Ueber die Zerſetzung der atmoſphaͤriſchen Luft durch die reinen Erden, oder uͤber die Oxydabilitaͤt der Erden. Schon im erſten Bande dieſes Journals S. 699—702. theilten wir die erſte Nachricht von dieſer Entdeckung des Herrn OBR. v. Humboldt mit . Der Lieferung der uͤbrigen hierher gehoͤrigen Actenſtuͤcke in Betreff des daruͤber entſtandenen Streites zwiſchen dem Herrn Entdecker und Sauſſuͤre dem juͤng. finden wir uns durch Herrn Gilbert uͤberhoben, der einen Auszug aus denſelben in den Annalen der Phyſik B. I. S. 501 — 511. liefert. Eine hiſtoriſche Zuſammenſtellung ihres Hauptinhalts wird genuͤgen, und den Raum zur vollſtaͤndigeren Lieferung der Hauptabhandlung des Herrn Entdeckers weniger beengen, da dieſe a. a. O. nur auszugsweiſe mitgetheilt ſich befindet. Fourcroy’s Urtheil uͤber dieſelbe findet man in dieſ. Journ. B. II. S. 485. f. 1. In der erſten Nachricht, die Herr von H. daruͤber mittheilt, bemerkt er, ſchon Ingenhouß habe gefunden, daß der Humus oder die vegetabiliſche Erde die atmoſphaͤriſche Luft zerſetze (vgl. deſſen neueſte Schrift: Ueber die Ernaͤhrung der Pflanzen, von welcher ſich B. I. S. 529—566. dieſ. Journ. eine ausfuͤhrliche Anzeige befindet, S. 137.). Außerdem, was ſich ſchon in dieſ. Journ. B. I. S. 701. f. angefuͤhrt findet, bemerkt er noch: daß eine reine weiße Thonerde von Montmartre in Vauquelins Laboratorio in gleicher Zeit und Temperatur mehr Oxygen als der Phoſphor verſchluckte; daß in zehn Tagen durch Thonerde reines Stickgas erhalten wurde; daß die Schwererde einen Ruͤckſtand von 0,08 Sauerſtoff hinterließ, nachdem ſie 0,19 Theile abſorbirt hatte; daß die Kalkerde die atmoſphaͤriſche Luft langſamer, die Kieſel- und Talkerde gar nicht zerſetze. 2. Sauſſure d. juͤng. verſicherte, daß alles dies bey Erden, die von aller vegetabiliſchen Subſtanz befreyt ſind, nicht der Fall ſey, ſo bald man nur kein kochendes Waſſer zu ihrer Befeuchtung anwendet, weil dieſes das Sauerſtoffgas in groͤßerer Menge als das Stickſtoffgas abſorbirt. Vier Unzen Thonerde, aus Alaun durch Ammoniak gefaͤllt, habe in 4 Monaten von 50 Cub. Zoll atmoſphaͤriſcher Luft nichts abſorbirt. Eben ſo habe ſich kohlenſtoffſaure aͤtzende Kalkerde und Kieſelerde verhalten. 3. Humboldt’s Antwort auf dieſe voreilige Erklaͤrung enthaͤlt folgende Bemerkungen: ob man wohl erwarten koͤnne in Vauquelins Laboratorio Erden zu finden, die mit vegetabiliſchen Subſtanzen verunreinigt ſind; ob wohl je ein Chemiker atmoſphaͤriſche Luft durch kochendes Waſſer in Stickſtoffgas verwandelt habe, und ob wohl einige entgegenſtehende Verſuche eine ganze Reihe derſelben entkraͤften. Zuletzt fuͤhrt er noch einige Reſultate aus der Abhandlung an, die ich hier ſelbſt liefere. Herr Gilbert bemerkt hierbey (a. a. O. S. 511.) mit vielem Scharfſinne, daß zur Ausgleichung dieſes Streites der moͤgliche Fall in Betracht gezogen zu werden verdiente, daß v. H. mit noch ungeſaͤttigter, S. hingegen mit geſaͤttigter Erde operirt haͤtte. S. I. v. Humboldt’s Beobachtungen uͤber die Abſorbtion des Sauerſtoffs vermittelſt der Erden. Es giebt große Erſcheinungen, die uns wichtig werden, und unſere ganze Aufmerkſamkeit feſſeln, ſo bald wir ſie bemerken, die aber dennoch in der Maſſe unſerer Naturkenntniſſe ſich iſolirt erhalten. Verſchiedene Entdeckungen uͤber die Elektricitaͤt, den Magnetiſmus oder das galvaniſche Fludium, und eine große Anzahl derer, welche uns die chemiſche Zerlegung der mineraliſchen Subſtanzen zeigt, ſind von dieſer Art. Noch andere Erſcheinungen, die an ſich ſelbſt, wenig Auffallendes haben, und lange unſern Blicken ſich entziehn, floͤßen Intereſſe ein, weil ſie ſich leicht an eine große Reihe wichtiger Thatſachen anſchlieſſen. Zu dieſer letztern Art gehoͤren die Verſuche, von welchen hier die Rede iſt. So einfach und geringfuͤgig ſie auch ſcheinen, ſo ſchmeichle ich mir doch, daß ſie dereinſt uͤber eins der wichtigſten Probleme des Ackerbaus und der chemiſchen Pflanzenphyſiologie Licht verbreiten werden. Unter allen Ideen, welche die Betrachtung der Natur in uns hervorbringt, ſind keine unſerer Aufmerkſamkeit wuͤrdiger, als die, welche ſich auf die Cultur des Bodens beziehen. Das chemiſche Syſtem der Franzoſen faͤngt allmaͤhlig an die Geheimniſſe der Pflanzenoͤkonomie zu enthuͤllen. Wir kennen bereits einige wichtige Erſcheinungen, welche das Keimen begleiten; wir wiſſen Mittel anzugeben, welche es entweder beſchleunigen oder verzoͤgern; wir ahnden die Haupturſachen, von welchen die Ernaͤhrung, Abſonderung und Gasreſpiration der Pflanzen abhaͤngt; allein, ſo glaͤnzend auch die Entdeckungen unſerer Zeitgenoſſen ſind, ſo bleiben doch die groͤßten Probleme des Ackerbaus noch in undurchdringliche Dunkelheit gehuͤllt. Wie wenig kennen wir die Natur der thieriſchen Duͤngung, und hauptſaͤchlich den auffallenden Einfluß des Kalks und des Gypſes auf das Wachsthum der Pflanzen! Der Landmann begnuͤgt ſich nicht bloß damit, das Saamenkorn dem Boden anzuvertrauen; er will die Fruchtbarkeit dieſes Bodens vermehren; er glaubt ihm das wieder geben zu koͤnnen, was die Wurzeln angebauter Pflanzen ihm entzogen haben. Oft zu arm, um ſein Feld duͤngen zu koͤnnen, iſt er genoͤthigt, zu dem wohlthaͤtigen Einfluſſe der Atmoſphaͤre ſeine Zuflucht zu nehmen. Die gepfluͤgte Erde bleibt mit der Luft in Beruͤhrung. Wie wirkt nun dieſe bearbeitete Erde auf die untern Lagen der Atmoſphaͤre? Durch gegenwaͤrtige Verſuche glaube ich dieſe Frage beantworten zu koͤnnen. Sauſſuͤre der Sohn fand, daß, wenn man Pflanzenerde mit der Luft in Beruͤhrung bringt, bey der Temperatur von 12 bis 15 Graden des hundertgradigen Thermometers ſich Kohlenſtoffſaͤure bildet. Ingenhouß entdeckte, daß dieſe Bildung von einer ziemlich ſtarken Abſorbtion des Oxygens begleitet ſey. Bey der Wiederhohlung meiner Verſuche uͤber das Keimen in der Salzſaͤure, fand er, daß die Vegetation des Rockens, mit dieſer fruchtbar machenden Saͤure geſchwaͤngert, beſchleunigt wurde; dieſe Beobachtungen bewogen dieſen erfindſamen Naturforſcher die Oxydirung des Bodens als eine Haupturſache ſeiner Fruchtbarkeit anzuſehn; dieſe Behauptung, welche ſich auf wenige Thatſachen ſtuͤtzte, verdiente unfehlbar naͤher unterſucht zu werden. Bloß