Briefe des Herrn Alexander von Humboldt. Unser Landsmann Alexand. v. Humboldt zieht durch seine Kenntnisse, seine Schriften, und seine Reisen, itzt die Aufmerksamkeit von mehr als Einem Welttheil auf sich. In ihm verbindet sich auf die seltenste Weise der Scharfsinn der Theorie, der Fleiß der Gelehrsamkeit, und der echte Geist für praktische Beschäftigungen. Er umfaßt das gesammte Gebiet der Naturwissenschaft: am Himmel, auf der Oberfläche der Erde, in den Tiefen derselben, und auf dem Meere. Er untersucht die ewigen Gestirne und die kurzdaurenden Pflanzen, die Knochen des Erdballs und die Nervenfaser der Thiere, den Brand der Vulkane und den Prozeß des Lebens, die Farbe unterirdischer Vegetazion und die Strömungen verborgner Gewässer, die unsichtbaren Luftarten und die noch geheimeren Naturkräfte (Elektrizität, Magnetismus, u. s. w.), das Wissen der Alten (über den Basalt z. B.) und die Stufe der Bildung itztlebender Völker. Chemie, Arzeneikunst, Mineralogie, Erdkunde, verdanken ihm große Entdeckungen und Bereicherungen. Und dieser unermüdliche, in so vielen Fächern bewundernswürdige, Mann ist gegenwärtig noch nicht volle 32 Jahre alt ! Friedrich Heinrich Alexander von Humboldt, Kgl. Oberbergrath, und zum Mitglied der hiesigen Akademie der Wissenschaften erwählt während er sich auf der andern Halbkugel der Erde befand, ist den 14 Septemb. 1769 zu Berlin geboren. Er trägt den Deutschen und den Preußischen Namen itzt an Orte, welche nie ein Europäischer Fuß betrat, und wo zum Theil selbst die benachbarten Wilden noch nicht hingekommen waren. Welche Ausbeute versprechen nicht seine Wanderungen in Amerika, wo er Gebirge bestieg, Wüsten durchstreifte, Flüsse befuhr, unter Nazionen lebte, die wenigstens ein solcher Beobachter nie gesehen hat! Und die Ruhe nach diesen gefahrvollen mühseligen Unternehmungen? Er sucht sie in der höchsten neuangestrengten Thätigkeit, in dem weitesten Wirkungsraume für einen reisenden Sterblichen. Er gesellt sich zu der Expedizion welche die Französische Regierung itzt unter dem Kapitän Baudin veranstaltet: die Welt zu umsegeln. In Akapulko werden die Schiffe ihn abholen, um mit ihm ihre große Fahrt zu vollenden. Es ist der schönste Kranz der unserm Reisenden um die Stirn geflochten werden konnte; aber auch welch ein Genosse eines solchen Vorhabens, wie ausgerüstet, wie vorbereitet, wie geübt! Der unvergeßliche Reinhold Forster war in Westpreußen geboren, und verlebte seine letzten Jahre wieder in unserm Lande. Wir werden zum zweitenmal die ruhmvolle Freude, die interessante Belehrung genießen, einen Gelehrten der die Welt umreiset hat, unter uns zu sehn. Denn alle gute Wünsche müssen sich vereinigen, daß Humboldt unbeschädigt sein Vaterland wieder betrete, daß der Genius der Wissenschaften sein Leben beschütze, welches er vielleicht nur zu eifrig für die Wissenschaften wagen wird. Ueber seine Reise in den Wildnissen von Südamerika, bis zu den Quellen des Oronoko, sind in öffentlichen Blättern mehrere höchst merkwürdige Berichte aus seinen Briefen gedruckt worden. So auch neulich sein letzter Brief aus Havana, wo er bestimmt von seiner Reise um die Welt spricht. Ich werde den Lesern nichts vorlegen was sie schon anderwärts finden können. Dagegen theile ich hier einige ältere, bisher nie bekannt gemachte, Briefe von ihm mit, die schon an sich großes Interesse erregen, und noch ein größeres dadurch daß sie gleichsam die Geschichte seiner Reise darlegen. Man hatte oft gehört daß er fremde Welttheile besuchen wollte; man vermuthete ihn bald hier bald dort, und wunderte sich bisweilen daß