (1795), findet man die Inſel Tabago weſtlich von der Punta de la Galera auf Trinidad gezeichnet. Richtiger iſt ſie auf der Mentell’ſchen Karte du Golfe du Mexique, et des Isles Antilles angegeben. Capit. Edw. Thomſon ’s Karte The Coaſt of Guiana ... with the Islands of Barbados, Tabago etc. von La Rochette zuſammengetragen, und von W. Faden 1783 herausgegeben, hat auch keinen ſonderlichen Werth. Die beſte und vollſtändigſte Karte von dieſem Welttheile iſt wol die im J. 1775 in Madrid von D. Juan de la Cruz Cano y Olmedilla in 8 Blättern herausgegebene Mapa geografica de America meridional, welche W. Faden ihrer Seltenheit wegen in ſechs Blättern London 1799 nachgeſtochen hat. Bey oben angeführtem Werke des Span. Miſſionärs Caulin befindet ſich auch eine, von Luis de Surville 1778 zu Madrid, nach den Karten der Gränz-Commiſſion, geſtochene Karte, welche viel innern Detail, beſonders über den Lauf des Oronoco- Fluſſes enthält. Caulin konnte auch hierüber ſehr unterrichtet ſeyn, da er die Berichte der Spaniſchen Gränz-Commiſſion benutzen konnte, und ſelbſt von dieſen Gegenden viele Karten aufgenommen hat. So eben zeigt mir Chr. A. Fiſcher in Dresden an, daß auf einen Befehl zum Behuf der Marine in dem bekannten Depoſito hydrografico bey dem Buchhändler Aguilera (ehedem Aguirre ) erſchienen ſey: Tres Cartas esféricas, que comprehenden las Islas Antillas, las de St. Domingo, Jamayca, Cuba, Canales viejo y nuevo de Bahama; y las coſtas de todo el Seno Mexicano. Wir hoffen, unſern Leſern bald ein vollſtändiges Karten- Verzeichniß dieſes ſchätzbaren Depots Spaniſcher Karten mitzutheilen, welche man nicht mit den Machwerken eines Lopez verwechſeln darf. v. Z. Der Spaniſche Schiffs-Capitain Churruca und der Fregatten-Capitain Fidalgo haben ſeit 1792 eine äußerſt wichtige Arbeit in dem Meerbuſen von Mexico unternommen. Nachdem ſie gemeinſchaftlich mit fünf Engliſchen Chronometern, vielen Theodoliten, großen Quadranten von Ramsden, den erſten Meridian vom Span. Amerika auf dem Schloß S. Andre de Puerto Espanna de la Trinidád gezogen hatten, ſo übernahm Fidalgo, die ganze Küſte des feſten Landes bis Carthagena zu beſtimmen, wo er ſich gegenwärtig noch befindet: Churruca hingegen befuhr alle Küſten der Inſeln. Der Krieg hat dieſe Operationen unterbrochen, welche, wie man mich verſichert hat, bey weiten die Genauigkeit der Arbeiten des Tofinno übertreffen ſoll. Ich habe zufälligerweiſe meine beobachteten Längen mit denen des Capit. Fidalgo vergleichen können. Auf einer, in den Händen des hieſigen Gouverneurs befindlichen Karte des Meerbuſens von Cariaco fand ich die Meridian-Differenz zwiſchen Cumana und Puerto Espanna 2° 41′ 25″. Meine Längenbeſtimmung von Cumana zum Grunde gelegt, finde ich weſtliche Länge des Süd-Amerikaniſchen erſten Meridians von Paris 4 St. 15′ 18″. Man hat nachher ein Blatt Papier gefunden, auf welchem Fidalgo bemerkt hatte, daß die Punta de la Galera 55° 16′ 32″ weſtl. von Cadix ſey, und daß von dieſer Punta bis Puerto Espanna noch 37′ 32″ wären. Nehmen wir nun Cadix 34′ 25″ in Zeit von Paris an, ſo hätte Fidalgo die Länge dieſes Spaniſch- Amerikaniſchen erſten Meridians 4 St. 15′ 31″ weſtlich von Paris gefunden, welches nur 13″ von meiner Beſtimmung abweicht. Etwas von dieſer merkwürdigen und verdienſtlichen Arbeit haben wir im II B. unſerer A. G. E. S. 393 f. wo auch Beſtimmungen auf der Küſte v. Caracas vorkommen, mitgetheilt. v. Z. Wie ſoll ich Ihnen die Reinheit, die Schönheit und die Pracht unſeres hieſigen Himmels beſchreiben, wo ich oft beym Schein der