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Alexander von Humboldt: „Versuche über die chemische Zerlegung des Luftkreises“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1799-Versuche_ueber_die-1> [abgerufen am 11.11.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1799-Versuche_ueber_die-1
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Titel Versuche über die chemische Zerlegung des Luftkreises
Jahr 1799
Ort Halle
Nachweis
in: Annalen der Physik 3:1 (1799), S. 77–90, Tafel.
Postumer Nachdruck
Ludwig Achim von Arnim, Werke und Briefwechsel, Historisch-kritische Ausgabe, in Zusammenarbeit mit der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen herausgegeben von Roswitha Burwick, Lothar Ehrlich, Heinz Härtl, Renate Moering, Ulfert Ricklefs und Christof Wingertszahn, Tübingen: Niemyer 2007, Band 2, Naturwissenschaftliche Schriften 1, herausgegeben von Roswitha Burwick, S. 153–164.
Entsprechungen in Buchwerken
„Beschreibung eines Absorbtions-Gefässes welches besonders als Kohlensäure-Messer gebraucht werden kann“ in: Alexander von Humboldt, Versuche über die chemische Zerlegung des Luftkreises und über einige andere Gegenstände der Naturlehre, Braunschweig: Vieweg 1799, S. 81–116.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung, Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Tabellensatz; Schmuck: Initialen; Formelsatz.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.96
Dateiname: 1799-Versuche_ueber_die-1
Statistiken
Seitenanzahl: 19
Zeichenanzahl: 24185

|77|

VERSUCHE über die chemiſche Zerlegung des Luftkreiſes,von Alex. von Humboldt.


1. Beſchreibung eines Kohlenſäuremeſſers, (An-thracometer.)

Dieſes Inſtrument beſteht aus einer 3 bis 5 Linienweiten, etwa 12 Zoll langen, ſehr ſtarken Glasröhre,die ſich unten in eine Kugel von 1,2 bis 1,3 ZollDurchmeſſer endigt. Die untern 3 Zoll der Röhrewerden an der Lampe ſo umgebogen, daß die Ku-gel nicht über 6,3 Linien weit von der Röhre abſteht,um in ein enges Glas mit Waſſer getaucht werdenzu können. Die Röhre a b, (Fig. 7,) muß in ih-rer ganzen Länge gleich weit ſeyn. Erweiterungenin c und d ſind für den Gebrauch gleichgültig, nurmuß zur Erſparung der Reagentien die ganze Capa-cität des Inſtruments nicht über 2 bis 2,5 Kubik-zoll betragen. Bei e iſt die Röhre ſo zerſchnitten,daß der obere Theil 7 Zoll Länge behält; und durchMetallcylinder ſo verbunden, daß keine Flüſſigkeitdurchdringen kann. Das obere Ende der Röhre iſtin einen, etwa 6 Linien hohen, metallenen Cylinder |78| geküttet, der von außen etwa 9 ſehr enge Schrau-bengänge hat und an der Mündung kegelförmigausgedreht iſt. In dieſe Mündung paßt ein koni-ſches Muſchelventil von 1 bis 2 Linien Dicke. Einzweiter Cylinder von Metall, h, der bei 5 LinienHöhe oben durch eine Platte verſchloſſen und in-wendig als Schraubenmutter ausgehöhlt iſt, paßtals Deckel auf die Röhre. Um den Druck zu ver-mehren, iſt die Platte k l in der Mitte durchbohrt,und eine zweite Schraube m preßt das Ventil aufdie Mündung der Röhre. — Der Gebrauch dieſes In-ſtruments iſt ſehr einfach. Man fülle es mit flüſſigemätzenden Ammoniak; dann gieße man aus a e ſoviel heraus, als man Luft unterſuchen will, und tra-ge die Länge der Luftſäule a b mit dem Zirkel aufeinen Maaßſtab; iſt aber a e ſelbſt eingetheilt, ſomerke man ſich die Zahl der Grade. Man ſchließedas Ventil und laſſe die Luft in die Kugel gehen.Hier befindet ſie ſich wegen der großen berüh-renden Fläche in einer vortheilhaften Lage, um ih-re Kohlenſäure an das Ammoniak abzutreten.Dadurch ſinkt das Ammoniak in der engen Röhre a e. Man öffnet das Ventil und füllt die Röhre ganz,ſo bald das Sinken aufhört. Man läßt die Luftſäuleaus der Kugel wieder in die Röhre. Da ſie com-primirt iſt, ſchraubt man ſie unter Waſſer bei e ab,und ſenkt das obere Stück ſo weit unter, bis dieFlüſſigkeit von innen und außen gleich hoch ſteht.Der Reſt von der erſtern Menge Luft abgezogen,zeigt die Menge der Kohlenſäure. Man kann den |79| Stand des Barometers und Thermometers bei die-ſem Verſuche als beſtändig annehmen. Kalkwaſſeriſt dem ätzenden Ammoniak noch wegen der grö-ßern Leichtigkeit, es zu bereiten, vorzuziehen;doch wäre es wohl noch zu unterſuchen, ob die vomHerrn v. Humboldt entdeckte Eigenſchaft derErden, Sauerſtoff zu binden, nicht hierbei einenſchädlichen Einfluß haben könnte. Daß dieſes In-ſtrument auch als Sauerſtoffgas-Meſſer gebrauchtwerden könne, bedarf keiner Erinnerung.