er nicht in den geglaubten Ländern sei. Man hielt ihn wohl gar in Verdacht, seine Plane wankelmüthig zu ändern oder aufzugeben, während der edle junge Mann mit der kraftvollsten Beharrlichkeit sie verfolgte. Nach Afrika stand schon frühe sein Sinn; schon damal geschah ihm der Antrag, die Französische Reise um die Welt mitzumachen. Als diese aufgeschoben werden mußte, wandte er Alles an seinen ersten Zweck zu erreichen. Das Schicksal setzte ihm Unmöglichkeiten entgegen; er ging nach Spanien, und wählte und benutzte hier die Gelegenheit, in der neuen Welt den heißen Erdstrich zu besuchen, den in der alten Welt zu sehn er verhindert ward. Der erste Brief des Hrn von Humboldt ist an seinen vertrauten vieljährigen Freund, den hiesigen Hrn Professor Willdenow, gerichtet; die zwei andern, an seinen ältern Bruder, Hrn Legazionsrath Karl Wilhelm von Humboldt. Sie bilden eine genaue Folge seiner damaligen Nachrichten. I. Aranjuez, unfern Madrid, d. 20 April 1799. Wenn ich, mein brüderlichst geliebter Freund, seit Marseille auch keine Zeile an Dich geschrieben habe, so bin ich deshalb, wie der Inhalt dieses Briefes zeigen wird, doch nicht minder thätig für Dich und Deine Freuden gewesen. Ich schlage so eben eine Kiste von 400 Pflanzen für Dich zu, von denen ein Viertheil gewiß noch unbeschrieben, und aus Gegenden ist die (wie S. Blasio in Kalifornien, Chiloe, und die Philippinen) kaum von einem Botanisten betreten worden sind. Wenn Du diese Pflanzen durchgehst, so wirst Du Dich überzeugen daß kaum ein Tag vergangen ist, an dem nicht in Wäldern Wiesen und am Meeresufer Dein Andenken mir lebendig gewesen ist. Ueberall habe ich für Dich gesammelt, und zwar nur für Dich: da ich selbst erst jenseit des Ozeans mein eigenes Herbarium anfangen will. -- Doch ehe ich Dir die Pflanzen nenne, welche für Dich mein Lieber bestimmt sind, muß ich Dich über mich selbst und mein Schicksal orientiren. Dieses Schicksal ist nun in diesem Jahre wunderbar genug gewesen; doch wirst Du bemerken, daß ich wenigstens hartnäckig in Verfolgung meiner Plane gewesen bin, und daß diese Hartnäckigkeit mich nun doch noch von Kalifornien bis zum Patagonenlande, vielleicht selbst um die Welt, führt.... Seitdem ich in Salzburg meine zweite Reise nach Italien, und die Zahl wichtiger Versuche welche ich in Neapel über die gasartigen Ausdünstungen der Vulkane zu machen gedachte, aufgab; hatte ich keinen andern Zweck als den, mich in die heiße Zone zu begeben. Du weißt daß Lord Bristol ein Schif in Livorno gekauft hatte, welches uns mit Küche und Keller, Malern und Bildhauern, den Nil herauf bis an die Katarakten führen sollte. Diese Reise nach Aegypten war verabredet (November 1797), ehe Bonaparte sich damit beschäftigte. Ich wollte in Paris noch einige Instrumente zusammenkaufen, als die Franzosen mir meinen guten alten Lord bei Bologna wegfangen, und ihn in Mailand festsetzen... Lord Hervey, Graf von Bristol, Bischof von Londonderry, allgemein wegen seiner Reisen in Europa bekannt. Er war auch in Berlin. Man rechnet seine jährlichen Einkünfte zu 60000 Pf. Sterling. In Paris wurde ich aufgenommen wie ich nie erwarten durfte, und wie ich mir nur aus der Mittelmäßigkeit der Deutschen erklären kann die sich dort gezeigt hatten. Der alte Bougainville projektirte eine neue Reise um die Welt, besonders nach dem Südpol. Er beredet mich mit ihm zu gehn; und mir, gerade damal mit magnetischen Untersuchungen beschäftigt, leuchtete eine Reise nach dem Südpol mehr als nach Aegypten ein, wohin, als ich in Frankreich ankam, Bonaparte mit seiner Schaar Gelehrten bereits