auf dem experimentellen Wege darf man hoffen, die Pflanzenphyſiologie zu vervollkommnen und ſie den Problemen des Ackerbaus zu naͤhern. Ich unternahm dieſe Arbeit ſeit dem Ventoſe des vorigen Jahres; ich entdeckte, daß nicht nur Pflanzenerde, ſondern auch die thoͤnigten Erden, welche man in einer großen Tiefe findet, und was noch auffallender iſt, daß die einfachen Erden, als chemiſche Elemente betrachtet, die Faͤhigkeit beſitzen, Sauerſtoff zu abſorbiren, und ganz reinen Stickſtoff zu bilden. Dieſe Thatſachen werden wir hier aufſtellen, und zugleich die Wirkung der mit organiſchen Ueberreſten vermiſchten Erden, auf die ſie umgebende Luft, und die Bildung der Oxyde unterſuchen, welche bey der Ernaͤhrung der Pflanzen eine ſo wichtige Rolle ſpielen. Da ich vergangenen Winter in einer Gegend mich aufhielt, die reich an Steinſalzlagen iſt, ſo ſah ich mit Erſtaunen, daß in den Gaͤngen, welche zum Ausgraben dieſes Minerals dienen, ſich fuͤrchterliche Wetter bilden. Die unermeßlichen Hoͤhlen, welche man graͤbt, um ſie mit ſuͤßem Waſſer zu fuͤllen, das zur Schwaͤngerung mit ſalzigtſaurem Natron (Kochſalz) bis zu 24 oder 25 Procent beſtimmt wird, zeigen eine Miſchung von Stickſtoff und Kohlenſtoffſaͤure, wenn die Salzwaſſer abgelaufen ſind, und der Fels zwey bis drey Wochen mit der Luft in Beruͤhrung bleibt. Selbſt Oerter, die am wenigſten feucht ſind, enthalten oft eine Luft, welche die Lichter ausloͤſcht, und die Reſpiration hindert. Dieſe Erſcheinungen, welche in meinem Werke uͤber die unterirdiſche Meteorologie umſtaͤndlich beſchrieben ſind, hat man auf den Karpathiſchen Gebirgen, in der Oberoͤſterreichiſchen, Steyermaͤrkiſchen, Berchtesgadenſchen, Salzburgiſchen Steinſalzgruben und in denen auf den Tyroler Alpen bemerkt, die ich alle zu verſchiedenenmalen beſucht habe. Dieſer ſchaͤdliche Dunſt kann nur der Natur des Felſen ſelbſt zugeſchrieben werden; denn er findet ſich in den Gegenden am meiſten, wo das Dach durch kein Zimmerwerk unterſtuͤtzt iſt, und wo die Bergleute nicht arbeiten. Bey oͤfterer Unterſuchung derſelben Gaͤnge bemerkte ich, daß die Luft da reiner war, wo das Steinſalz ſich in Maſſe zeigt, und daß ſie hingegen am meiſten mit Stickſtoff vermiſcht zu ſeyn ſcheint, wo der Salzthon oder Leberſtein am haͤufigſten ſich findet, welcher viel ſalzigtſaure Kalkerde enthaͤlt, und welchen die Bergleute als einen getreuen Begleiter des Steinſalzes erkennen. Die Bergwerke zu Weliozca in Gallizien enthalten weit mehr reines Salz in Maſſe, als die Halliſchen Bergwerke in Tyrol oder zu Iſchel in Oeſtreich; daher haben auch die erſtern eine geſuͤndere und ſauerſtoffhaltigere Luft. Direkte Verſuche uͤberzeugten mich, daß es der thonartige Fels iſt, der bey ſehr niedriger Temperatur, die atmoſphaͤriſche Luft, welche durch das Ausgehende eindringt, zerſetzt. Ich brachte Stuͤcke von dieſem feuchten Thone unter Glocken, die mit atmoſphaͤriſcher Luft angefuͤllt waren, deren Beſtandtheile und Umfang ich durch genaue Verſuche beſtimmte. Die Temperatur des Zimmers fiel nicht unter 12 Grad, ohne 17 Grad des hundertgradigen Thermometers zu uͤberſteigen. Dies war ungefaͤhr die gewoͤhnliche Temperatur des Innern der Erde. Innerhalb drey Tagen ſahe ich die Luft unter den Glocken um 0,04 bis zu 0,06 an Oxygen abnehmen. Nach acht Tagen waren kaum 0,01, und nach zwoͤlf Tagen 0,07 uͤbrig. Dieſelbe atmoſphaͤriſche Luft, welche zu gleicher Zeit mit dem Quellwaſſer in Beruͤhrung geſetzt ward, enthielt 0,27 Oxygen, das heißt, ſie war kaum auf ein 0,01 herabgeſetzt. Es gieng alſo unter meinen Augen dieſelbe Zerſetzung der Atmoſphaͤre vor ſich, die unter der Erde dem Bergmann oft unuͤberwindliche Schwierigkeiten in den Weg legt. Der graue Thon, vorzuͤglich der ins Schwarze fallende, der Schiefer, der Hornblendſchiefer, der Syenit, Werners lydiſcher Stein, und die meiſten ſchwarzen Mineralien enthalten Kohle, wie ich ſchon in einer andern Abhandlung gezeigt habe . Bringt man ſie mit dem Oxygen der Atmoſphaͤre in Beruͤhrung, ſo dampfen ſie Kohlenſtoffſaͤure aus. Das Licht beſchleunigt dieſe Verbindung, entzieht ihnen die Kohle, und macht ſie auf der Oberflaͤche weiß. Dies letztere Element ertheilt ihnen ſogar die uͤberraſchende Eigenſchaft galvaniſche Zuſammenziehungen zu bewirken. Alle dieſe Ruͤckſichten bewogen mich zu glauben, daß ein kohlenſtoffhaltiger Thon (carbure d’argille) unter meinen Glocken wirke, und daß das Oxygen durch eine uͤberfluͤßige Bildung der Kohlenſtoffſaͤure erſetzt werden muͤſſe. Ich wiederhohlte dieſelben Verſuche, und zerlegte die Ruͤckſtaͤnde noch ſorgfaͤltiger. Ich ſah, daß in 18 Tagen das Volum von 300 Theilen atmoſphaͤriſcher Luft um 54 Theile abgenommen habe. Die 246 Theile Ruͤckſtand, die in dem Anthracometer mit der Aufloͤſung von Ammoniak gepruͤft wurden, enthielten gegen 0,07 Kohlenſtoffſaͤure, und 0,03 Oxygen. Eine ſorgfaͤltig angeſtellte Arbeit gab folgende Reſultate: Ueber Grubenwetter und die Verbreitung des Koblenſtoffs in geonoſtiſcher Hinſicht — in v. Crell’s chem. Annal. 1795. B. II. S. 99—119. vgl. S. 115 f. S. Die Erklaͤrung dieſes Inſtruments findet man unter den Notizen unten. S. 3000 Theile atmoſphaͤriſcher Luft enthielten 852 Oxygen. 2103 Stickſtoff. 45 Kohlenſtoffſaͤure. 3000. die 2460 Theile, zu welchen das Volum in 18 Tagen herabgeſetzt war, beſtanden aus: 81 Oxygen. 2207 Stickſtoff (mit Waſſerſtoff gemiſcht.) 