2. Ueber die Kohlenſäure, welche im Dunſtkreiſeverbreitet iſt, und über die Beſchaffenheit desLuftkreiſes der gemäßigten Zone.

In ältern phyſikaliſchen Schriften nahm mandie gewöhnliche Menge derſelben ſehr groß an,nämlich 0,06. *) Girtanner ſchätzt ſie auf 0,01,überhaupt fehlt es aber an ſichern Erfahrungen,Nach zahlreichen Erfahrungen des Herrn v. Hum-boldt iſt die Mittelzahl für die gemäßigte Zonenahe an 0,015. Das Maximum, welches er fand,iſt 0,018, (21ſten Auguſt 1797, 73° Hyg. Sauſſ.,18°,5 R.;) das Minimum 0,005, (den 3ten Sept.bei einem Regen, bewölktem Himmel und 17° R.)Herr von Sauſſüre fand auf dem Gipfel des Mont-blanc **) noch Kohlenſäure, die wahrſcheinlich
*) S. Gehler’s phyſ. Wörterbuch, B. 2, S. 396.**) Voy. dans les Alpes , T. 4, §. 2010, p. 200.
|80| durch kohlenſtoffhaltige Flechten, (lichen ſulphu-reus und rupeſtris,) ſo wie weiter unten durchChloriterde und Hornblende hervorgebracht wird.In der Luft, die Garnerin *) aus einer Höhe von 650Toiſen mitbrachte, war eben ſo viel Kohlenſäure,wie damahls zu Paris. — Nach dieſen Erfahrungenſcheint die Kohlenſäure kein zufälliger, ſondern einallgemein verbreiteter Beſtandtheil der Atmoſphärezu ſeyn, vielleicht, daß wir auch noch Waſſerſtoff-gas mit dem Stickgas in derſelben verbunden ent-decken. Das Regenwaſſer zeigte ihm keine SpurKohlenſäure. Lange wiederhohlte Vergleichungdes Anthracometers mit dem Hygrometer habenzwar gezeigt, daß im Sommer im Ganzen etwasmehr Kohlenſäure in der Atmoſphäre iſt, daß aberdieſer Unterſchied keinesweges in den hygrometri-ſchen Verhältniſſen des Luftkreiſes gegründet iſt.Aus dieſen Verſuchen geht ebenfalls hervor, daßwir die nächſten Urſachen des zunehmenden undabnehmenden Kohlenſäuregehalts noch nicht zubeſtimmen im Stande ſind.
Die Verſuche des Hrn v. Humboldt über dieBeſchaffenheit des Luftkreiſes der gemäßigten Zone,die er mit dem Eudiometer, dem Barometer, Ther-mometer, Electrometer, Anthracometer, dem Sauſ-ſüriſchen und de Lüc’s Hygrometer während 6Monate, täglich mehrere Mahle angeſtellt, könnenhier nicht in ihrem Umfange, ſondern nur in ihren
*) Siehe den Zuſatz.
|81| Reſultaten mitgetheilt werden. Wer es weiß, wiewenig Genuß ſolche Verſuche gewähren, ehe eine ge-nugſame Menge derſelben geſammelt, wie ſorgfältigman ſelbſt alle vorſchnelle Vermuthungen zurückhal-ten muß, um nicht bei dieſer Beobachtung etwas zu-zugeben, bei jener etwas wegzulaſſen; der wirdſicher der unermüdeten Ausdauer des Herrn von Humboldts ſeine Bewunderung nicht verſagen.
Die wichtigſten Reſultate, welche er aus jenenVerſuchen zieht, zeigen, daß, wenn bei trübem Wetterdie Dünſte ſich auflöſen, die Wolken verſchwindenund ſich des Himmels Gewölbe blau färbt, meiſtdie Sauerſtoffmenge des Luftkreiſes zunehme.Sie nimmt dagegen meiſt ab, wenn am blauen hei-tern Himmel das Cyanometer vom 20° bis 7° über-geht, und wenn Regen- oder Schneewolken ſich bil-den. Schlackiges Wetter, beſonders Hagel mit Schneegemiſcht, kündigt die geringſte Sauerſtoffmenge an.Beim Nebel mit ſtarker negativer Electricität, in-dem die Waſſerdünſte ſich auflöſen, iſt die Luft ſehrreich an Oxygen. Das Schmelzen des Schnees,bisweilen ſelbſt das Fallen eines großflockigen,leicht zergehenden Schnees, verbeſſert den Luft-kreis. Eine ähnliche Verbeſſerung wird häufig beiden im Frühjahre gewöhnlichen wohlriechendenStrichregen bemerkt, bei welchen die Electricitäthäufig aus der poſitiven in die negative übergeht.Die Verminderung bei der Bildung des Regensleitet der Verfaſſer aus einem Verſchluckendeſſelben durch das gebildete Waſſer her, oder |82| durch die Umhüllung der Dunſtbläschen durchoxygenreichere Atmoſphären. Das Maximum desSauerſtoffgehalts fand der Verf. 0,290 und dasMinimum 0,236; der mittlere Sauerſtoffgehalt warim November 0,256, im December 0,268, Januar0,275, Februar 0,272, März 0,269, April 0,272,und in allen ſechs Monaten 0,268. — Die electri-ſche Ladung des Luftkreiſes fand er ſtets poſitiv,(S. 174,) negativ war ſie nur auf einzelne Minu-ten. Es war mir dies eine willkommene Beſtätigungdeſſen, was ich in meinem Verſuche über die Theo-rie der electriſchen Erſcheinungen, S. 48, darübergeäußert habe. Bei ſehr tief ziehenden Wol-ken war die E meiſt 0. Beim Schneien aber be-merkte der Verf. oft denſelben Wechſel zwiſchen+ und — E, welchen Herr Lampadius beim Ge-witter wahrnahm. Am 5ten Februar war die E bei blauem wolkenfreien Himmel negativ. Amſtärkſten und am ſchnelleſten aus + in —, wechſeltſie im Nebel. Hagelwetter iſt anhaltend negativ. Herr von Buch hatte den ſinnreichen Gedan-ken, den Stand des Thermometers im Schatten undim Lichte zu beobachten. Es iſt merkwürdig, wie angleich heitern Tagen bei gleicher Himmelsbläue dieSonnenkraft ungleich iſt. Ungeachtet nicht ange-zeigt wird, wie Herr von Humboldt dieſenGedanken ausgeführt, ſo läßt es ſich doch von ei-nem ſo ſorgfältigen Experimentator erwarten, daßer einen Schatten wird gewählt haben, deſſenDichtigkeit ſich nach der Sonnenhöhe nicht verän- |83| derte. Am leichteſten wäre wohl dieſer Gedankeauszuführen, wenn man zwei Thermometer nebeneinander der Sonne ausſetzte, von denen die Kugeldes einen weiß, die Kugel des andern ſchwarzüberzogen wäre.