Venus den Vernier meines kleinen Sextanten mit der Loupe ableſe? Die Venus ſpielt hier die Rolle eines Mondes. Sie hat große und leuchtende Höfe (Hallo) von zwey Grad im Durchmeſſer, mit den ſchönſten Regenbogen-Farben, ſelbſt wenn die Luft vollkommen rein und der Himmel ganz blau iſt. Ich glaube, daß gerade hier der geſtirnte Himmel das ſchönſte und prächtigſte Schauſpiel gewährt. Denn weiter nach dem Aequator hin verliert man ſchon die ſchönen nördlichen Geſtirne aus dem Geſichte. Indeſſen hat auch der ſüdliche Sternhimmel ſeine eigene Schönheit. Der Schütz, die ſüdliche Krone, das ſüdliche Kreuz, der ſüdliche Triangel, der Altar, haben doch auch ſehr ſchöne Sterne; und der Centaur kann mit ſeiner prächtigen Sterngruppe es mit unſerm Orion wohl aufnehmen, den ich hier auf einer Höhe beobachte, die mich gewaltig ächzen und ſchwitzen macht. Unter den Wendekreiſen ſoll es nichts ſeltenes ſeyn, die Venus, und ſelbſt Sterne, wie Sirius und Canopus, bey hell lichtem Tage zu ſehen. (Hiſtoire des Voyages Tom. XLVI p. 112). Dies erzählt auch Bruce in ſeiner Reiſe von Abyſſinien, und Thierry de Menonville ſahe die Venus im Meerbuſen von Mexico bey hellem Sonnenſchein am Himmel glänzen. (Traité de la culture du Nopal, et de l’Education de la Cochenille precedé d’un voyage à Guaxaca. Paris 1787 p. 47.) v. Z. Es wäre ſehr zu wünſchen, daß von Humboldt ſeine Aufmerkſamkeit auf die räthſelhaften ſchwarz-dunkeln Flecken am ſüdlichen Himmel, beym Kreuz und in der Karls- Eiche, welche die Engländer den großen und kleinen Kohlenſack (Coalbag) nennen, richten möchte. La Caille glaubt (Mem. de l’Acad 1755 p. 199) dieſe Flecken erſcheinen bloß deswegen ſo dunkel, weil ſie von einem Theile der weißlichen und lebhaften Milchſtraße umſchloſſen werden. Reinhold Forſter ’n, der dieſe Flecken auf ſeiner Reiſe mit Cook geſehen hat, befriedigte dieſe Erklärung nicht. (Aſtr. J. B. 1790 S. 257). In Freylingshauſen’s neuerer Geſchichte der Miſſions-Anſtalten werden dieſe Flecken auch erwähnt; allein alles, was wir bisher davon wiſſen und erfahren haben, iſt noch ſehr unbeſtimmt und ungewiß. v. Z. Eine andere ſehr merkwürdige und wunderbare Erſcheinung, welche ich gleich den zweyten Tag nach meiner Ankunft beobachtet habe, ſind die atmosphäriſchen Ebben und Fluthen. Sie kennen die Abhandlung Francis Balfour’s und John Farguhar’s im IV Bande der Aſiatic Reſearches. Dieſe Luft-Fluthen ſind hier noch regelmäßiger als in Bengalen, und nach ganz andern Geſetzen. Der Barometer iſt in immerwährender Bewegung. Das Queckſilber ſinkt von 9 Uhr des Morgens bis 4 Uhr Nachmittags. Auch De Lamanon hat auf ſeiner Reiſe mit La Pérouſe dieſe merkwürdigen Luft-Fluthen unter dem Aequator, von 1° nördl. bis 1° ſüdl. Breite, mit einem Nairne’ſchen See-Barometer von Stunde zu Stunde beobachtet. Schon vom 11 Grade nördl. Breite an bemerkte er dieſes regelmäßige Steigen und Fallen des Barometers, deſſen höchſter Stand immer gegen Mittag war. Schade, daß v. Humboldt die Größe dieſer Barometer-Veränderungen nicht angibt. Da dieſer Gegenſtand noch wenig bekannt iſt, und um ihn mit Humboldt ’s Beobachtung zu vergleichen, ſetzen wir den Gang dieſes Barometers unter dem Aequator aus Lamanon’s Tagebuche im Auszuge hierher: (Voyage de la Pérouſe Tom. IV p. 289). Die Scale des Barometers waren Engliſche Zolle. De Lamanon beobachtete zugleich Thermometer und Hygrometer. Die Ebbe und Fluth der Luft unter dem Aequator verurſacht demnach eine Höhen-Aenderung des Barometers von 1, 2 Engliſchen Linien, welches ein Steigen und Fallen der Atmoſphäre