172 Kohlenſtoffſaͤure. 2460. In dieſem Produkte waren nur 172 — 45 = 127 Theile Kohlenſtoffſaͤure, zu deren Bildung nach Lavoiſiers Grundſaͤtzen 35,5 Oxygen gekommen waren. Nun enthielt aber der Ruͤckſtand nur 81 Oxygen; hieraus folgt alſo, daß 735 Theile abſorbirt worden ſind, d. h., wenn das Ganze auf 100 Theile gebracht wird, von [Formel] Oxygen haben [Formel] den gasartigen Zuſtand verlohren, und ſind mit dem Thone in Verbindung getreten. Was den Stickſtoff betrift, ſo finden wir 10 Theile mehr in dem Ruͤckſtande, als die atmoſphaͤriſche Luft vor der Abſorbtion uns anzeigte. Dieſe Vermehrung von 0,04 an Volum darf uns indeſſen bey dergleichen Verſuchen nicht befremden. Es iſt moͤglich, daß Waſſerſtoff mit Stickſtoff ſich vermiſcht habe; (eine Miſchung, die wir leider nicht zerſetzen koͤnnen), auch kann meiner Sorgfalt ungeachtet, der Thon von der in ſeinen Zwiſchenraͤumen enthaltenen Luft nicht voͤllig entbloͤßt worden ſeyn; ein unbekannter Zufall kann ſogar die Elaſticitaͤt eines Gaſes veraͤndert haben. Prony, Guyton und Prieur haben das Auffallende der Dilatabilitaͤt der Gasarten hinlaͤnglich dargethan. Ich ſtelle hier in tabellariſcher Form noch andere Verſuche auf, die ich mit demſelben Thone aus Steinſalzgruben angeſtellt habe. Die Zahlen ſind nach der Variation des Barometers berichtigt, und auf die Temperatur von 12° des hundertgradigen Thermometers reducirt worden. Das Maximum des Fehlers in der Zerlegung der Luft kann 1 [Formel] Grad des Fontanaiſchen Eudiometers oder [Formel] Hunderttheil Sauerſtoff betragen, da der Calcul ſich auf die vereinigten Mittel des Salpetergaſes, des ſchwefelſauren Eiſens und der Salzſaͤure gruͤndet. Volum der atmoſphaͤriſchen Luft zu 0,27 Oxygen mit dem Thone in Beruͤhrung gebracht. Ruͤckſtand nach einer 15 bis 23 Taͤgigen Beruͤhnung. Der Ruͤckſtand enthielt: Oxygen. Koblenſtoffſaͤure. 250 212 0,10 0,04 460 418 0,18 0,02 300 260 0,07 0,08 520 492 0,20 0,04 500 446 0,11 0,07 Alle dieſe Verſuche beweiſen: 1) daß die mit dem Thone in Beruͤhrung gebrachte Luft an Volum und an Quantitaͤt des Sauerſtoffs betraͤchtlich abnimmt; 2) daß ein ſehr kleiner Theil dieſes Sauerſtoffs in Kohlenſtoffſaͤure verwandelt wird; 3) Daß der groͤßte Theil ſeinen gasartigen Zuſtand bey der Verbindung mit dem Thone verliert; und 4) daß der atmoſphaͤriſche Stickſtoff waͤhrend der Abſorbtion des Sauerſtoffs nicht merklich veraͤndert wird. Eine ſo auffallende Erſcheinung wie die der Abſorbtion des Sauerſtoffs durch den Thon, mußte mich zu analogen Verfuchen mit der Pflanzenerde fuͤhren. Ich ſammelte nicht nur ſolche, die ſich in unſern Gaͤrten findet, und von der man vermuthen konnte, daß ſie leicht in Fermentation uͤbergehe, ſondern auch ſolche, die man von einem friſch gepfluͤgten Felde, welches ſeit mehrern Jahren nicht geduͤngt worden iſt, erhaͤlt. Dieſe beyden Arten gaben ungefaͤhr dieſelben Reſultate, ich mochte nun eine hermetiſch verſchloſſene Flaſche halb damit anfuͤllen, oder ſie unter Glocken, die in Queckſilber oder Waſſer geſenkt wurden, der Beruͤhrung der aͤußern Luft ausſetzen. Im letztern Falle legte ich das Stuͤck Erde auf einen kleinen Traͤger, der uͤber die Oberflaͤche des Waſſers hervorragte. Die mit der Pflanzenerde in Beruͤhrung gebrachte Luft nahm taͤglich an Volum und an der Sauerſtoffsmenge ab. Nach 10 bis 12 Tagen fand ich einen Ruͤckſtand, der groͤßtentheils nur 0,03 oder 0,04 Oxygen, und 0,02 bis 0,07 Kohlenſtoffſaͤure enthielt. Die Erden, welche am ſchwaͤrzeſten waren, und den ſtaͤrkſten Geruch hatten, zerſetzten die Luft am ſchnellſten. Ich kann Verſuche anfuͤhren, in welchen die Pflanzenerde bis zu [Formel] Oxygen in einem Zeitraume von 5 Tagen abſorbirte. Alle Luftarten, mit denen Verſuche angeſtellt wurden, enthielten zwiſchen 0,27 und 0,28 Sauerſtoffgas. Anzahl der Tage waͤhrend welcher die Beruͤhrung dauerte. In den Ruͤckſtaͤnden der 5 Glocken enthaltenes Oxygen. 2 0,20 0,24 0,19 0,20 0,26 3 0,16 0,20 0,15 0,20 0,20 4 0,16 0,15 0,14 0,15 0,17 5 0,10 0,12 0,11 0,15 0,16 8 0,08 0,10 0,11 0,11 0,12 11 0,08 0,10 0,11 0,08 0,09 14 0,05 0,06 0,04 0,08 0,09 Es iſt bekannt daß jedes azotirte Gas, welches durch Verbrennung des Phoſphors oder des Schwefelkalis bereitet worden, zwiſchen 4 bis 6 Hunderttheile Oxygen enthaͤlt; ſelbſt das aus thieriſchen Theilen durch Salpeterſaͤure entbundene iſt ſelten ſo rein, als man glaubt. Wenn man es mit Salpetergas pruͤft, ſo findet man oft bis zu 0,03 Hunderttheile Sauerſtoffgas darinn. Die Pflanzenerde zeigt uns ein neues Mittel, eine große Quantitaͤt des reinſten Stickſtoffs zu bereiten. Am 10ten Fructidor brachte ich 350 Cubik-Centimeter atmoſphaͤriſcher Luft mit Pflanzenerde in Beruͤhrung. Am 25 Fructidor fand ich bloß einen Ruͤckſtand von 278 Cubik-Centimetern, die in der Roͤhre des Fontana nur 7 Grade Verminderung zeigten; dies beweißt nach der in meiner Abhandlung uͤber das Salpetergas gegebenen Formel, daß der enthaltene Stickſtoff kaum [Formel] Oxygen enthielt. Ich brachte 140 Centimeter dieſes Ruͤckſtandes von neuem in Beruͤhrung mit der Pflanzenerde, und am 30 Fructidor fand ich ihn in ganz reinen Stickſtoff verwandelt, worinn der Phoſphor kein Licht verbreitete. Wenn die Methode, ſich dadurch Sauerſtoffgas zu verſchaffen, daß man Blaͤtter unter dem Waſſer den Sonnenſtrahlen ausſetzt, verdient hat angefuͤhrt zu werden, ſo kann das Mittel, Stickſtoffgas vermittelſt der Pflanzenerde oder Thon aus der Luft abzuſcheiden, eben ſo wohl eine Stelle in unſern Handbuͤchern der Chemie behaupten. Die verſchiedenen Subſtanzen, die man bisher angewandt hat, koͤnnen nicht fuͤr einfach angeſehen werden. Die Pflanzenerde iſt eine Miſchung von Erde, Kohle, Waſſerſtoff, Stickſtoff, Phoſphor, Eiſen- und Magneſiumoxyd. Es mußte unterſucht werden, ob die Eigenſchaft, Oxygen zu abſorbiren, zum Theil den einfachen Erden, oder den oxydirbaren Grundſtoffen zuzuſchreiben ſey, womit dieſe Erden verbunden ſind. Sorgfaͤltige Verſuche, die in dieſer Ruͤckſicht angeſtellt wurden, gaben auffallende Reſultate, die man nach der Analogie bekannter Erſcheinungen nicht erwarten konnte. Der beruͤhmte Lavoiſier war geneigt, die Erden als metalliſche ſo ſtark oxydirte Oxyde zu betrachten, daß keine ſaͤuerbare Baſis im Stande iſt, ihnen das Oxygen zu entziehen. Dieſe Vorausſetzung konnte uns gewiß nicht bewegen, den Erden die Eigenſchaft, die atmoſphaͤriſche Luft zu zerſetzen, zuzuſchreiben; auch hat keine chemiſche Erſcheinung uns bis jetzt dieſe ſonderbare Eigenſchaft gezeigt. Am 28ſten Fructidor brachte ich mit deſtillirten Waſſer ſchwach befeuchte Thon- und Schwererde mit 0,27 Sauerſtoffhaltender atmoſphaͤriſcher Luft in Beruͤhrung. Um ſicher zu ſeyn, daß letztere durch die Feuchtigkeit nicht veraͤndert werden moͤchte, ſtellte ich zu gleicher Zeit vergleichbare Verſuche mit reinem Waſſer an. Der Apparat blieb beſtaͤndig auf 12 bis 14° des hundertgradigen Thermometers. Am 4ten Vendemiaire fand man, daß die atmoſphaͤriſche Luft in Beruͤhrung mit reinem Waſſer um kein halb