abgegangen war. Von diesen weit aussehenden Hofnungen war ich voll, als auf einmal das Direktorium den heroischen Entschluß faßt, nicht den 75jährigen Bougainville, sondern den Kapt. Baudin eine Reise um die Welt machen zu lassen. Ich höre von diesem Beschluß nicht eher als auch schon die Regierung mich einladen läßt, mich auf dem Vulkan, einer der drei Korvetten, einzuschiffen. Alle Nazionalsammlungen wurden mir geöfnet, um von Instrumenten auszulesen was ich wollte. Bei der Wahl der Naturforscher, bei allem was die Ausrüstung betraf, ward ich um Rath befragt. Viele meiner Freunde waren damit unzufrieden mich den Gefahren einer fünfjährigen Seereise ausgesetzt zu sehen; aber mein Entschluß stand eisern fest, und ich würde mich selbst verachtet haben wenn ich eine solche Gelegenheit nützlich zu sein versäumt hätte. Die Schiffe waren bemastet. Bougainville wollte mir seinen 14jährigen Sohn anvertrauen, damit er sich früh an die Gefahren des Seelebens gewöhnte. Die Wahl unsrer Gefährten war vortreflich: lauter junge, kenntnißvolle, kräftige Menschen. Wie scharf Jeder den Andern ins Auge faßte, wenn er ihn zum erstenmale sah! Vorher einander fremd, und dann auf so lange Zeit sich so nahe! Das erste Jahr sollten wir in Paraguai und im Patagonenlande, das zweite in Peru, Chili, Mexiko, und Kalifornien, das dritte im Südmeer, das vierte in Madagaskar, und das fünfte in Ginea zubringen. Mein Bruder und meine Schwägerinn wollten mich bis in den Havre begleiten. Wir waren alle mit der Idee so vertraut daß diese Abreise uns ein Fest schien. -- Welch ein unnennbarer Schmerz, als in 14 Tagen alle alle diese Hofnungen scheiterten! Elende 300000 Livres, und der gefürchtete nahe Ausbruch des Krieges, waren die Ursachen. Mein persönlicher Einfluß bei Francois de Neufchateau, der mir sehr wohl will, alle Triebfedern die sonst in Bewegung gesetzt wurden, waren umsonst. In Paris, das von dieser Reise voll gewesen war, glaubte man uns abgesegelt. Das Direktorium setzte durch einen zweiten Beschluß die Abreise bis zum künftigen Jahre (also nur bis 1799?) aus. Eine solche Lage, ein solcher Schmerz, läßt sich nur fühlen. Aber Männer müssen handeln und sich nicht dem Schmerz überlassen. Ich faßte nun den Entschluß, der Aegyptischen Armee auf dem Landwege, mit der Karavane die von Tripoli durch die Wüste Selimar nach Kahira (Cairo) geht, zu folgen. Ich gesellte einen der jungen Leute, der mit zur Reise um die Welt bestimmt war, Bonpland, einen sehr guten Botanisten, den besten Schüler von Jussieu und Desfontaines, mir zu. Er hat auf der Flotte gedient, ist sehr stämmig, muthig, gutmüthig, und in der anatomia comparata [vergleichenden oder Thier-Anatomie] geschickt. Wir eilten nach Marseille, um von dort aus mit dem Schwedischen Konsul Sjöldebrand, auf einer Fregatte welche Geschenke führte, abzugehn. Ich wollte den Winter in Alger und am Atlas zubringen, wo in der Provinz Konstantine (laut Desfontaines) noch über 400 neue Spezies zu finden sind. Von da wollte ich über Sufetula, Tunis, Tripoli, vermittelst der Karavane welche nach Mekka geht, zu Bonaparte stoßen. Zwei Monate harrten wir vergeblich. Unsre Koffer mußten gepackt bleiben, und wir liefen täglich ans Ufer. Die Fregatte Jaramas, welche uns führen sollte, ging unter. Alle Mannschaft ertrank. Einige meiner Freunde, die mich schon eingeschist glaubten, hat diese Nachricht sehr erschreckt. Ich miethete, durch das lange Harren nicht abgeschreckt, einen Ragusaner, der uns geradenwegs nach Tunis führen sollte. Allein die Munizipalität zu Marseille, wahrscheinlich schon unterrichtet