von 100 Fuß vorausſetzt. La Place berechnet in ſeiner Mécanique céleſte Tom II p. 296 dieſe Wirkung im Aequator (die Sonne und der Mond in ihren mittlern Entfernungen, und in ☌, oder in ☍) nur zu 0,0006305 eines Meter, das iſt 0,279498 einer Pariſer Linie. Zur Zeit der Lamanon’ſchen Beobachtungen war der Mond im letzten Viertel, und die Sonne beynahe im Aequator. Man hat längſt bemerkt, daß unter den Wendekreiſen der Barometerſtand größer im Neu- und Vollmond, als in den Monds- Vierteln iſt. Lamanon wollte auf einer Inſel mit einem viel empfindlicheren Barometer dieſe Beobachtungen wiederholen; es iſt ſehr zu bedauern, daß ſie wahrſcheinlich mit dieſer ſo vortrefflich ausgerüſteten Expedition umgekommen ſind. Deſto erwünſchter werden uns v. Humboldt ’s Beobachtungen ſeyn, und da er ſeine Reiſe bis jenſeits des Iſthmus an der öſtlichen Küſte von Amerika fortzuſetzen gedenket, ſo wird er auch dieſen Punct erörtern können, ob, wie man bisher verſichert hat, der Barometerſtand auf der weſtlichen Küſte von Amerika um einen Zoll höher, als auf der öſtlichen ſey. v. Z. U U Lin. 28 Sept. 1785 von 4 bis 10 M geſtiegen 1,9 — 10 — 4 A gefallen 1,2 — 4 — 10 A geſtiegen 0,9 29 Sept. — 10 — 4 M gefallen 1,3 — 4 — 10 — geſtiegen 1,5 — 10 — 4 A gefallen 1,3 — 4 — 10 — geſtiegen 1,0 30 Sept. — 10 — 4 M gefallen 1,7 — 4 — 10 — geſtiegen 1,4 — 10 — 4 A gefallen 1,4 — 4 — 10 — geſtiegen 1,0 1 Octob. — 10 — 4 M gefallen 0,8 Von da an ſteigt es wieder bis um 11 Uhr; es fällt nochmahls bis 4 oder 4 [Formel] Uhr, und ſteigt alsdann wieder bis 9 Uhr. Die Witterung mag dabey ſeyn, welche es will; Regen, Wind, Sturm, Gewitter, der Mond, u. ſ. w. nichts ſtört dieſen Gang. Es gibt alſo vier Fluthen in 24 Stunden in der Luft; die nächtlichen ſind die kürzeſten. Der Barometerſtand iſt drey Stunden vor und eilf Stunden nach dem Durchgange der Sonne durch den Meridian der höchſte. Es ſcheint demnach, daß nur die Sonne auf dieſen Gang Einfluß hat. Aber die Regelmäßigkeit deſſelben iſt ſo pünctlich, daß eine Viertelſtunde nach neun Uhr das Queckſilber ſchon um 0,15 einer Linie geſunken iſt. Ich habe ſchon viele Hunderte ſolcher Beobachtungen geſammelt, und werde noch mehrere Tauſende zuſammen bringen; der größte Unterſchied zwiſchen dem mittlern Maximum und Minimum dieſes Barometerſtandes geht nicht über 1,7 Linie. Auch habe ich noch nicht bemerkt, daß Erdbeben das Barometer afficiren. Aber der Mond hat hier eine augenſcheinliche Kraft, die Wolken zu zerſtreuen. Grüßen Sie herzlich unſern Freund Blumenbach. O! wie oft denke ich an ihn, wenn ich die merkwürdigen Schätze der Natur vor mir ausgebreitet ſehe. Sagen Sie ihm, daß die Geologie dieſes Landes äußerſt intereſſant iſt. Berge von Schiſte micacé, von Baſalt, von Gyps, von Gemma-Salz. Viel Schwefel und Petroleum, welches mit großer Gewalt aus ſehr kleinen Oeffnungen hervorquillt, und die auch unter dem Waſſer Luft ausſpeyen, und wahrſcheinlich die Urſache der ſehr häufigen Erdbeben ſind. Die ganze hieſige Stadt liegt unter dem Schutt. Das große Erdbeben von Cumana war das Signal zu jenem von Quito im J. 1797, wo 16000 Seelen umkamen, und wo der Vulkan Tonguragua mehr warm Waſſer und Koth (terre pateuſe) als Lava auswarf. Alſo ein Vulkan, durch welchen die Natur die Neptuniſten mit den Vulkaniſten ausſöhnen und vereinigen will! Wir ſind hier mit Tigern und Krokodilen (Alligator) umgeben, die ſich gar nicht geniren, auch nicht ekel ſind, und einen weißen, ſo wie einen ſchwarzen Mann für einen gleich guten Biſſen halten. Sie geben auch an Größe den