3. Ueber die Entbindung des Lichts.

Mit Vergnügen werden die Phyſiker die Reihe die-ſer Verſuche, über das Leuchten des faulen Hol-zes, unter verſchiedenen Umſtänden überſehen,ſowohl wegen der Genauigkeit, als auch wegen derbeſtimmten Reſultate. *) Kohlenſaures Gas, durchPhosphor des Sauerſtoffgas beraubt, verlöſcht denphosphoriſchen Schein; einige hineingelaſſene atmo-ſphäriſche Luft bringt denſelben wieder hervor. InSauerſtoffgas leuchtet das Holz nicht ſtärker; die Ab-ſorbtion iſt nicht ſtark, aber bald bemerkt man Koh-lenſäure darin. Im reinen Stickgas, ſo wie im reinenWaſſerſtoffgas, verliſcht das Holz ſchnell; hineinge-laſſene atmoſphäriſche Luft ſtellt das Leuchten wie-der her. Dieſe Luftarten waren durch Phosphor ge-
*) Nicht ganz vereinbar mit den Verſuchen desHerrn v. Humboldt’s iſt ein von Achard inder bis 27\( \frac{1}{4} \) Zoll geleerten Glocke der Luftpumpeangeſtellter Verſuch, in welcher das Holz noch ei-nige Tage leuchtete. ( Mèm. de l’Acad. de Berlin,p. 1783, S. 99.) Etwas kann man wohl auf dieſauerſtoffreichere Atmoſphäre des Holzes rechnen,doch verdienen dieſe ſowohl, wie die übrigen Ver-ſuche daſelbſt, nicht vergeſſen zu werden. A.
|84| reinigt; damit man aber nicht die Schuld dieſes Ver-löſchens der verdampften phosphoriſchen Säure ge-ben könne, zeigte H. v. H., daß das Holz in atmo-ſphäriſcher Luft, die ſtark damit angeſchwängert war,leuchte. Heiße Luft und heißes Waſſer vernichtendas Leuchten, (zwiſchen 30 bis 32° Reaum. hörtes auf zu leuchten,) im kalten Waſſer leuchtetes lange. In alkaliſcher Auflöſung verſchwindetder Glanz; im Alkohol in 6 Minuten; in allenSäuren 9 bis 12 Minuten nach dem Eintauchen.Herr von Humboldt kann wohl keine concen-trirte Schwefelſäure angewendet haben, denn dieſegreift mit außerordentlicher Schnelligkeit leuchten-des Holz an und färbt es ſchwarz, und die Stelle,worauf man es gießt, ſenkt ſich ſogleich; es wirddadurch als ein Hydro-Carbone mit großem Anthei-le Waſſerſtoff charakteriſirt. Herr von Hum-boldt hat bemerkt, daß das unterirdiſche Gruben-holz nie leuchte; er glaubt dies der Abweſenheitdes Lichts zuſchreiben zu können, und führt einBeiſpiel an einem Bolzen an, deſſen oberer Theilnur ſo weit er dem Lichte ausgeſetzt war, leuchtete.Ich geſtehe aber, daß ich nie Holz, welches fort-dauernd dem Lichte ausgeſetzt geweſen war, phos-phoreſciren geſehen habe, auch Herr Gärtner, *) ein ſorgfältiger Beobachter dieſer Erſcheinungen,fordert ausdrücklich Abweſenheit des Lichts. Nie
*) Scherer’s Journal der Chemie, III. Band, S. 5. A.
|85| wird das äußerlich faule Holz leuchten; gemei-niglich muß man bei den Hölzern ein Stück wohl-erhaltenes Holz von dem leuchtenden abreißen,und dieſes, durch das umgebende Holz von demSauerſtoffgas der Atmoſphäre geſondert, kann ſodurch Fäulniß eine Miſchung erhalten, in der esohne vorangehende Temperatur-Erhöhung ver-brennt.