von den Stürmen welche bald in der Barbarei gegen alle Franzosen ausbrechen sollten, verweigerte die Pässe. Bald darauf kam die Nachricht an, daß der Dey von Alger die Karavane nach Mekka nicht abgehen lassen wolle, damit sie nicht durch das von Christen verunreinigte Aegypten ziehe. Nun war alle Hofnung, in Kahira zur Armee zu stoßen, dahin. Zur See war jede Kommunikazion abgeschnitten. Es blieb mir nichts übrig, als für den Herbst die Reise in den Orient aufzugeben, den Winter in Spanien zuzubringen, und von dort aus im Frühjahr ein Schif nach Smyrna zu suchen. Traurige Zeiten, in denen man, trotz aller Aufopferungen, und wollte man Millionen daran wenden, nicht sicher von Küste zu Küste kommen kann! Ich reis'te nun, meist zu Fuß, längs der Küste des Mittelländischen Meeres, über Cette, Montpellier, Narbonne, Perpignan, die Pyrenäen, und Katalonien, nach Valencia und Murcia, und von da, durch die hohe Ebene von La Mancha, hieher. In Montpellier brachte ich köstliche Tage in Chaptal's Hause zu, und in Barcellona bei John Gille einem Engländer, mit dem ich in Hamburg zusammen wohnte, und der itzt in Spanien Inhaber einer großen Handlung ist. In den Thälern der Pyrenäen blühten die Erbsen, während der Canigou sein schneebedecktes Haupt daneben erhob. In Katalonien und Valenzia ist das Land ein ewiger Garten, mit Kaktus [Fackeldistel] und Agave eingefaßt. Dattelpalmen, 40 bis 50 Fuß hoch, und mit Traubenfrüchten beladen, streben über alle Klöster empor. Der Acker scheint ein Wald von Zeratonien [Johannisbrotbäumen], Oelbäumen, und Oranjen, deren viele Kronen wie unsre Birnbäume haben. In Valenzia kosten 68 Oranjen 1 Piaseta, d. i. sechs Groschen. Bei Balaguer und am Ausfluß des Ebro, ist eine zehn Meilen lange Ebene, mit Chamärops [Zwergpalme], Pistazien, zahllosen Erika-arten [Heidekraut] (Erica vagans, E. scoparia, E. mediterranea), und Zistus [Ziströslein, Felsenrosen], bewachsen. Die Heiden blühten, und mitten in der Wildniß pflückten wir Narzissen und Jonkiljen. Bei Cambrils ist Phönir daktylifera [gemeine Palme] so verwildert, daß man 20 bis 30 Stämme so dicht gruppirt sieht daß kein Thier durchdringen kann. Da man weiße Palmblätter sehr in den Kirchen liebt, so sieht man in Valenzia Dattelstämme, deren mittlerer Trieb mit einer Art konischer Mütze von Stipa tenacissima [zähem Spartogras] überzogen ist, damit die jungen Blätter im Finstern etiolirt werden. Das Bassin in welchem die Stadt Valenzia liegt, hat an Ueppigkeit der Vegetazion seines Gleichen in Europa nicht. Man glaubt nie Bäume und Blätter gesehen zu haben, wenn man diese Palmen, Granaten, Zeratonien, Malven u. s. w. sieht. In der Mitte des Jänners stand das Thermometer im Schatten auf 18 Grad Reaumur. Alle Blüthen waren fast schon abgefallen. Etioler, s'etioler: verb.; etiolement: subst. Eigentlich eine Krankheit der Pflanzen, welche zu dick gestanden, oder an geschlossnen Oertern gezogen worden: wodurch sie höher ausschießen, und lange dünne Stängel, oder Blätter, von glänzend weißer Farbe bekommen. In Spanien wird also durch Kunst diese fehlerhafte Beschaffenheit hervorgebracht. Von den Ruinen bei Tarragona, dem Berge bei Murviedro oder dem Dianentempel des alten Sagunt , seinem ungeheuren Amphitheater, dem Herkulesthurm, von dem man die Thürme von Valenzia aus einem Walde von Dattelpalmen hervorragen sieht und das Meer und das Cabo de Culleras, -- von dem allen sage ich nichts. Ihr Armen, die Ihr euch kaum erwärmen konntet, während ich mit triefender Stirn unter blühenden Oranjen, und auf Aeckern umherlief, die, durch tausend Kanäle