Afrikaniſchen Raubthieren nichts nach. Und — welches Pflanzenreich! wahre organiſirte Coloſſe. Ein Ceiba, aus welchem man vier Canots macht! Melden Sie doch auch dem Hofrath Blumenbach, daß in dieſer Provinz (Neu-Andaluſien) ein Mann lebt, der ſo viel Milch hat, daß, da ſeine Frau ihr Kind nicht ſelbſt ſtillen kann, er ſolches ſeit fünf Monaten ganz allein thut. Seine Milch unterſcheidet ſich auch im geringſten nicht von Frauenmilch. Die Böcke der Alten gaben auch Milch. Der 4 Febr. war dieſer ſchreckliche Tag, wo ein Landſtrich von 20 Spaniſchen Meilen in der Länge, und 40 in der Breite mit fünf anſehnlichen Ortſchaften ganz zu Grunde gerichtet wurde. Riobamba, nach Quito und Cuença, die anſehnlichſte Stadt in Peru, und wegen ihrer Tuch-Manufacturen berühmt, wurde total zerſtört. — Condamine traf da 1738 einen hundertjährigen Greis an, der ſich des fürchterlichen Ausbruches des Tonguragua im J. 1641 noch erinnerte, und ihm verſchiedene Umſtände von dieſer ſchrecklichen Begebenheit erzählte. Beſchreibungen dieſer, alle Vorſtellung überſteigenden Wirkungen dieſer fürchterlichen Erſchütterungen, bey welchen alle Elemente im wüthenden Kampfe gegen einander begriffen ſcheinen, kann man in Don George Juan und Don. Ant. de Ulloa ’s Reiſe nach Süd- Amerika leſen. v. Z. Abbate Gilii erzählt im oben angeführten Werke, welch’ ein unternehmendes, gefährliches, und ſo häufig und gemein, wie die Wölfe in Europa, anzutreffendes Thier, der Tiger in daſiger Gegend ſey. Die Bewohner des Oronoco ſind der Meinung, (welches Gilii indeſſen da hingeſtellt ſeyn läßt) daß, wenn ein Tiger (Felis onca; Jaguar) bey Nachtzeit in eine Hütte kommt, wo mehrere Perſonen beyſammen ſchlafen, er immer zuerſt den ſchwächſten wählt. Sind Spanier, Neger und Indier beyſammen, ſo fängt er mit dem letzten an. Sind aber nur die beyden erſten da, ſo iſt die Reihe an dem Neger. An den Spanier, als den muthigſten, wagt ſich der Tiger zuletzt. Man erzählt davon viele ſonderbare Beyſpiele. Ein ſolches Thier ſchleppt mit großer Leichtigkeit ein Pferd bis in ſeine Höhle. Gilii hörte des Nachts in dem Dorfe, wo er wohnte, von allen Seiten ihr Geheul. Auf ſeinen Reiſen ſind ſie oft auf einer Entfernung eines Steinwurfes vor ihm vorbeygegangen. v. Z. Ceiba (Bombax ceiba; Käſebaum?) iſt eine Pflanze oder Staude, welche zu dem Malven-Geſchlecht gehört und das Mittel zwiſchen dem Geranium und der Caperſtaude hält; er iſt nicht ſo dick, wie der Baobab, welcher wahrſcheinlich die dickeſte Pflanze auf der Welt iſt, und öfters über 25 Fuß im Durchmeſſer hält. Seine Höhe geht nicht über 60, 70 Fuß; aber der Ceiba iſt vielleicht die höchſte Pflanze der alten und neuen Welt, und übertrifft an Höhe alle bekannte Bäume. Adanſon erzählt (Famille des Plantes. Paris 1763 II Part. p. 390) daß er Ceibas geſehen habe, welche mehr als 120 Fuß Höhe hatten. v. Z. Das Wunderbare und Außerordentliche ſcheint in dieſem Welttheile in allen Reichen der Natur Statt zu finden. So ſchreibt Fiſcher aus Dresden, daß in dem neueſten Heft der Miſcelanea inſtructiva y curioſa (A. G. E. III B. S. 414) ein merkwürdiger Aufſatz ſteht, welcher von einem armloſen Menſchen in Neu-Granada Nachricht gibt, der ſich mit den Füßen friſirt, balbirt, anzieht, nähet, Violine ſpielt u. ſ. w. (Se peyna con los pies, ſe afeyta, ſe viſte, ſe coſe, toca el violin etc .) v. Z. Nehmen Sie das, was ich Ihnen ſchicke, gütig auf, und haben Sie beſonders Nachſicht mit meinen aſtronomiſchen Arbeiten. Bedenken Sie, daß dies nur ein Nebenzweck meiner Reiſe iſt, daß ich ein Anfänger in der