4. Verſuche über das Salpetergas und ſeine Ver-bindungen mit dem Sauerſtoffe.

Es ſey z der Summe des in der Fontanaſchen Röhrezerſetzten Sauerſtoffgas und Salpetergas gleich;nenne ich daher das vernichtete Salpetergas x und das abſorbirte Sauerſtoffgas y, ſo iſt z = x + y. Es ſey m das Volumen des zur Sätti-gung eines Theils Sauerſtoff nöthigen Salpetergas,ſo verhält ſich x : y = m : 1, folglich x + y : ym + 1 : 1 und es wird y = \( \frac{z}{1 + m} \) oder m = \( \frac{z}{y} \) — 1.Alles kommt hier auf die Beſtimmung von m an,und dieſes iſt bisher von den Phyſikern äußerſtverſchieden angegeben worden. Von Lavoiſier zwiſchen 1,725 und 1,830, von Prieſtley zu1,970, von andern bis 4,1. Herr von Humboldt nahm daher die Ar-beit noch einmahl vor, und fing damit an, die Gütedes Salpetergas durch ſchwefelſaures Eiſen undoxygenirt ſalzigſaures Gas zu prüfen. In einer ge- |86| meinſchaftlich mit Vauquelin unternommenen Ar-beit zeigte es ſich, daß die ſchwefelſaure Eiſenauflö-ſung nach dem Abſorbiren aus ſalpeterſaurem Eiſenund ſchwefelſaurem Ammoniak beſtehe, weſwegenſie hier eine Zerſetzung des Waſſers annahmen. Zubedauern iſt es freilich, daß man hier annehmenund nicht voraus beſtimmen kann, und daß dieſer,wie ſo mancher andere Fall, wo Ammoniak ſichbildet, noch einzeln da ſteht und keinen beſtimm-ten Verwandtſchaftsgeſetzen unterworfen iſt. Durchdieſe Auflöſung wird alles Salpetergas abſorbirt;doch iſt hierbei zu bemerken, daß, wenn man dieEiſenauflöſung geſchüttelt hat, 0,02 bis 0,03 we-gen des aus der Auflöſung aufgefangenen Gas ab-zuziehen ſind. — Herr v. Humboldt bemerkte,daß der Phosphor in manchen Sorten Salpetergasleuchte; er zieht daraus den Schluß, daß ſie Sauer-ſtoff eingemengt enthielten, welches nicht Zeit habe,ſich mit dem Salpetergas zu verbinden, (S. 12.)Ich glaube, daß ſich das einfacher, nicht den Ver-wandtſchaftsgeſetzen widerſprechend, auf eine ähn-liche Art, wie Fourcroy die von Göttling gemachten Beobachtungen erklärt. Es kann ſichhier das in dem Salpetergas enthaltene Stickgasmit dem Phosphor verbinden, durch dieſe doppelteWahlverwandtſchaft das Salpetergas zerſetzt, undoxydirtes Stickgas und Stickſtoff-Phosphor-Halbſäu-re erzeugt werden. Herr von Humboldt nahm keine Raumverminderung bei dieſem Leuch-ten wahr, welches ſich ſehr gut damit reimt, daß |87| eine Stickſtoff-Phosphor-Halbſäure, nach ſeineneignen Beobachtungen in einer andern Abhandlung,(S. 63 bis 81,) ſich gasförmig darſtellt. *) ObWaſſerſtoffgas dem Salpetergas beigemengt ſey, läßtſich nicht gut ausmachen. Das Salpetergas läßtſich ſehr gut von gleicher Güte erhalten, wennman die Salpeterſäure von gleichem ſpecifiſchen Ge-wichte, nämlich zu 17 oder 21° des Beaumé-ſchen **) Areometers, (1,132 bis 1,170,) wählt;das Salpetergasgehalt enthält dann gewöhnlich 0,13bis 0,14 Azote. Aus den Verſuchen, die der Verf.