bewässert, in einem Jahre fünf Aernten (Reiß, Weizen, Hanf, Erbsen, und Baumwolle) tragen. Wie gern vergißt man bei dieser Ueppigkeit des Pflanzenwuchses, bei dieser unbeschreiblichen Schönheit der Menschenformen, die Beschwerde des Weges, und die Wirthshäuser in denen auch nicht einmal Brot zu haben ist. Und dann ist die Küste fast überall schön angebaut. In Katalonien herrscht eine Industrie, die der Holländischen gleicht. In allen Dörfern wird gewebt, Schifbau getrieben u. s. w.; Alles arbeitet. Der Acker- und Gartenbau ist vielleicht in Europa nicht weiter gediehen als zwischen Castellon de la Plana und Valenzia. Aber 15 Meilen in das Jnnere des Landes hinein ist Alles öde. Dieses Innere ist die Kuppe eines Gebirges, das 2000 bis 3000 Fuß hoch über dem Wasser stehen geblieben ist, als das Mittelmeer Alles verschlang. Dieser Höhe verdankt Spanien sein Dasein, aber auch (die Küsten abgerechnet) seine Dürre, und zum Theil seine Kälte. Bei Madrid leiden die Oelbäume schon oft im Freien, und Oranjen im Freien sind eine Seltenheit. -- Doch ich fange an zu beschreiben, was ich eigentlich nie thun will, da ich Bücher statt eines Briefes schicken müßte. Ich kehre zu meinen Planen zurück. Der Flecken Murviedro im Königreich Valenzia steht auf der Stelle des alten berühmten Saguntum; am Fuß eines Berges, und an einem Flusse, welche beide gleichfalls Murviedro heißen. Auf dem Berggipfel, und in der Gegend umher, sind viele Ueberbleibsel ehmaliger großer Gebäude. Die Ministerialveränderungen allhier und das Emporsteigen des neuen Günstlings Caballero Urquijo habe ich so glücklich zu benutzen gesucht, daß ich dem König und besonders der Königinn aufs dringendste empfohlen ward. Beide Monarchen haben mich, so oft ich am Hofe erschien, aufs wunderbarste ausgezeichnet; und ich habe -- was Spanier selbst für unmöglich hielten -- nicht nur Königl. Erlaubniß bekommen, mit allen meinen Instrumenten in den Spanischen Kolonieen einzudringen, sondern ich bin auch mit Kgl. Empfehlungen an alle Vizekönige und Guvernöre ausgerüstet. Ich gehe nun zuerst nach Kuba, dann nach Mexiko, Kalifornien, Panama, u. s. w. Der Französische Botanist Alex. Bonpland begleitet mich; und Dein Herbarium soll nicht vergessen werden, obgleich während des Krieges es sehr schwer ist Pflanzen sicher nach Europa zu senden. Corunda, d. 5 Junius 1799. Wenige Stunden vor meiner Abreise mit der Fregatte Pizarro, muß ich noch einmal, mein Guter, mein Andenken in Dir zurückrufen. In wenig Tagen sind wir in den Kanarien; dann an der Küste von Karakkas, wo der Kapitän Briefe abgiebt; und dann in la Trinidad auf Kuba. -- Ich hoffe, wir sehn uns gesund wieder. Alle meine Instrumente sind schon am Bord. Dein Andenken begleitet mich. Der Mensch muß das Große und Gute wollen. Das Uebrige hängt vom Schicksal ab. Schreibe mir ja alle Jahre. Mit brüderlicher Liebe ... u. s. w. II. Puerto Orotava, am Fuß des Pik de Teneriffa, d. 20 Juni 1799. Das Datum versteht sich immer nur vom Anfang der Tagebuch-ähnlichen Briefe: die Fortsetzungen sind nicht jedesmal neu datirt. Unendlich glücklich bin ich auf Afrikanischem Boden angelangt, und hier von Kokospalmen und Pisangbüschen umgeben. Am 5 Juni reis'ten wir ab. Wir waren, bei sehr frischem Nordwestwind, und mit dem Glücke fast gar keinem Schiffe zu begegnen, schon am zehnten Tage an der Küste von Marokos; d. 17 Jun. auf Graziosa , wo wir landeten; und am 19ten im Hafen von Sta Cruz de Teneriffa. Unsre Gesellschaft war sehr gut: vorzüglich ein junger Kanarier, D. Francesco Salcedo, der mich sehr lieb gewann, unendlich zutraulich, und