Aſtronomie bin, und erſt ſeit zwey Jahren mit Inſtrumenten umzugehen gelernt habe; daß ich dieſe Reiſe auf eigene Koſten unternommen habe, und daß eine ſolche von einem einzelnen, nichts weniger als reichen Particulier zum eigenen Vergnügen und Unterricht unternommene Expedition gar nicht mit ſolchen verglichen werden darf, welche auf Befehl und Koſten von Regierungen königlich ausgerüſtet, und wozu ganze Geſellſchaften von Gelehrten vereiniget werden, um Unterſuchungen in allen Fächern der Wiſſenſchaften anzuſtellen. Freylich hätte ich mir, um etwas großes in der Aſtronomie und Geographie auszurichten, unſern Freund Burckhardt zum Reiſegefährten gewünſcht, allein da hätte er auch mit beſſern und größern Inſtrumenten, wie die meinigen, verſehen werden müſſen. Im December gedenke ich mit dem Capuciner- Miſſionar Juan Gonzalez nach den Miſſionen von Oronoco und Rio negro abzureiſen. Wir werden von da bis jenſeits des Aequators in das innere unbekannte Land von Süd-Amerika einzudringen verſuchen. Im Frühjahr bin ich wieder zurück, dann gehe ich nach Havanna, von da nach Quito, Mexico. ... Wundern Sie ſich nicht, wenn mehrere meiner Briefe Wiederholungen enthalten werden. Da man hier zu Lande rechnet, daß auf vier Briefe, die man nach Europa ſchickt, drey verloren gehen, ſo muß man das, was man ſeinen Freunden bekannt machen will, öfter wiederholen. Grüßen Sie alle unſere guten Freunde in Europa, und antworten Sie mir auf dem Ihnen angezeigten Wege; ſo lange ich in Süd-Amerika bleibe, erhalte ich Ihre Briefe gewiß. ... Der Strich, in welchem die Capuziner ihre Miſſionen haben, iſt wegen der ſchönen Waldungen, Berge und Wieſen der fruchtbarſte von ganz Caribana. Daher iſt er auch weit mehr bevölkert und geſünder als die andern Gegenden. Die unfruchtbarſten und ungeſundeſten hingegen ſind die, wo die Jeſuiten ihre Niederlaſſungen hatten. Das große Land, welches beynahe ganz von dem Oronoco umgeben wird, war bis in das J. 1733 mehrentheils noch ganz unbekannt. v. Z. Cumana, den 17 Novbr. 1799. Ich eröffne dieſen Brief wieder, weil ich es nicht gewagt habe, ihn der Brigantine von Cadix mitzugeben, und weil wir den Spaniſchen Courier erwarteten. Wir haben aber zwey Monate vergeblich auf ihn gewartet; endlich iſt er angekommen, und ich eile, Ihnen noch einige Nachrichten mitzutheilen. Ich bin eben von einer ſehr beſchwerlichen, aber über alle Maße intereſſanten Reiſe ins Innere von Paria zurückgekommen. Wir waren in den hohen Cordilleren von Tumiriquiri , von Cocollar, und von Guanaguana, welche von Chaymas- und Guaraunos- Indiern bewohnt werden. Wir haben herrliche und vergnügte Tage im Capuziner-Kloſter Caripe, im Mittelpuncte der Miſſionen, zugebracht. Wir haben die berühmte Höhle von Guacharo durchlaufen, welche von Millionen Nacht-Vögeln bewohnt wird (eine neue Gattung von Caprimulgus, Ziegenmelker). Nichts gleicht dem majeſtätiſchen Eingange dieſer Höhle, die durch Palmen, Pothos, Ypomeen u. ſ. f. beſchattet wird. Wir haben ſeit unſerem hieſigen Aufenthalte in dieſer Provinz über 1600 Pflanzen getrocknet, gegen 600 größtentheils neue, unbekannte und kryptogamiſche beſchrieben, und die ſchönſten Muſcheln und Inſecten geſammelt. Ich habe mehr als 60 Zeichnungen von Pflanzen und über die Anatomia comparata der See-Muſcheln gemacht. Wir haben den Berthoud’iſchen Chronometer, den Ramsden’- und Troughton’ſchen Sextanten bis jenſeits des Guarapiche mit uns geführt. Ich habe die Länge und Breite von mehr als 15 Ortſchaften beſtimmt, welche einſt zu Fixpuncten einer Karte vom Innern des