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Alexander von Humboldt: „Ueber das Keimen der Saamen in oxygenirter Kochsalzsäure“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1799-Ueber_das_Keimen-2-neu> [abgerufen am 25.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1799-Ueber_das_Keimen-2-neu
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Titel Ueber das Keimen der Saamen in oxygenirter Kochsalzsäure
Jahr 1800
Ort Tübingen
Nachweis
in: Taschenkalender auf das Jahr 1800 für Natur- und Gartenfreunde ([1800]), S. 167–170.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.94
Dateiname: 1799-Ueber_das_Keimen-2-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 4
Zeichenanzahl: 4659

Weitere Fassungen
Ueber das Keimen der Saamen in oxygenirter Kochsalzsäure (Leipzig, 1799, Deutsch)
Ueber das Keimen der Saamen in oxygenirter Kochsalzsäure (Tübingen, 1800, Deutsch)
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Ueber das Keimen der Saamen in oxygenirterKochſalzſäure, aus einem Briefe an Hrn. D. Uſteri von F. A. v. Humboldt. (S. Uſteri neue Annalen der Botanik.)

Sie erinnern ſich aus den Aphorismen der chemi-ſchen Pflanzenphyſiologie welche meiner Flora Fri-bergensis angehängt ſind, daß ich im Februar 1793.die Entdekung machte, durch den Reiz des Sauer- |168| ſtofs die Keimkraft der Pflanzen zu beſchleunigen.Ich fand, daß Kreſſenſaamen, z. B. in oxygenirterKochſalzſäure, in 7 Stunden keimte, während daßin reinem Waſſer 34—37 Stunden dazu erforder-lich waren. Ich äuſſerte gleich damals die Hoff-nung, daß dieſe Entdekung wo nicht dem Akerbau-doch der Saaten-Cultur und Pflanzenkunde nüz-lich ſeyn würde, da botaniſche Gärtner nun einMittel in Händen hätten, alte verlegene Saamengleichſam zu beleben. Bei meinen Reiſen verſäum-te ich nie, dieſe Idee in Umlauf zu bringen. Ichforderte überall zu Verſuchen auf — — aber, daPflanzenphyſiologie, beſonders chemiſche, mehr an-gerühmt und beliebt als betrieben iſt, ſo fand ichnirgends Gehör. Aus England kam mir ſogareine Nachricht zu, daß meine Verſuche daſelbſtſchlechterdings nicht glüken wollten. Unmuthigfieng ich nun im Sommer 1796 die Arbeit mitder oxygenirten Kochſalzſäure von neuem an. Ichverſuchte zugleich den Reiz anderer Stoffe damitzu verbinden. Ich fand ein Mittel, die Keimpe-riode einiger Saamen um \( \frac{11}{12} \) der Zeit zu ver-kürzen, das heißt, ſie in 3 Stunden keimen zulaſſen. Die Reſultate dieſer Experimente findenSie theils in dem zweiten Theile meines Werks:über die gereizte Nerven- und Muskelfaſer, nebſtVermuthungen über den chemiſchen Proceß desLebens in der Thier- und Pflanzenwelt, theils ineiner eigenen Abhandlung enthalten, die in mei-nen chemiſchen Schriften erſcheinen wird. Bei meinem lezten Aufenthalt in Wien habeich endlich die Freude gehabt, zu ſehen, daß mei-ne kleine Erfindung praktiſch nuzbar iſt. Hierfand ich ausgeführt, was ich ſchon längſt verſuchtwünſchte. Der Aufſeher des akademiſchen botani-ſchen Gartens, Herr van der Schott, welcher botani-ſche Gelehrſamkeit mit einem groſſen Talent für dieGartencultur verbindet, ſammelte diejenigen Saa-men, welche man 10—15 Jahr lang aufbewahrt undunendliche Male vergeblich der Erde anvertraut hat-te, erweichte dieſelben in oxygenirter Kochſalzſäureund zwang ſo auch die hartſchaaligſten zu keimen. Ich |169| nenne nur: Guilandina Bonduc, Cytisus cujan,Dodonaea angustifolia, Mimosa ſcandens, eineneue Species von Ipomaea, und den unbeſtimm-ten Jasmin épineux: von mehreren dieſer wie-derbelebten Saamen habe ich 8—12zöllige Pflan-zen geſehn, die im ſchönſten Wuchſe ſtehen. Derjunge Herr von Jacquin, dem jezt die botaniſcheProfeſſur anvertraut iſt, und der ſich in kurzerZeit bereits groſſe Verdienſte um den akademiſchenGarten erworben hat, verſicherte mich, daß manin der Folge (hier und in Schönbrunn) ſich im-mer bei alten Saamen der oxygenirten Kochſalz-ſäure bedienen werde. Ich glaube, daß dieſe Nachricht eine Bekannt-machung verdient, weil manche ſeltene Pflanzen,beſonders aus den Ländern jenſeits des Caps nurin den Saamenkabinetten — und alſo der Beob-achtung ziemlich entzogen, exiſtiren. Sir Francis Ford hat folgende merkwürdigeVerſuche angeſtellt, um zu unterſuchen, ob derSauerſtoff oder das Sauerſtoffgas einen von deratmosphäriſchen Luft weſentlich verſchiedenen Ein-fluß auf die Vegetation zeige. Er hat durch oftwiederhohlte Verſuche gefunden, daß Blumen undPflanzen überhaupt, die mit Waſſer beſprengtwurden, welches vorher ſorgfältig mit Sauerſtoff-gas geſchwängert worden war, üppiger und mitlebhafteren Farben aufgiengen, als ſolche, dienur mit gewöhnlichem Waſſer beſprengt wordenwaren. Das Waſſer wurde auf eine ſehr einſacheArt mit Sauerſtofgas imprägnirt. Er leitete daſ-ſelbe in Flaſchen, die mit Waſſer gefüllt waren,auf die bekannte Art im pneumatiſchen Apparate,bis es den dritten oder vierten Theil deſſelben ein-nahm; hierauf ſchüttelte er das Waſſer, nachdemer die Gefäſſe verſtopft hatte, einige Zeit hin-durch. Es iſt noch nicht bekannt, ob das Sauerſtoff-gas durch dieſe Behandlung eine Veränderung er-leidet, indem dieſer gasförmige Rükſtand noch nichtunterſucht worden iſt. Dies verdiente gewiß ge-nauere Prüfung. Zugleich wäre es auch einewichtige Unterſuchung, auf welche Art das Waſ- |170| ſer am beſten und leichteſten mit dem Sauerſtoff-gaſe geſchwängert werden könnte, oder, was viel-leicht noch mehr Aufmerkſamkeit verdiente, mitwelcher Subſtanz wohl am beſten die Erde zu ver-mengen wäre, um ſie fähig zu machen, die mög-lichſt größte Menge des Sauerſtoffs aus der At-mosphäre zu abſorbiren.