*) Herr von Humboldt bemerkt in dieſer Ab-handlung, daß einſt eine ſehr waſſerſtoffreiche Luft-art aus einer Grube beim Erkalten Eiſen abgeſetzt,ein andermahl, (über die unterirdiſchen Wetter,S. 182.,) daß er beim Abbrennen vom Waſſerſtoff-gas Zinkkalk gefunden. Dies führt ihn auf dieVermuthung, ob man nicht eben daher das Eiſenableiten könne, das aus Feuerkugeln niederfällt.Eine Beobachtung, die den 12ten November dieſesJahres hier von vielen gemacht wurde, (daß eineFeuerkugel ſich plötzlich in einen breiten bren-nenden Feuerſtreifen auflöſte,) ſpricht ſehr für luft-artige, vielleicht nur mit einer Kruſte Eiſen umge-bene Beſtandtheile, in dieſen Meteoren. A. **) Da ſehr viele franzöſiſche Chemiſten ſich nochimmer dieſes Areometers bedienen, ſo glaube ich,daß es vielen willkommen ſeyn möchte, die Gradedes Beauméſchen Areometers auf die zugehörigenſpeciliſchen Gewichte reduciren zu können. Fol-gende Tabelle giebt zum Behufe dieſer Reduction
|88| mit Sauerſtoffgas anſtellte, erhielt er, nach nöthi-ger Reduction, m = 2,82, welches gar ſehr vondem gewöhnlichen 1,72 abweicht. Er vermißteindeſſen hier oft die ſchöne Uebereinſtimmung, an
Nicholſon, in ſeinem Journ. of natur. phil. ,I, 39, zufolge einiger von ihm und von Guy-ton angeſtellten Verſuche.
Bei 10° Reaum. oder 55° Fahr. entſprechen
Grade an Beaumé’s AreometerfürSalze. einemſpeciſiſchenGewichtevon Grade an Beaumé’s Areometer fürgeiſtige Flüſ-ſigkeiten. einemſpecifiſchenGewichtevon
0 1,000 10 1,000
3 1,020 11 0,990
6 1,040 12 0,985
9 1,064 13 0,977
12 1,089 14 0 970
15 1,114 15 0,963
18 1,140 16 0,955
21 1,170 17 0,949
24 1,200 18 0,942
27 1,230 19 0,935
30 1,261 20 0,928
33 1,295 21 0,922
36 1,333 22 0,915
39 1,373 23 0,909
42 1,414 24 0,903
45 1,455 26 0,892
48 1,500 28 0,880
51 1,547 30 0,867
54 1,594 32 0,856
57 1,659 34 0,847
60 1,717 36 0,837
63 1,779 38 0,827
66 1,848 40 0,817
69 1,920
72 2,000
A.
|89| die er ſonſt bei der atmoſphäriſchen Luft gewöhntwar; er ſah auch, daß künſtliche Luftgemiſche,mit gleichem Antheile Sauerſtoff, ſich ganz andersverhielten, wie atmoſphäriſche Luft. Dies veran-laßte ihn, eine zweite Verſuchsreihe mit atmoſphäri-ſcher Luft zu machen, wobei m zwiſchen 2,5 und2,6 ſchwankte. Daraus folgt, daß 2,55 Salpeter-gas dazu gehören, um 1,00 *) Sauerſtoffgas zu ab-ſorbiren. Nach dieſem Werthe von m und nachder Formel y = \( \frac{z}{1 + m} \) iſt die folgende Tabelleberechnet, die ſicher jedem willkommen ſeyn wird,der das Eudiometer braucht.
AbſorbirtesVolumen = z. Sauerſtoff= y. Rückſtand.
109° 0,307 91
108 0,304 92
107 0,301 93
106 0,298 94
105 0,295 95
104 0,293 96
103 0,290 97
102 0,287 98
101 0,284 99
100 0,281 100
99 0,278 101
98 0,276 102
97 0,274 **) 103
96 0,270 104
95 0,267 105
94 0,264 106