Landes werden dienen können. Ich habe mit dem Barometer die Cordilleren gemeſſen. Der höchſte Theil iſt Kalkſtein, und hat nur eine Höhe von 2244 Varas Caſiillanas = 976 Franz. Toiſen; aber mehr gegen Weſten, nach Avila zu, gibt es Berge gegen 1600 Toiſen hoch, welche dieſe Cordilleren mit denen von St. Martha und Quito verbinden. Gilii erzählt auch von einer bloß aus Weibern beſtehenden Nation. Als er einſt die Quaquis-Indier nach den anderen Völkern befragte, die am Fluß Cuccivero ſich aufhalten, ſo nannten ſie unter verſchiedenen auch dieſes Weiber-Volk. Gilii erſtaunte; ein Volk von bloßen Weibern, wie iſt das möglich! Der Indier verſicherte ihn hierauf, daß es wirklich ſo ſey, und ſetzte hinzu, ſie wären äußerſt kriegeriſch, und anſtatt daß andere Weiber Baumwolle ſpännen, beſchäftigten ſie ſich bloß mit Verfertigung der Waffen. Einmahl des Jahrs erlaubten ſie den Männern, die neben ihnen wohnten, und von der Nation der Vochearis wären, ſie zu beſuchen; ſobald ſie ſich nun ſchwanger befänden, beſchenkten ſie die Männer mit Waffen und ſchickten ſie wieder fort. Bey der Entbindung tödteten ſie die männlichen Kinder, und erzögen die Töchter. Eben dieſe Erzählung mit noch vielen anderen Umſtänden hörte Gilii öfters von mehrern Indianern wiederholen, und immer bezeichnete man ihm die nämliche Gegend, die man Condamine als den Wohnort der Amazonen angezeigt hatte. Sit fides penes Auctorem; wir wünſchen, wenn es ein ſolches Weiber-Volk wirklich gibt, daß von Humboldt ihr Daſeyn beſtätigen, aber doch ja nicht unter daſſelbe gerathen möge. v. Z. Ungeachtet der drückenden und faſt unausſtehlichen Hitze in dieſem Monate habe ich dennoch den 28 Octobr. die Sonnen-Finſterniß beobachtet. Denſelben Tag habe ich correſpondirende Sonnen-Höhen mit dem Bird’ſchen Quadr. genommen, die ich Ihnen, wenn Sie meine Rechnungen durchſehen und berichtigen wollen , hierher ſetze. Ich habe mir aber bey dieſen Beobachtungen das Geſicht ſo verbrannt, daß ich zwey Tage das Bette hüten und zu Arzneyen Zuflucht nehmen mußte. Die Augen leiden gewaltig, und werden durch das kalkſteinige und ſchneeweiße Terrain ganz zu Grunde gerichtet. Das den Sonnen Strahlen ausgeſetzte Metall der Inſtrumente erhitzt ſich bis zum 41 Grade des Reaumur’- ſchen Thermometers. Es iſt vortrefflich, ſehr lobenswerth und allen Reiſenden nicht genug zu empfehlen, daß ſie von allen ihren Beobachtungen die Originalien und die erſten Elemente angeben mögen, damit man ſolche nachrechnen und berichtigen könne. So haben wir z. B. obige Beob. ſehr genau reducirt, und etwas verſchiedene Angaben gefunden. Aus den correſp. Sonnen-Höhen, mit Ausſchluß der letzten, folgt nach unſerer Rechnung der wahre Mittag am Chronometer 3 U 18′ 10,″4. Daher eilte der Chr. vor; in mittlerer Zeit von Cumana 3 U 34′ 15,″4; und nach allen Reductionen muß das beobachtete Ende der Finſterniß um 2 U 14′ 23,″4 m. Z. angeſetzt werden. Dieſe Sonnen-Finſterniß war in Europa nicht ſichtbar, ſo daß ſich hierzu keine correſpondirende Beobachtung, (es ſey denn irgend an einem in Amerika genau beſtimmten Orte) finden wird. Sie iſt inzwiſchen ſchon in Rechnung genommen, und muß einſtweilen mit den bloßen Sonnen- und Monds- Tafeln verglichen werden; der Fehler der letzten war auf Europäiſchen Sternwarten nicht auszumitteln; daher man ſich indeſſen mit dieſem, der Sonnen-Tafeln, wird begnügen müſſen. Das Reſultat hoffen wir in unſerem nächſten Hefte angeben zu können. v. Z. Correſpondirende Sonnen-Höhen den 28 Octob. 