lebendigen Geistes, wie alle Einwohner dieser glücklichen Insel. -- Ich habe sehr viele Beobachtungen, besonders astronomische, und chemische (über Luftgüte, Temperatur des Meerwassers u. s. w.), gemacht. Die Nächte waren prächtig: eine Mondhelle in diesem reinen milden Himmel, daß man auf dem Sextanten lesen konnte; und die südlichen Gestirne, der Zentaur und Wolf! Welche Nacht! Wir fischten das sehr wenig bekannte Thier Dagysa, eben da wo Banks es entdeckte; und ein neues Pflanzengenus, eine weinblättrige grüne Pflanze (kein Fukus), aus 50 Toisen Tiefe. Das Meer leuchtete alle Abend. Bei Madeira kamen uns Vögel entgegen, die sich vertraulich zu uns gesellten, und Tagelang mit uns schiften. Graziosa ist eine der Asorischen, Portugal zustehenden, Inseln; Teneriffa eine der Kanarischen, welche an Spanien gehören. Der letztern sind sieben; Madeira (welches Andere, minder richtig, dazu rechnen), und einige kleine unbewohnte Inseln, nicht mitgezählt. Wir landeten in Graziosa, um Nachricht zu haben ob Englische Fregatten vor Teneriffa kreuzten; man sagte Nein, wir verfolgten unsern Weg, und kamen glücklich an ohne ein Schif zu sehen. Wie, ist unbegreiflich; denn eine Stunde nach uns, erschienen 6 Engl. Fregatten vor dem Hafen. Von nun an ist bis Westindien nichts mehr von ihnen zu fürchten. -- Meine Gesundheit ist vortreflich, und mit Bonpland bin ich äußerst zufrieden. Schon in Teneriffa haben wir erfahren, welche Gastfreundschaft in allen Kolonieen herrscht. Alles bewirthet uns, mit und ohne Empfehlung, bloß um Nachrichten aus Europa zu haben; und der Königliche Passeport thut Wunder. In Santa Cruz wohnten wir bei dem General Armiaga; hier (in Puerto Orotava), in einem Englischen Hause, bei dem Kaufmann John Collegan, wo Cook, Banks, und Lord Macartney auch wohnten. Man kann sich nicht vorstellen, welche Aisance und welche Bildung der Weiber in diesen Häusern ist. Den 23 Juni, Abends. Gestern Nacht kam ich vom Pik zurück. Welch ein Anblick! welch ein Genuß! Wir waren bis tief im Krater; vielleicht weiter als irgend ein Naturforscher. Ueberhaupt waren alle, außer Borda und Mason, nur am letzten Kegel. Gefahr ist wenig dabei; aber Fatige von Hitze und Kälte: im Krater brannten die Schwefeldämpfe Löcher in unsre Kleider, und die Hände erstarrten bei 2 Grad Reaumur. Gott, welche Empfindung, auf dieser Höhe (11500 Fuß)! Die dunkelblaue Himmelsdecke über sich; alte Lavaströme zu den Füßen; um sich, dieser Schauplatz der Verheerung (3 Quadratmeilen Bimstein), umkränzt von Lorbeerwäldern; tiefer hinab, die Weingärten, zwischen denen Pisangbüsche sich bis ans Meer erstrecken, die zierlichen Dörser am Ufer, das Meer, und alle sieben Inseln, von denen Palma und Gran Canaria sehr hohe Vulkane haben, wie eine Landkarte unter uns. Der Krater in dem wir waren, giebt nur Schwefeldämpfe; die Erde ist 70 Grad Reaumur heiß. An den Seiten brechen die Laven aus. Auch sind dort die kleinen Krater, wie die welche vor 2 Jahren die ganze Insel erleuchteten. Man hörte damal zwei Monate lang ein unterirdisches Kanonenfeuer, und häusergroße Steine wurden 4000 Fuß hoch in die Luft geschleudert. Ich habe hier sehr wichtige mineralogische Beobachtungen gemacht. Der Pik ist ein Basaltberg, auf welchem Porphyrschiefer und Obsidianporphyr aufgesetzt ist. In ihm wütet Feuer und Wasser. Ueberall sah ich Wasserdämpfe ausbrechen. Fast alle Laven sind geschmolzener Basalt. Der Bimstein ist aus dem Obsidianporphyr entstanden; ich habe Stücke, die beides noch halb sind. Vor dem Krater, unter Steinen die man la Estancia de los Ingleses nennt, am