*) Im Originale ſteht 0,01, ſo wie überhaupt ſehrviele Zahlen und Nahmen, ja, ganze Perioden, ver-dunkelt ſind. A. **) 0,273. A.
|90|
AbſorbirtesVolumen = z. Sauerſtoff= y. Rückſtand.
93 0,261 107
92 0,259 108
91 0,256 109
90 0,253 110
89 0,250 111
88 0,247 112
87 0,245 113
86 0,242 114
85 0,239 115
84 0,236 116
Der Leſer empfängt hier den Beſchluß meinesAuszugs der ſchönen Abhandlungen Humboldts über die Zerlegung des Luftkreiſes, die voreiniger Zeit in Braunſchweig erſchienen ſind,zum Theil aber ſchon Auzugsweiſe früher be-kannt wurden. Die dahin gehörigen Abhand-lungen finden ſich im erſten Bande der Annalen,S. 457 bis 458, ferner S. 501 bis 514; im zweitenBande, S. 221 bis 224; hier endlich die dem Phy-ſiker intereſſanteſten Reſultate aus den übrigen Ab-handlungen. Jede Wiſſenſchaft hat ihren eignenStandpunkt, von wo aus ſie die Wichtigkeit derUnterſuchung beurtheilt: aber der Einzelne hatauch wiederum ſeinen eignen Standpunkt; ein Aus-zug für eine beſondere Wiſſenſchaft kann daher we-der vollkommen ſeyn, noch vollkommen beurtheiltwerden, ungeachtet jeder das Bedürfniß deſſel-ben fühlt. L. A. v. Arnim.

|91|

NACHTRAG zu den vorhergehenden Abhandlungen desHerrn von Humboldt’s. Ueber einige bisher nicht beachtete Ur-ſachen des Irrthums bei Verſuchenmit dem Eudiometer,von L. A. v. Arnim.