Hunderttheilchen veraͤndert worden war. Die, in Beruͤhrung mit den Erden, war ſo reiner Stickſtoff, als ich jemals zubereitet habe. Bey ihrer Zerlegung in Gegenwart des Buͤrgers Fourcroy und Vauquelin wurde ſie um kein Hunderttheil mit dem Salpetergas vermindert. Die der Wirkung der Schwererde ausgeſetzte Luft enthielt bloß 0,08 Oxygen. Man kann vermuthen, daß, wenn dieſe Beruͤhrung laͤnger gedauert haͤtte, oder wenn weniger Luft in der Glocke geweſen waͤre, der Stickſtoff ganz rein geweſen ſeyn wuͤrde. So frappante Thatſachen feuerten mich an, die Verſuche mit andern Erden abzuaͤndern. Die, welche ſeit zwey Decaden bey mir und in den Laboratorien der Bergwerksſchule und des Buͤrgers Fourcroy angeſtellt wurden, gaben folgende Reſultate: 1) die Thonerde, und die trockne Kalkerde veraͤnderten die Reinheit der atmoſphaͤriſchen Luft gar nicht. Einige Ausnahmen, die ſich zeigten, muͤſſen ohne Zweifel einem Minimum von Feuchtigkeit zugeſchrieben werden, die man dem Apparate, und der Luft welche er enthaͤlt, unmoͤglich benehmen kann. 2) Die Thon- Schwer- und Kalkerde ſind die einzigen Erden, die ſchwach befeuchtet, mehr oder weniger Stickſtoff entdecken ließen. Die Thonerde ſcheint am ſtaͤrkſten auf das Oxygen zu wirken. Die Abſorbtion ſcheint von keiner Entbindung einer andern elaſtiſchen Fluͤſſigkeit begleitet zu ſeyn; denn von 800 Theilen atmoſphaͤriſcher Luft, welche 0,27 Oxygen enthielt, mit Thonerde in Beruͤhrung gebracht, blieben in acht Tagen 586 uͤbrig, welche reines Stickſtoffgas waren. Der Berechnung zufolge haͤtte der Ruͤckſtand 584 ſeyn ſollen. Die Schwererde verminderte das Volum von 400 Theilen Luft bis zu 318; auch fanden ſich 0,08 Oxygen in dem Stickſtoffgas wieder; folglich ſcheinen die Ruͤckſtaͤnde bloß der in der atmoſphaͤriſche Luft praͤexiſtirenden Stickſtoff zu ſeyn. 3) Die Talkerde hat noch in keinem Verſuche Sauerſtoff abſorbirt. Was die Kieſelerde betrift, ſo will ich hieruͤber kein Urtheil faͤllen, ehe ich die Verſuche oͤfterer wiederhohlt habe. In denen, die mit dem Buͤrger Taſſaert im Laboratorium des Buͤrgers Vauquelin angeſtellt wurden, zeigte ſie keine Wirkung auf die Luft. In andern, die bey mir angeſtellt wurden, abſorbirte ſie in 10 Tagen gegen 0,08 Sauerſtoff, und reducirte das Volum von 500 Theilen auf 462. Vielleicht war aber meine Erde nicht ganz rein, und bey dem Uebergange aus einem Gefaͤß in das andere gieng vielleicht Gas verlohren. 4) Wir haben bis jetzt keinen Unterſchied zwiſchen den reinen und kohlenſtoffſauren Erden bemerkt; indeſſen muß man bemerken, daß in dem Laboratorium des Buͤrgers Fourcroy die kauſtiſche Schwererde auf die Luft nicht wirkte. Wenn man die Temperatur der Erden bis zu 50 oder 60° des hundertgradigen Thermometers erhoͤht, ſo kann man binnen einer oder zwey Stunden die Wirkung der befeuchteten Erden bemerkbar machen. In 45 Minuten ſahe ich, daß die atmoſphaͤriſche Luft bis zu 0,04 Sauerſtoff verlohr. Der Waͤrmeſtoff ſcheint alsdann das Spiel der Verwandſchaft, welches die Erden an der Luft aͤußern, zu beguͤnſtigen. Ich begnuͤge mich die bis jetzt bemerkten Erſcheinungen darzuſtellen, ohne uͤber ihre Urſachen zu entſcheiden. Wir ſehen die einfachen Erden wie die oxydirbarſten Grundſtoffe wirken. Wir erkennen an ihnen ein neues eudiometriſches Mittel, das einfacher und wirkſamer iſt, als das des Phoſphors und des Schwefelkalis. Da die Erden nicht trocken wirken, ſo verdient vielleicht die Feuchtigkeit, bloß ihre Verwandſchaft zu dem Sauerſtoffe zu verſtaͤrken. Eine große Anzahl chemiſcher Thatſachen zeigt uns, daß die Feuchtigkeit oft eine nothwendige Bedingung ſey, um die Elemente nach den Verwandſchaftsgeſetzen, die ihnen eigen ſind, wirkſam zu machen. Vielleicht ſind die Erden ſelbſt Verbindungen einer unbekannten Baſis mit dem Sauerſtoffe. Wenn bewieſen waͤre, daß die Kalkerde, wie das Alkali, Stickſtoff und Waſſerſtoff enthaͤlt, ſo duͤrfte man ſich nicht wundern, ſie wie eine oxydirbare Baſis wirken zu ſehen, die mit dem Sauerſtoff ſich zu verbinden ſtrebt. Allein es iſt auch moͤglich, daß die Erden, ohne ſich ſelbſt mit dem Sauerſtoff zu verbinden, durch ein Spiel der doppelten Verwandſchaft dem Waſſer die Eigenſchaft ertheilen, die Baſis des Sauerſtoffgaſes aufzuloͤſen. Verſuche, die mit ſchwefelſaurem Eiſen angeſtellt wurden, haben freylich dieſe Hypotheſe nicht beguͤnſtigt; man muß aber auch geſtehen, daß dies Mittel, den Sauerſtoff in dem Waſſer zu erkennen, ſehr unvollkommen ſey; er kann darinn aufgeloͤſt und auf eine Art zuruͤckgehalten werden, daß das Eiſenoxyd nicht im Stande iſt, ihn zu entziehen. Es wird beßer ſeyn, ſich bis jetzt mit der Entdeckung dieſer neuen Erſcheinung zu begnuͤgen, ohne die Graͤnzen unſerer gegenwaͤrtigen Kenntniſſe zu uͤberſchreiten. Man muß verſuchen, ob feuchte Thonerde, nach dem man ſie 4 bis 5 Monate lang der atmoſphaͤriſchen Luft ausgeſetzt, Sauerſtoffgas giebt, wenn man ſie am Feuer in dem pneumatiſchen Apparate behandelt. Nur durch Verſuche im Großen kann man zur Aufloͤſung ſo wichtiger Probleme fuͤr die chemiſche Theorie gelangen. Die obigen Phaͤnomene ſcheinen einiges Licht uͤber die Pflanzenoͤkonomie, und beſonders uͤber jene wohlthaͤtige Kunſt zu verbreiten, die den Menſchen an den Boden feſſelt, dadurch ſeine Sitten mildert, und das Band des geſelligen Lebens feſter knuͤpft. Die niedern Lagen der Atmoſphaͤre und die Oberflaͤche der Erdkugel ſind beynahe die einzigen Wohnplaͤtze organiſcher Weſen. Die Menge Inſekten und unterirdiſche Pflanzen, die ich mehrere hundert Meter tief im Innern der Erde entdeckt habe, verſchwindet, wenn man ſie mit der Menge Thiere und Pflanzen vergleicht, welche die obern Lagen bewohnen. Ueberall, wo der nackte Fels der Beruͤhrung atmoſphaͤriſcher Luft ſich darſtellt, ſieht man bloß Flechten, Warzenkraut, und einige Baumflechten, welche ſeine Oberflaͤche bedecken. Die Pflanzenerde iſt die eigentliche Wohnung organiſirter Weſen; ſie iſt die fruchtbare Quelle, woraus ſie ihre Nahrung erhalten. Hieraus folgt, daß alles, was auf dieſe Pflanzenerde Bezug hat, denen das groͤßte Intereſſe einfloͤßen muß, die ſich mit den großen Erſcheinungen der belebten Natur beſchaͤftigen. Die Pflanzerde variirt von [Formel] bis zu 14 Decimetern Dicke, je nachdem eine Strecke Land lange von Pflanzen bewohnt worden iſt, und Waſſerſtroͤme Theile darauf abgeſetzt haben, die andern Gegenden entzogen wurden. Bey Vergleichung der verſchiedenen Lagen dieſer Pflanzenerde bemerkt man, daß die untern nicht ſo fruchtbar ſind, als die, welche unmittelbar mit der Atmoſphaͤre in Beruͤhrung ſind. Nach dem Pfluͤgen muß die neue Oberflaͤche einige Zeit dem wohlthaͤtigen Einfluße der Luft ausgeſetzt bleiben, ehe man das Saamenkorn dem Boden anvertrauen kann. Die Beruͤhrung der Luft wirkt als eine Duͤngung; dies hat man ſeit einer tauſendjaͤhrigen Bearbeitung des Bodens bemerkt. Worinn beſteht aber dieſe Wirkung der atmoſphaͤriſchen Luft auf den Boden? Welche Theile aſſimiliren ſich? Einige Naturforſcher glaubten dies Problem dadurch aufzuloͤſen, wenn ſie annaͤhmen, daß das Sonnenlicht oder die atmoſphaͤriſche Electricitaͤt mit der Pflanzerde ſich verbinde. Ich zweifle nicht an der Moͤglichkeit dieſer Verbindung, aber welche Analogieen beweiſen ihre Exiſtenz? Iſt nicht der ganze Erdball beſtaͤndig mit electriſcher Fluͤſſigkeit angefuͤllt? Die Verdunſtung, die auf ſeiner Oberflaͤche verurſacht wird, vermindert ſie nicht die Laſt der hoͤhern Lagen der Pflanzenerde, indeß die niedern ſie behalten? Andere Phyſiker ſchreiben die Wirkung der Atmoſphaͤre dem Einfluſſe des Thaues, der Nebel und des Regenwaſſers zu, von welchen ſie irriger Weiſe glaubten, daß ſie mit Kohlenſtoffſaͤure angefuͤllt waͤren? Allein ſind nicht oft alle Lagen der Pflanzenerde, oder der bearbeiteten Thonerde durchgaͤngig feucht, obgleich ihre Fruchtbarkeit verſchieden iſt? Dieſe Einwuͤrfe ſind dem Scharfſinn ſelbſt der gemeinſten Landleute nicht entgangen. Unbekannt mit den Beſtandtheilen der Luft, nehmen ſie ein darinn exiſtirendes unbekanntes dem Salpeter analoges Salz an. Wenn wir berechtigt waͤren, dies Salz fuͤr den ſpiritus nitro-aëreus Mayow’s zu halten, ſo koͤnnte man ſagen, daß ein gluͤcklicher Zufall dem Landmanne das entdeckt habe, was chemiſche Erfahrung in unſern Tagen bewieſen hat. Die Pflanzenerde in Beruͤhrung mit der Atmoſphaͤre, zerſetzt ihre untern Lagen, ſie abſorbirt den Sauerſtoff, welcher ſeine Elaſticitaͤt oder ſeinen gasartigen Zuſtand verliert, und ſich als Oxyd mit der Kalkerde, der Thonerde, dem Kohlenſtoffe, dem Waſſerſtoffe, dem Phoſphor, dem Stickſtoffe, und vielleicht ſelbſt mit dem Eiſen, und dem Braunſteine verbindet, welchen Bergmann, Ruͤckert, Fourcroy und Haſſenfratz in ihren Unterſuchungen der Pflanzenerde gefunden haben. Eine Menge Thatſachen beweiſen uns, daß der Sauerſtoff die wichtigſte Rolle in der thieriſchen und Pflanzenoͤkonomie ſpielt, und daß die Anhaͤufung deſſelben ganz beſonders die Entwickelung der organiſchen Theile beſchleunigt. Ich darf nur an die Verſuche erinnern, die ich vor 7 Jahren uͤber das Keimen in der Salzſaͤure anſtellte. Die Entwickelung der Schluͤſſelblume kann in gewiſſen Faͤllen um 9 Zehntel Zeit beſchleunigt werden. Da die Wirkung des Sauerſtoffs ſich auch ſehr lebhaft hierbey aͤußert, ſind wir dann nicht genoͤthigt, mit Ingenhouß der Analogie gemaͤß anzunehmen, daß die Oxydation der Pflanzerde, oder ihre Eigenſchaft, das Sauerſtoffgas zu abſorbiren, hauptſaͤchlich waͤhrend der Bearbeitung des Bodens wirke? Die oxydirbaren Grundſtoffe, welche die Ueberreſte von Pflanzen und Inſekten beſtaͤndig mit dem Erdreiche vermiſchen; die Kalk- und Thonerde, die nicht weniger oxydirbar ſind, bemaͤchtigen ſich vielleicht des Sauerſtoffs, es ſey nun, daß dieſe Erden ſelbſt oxydirt ſind, oder daß ſie oxygenirtes Waſſers bilden. So wie ſich die Saͤuren mit doppelter oder dreyfacher Baſis leichter, als die mit einfacher Grundſtoffe zerſetzen laſſen, ſo werden auch die Pflanzenwurzeln leichter der Verbindungen des Waſſer- Sauer- und Kohlenſtoffs (carbures d’hydrogènes oxidés) als Waſſer, oder Kohlenſtoffſaͤure zu zerſetzen faͤhig ſeyn. Das Waſſeroxyd iſt von dem Waſſer im feſten Zuſtande ſehr verſchieden. Es iſt eine Verbindung, worinn ſich der Waſſerſtoff vielleicht noch in groͤßerer Menge, als der Sauerſtoff befindet. Der Kohlenſtoff kann ebenfalls als reiner Kohlenſtoff, als Kohlenſtoffoxyd, als Kohlenſtoffſaͤure und vielleicht ſelbſt als oxygenirte Kohlenſtoffſaͤure exiſtiren. Ich glaube ſogar, daß die große Verſchiedenheit der Pflanzenkohle und des Diamanten nicht ſo wohl in der Miſchung des Kohlenſtoffs mit den alkaliſchen und erdigen Subſtanzen, als in ſeinem Zuſtande der Oxydation beſtehe. Die Pflanzenkohle enthaͤlt vielleicht bloß Kohlenſtoffoxyde und oxydirten Kohlenwaſſerſtoff (carbones d’hydrogène oxidé); indeß der Diamant bloß der reine nicht oxydirte Kohlenſtoff zu ſeyn ſcheint. Dieſe Einfachheit macht, daß er ſo ſchwer zu behandeln iſt, da jede etwas zuſammengeſetzte Subſtanz durch ein Spiel der doppelten Verwandſchaft wirkt. Die Exiſtenz der Kohlenſtoffoxyde iſt nicht nur durch die in dieſer Abhandlung aufgeſtellten Verſuche, ſondern auch die großen Erſcheinungen der unterirdiſchen Meteorologie bewieſen. Die Gaͤnge in den Torfgruben enthalten ſehr haͤufig vieles Stickſtoffgas, und wenig Kohlenſtoffſaͤure. Das Oxygen der atmoſphaͤriſchen Luft wird durch die Kohle abſorbirt, und dieſe neue Miſchung erhaͤlt ſich im feſten Zuſtande. Das Kohlenſtoffoxyd mit mehr Sauerſtoff verbunden bildet die Kohlenſtoffſaͤure, und dieſe Saͤure mit Sauerſtoffgas gemiſcht kann in gewiſſer Ruͤckſicht fuͤr eine oxygenirte Kohlenſtoffſaͤure angeſehen werden. Die Verwandſchaft des Kohlenſtoffs zu dem Oxygen iſt ſo ſtark, daß dieſe Miſchung ſich ſchon dem Zuſtande einer chemiſchen Verbindung naͤhert. In einem Gas, welches aus 0,75 Oxygen und 0,25 Kohlenſtoffſaͤure beſteht loͤſchen die Lichter aus; eine Erſcheinung die nicht ſtatt finden koͤnnte, wenn die 75 Theile Oxygen in einem freyen Zuſtande darinn exiſtirten. Ich habe geglaubt dieſe Ideen uͤber den Waſſer- und Kohlenſtoff darſtellen zu muͤſſen, da die Oxyde eine ſo wichtige Rolle in der Meteorologie und der Oekonomie organiſirter Weſen ſpielen. Drey thieriſche Subſtanzen koͤnnen aus denſelben Quantitaͤten von Oxygen, Stickſtoff, Kohlenſtoff, und Waſſerſtoff zuſammengeſetzt, und dennoch ihren