Fuß eines Lavastroms, brachten wir eine Nacht im Freien zu. Um 2 Uhr Nachts, setzten wir uns schon in Marsch nach dem letzten Kegel. Der Himmel war vollkommen sternhell, und der Mond schien sanft; aber diese schöne Zeiten sollten uns nicht bleiben. Der Sturm fing an heftig um den Gipfel zu brausen; wir mußten uns fest an den Kranz des Kraters anklammern. Donnerähnlich tobte die Luft in den Klüften, und eine Wolkenhülle schied uns von der belebten Welt. Wir klommen den Kegel hinab, einsam über den Dünsten, einsam wie ein Schif auf dem Meere. Dieser schnelle Uebergang von der schönen heitern Mondhelle zu der Finsterniß und der Oede des Nebels machte einen rührenden Eindruck. Der Ruheplatz (die Stazion) der Engländer. Diese Nazion, wie ihre Entdeckungen beweisen, reiset so häufig, daß in vielen Gegenden der Welt Oerter nach ihr benannt werden. Nachschrift. In der Villa Orotava ist ein Drachenblutbaum (Dracaena Draco), 45 Fuß im Umfang. Vor 400 Jahren, zu den Zeiten der Guanchos , war er schon so dick als itzt. -- Fast mit Thränen reise ich ab; ich mögte mich hier ansiedeln: und bin doch kaum vom Europäischen Boden weg. Könntest du diese Fluren sehn, diese tausendjährigen Wälder von Lorbeerbäumen, diese Trauben, diese Rosen! Mit Aprikosen mästet man hier die Schweine. Alle Straßen wimmeln hier von Kamelen. Die Guanchos waren die ursprünglichen Bewohner und Herren der Insel, die man bei deren Besitznehmung fand. Itzt sind sie beinahe ganz ausgerottet. Eben, d. 25sten, segeln wir ab. III. Kumana in Südamerika, d. 16 Jul. 1799. Man schreibt auch Komana. So findet sich auch Orinoko, statt Oronoko; Guajana statt Guiana: und andre Abweichungen der Namen mehr. Mit eben dem Glück, guter Bruder, mit dem wir im Angesichte der Engländer in Teneriffa angekommen sind, haben wir unsre Seereise vollendet. Ich habe viel auf dem Wege gearbeitet, besonders astronomische Beobachtungen gemacht. Wir bleiben einige Monate in Karakkas; wir sind hier einmal in dem göttlichsten und vollsten Lande. Wunderbare Pflanzen; Zitteraale, Tiger, Armadille, Affen, Papageien; und viele viele echte halbwilde Indianer, eine sehr schöne und interessante Menschenraße. Karakkas ist, wegen der nahen Schneegebirge, der kühlste und gesundeste Aufenthalt in Amerika; ein Klima wie Mexiko; und, obgleich von Daguin besucht, noch einer der unbekanntesten Theile der Welt, wenn man etwas nur in das Innere der Gebirge geht. Was uns, außer dem Zauber einer solchen Natur (wir haben seit gestern auch noch nicht ein einziges Pflanzen- oder Thierprodukt aus Europa gesehen), vollends bestimmt uns hier in Karakkas -- zwei Tagereisen von Kumana zu Wasser -- aufzuhalten, ist die Nachricht daß eben in diesen Tagen Englische Kriegsschiffe in dieser Gegend kreuzen. Von hier bis Havana haben wir nur eine Reise von 8 bis 10 Tagen; und da alle Europäische Konvoyen hier landen, Gelegenheit genug, außer den Privatgelegenheiten. Ueberdies ist gerade auf Kuba bis September und Oktober die Hitze am bösesten. Diese Zeit bringen wir hier in der Kühle und in gesunderer Luft hin; man darf hier sogar Nachts im Freien schlafen. Bekannt wegen des Kakaohandels. Ein alter Marinekommissär mit einer Negerinn und zwei Negern, der lange in Paris, und Domingo, und den Philippinen war, hält sich ebenfalls hier auf. Wir haben für 20 Piaster monatlich ein ganz neues freundliches Haus gemiethet, nebst zwei Negerinnen, wovon eine kocht. An Essen fehlt es hier nicht; leider nur existirt itzt nichts Mehl- Brot- oder Zwieback-ähnliches. Die Stadt ist noch halb in Schutt vergraben; denn dasselbe Erdbeben