Die Luft in Paris, ſo wie die von Garnerin mitgebrachte, enthielt, nach des Herrn von Hum-boldt’s Unterſuchung, 0,008 bis 0,01 kohlenſau-res Gas, die erſtere 0,276, die letztere nur 0,259Sauerſtoffgas. Herr v. Humboldt macht aufdieſen großen Unterſchied in Rückſicht des Sauer-ſtoffgehalts und auf die Menge Kohlenſäure beſon-ders aufmerkſam; *) aber er vergißt hier, wennich nicht irre, wie alle, die ſich bisher mit eudio-metriſchen Unterſuchungen beſchäftigten, einenUmſtand von Wichtigkeit, nämlich die Temperatur-Verſchiedenheit der Luft an dem Orte, wo die Lufteingeſammelt worden, und ihre Expanſions-Ver-ſchiedenheit eben daſelbſt. Ich muß hier an die
*) A. a. O., S. 256.
|92| Prieurſchen Verſuche, ( Journ. polytechn. C. II,) *) über die eigenthümliche Ausdehnung der verſchie-denen Gasarten bei gleichen Graden der Wärme, undbeſonders an die ausgezeichnet große Ausdehnungdes Stickgas erinnern. Das Stickgas hat, nachdieſen Verſuchen, in Verhältniß zu der atmoſphäri-ſchen Luft, die es mit dem Sauerſtoffgas haupt-ſächlich zuſammenſetzt, eine größere Ausdehnungs-fähigkeit durch die Wärme, als dieſes. Im Eudio-meter erhalten wir auf verſchiedenen Wegen Stick-gas; das Sauerſtoffgas wird zerſetzt; geſchieht da-her die Unterſuchung einer Luftart nicht bei derſel-ben Temperatur, wo ſie eingeſammelt, ſondern ineiner wärmern, ſo werden alle Unterſuchungen zuviel Stickgas in Verhältniß zum Sauerſtoffgas ange-ben. Es iſt dieſe Bemerkung in mehrerer Rück-ſicht von Einfluß. Zuerſt für die Eudiometrie ſelbſt;nicht etwa bloß wegen der Garnerinſchen Luftun-terſuchung allein, die in der wärmern Pariſer At-moſphäre vorgenommen wurde, ſondern überhauptin Rückſicht aller Eudiometer-Verſuche im Win-ter, die in der warmen Stube angeſtellt werden.Ich weiß nicht, wie Herr von Humboldt ſeinetrefflichen ſalzburger meteorologiſchen Unterſuchun-gen angeſtellt hat, es ſollte mir aber ſehr leid thun,wenn dieſer Schatz von Beobachtungen dadurch an
*) Prony architecture hydraulique, à Paris 1796,T. II, p. 152 — 196.
|93| Richtigkeit verlöre. — Für die Meteorologie über-haupt iſt ferner jene Bemerkung von Einfluß, in-dem, nach derſelben, wenn anderweitige Umſtändees nicht hinderten, durch erhöhte Temperatur derAtmoſphäre ihr Sauerſtoffgehalt vermindert erſchei-nen müßte. Wenn man deswegen die Humboldt-ſchen Beobachtungen durchſieht, ſo findet man un-gefähr eben ſo viele, wo dies der Fall war, als woder entgegengeſetzte eintrat. Dem Meteorologenbleibt daher die Unterſuchung, durch welchen Pro-zeß in den entgegengeſetzten Fällen das Sauerſtoff-gas vermehrt wurde. — Der Luftdruck kommt beiEudiometer-Verſuchen, insbeſondere bei ſolchen,wie die Humboldtſchen über eine Luft, in der dasBarometer 4 Zoll niedriger als in Paris ſtand, undwegen der ungleichen Zuſammendrückung der Luft-arten durch gleiche drückende Laſten, in Betracht.Zwar haben wir nur Verſuche, die dieſe Verſchie-denheit beweiſen, ohne Verſuche zu haben, diedieſen Unterſchied beſtimmen; ſo viel iſt aber ge-wiß, daß, je nachdem das Stickgas, welches im Eu-diometer abgeſchieden