1799 in Cumana genommen. Zeit d. Uhr Vormitt. Zenith Diſt. der ☉ Zeit d. Uhr Nachmitt. geſchloßn. Mittag Der Collimations-Fehler des Quadr. iſt 8′ 40″, die man zu allen beobachteten Zenith-Diſtanzen hinzuſetzen muß. 23U 1′ 16″ 67° 33′ 50″ 7U 34′ 55″ 3U 18′ 5,″5 2 45 67 12 55 33 26 5, 5 3 37 67 1 0 32 35 6, 0 4 32 66 48 10 31 40 6, 0 5 58 66 28 5 30 14 6, 0 8 24 65 54 30 27 48 6, 0 9 56 65 33 20 26 15 5, 5 13 35 64 43 0 22 36 5, 5 18 56 63 29 30 17 16 6, 0 20 2 63 13 45 16 12 7, 0 Aus dieſen Beobachtungen folgerte ich den wahren Mittag um 3 U 18′ 11,″8 oder mein Chronometer eilte vor der mittleren Cumaner Sonnen-Zeit 3 U 34′ 16,″8. Das Ende der Sonnen-Finſterniß beobachtete ich an der Zeit meines Chron. um 5 U 48′ 37″. Wenn ich nun den Gang des Chronom. von Mittag bis zur Zeit der Beobachtung in Rechnung nehme, ſo ereignete ſich das Ende der Sonnen-Finſterniß in Cumana um 2 U 14′ 22″ mittler Zeit. Ich habe auch während der Verfinſterung verſchiedene Azimuth- und Höhen-Unterſchiede durch Beobachtung der Hörner am Faden-Kreuz genommen, aber noch nicht reducirt. Den 7 Novbr. habe ich eine gute Beobachtung einer Verfinſterung des II Jupiters-Trabanten gehabt. Ich ſah den Eintritt mit dem 95mahl vergrößerenden Dollond um 11 U 41′ 18,″5 wahre Zeit. Vielleicht können Sie in Europa eine correſpondirende dazu finden . Aſtronomen, welche dieſe Beobachtung zu machen ſo glücklich waren, werden hiermit gehorſamſt darum gebeten. Indeſſen haben wir ſie mit der aus De Lambre’s Tafeln berechneten verglichen; dieß gäbe Länge von Cumana 4 St 25′ 25,″5, welches ſich beträchtlich, und zwar 38 [Formel] Zeit- Secunde, von der chronometriſchen Länge entfernt. Doch es iſt bekannt, daß ♃ Satelliten-Verfinſterungen, beſonders des zweyten, keine ſonderliche Sicherheit gewähren, zumahl bey einer einzelnen Beobachtung derſelben. v. Z. Wenn Sie einen Blick auf mein letztes Werk, die unterirdiſche Méteorologie, geworfen haben, ſo werden Sie bemerkt haben, daß die Temperatur des Inneren unſeres Erdballs ein höchſt intereſſantes Problem iſt. Hier unter dem 10 Grade der Breite iſt dieſe Temperatur, in einer Tiefe von 340 Toiſen, 15,°2 nach Réaumur’s Thermometer. Meine meteorolog. Inſtrumente ſind mit denen der Pariſer National-Sternwarte verglichen und darauf reducirt worden. Am Meeres-Spiegel ſteigt der Thermometer im Schatten, in der wärmſten Jahreszeit, nicht über 26° R. er iſt faſt immer 19° bis 22° . Auch haben wir alle Tage, zwey Stunden nach der Culmination der Sonne, wenn die Hitze ihr Größtes erreicht hat, ein Gewitter, und neun Stunden lang Blitzen und Wetterleuchten. Ein wahrhaft vulkaniſches Clima! Das Jahr wird in dieſer Weltgegend in zwey Theile getheilt. Man nennt die Zeit von Johannis bis Weihnachten Winter; der Sommer wird von Weihnachten bis Johannis gerechnet. In dieſem ſogenannten Winter ſteigt nach Loeffling das Thermometer zwiſchen 21° — 24° Réaumur, im Sommer innerhalb der Häuſer 24° — 26° R. Wenn die Sonne im Scheitel von Cumana ſteht, ſo iſt beſonders zwiſchen 9 und 5 Uhr die Hitze ſo ſtark, daß ſie für Menſchen, Thiere und Gewächſe unerträglich ſeyn würde, wenn die Luft nicht von beſtändigem Oſtwinde und von dem um dieſe Jahreszeit anhaltenden Regen abgekühlt würde. v. Z. Wir haben hier den 4 Novbr. ein ſehr heftiges Erdbeben gehabt. Zum Glücke hat es keinen großen Schaden angerichtet. Ich habe mit Verwunderung bemerkt, daß ſich die magnetiſche Neigung während dieſes Ereigniſſes um 1,°1 vermindert hat. Es ſind noch einige Erdſtöße nachgefolgt, und den 12 Nov. haben wir ein wahres Feuerwerk gehabt. Große Feuerbälle haben von 2 bis 5 Uhr