chemiſchen Eigenſchaften nach ſehr verſchieden ſeyn. In der einen verbindet ſich der Stickſtoff mit dem Waſſerſtoffe, und bildet eine dem Ammoniak analoge Miſchung, die mit dem Kohlenſtoffoxyd verbunden ſeyn wird. In der andern verbinden ſich der Kohlenſtoff und der Waſſerſtoff im oͤhligten Zuſtande, und der Kohlenwaſſerſtoff (carbone d’hydrogène) iſt oxydirt wie der Stickſtoff. Die dritte Subſtanz zeigt eine bloße Miſchung der Kohlenſtoff-, Stickſtoff- und Waſſerſtoffoxyde. Verſchiedene Erſcheinungen zeigen uns dieſe ſehr hervorſtechenden Verſchiedenheiten, und wir ahnden ſie gleichſam, ohne daß die chemiſche Zerlegung bis jetzt uͤber den Zuſtand der Verbindungen in welchen die Elemente ſich verbinden, haͤtte entſcheiden koͤnnen. Mit den Pflanzenerden, die ſo verſchieden an Fruchtbarkeit ſind, iſt es derſelbe Fall. Im ganzen genommen habe ich bemerkt, daß die ſchwaͤrzeſten, fetteſten und die, welche den ſtaͤrkſten Geruch haben, die atmoſphaͤriſche Luft am ſchnellſten zerſetzen. Allein ich habe auch andere gefunden, die zwar dem Anſchein nach magerer und weniger kohlenſtoffhaltig waren, und dennoch nicht weniger Oxygen abſorbirten. Wenn eine Erde um deſto fruchtbarer iſt, jemehr ſie Oxygen abſorbiren kann, ſo haͤngt ihre Fruchtbarkeit nicht von der Quantitaͤt der oxydirbaren Grundſtoffe, nicht von der Quantitaͤt Kalkerde, Thonerde, Kohlenſtoff- Waſſer- und Stickſtoff, die man darinn bemerkt, ſondern von dem Zuſtande der Verbindung ab, nach welchem dieſe Baſen ſich vereinigen, und der ſie zur Zerſetzung der Atmoſphaͤre mehr oder weniger geſchickt macht. Dieſe Betrachtung zeigt uns, warum der Chemiker nur ſelten die Wuͤnſche des Landwirths befriedigen kann, und warum die genauſte Zerlegung zwey an Fruchtbarkeit aͤußerſt verſchiedenen Erden dieſelben Elemente zueignet. In der Naturlehre ſo wie uͤberhaupt in jeder Wiſſenſchaft hat man ſchon viel gewonnen , wenn man nicht allein die Graͤnzen kennt, uͤber welche hinaus man ſich nicht wagen darf, ſondern auch wenn man einſehn lernt, was uns hindert ſie zu uͤberſchreiten. Der Buͤrger Candole aus Genf, dem wir ſchaͤtzbare Aufklaͤrungen uͤber die Ernaͤhrung der Baumflechten verdanken, hat die Verſuche mit der Pflanzenerde in Beruͤhrung mit dem reinen Sauerſtoffgas wiederhohlt. Er verſichert, daß er von Stunde zu Stunde die Abſorbtion deſſelben durch die Pflanzenerde bemerkt habe. Da er Saamenkoͤrner in Erden ſaͤete, die durch Beruͤhrung dieſes Gaſes oxydirt waren, und das Keimen derſelben mit dem in dem Stickſtoffgas verglich, ſo erſtaunte er uͤber die auffallende Wirkung des Sauerſtoffs. Von dieſer Wirkung wird er in einem Werke uͤber die Pflanzenphyſiologie, woran er mit vielem Eifer arbeitet, Beweiſe aufſtellen. Die bis jetzt angefuͤhrten Thatſachen dienen zur Erklaͤrung anderer Erſcheinungen in der vegetabiliſchen und thieriſchen Phyſiologie. Die Luft in den Zwiſchenraͤumen der Pflanzenerde iſt ein ungemein ſtark azotirtes Gas. Die Wuͤrmer und Inſekten, welche in dem Innern dieſer Erdlagen leben, athmen demnach ein mit 0,05 bis 0,07 Sauerſtoff geſchwaͤngertes Stickſtoffgas ein. Da ſie an dieſe unreine Atmoſphaͤre gewoͤhnt ſind, ſo bringt die Beruͤhrung des Sauerſtoffgaſes, oder jeder andern Luft die daſſelbe enthaͤlt, die Wirkung der ſtaͤrkſten Reinigungsmittel an ihnen hervor. Die Regenwuͤrmer (Les lombries), die Larven des Tenebrio molitor und mehrere Arten der Maloe ſterben eher unter einer Glocke mit Sauerſtoffgas, als in einem Waſſerſtoffgaſe, das ſo unrein iſt, daß der Phoſphor darin leuchtet. Mit den Pflanzen, deren Blaͤtter und Stengel in die atmoſphaͤriſche Luft ſich erheben, iſt es derſelbe Fall, indeß ihre Wurzeln von einer Stickſtoffhaltigen Luft umgeben ſind. Die Landleute haben ſchon laͤngſt bemerkt, daß fuͤr die Pflanzen nichts nachtheiliger iſt, als die Wurzeln von Erde entbloͤßt der freyen Luft auszuſetzen. Dieſe Gefahr ruͤhrt nicht von der Trockenheit der Luft her; denn das Waſſer, womit man die Wurzeln befeuchtet, ſchuͤtzt ſie nicht vor der Gefahr, die ihnen droht. Sollte man nicht vielmehr dieſe der Wirkung des Sauerſtoffs auf die Theile, die ſeit ihrer erſten Entwickelung an einen ſo ſtarken Reitz nicht gewoͤhnt, und mit Stickſtoff umgeben ſind, zuſchreiben? Es iſt eine wahre Verbrennung, die von den Lichtſtrahlen beguͤnſtigt wird . Dieſelben Betrachtungen verbreiten auch Licht uͤber einige Erſcheinungen, welche die Erden und die Beete darbieten. Je niedriger und enger ſie ſind, jemehr wird die Luft durch Beruͤhrung der Erde mit Stickſtoff geſchwaͤngert. Ich habe den Sauerſtoffgehalt der Luft bis 0,21 in Gewaͤchshaͤuſern von 3 Metern hoch gefunden, und welchen die Muſa, die Hatrionias oder der Gewuͤrzarten (Scitamineae) haͤufig viel Sauerſtoffgas entwickelten. Hingegen in den Gewaͤchshaͤuſern zu Schoͤnbrunn bey Wien, welches die groͤßten und ſchoͤnſten in Europa ſind, war die Luft ſo rein, als auf freyem Felde! Die Luftmaſſe iſt in denſelben zu betraͤchtlich, als daß die Pflanzenerde ſie zerſetzen koͤnnte. Man darf ſich nicht wundern, wenn die Pflanzen darinn das ſchoͤnſte Gruͤn zeigen, indeß in der mit Stickſtoff geſchwaͤngerten Luft der kleinen Gewaͤchshaͤuſer alles ein verkuͤmmertes und kraͤnkliches Anſehn hat. Die Beete hingegen ſind jungen Pflanzen ſehr guͤnſtig, die, wie Ingenhouß und Sennebier ſcharfſinnig bewieſen haben, zu ihrer Entwickelung einer nicht ſo reinen Luft, als erwachſene Pflanzen, beduͤrfen; indeſſen erſticken ſie in bloßen Stickſtoffgas, wenn man ihnen nicht von Zeit zu Zeit atmoſphaͤriſche Luft giebt und die Fenſter oͤffnet, welche die Beete bedecken. Im noͤrdlichen Europa hat man bemerkt, daß die Lungenſuͤchtigen Erleichterung fuͤhlen, wenn ſie ſich uͤber ein offnes Beet beugen, oder wenn ſie große Haufen Pflanzenerde an ihre Betten bringen. Wie ſehr dieſer Umſtand einer ſorgfaͤltigen Unterſuchung gewuͤrdigt zu werden verdient, ergiebt ſich auch aus der vom Herrn Achard entdeckten Bedingung, die Runkelruͤbencultur in Ruͤckſicht der reichlicheren Zuckergewinnung betreffend. Vgl. dieſ. Journ B. II. S. 675. f. S. Alle leicht oxydirbaren oder eudiometriſchen Subſtanzen, wie das Schwefelkali, die Miſchung von Eiſen und Schwefel, und das Salpetergas, haben