wird, in Verhältniß zu deratmoſphäriſchen Luft eine größere oder geringereCompreſſibilität hat, durch den größern Luftdruckzu Paris der Sauerſtoffgehalt größer oder geringerangegeben wird. — Die Rechnung des Herrn von Humboldt, (S. 163,) nach welcher der mittle-re Sauerſtoffgehalt der Luft im December viel ge-ringer als im April iſt, widerſpricht der Meinungeiniger Phyſiker, die den größern Reiz der Win- |94| terluft auf die Lungen von größerm Sauerſtoffgehaltederſelben herleiten. Vielleicht, wenn ich nichtirre, ſo wird der Fehleranſchlag für die Eudiome-ter im Winter ihre Meinung wenigſtens in dieſerRückſicht rechtfertigen. Auch dem Aſtronomenkann jene Bemerkung über Hrn. v. Humboldt’s Unterſuchung nicht gleichgültig ſeyn, da, nach Hrn. Kramp, (in ſeiner Analyſe des réfractions aſtro-nomiques, Leipz. 99, S. 29,) die beſte Tafel überdie Strahlenbrechung von Bradley mit der An-nahme einer beſtändigen ſpecifiſchen Elaſticität, wieer ſie nennt, der Luft in jeder Höhe am beſten über-einſtimmt, nach der Analyſe des Herrn von Hum-boldt’s hingegen, dieſe durchaus nicht hätte beſte-hen können. Da die Oxyanthrakometrie mit allemFug einen Platz in der Eudiometrie behauptet, ſo iſtes wohl nicht am unrechten Orte, auf einen Verſuchaufmerkſam zu machen, wodurch die Vermuthungdes Hrn. v. Humboldt’s, (über die unterirdiſchenGasarten, S. 169,) daß es eine überſaure, odervollkommne Kohlenſäure gebe, geprüft werdenkönnte. Man wäge nämlich die Menge von Kalk-erde, die aus dem Kalkwaſſer durch gleiche Vo-lumina von verſchiednen Sorten Kohlenſäu-re niedergeſchlagen wird; denn Säuren, dieman auf ein gleiches ſpecifiſches Gewicht ge-bracht, laſſen ſich am beſten durch die Mengedes zu ihrer Sättigung nöthigen Stoffs unter-ſcheiden.
|95| Sollte der Verſuch einen Unterſchied zeigen, ſowäre das Lichtenbergiſche *) Verzeichniß der aufMeter oder Meſſer ſich endigenden Namen umeinen vermehrt, um einen Kohlenſäure-Güte-Prüfungs-Meſſer. Ein nothwendigeres Werkzeugzur Luftprüfung wäre wohl ein Feuchtigkeitsmeſſerder Luft, da die gewöhnlichen Hygrometer, aus be-kannten Gründen, aller von Sauſſüre angewendetenMühe ungeachtet, dies nicht leiſten können. Herrnv. Humboldt’s Vorſchlag, die Flaſchen zu er-wärmen und dann ſchnell zu erkälten, (über un-terirdiſche Gasarten, S. 148,) leiſtet, wenn ich nichtirre, nicht viel mehr, da auch aus der kälteſtenLuft durch Entbindung der Gasarten, (z. B. Fluß-ſäure, ſalzige Säure,) die des Waſſers zu ihrer Dar-ſtellung in tropfbar-flüſſiger Geſtalt bedürfen, Waſ-ſer abgeſchieden wird. Dieſe Luftarten würde ichaber am tauglichſten zu dieſem Geſchäfte der Waſ-ſerabſcheidung finden; gleiche Volumina der zuprüfenden und der prüfenden Luft in dem mitQueckſilber gefüllten Humboldtſchen Eudiometervermiſchen; die Vermiſchung bis zu einem beſtimm-ten Punkte erkälten; und aus der Verminderung desVolumens, nach den dazu nöthigen Erfahrungen,auf den Waſſergehalt ſchließen.


*) Ich glaube immer, daß ſich Experimental-Phy-ſik am beſten nach einem ſolchen Verzeichniſſevon Metern entwickeln ließe. A.

Abbildungen