in Quito, das berühmte von 1797, hat auch Kumana umgestürzt. Diese Stadt liegt an einem Meerbusen, schön wie der von Toulon, hinter einem Amphitheater 5 bis 8 tausend Fuß hoher, und dick mit Wald bewachsener, Berge. Alle Häuser sind von weißem Sinabaum und Atlasholz gebaut. Längs dem Flüßchen (Rio de Cumana), das wie die Saale bei Jena ist, liegen sieben Klöster und Plantagen, die wahren englischen Gärten gleichen. Außer der Stadt wohnen die Kupferindianer, von denen die Männer alle fast nackt gehn; die Hütten sind von Bambusrohr, mit Kokosblättern gedeckt. Ich ging in eine. Die Mutter saß mit den Kindern, statt auf Stühlen, auf Korallenstämmen, die das Meer auswirft; jedes hatte Kokosschalen statt der Teller vor sich, aus denen sie Fische aßen. Die Plantagen sind alle offen, man gehet frei ein und aus; in den meisten Häusern stehen selbst Nachts die Thüren offen: so gutmüthig ist hier das Volk. Auch sind hier mehr echte Indianer als Neger. Dies Holz wächst nicht in Sina, wie der Name vermuthen läßt, sondern auf Guajana in Amerika. Welche Bäume! Kokospalmen, 50 bis 60 Fuß hoch; Poinciana pulcherrima, mit Fuß hohem Strauße der prachtvollsten hochrothen Blüthen; Pisange, und eine Schaar von Bäumen mit ungeheuren Blättern und handgroßen wohlriechenden Blüthen, von denen wir nichts kennen. Denke nur, daß dies Land so unbekannt ist, daß ein neues Genus welches Mutis (s. Cavanilles icones, tom. 4) erst vor 2 Jahren publizirte, ein 60 Fuß hoher weitschattiger Baum ist. Wir waren so glücklich, diese prachtvolle Pflanze (sie hatte zolllange Staubfäden) gestern schon zu finden. Wie groß also die Zahl kleinerer Pflanzen, die der Beobachtung noch entzogen sind? Und welche Farben der Vögel, der Fische, selbst der Krebse (himmelblau und gelb)! Wie die Narren laufen wir bis itzt umher; in den ersten drei Tagen können wir nichts bestimmen, da man immer einen Gegenstand wegwirft um einen andern zu ergreifen. Bonpland versichert, daß er von Sinnen kommen werde, wenn die Wunder nicht bald aufhören. Aber schöner noch als diese Wunder im Einzelnen, ist der Eindruck den das Ganze dieser kraftvollen, üppigen, und doch dabei so leichten, erheiternden, milden Pflanzennatur macht. Ich fühle es daß ich hier sehr glücklich sein werde, und daß diese Eindrücke mich auch künftig noch oft erheitern werden. Wie lange ich hier bleibe, weiß ich noch nicht: ich glaube, hier und in Karakkas an 3 Monate; vielleicht aber auch viel länger. Man muß genießen was man nahe hat. Wahrscheinlich mache ich, wenn der Winter künftigen Monat hier aufhört, und die wärmste und müssigste Zeit eintritt, eine Reise an die Mündung des Oronoko, Bocca del Drago (Drachenmaul) genannt, wohin von hier ein sichrer und gebahnter Weg geht. Wir sind diese Bokka vorbeigesegelt: ein fürchterliches Wasserschauspiel! Nachts d. 4 Jul. sah ich zum erstenmal das ganze südliche Kreuz vollkommen deutlich. Ein Sternbild, unter dem Zentauren. N. S. Wegen der heißen Zone fürchte nichts. Ich bin doch nun fast schon 4 Wochen unter den Wendekreisen, und ich leide gar nicht davon. Das Thermometer steht ewig auf 20 bis 22 Grad, nicht höher. Aber Abends, an der Küste von Cayenne, habe ich bei 15 Grad gefroren. So ist es denn nirgend in dieser Welt recht warm. Verfolge meine Reise auf der Karte. Den 5 Juni, ab von Corunda; d. 17, nach Graziosa; d. 19 bis 25, in Teneriffa; dann, heftigen Ostwind und Regenschauer; d. 5 und 6 Juli, längs der Brasilischen Küste; den 14ten, zwischen Tabago und Granada durch; d. 15, im Kanal zwischen Margarita und Südamerika; d. 16ten Morgens, im Hafen von Kumana.