die Eigenſchaft, das Waſſer zu zerſetzen; die Gewaͤchserde und die Erden gehoͤren zu derſelben Claſſe. Man kann an ihrer Wirkung auf das Regenwaſſer und den Thau, wovon ſie beſtaͤndig angefeuchtet wird, nicht zweifeln. Ich ſchließe aus mehreren Gruͤnden, daß in der Gewaͤchserde mehr zerſetztes Waſſer ſey, als in den Pflanzenorganen ſelbſt. Die große Maſſe von Waſſerſtoffgas, die in der Gewaͤchserde enthalten iſt, muß dieſer Zerſetzung zugeſchrieben werden, und der Waͤrmeſtoff, der ſich zu gleicher Zeit entbindet, erhoͤht die Temperatur des Bodens und beguͤnſtigt das Spiel der Verwandſchaften, wodurch die Ernaͤhrung der Gewaͤchſe bewirkt wird. Der Buͤrger Chaptal hat dargethan , daß der Kohlenſtoff, der im geſammten Gewaͤchsreiche circulirt, in dem oͤhligen extractiven oder harzigen Prinzip aufgeloͤſt wird, und daß alles, was dieſe Aufloͤſung vorbereitet, die Entwickelung der Gewaͤchſe beſchleunigt. Wenn wir die Zerſetzung des Waſſers durch die Erde erwaͤgen, ſo ſehen wir ein, daß dies oͤhligte oder harzige Princip ſchon auſſer den Pflanzenorganen ſich zu bilden anfaͤngt. Waͤhrend der chemiſchen Wirkung, welche die Elemente der Erde beſtaͤndig gegen einander aͤußern, verbindet ſich der Waſſerſtoff, der nur mit einer kleinen Quantitaͤt Oxygen vereinigt bleibt, mit dem Kohlenſtoffe, und dieſer oxydirte Kohlen- Waſſerſtoff ſcheint den abſorbirenden Wurzeln der Gewaͤchſe die reichlichſte Nahrung zu gewaͤhren. Vielleicht beruht die ganze Theorie des Duͤngers auf dieſem Princip, und vielleicht wirken die Duͤnger hauptſaͤchlich durch die Natur ihrer oxydirbaren Baſen, d. h., durch ihre Eigenſchaft, das Waſſer und die atmoſphaͤriſche Luft zu zerſetzen. Obgleich die oben angefuͤhrten Verſuche uͤber die Abſorbtion des Sauerſtoffs durch die Erde keinen Zweifel uͤbrig laſſen, ſo waͤre es doch wuͤnſchenswerth, dieſe Abſorbtion durch eine genaue Zerlegung des Sauerſtoffgaſes vermittelſt der Erde, welche demſelben lange exponirt wuͤrde, darzuthun. Es waͤre zu erwarten, daß dieſelbe Erde, die vor der Beruͤhrung mit dem Sauerſtoffe nur 20 Cubik- Meter Kohlenſtoffſaͤure geben wuͤrde, nach der Oxydation der oxydirbaren Baſen 30 bis 40 geben muͤßte. Allein wenn man uͤber die Natur dieſes Problems reiflich nachdenkt, ſo ſieht man, daß es durchaus unmoͤglich iſt, es durch Verſuche aufzuloͤſen; denn 1) die Gewaͤchserde iſt ſo ungleich gemiſcht, daß drey Zerlegungen von drey Hectogrammen, von einer und derſelben Stelle genommen, ganz verſchiedene Reſultate geben wuͤrden. Nun iſt es aber phyſiſch unmoͤglich dieſelbe Portion Erde vor und nach der Abſorbtion des Sauerſtoffs zweymal zu unterſuchen. Die Vergleichung kann demnach nur zwiſchen zwey Quantitaͤten Erde von gleichem Gewichte angeſtellt werden. Man wuͤrde nie wiſſen, ob die weiße Kohlenſtoffſaͤure, welche die oxydirte Erde entbindet, dieſer Oxydation, oder einer Verſchiedenheit der Beſtandtheile zuzuſchreiben ſey. 2) Da es nicht darauf ankoͤmmt, die in der Erde enthaltene Quantitaͤt Kohlenſtoff, ſondern den Grad ihrer Oxydation kennen zu lernen, ſo muͤßte der Verſuch ſo angeſtellt werden, daß die Gewaͤchserde mit dem Oxygen der Atmoſphaͤre nicht in Beruͤhrung kaͤme. Allein geſetzt auch dieſe Schwierigkeit waͤre gehoben, ſo wuͤrde ein Minimum von mehr oder weniger Feuchtigkeit die Reſultate veraͤndern. Das Waſſer zerſetzt ſich in Beruͤhrung mit den oxydirbaren Grundſtoffen, und das, was man den Kohlenſtoffoxyden zuſchriebe, wuͤrde von dem Oxygen des zerſetzten Waſſers herzuleiten ſeyn. 3) Die Gewaͤchserde enthaͤlt keine Kohlenſtoffoxyde, wohl aber Waſſerſtoff- Stickſtoff-, Phoſphor-, Eiſenoxyde, Oxyde mit zwey- und dreyfachen Baſen. Man wuͤrde daher ſehr fehlen, wenn man den Abſorbtionsgrad des Oxygens durch die Erde bloß nach der Quantitaͤt Kohlenſtoffſaͤure meſſen wollte. In einer hohen Temperatur werden die Oxyde mit doppelten Baſen von Kohlenſtoff und Waſſerſtoff, oder Stickſtoff und Phoſphor durch ein aͤußerſt zuſammengeſetztes Spiel der Verwandſchaften ſehr veraͤndert. Es bildet ſich Waſſer, Salpeterſaͤure, Ammoniak, und Oehl; es wird aber eben ſo unmoͤglich ſeyn, die durch die Erde hierbey abſorbirte Quantitaͤt Oxygen zu beſtimmen, als es unmoͤglich iſt, aus dem Venenblute den Sauerſtoff zu entbinden, den es waͤhrend der Einwirkung des gasartigen aufgenommen hatte. Die Chemie zeigt uns mehrere Faͤlle, wo die Zerlegung das nicht finden kann, was auf dem ſynthetiſchen Wege zuſammengeſetzt wurde. Der gruͤne faͤrbende Stoff der Pflanzen in Alcohl aufgeloͤſt wird durch Abſorbtion des Sauerſtoffs gelb. Ich ſah die gruͤne Farbe wieder zum Vorſchein kommen, wenn ich dieſer Aufloͤſung Ammoniak zuſetzte. Wahrſcheinlich wird dieſe Veraͤnderung durch eine Zerſetzung des Ammoniaks bewirkt, welches waͤhrend es Waſſer bildet, dem faͤrbenden Stoffe das Oxygen entzieht, und Stickſtoffgas entbindet. Der Theorie nach muͤßten wir in dieſem Waſſer das abſorbirte Oxygen wiederfinden; aber welcher Chemiker wird einer ſolchen ſchwierigen Unterſuchung ſich gewachſen duͤnken? Die große Menge der in der Erde enthaltenen oxydirbaren Subſtanzen ergiebt ſich aus der Quantitaͤt atmoſphaͤriſcher Luft, die ſie zu zerſetzen faͤhig iſt. Ich habe verſucht dieſelbe Menge zu verſchiedenenmalen mit der Luft in Beruͤhrung zu bringen; ihre Wirkung wurde oft erſt nach dem vierten und fuͤnftenmale geſchwaͤcht. Ein Hectogramm zerſetzte nach und nach 17 Cubik-Centimeter atmoſphaͤriſcher Luft. Nur das letztemal ſchien die Verwandſchaft zum Sauerſtoffe vermindert zu ſeyn, denn der Ruͤckſtand von Stickſtoff enthielt noch 0,12 deſſelben. Wahrſcheinlich oxydiren ſich die Atome des Kohlenſtoffs nur auf der Oberflaͤche, und eine mechaniſche Trennung, oder eine Erhoͤhung der Temperatur giebt der Erde die Eigenſchaft, wieder Oxygen zu abſorbiren. Das Ackern, und hauptſaͤchlich die Sonnenſtrahlen muͤſſen dieſe heilſame Wirkung hervorbringen; das erſtere indem es neue Oberflaͤchen darbietet, letztere, indem ſie den Boden erwaͤrmen, und die Kohlenſtoffoxyde aus dem feſten Zuſtande in den gasartigen uͤbergehen laſſen. Vgl. Memoires de l’Inſtitut. nat. T. I. oder Annales de Chimie T. XXI. S. 284—293. und Trommsdorff’s Journ. d. Pharm. B. V. St. 