des Morgens unaufhörlich den Luftkreis durchkreuzt; ſie warfen Feuerbüſchel (Gerbes de feu) von 2 Grad im Durchmeſſer. Der öſtliche Theil der Provinz von Neu-Andaluſien iſt mit kleinen feuerſpeyenden Bergen ganz angefüllt; ſie werfen warm Waſſer, Schwefel, Hydrogene ſulphureux und Petroleum aus. Unter den Guaigueries-Indianern geht die Sage, daß der große Meerbuſen von Cariaco, wenig Jahre vor der Entdeckung dieſer Küſte von den Spaniern, durch die Wirkung eines fürchterlichen Erdbebens entſtanden ſey. In einem Theile dieſes Meerbuſens hat das See- Waſſer eine Wärme von 40° Réaum. Meine bisher an den Borda’ſchen Bouſſolen angeſtellten magnetiſchen Beobachtungen geben mir folgende Reſultate. 1) Die magnetiſche Kraft, oder die Zahl der Nadel-Schwingungen kann zunehmen, mittlerweile die Neigung derſelben abnimmt. 2) Die Neigung nimmt ſehr ſchnell ab, ſüdlich vom 37 Grade nördl. Breite. 3) Die Neigung unter demſelben Parallel iſt viel größer gegen Weſten, als gegen Oſten. 4) Näher am Aequator wird die Neigung mehr durch die kleineren Erhöhungen über dem Meeres-Spiegel afficirt. 5) Auf dem feſten Lande wird die Neigung in ihrer progreſſiven Abnahme mehr als die magnetiſche Abweichung der Nadel geſtört. Da, wie ich Ihnen ſchon gemeldet habe, Briefe zur See ſo häufig verloren gehen, ſo kann es geſchehen, daß gegenwärtiger Brief Ihnen glücklich zu Händen kommt, mittlerweile diejenigen, welche ich nach Paris an das Bureau des Longitudes gerichtet habe, verloren gingen. In einem ſolchen Falle bitte ich Sie daher, meine Beobachtungen dem Bureau gefälligſt mitzutheilen; ich habe dagegen in meinem Schreiben an das Bureau gebeten, daß, wenn meine Briefe an daſſelbe gelangen, Ihnen Abſchriften davon gütigſt zu communiciren. v. Humboldt ’s Brief vom 17 Novbr. 1799 aus Cumana erhielt ich durch die königl. Preuß. Geſandtſchaft über Madrid, den 18 Febr. 1800 in Gotha; das begleitende Schreiben des k. Legations-Raths Tribolet-Hardy war vom 16 Januar datirt. Humboldt ’s Brief war wahrſcheinlich ſchon gegen Ende Decbr. aus Süd-Amerika in Spanien angekommen, und daher nicht länger als etwa 6 Wochen zur See unter Weges. Auch Loeffling brauchte zu ſeiner Reiſe ungefähr 7 Wochen. Er ſchiffte ſich den 15 Febr. 1754 in Cadix ein, und ſtieg den 11 April bey Cumana ans Land. Die Fahrt dauerte alſo 56 Tage. v. Z. Ich reiſe morgen zur See nach Guayra ab, und bleibe bis in den Januar zu Caracas . Von da gehe ich ins Innere des Landes, nach dem Rio Apure, Rio negro, Caciquiare. Ich werde alsdann den Oronoco hinabfahren und über Angoſtura wieder hierher kommen, um mich nach der Havanna einzuſchiffen. Caracas, ſonſt auch St. Jago de Leon genannt, eine durch eine Spaniſche Handels-Compagnie ſeit 1728 berühmt gewordene, reiche Handelsſtadt in der zum Gouvernement Neu-Grenada gelegenen Provinz Venezuela. Der Ort hat jetzt 24000 Einwohner, und durch den Fluß Guayra Verbindung mit der See. In ihrer Nachbarſchaft ſind ſehr beträchtliche, und die einträglichſten Cacao-Plantagen; die Cacao- Nüſſe ſind zwar die kleinſten, aber die geſchätzteſten, aus denen man die beſte Chocolate bereitet. Die Luft iſt ſehr geſund. Die Franzoſen plünderten dieſen Ort 1679. Die Polhöhe von Caracas im Hauſe des Conſulats iſt 10° 30′ 26″ N., die Länge von Paris 72° 0′ 54″. (A. G. E. II B. S. 399). v. Z. Iſt ein enger Paß, den der Oronoco bey Guiana bildet, und wo der Gouverneur von Oronoco wohnt. Hier ſind auch gute Schanzen und eine anſehnliche Garniſon ſowol zur Beſchützung des Orts, als auch der benachbarten Capuziner-Miſſionen. v. Z.