2. S. 205—215. S. Schluͤßlich kann ich nicht umhin, auch einen Blick auf die Bildung eines Salzes zu werfen, welches die Natur gleichſam vor unſern Augen hervorbringt, und woruͤber die neuere Chemie bereits viele Aufklaͤrung gegeben hat. Da wir die Beſtandtheile der Salpeterſaͤure, ſo wie ihre Identitaͤt mit den Grundſtoffen unſerer Atmoſphaͤre kennen gelernt haben, ſo wundern wir uns nicht mehr uͤber die Bildung der Saͤure in den untern Schichten der Luft; wir halten es fuͤr moͤglich, daß ſich unter dem Einfluße der Elektricitaͤt ein Theil der Atmoſphaͤre in Salpeterſaͤure verwandle; allein erklaͤren uns wohl dieſe Ideen, warum der Salpeter haͤufiger auf den Thon- und kalkartigen als auf den quarzigen Erden hervorgebracht wird? Warum bloß die untern Schichten der Luft, die in unmittelbarer Beruͤhrung mit der Erde ſind, Salpeterſaͤure abzuſetzen vermoͤgen? Meines Wiſſens hat noch kein Naturforſcher dieſe intereſſanten Erſcheinungen zu erklaͤren verſucht. Die Laͤnder, welche den meiſten Salpeter liefern, die Ebenen von Thibet, von Ungarn, Teutſchland und Pohlen haben alle einerley Boden, entweder fette Thonarten, oder eine ſchwarze aus Pflanzen- oder Thierſtoffen beſtehende Erde. In Teutſchland errichtet man auf dem Felde Mauern von Thon (terre laiſe) in paralleler Richtung, auf welchen Salpeter ſich von Zeit zu Zeit ſammelt. Es muß ein genaues Verhaͤltniß zwiſchen der Bildung des Salpeters und der Natur der Subſtanzen ſtatt finden, auf welchen er ſich abſetzt. Die Thonerden abſorbiren ſehr begierig den Sauerſtoff der Atmoſphaͤre. Selbſt die, welche ihrer weißen Farbe nach die reinſten zu ſeyn ſcheinen, zerſetzen die atmoſphaͤriſche Luft ſehr ſchnell. Ich ſtellte in Gegenwart des Buͤrgers Vauquelin folgenden Verſuch an: atmoſphaͤriſche Luft, welche 0,274 Oxygen enthielt, wurde in einer Roͤhre mit Phoſphor in Beruͤhrung gebracht, und in einen zweyten, mit weißem Thone von Montmartre, deſſen wir uns in den Laboratorien zum Lutiren der Retorten bedienen. Nach zehn Tagen wurden die Ruͤckſtaͤnde der Luft analyſirt. Der Phoſphor hatte nur 0,07, und der Thon 0,10 Oxygen abſorbirt. Andre thonigte Erden, die von einem fruchtbaren Weitzenacker genommen wurden, entzogen in 13 Tagen der atmoſphaͤriſchen Luft bis 0,06 Oxygen. Dieſe Wirkung der Thonarten auf die Luft war in erhoͤhter Temperatur noch auffallender. Eben dieſer Wirkung iſt auch der Urſprung des Stickſtoffgaſes zu zuſchreiben, welches man in den ſchlechten Verſuchen ſammelt, die in thoͤnernen Roͤhren angeſtellt werden, durch welche man indeß die Unrichtigkeit unſerer Theorie uͤber die Zerſetzung des Waſſers darzuthun ſich bemuͤht hat. Sie verurſacht die ungeſunde Luft in den Wohnungen der armen Landleute in Norden, welche durch thoͤnerne Oefen geheitzt werden. In der atmoſphaͤriſchen Luft muͤſſen zwey Veraͤnderungen vorgehn, um ſie in Salpeterſaͤure zu verwandeln. Die eine bezieht ſich auf den Verwandſchaftsgrad, welcher die beyden Grundſtoffe, das Sauerſtoff- und das Stickſtoffgas vereinigt; und die andere auf das Verhaͤltniß, nach welchem ſie ſich vereinigen muͤſſen, um eine neue Verbindung zu bewirken. Es iſt in der Chemie ein allgemeines Geſetz, daß, wenn eine zuſammengeſetzte Subſtanz A eine Veraͤnderung der Verbindung leiden ſoll, dieſe Veraͤnderung um deſto leichter von Statten geht, wenn eine zweyte Subſtanz B die Kraft der Verwandſchaften, wodurch die Beſtandtheile von A vereinigt werden, vermindern hilft. Die Schichten der atmoſphaͤriſchen Luft in Beruͤhrung mit der Oberflaͤche der Erde, ſind um ſo geneigter, den Zuſtand ihrer Aggregation zu verlaſſen, je ſtaͤrker dieſe Erde auf eine Baſis dieſer gasartigen Miſchung wirkt. Die Naͤhe des Thons modificirt die Anziehung, wodurch der atmoſphaͤriſche Sauerſtoff mit dem Stickſtoffe vereinigt wird. In den naͤchſten Lagen exiſtirt freyer Stickſtoff, der andern Verwandſchaften folgt, als die iſt, wodurch dem Stickſtoffe in der atmoſphaͤriſchen Miſchung das Gleichgewicht gehalten wird. Dieſer tritt mit einer großen Maſſe Oxygen zuſammen, und wird durch die oxydirbaren Baſen des Thons, der Kalkerde, unter der Gewaͤchserde angezogen. Jedes Erdtheilchen wird von einer beſondern Atmoſphaͤre umgeben, die mehr Oxygen enthaͤlt, als die Luftſchichten, worin wir leben. Indeß die letztern nur 0,28 Sauerſtoff enthalten, befindet ſich in der Atmoſphaͤre des Thons 0,50 bis 0,60 und die Erdtheilchen zunaͤchſt an der Erde muͤſſen reines Sauerſtoffgas entwickeln. Das Oxygen ſinkt herab, um ſich mit den erdigen Baſen zu verbinden; in dieſem Uebergange geht wenig freyer Stickſtoff, der mit vielem freyen Oxygen zuſammentrift, in den Zuſtand der Salpeterſaͤure uͤber. Die atmoſphaͤriſche Elektricitaͤt ſcheint dieſe Vereinigung zu bewirken; Gewitter ſind zur Erzeugung des Salpeters am guͤnſtigſten, beſonders die, wo die poſitive Elektricitaͤt 8 bis 10 mal des Tags in den negativen Zuſtand uͤbergeht, welcher oft durch Windſtoͤße, Hagel und Regen angekuͤndigt wird. Ich koͤnnte noch hinzuſetzen, daß das Kali, welches die Baſis des Salpeters bildet, ſich nicht dem 8ten Theile nach in dem Thone oder der Gewaͤchserde befindet, worauf das Salz ſich praͤcipitirt; daß das Waſſer, welches ſich auf der Oberflaͤche der Erde zerſetzt, und dies Kali wohl von der Beruͤhrung des Waſſersſtoffs mit dem atmoſphaͤriſchen Stickſtoffe herruͤhren koͤnne; daß endlich in den großen Ebenen Cujaviens der Salpeter beſtaͤndig mit ſalzigtſaurem Natron gemiſcht iſt, und daß ich die Bildung der Salzſaͤure in der Atmoſphaͤre beobachtet habe. — Allein dieſe Betrachtungen wuͤrden uns in eine Sphaͤre fuͤhren, wo Muthmaſſungen die Stelle der Thatſachen vertreten; Es ſollte bloß bewieſen werden, wie die Naͤhe der Erde die Bildung des Salpeters beguͤnſtigen koͤnne. Wenn wir auch die großen Naturoperationen nicht zu erklaͤren vermoͤgen, ſo iſt doch die Kenntniß der vornehmſten Agentien, die ihre anziehenden Kraͤfte in dem unermeßlichen Laboratorium der Natur aͤußern, immer ein Gewinn. Ich ſchmeichle mir, daß obige Verſuche uͤber dieſe Agentien einige Aufklaͤrung gewaͤhren, und daß ſie vielleicht intereſſante Entdeckungen in Anſehung des Ackerbaues zu veranlaſſen vermoͤgend ſeyn moͤchten.