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Alexander von Humboldt: „Die Entbindung des Wärmestoffs, als geognostisches Phänomen betrachtet“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1799-Die_Entbindung_des-1> [abgerufen am 24.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1799-Die_Entbindung_des-1
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Titel Die Entbindung des Wärmestoffs, als geognostisches Phänomen betrachtet
Jahr 1799
Ort Salzburg
Nachweis
in: Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde 3 (1799), S. 1–14.
Entsprechungen in Buchwerken
Alexander von Humboldt, Versuche über die chemische Zerlegung des Luftkreises und über einige andere Gegenstände der Naturlehre, Braunschweig 1799, S. 177–192.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung; Fußnoten; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.86
Dateiname: 1799-Die_Entbindung_des-1
Statistiken
Seitenanzahl: 14
Zeichenanzahl: 22537

Weitere Fassungen
Die Entbindung des Wärmestoffs, als geognostisches Phänomen betrachtet (Salzburg, 1799, Deutsch)
Memoria sobre el desprendimiento del calórico, considerado como fenómeno geognóstico (Madrid, 1803, Spanisch)
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Die Entbindung des Wärmeſtoffs, als geognoſtiſchesPhänomen betrachtet.Von F. A. von Humboldt.


Ohnerachtet in neueren Zeiten, ſeit der wiſ-ſenſchaftlichen Ausbildung der mineralogi-ſchen Diſciplinen, die Geognoſie von der Erken-nungslehre einfacher Foßilien (Oryktognoſie) ge-trennt, und dadurch in beſtimmtere Gränzen ein-geengt worden iſt: ſo ſcheint ſie doch noch im-mer zwey Objekte zu behandeln, die, ihrer Na-tur nach, eben ſo heterogen als eines verſchiede-nen Grades von Zuverläßigkeit fähig ſind. DieFragen, wie iſt der feſte Erdkörper gegenwärtigbeſchaffen? wie ſind die Gebirgsmaſſen verbreitet?zu welcher Höhe erheben ſie ſich in den ver-ſchiedenen Zonen? welchen Geſetzen der Schich-tung und Lagerung ſind ſie unterworfen? welchevon ihnen enthalten Spuren organiſcher Körper?deuten dieſe Körper auf eine untergegangene Thier-und Pflanzenſchöpfung hin, oder finden wir dieOriginale derſelben noch jetzt in den entfernternHimmelsſtrichen? — Alle dieſe wichtigen Fragenbetreffen den gegenwärtigen gleichzeitigen Zuſtandder Dinge. Ihre Unterſuchung gehört in die all-
Note. Die Hauptzüge dieſer Theorie ſind ſeit 1792. in den Ma-nuſcripten des Verfaſſers aufgezeichnet gelegen. Seine Rei-ſen und Beſchäftigung mit phyſiologiſchen Gegenſtänden ha-ben die öffentliche Bekanntmachung dieſer und anderergeognoſtiſchen Arbeiten verzögert.
|2| gemeine Naturbeſchreibung, welche die unbelebteSchöpfung ſowohl, als die Verhältniſſe der Thier-und Pflanzengeſchlechter umfaßt. Eine andereKlaſſe von Objekten berühren die Fragen: wiehat der Erdkörper ſeine gegenwärtige Geſtalt ge-wonnen? wann ſind die Gebirgsmaſſen erhärtet?waren ihre Grundſtoffe in tropfbare Flüſſigkeitenaufgelöst, oder waren ſie dieſen nur (mechaniſch)eingemengt? welchen Einfluß hat das Feuer aufjene Scheidungen und Niederſchläge, welchen aufdie ſchon erhärteten Maſſen ausgeübt? ſind dieSeen aus Einſenkungen entſtanden, oder haben dietobenden Fluthen im Herabſtürzen weite Keſſelausgehölt? Dieſe letzteren Fragen ſind hiſtoriſchenInhalts. Sie beziehen ſich auf einen ehemaligenZuſtand der Dinge, und ihre Beantwortung ge-hört der Naturgeſchichte zu. Sie ſind von denerſtern eben ſo verſchieden, als es ſehr heterogeneUnterſuchungen ſind, welche Wanderungen einePflanze vom Kaukaſus her nach dem weſtlichenEuropa gemacht hat, und zu welcher Tiefe ſiegegenwärtig, in die Ebene herabſteigend, gefun-den wird.
Heften wir unſern Blick auf den bisherigen Vor-rath geognoſtiſcher Schriften, ſo finden wir nichtnur meiſt beyderley Objekte, die der Naturgeſchich-te und der Naturbeſchreibung untereinander gemengtſondern wir bemerken auch, daß die eine Unterſu-chung auf Koſten der andern betrieben worden iſt.Man hat ſich von jeher mehr damit beſchäftigt, überdie Entſtehung der Dinge nachzuſinnen, als ihregegenwärtige Verhältniſſe genau zu erforſchen.Daher unſere Dürftigkeit an ſicheren Beobachtun-gen über Schichtung und Lagerung der Gebirgs-maſſen, an der Identität derſelben in entfernten |3| Ländern, und an ihren geognoſtiſchen Verwandt-ſchaften! Daher der Ueberfluß an kosmogeniſchenHypotheſen, ſelbſt an Erklärungen von Phänome-nen, die (wie die berufene Muſchel im Granite)nur in der Einbildungskraft der Beobachter exi-ſtirten! Derjenige Theil der Gebirgskunde, welcherſich auf die dermaligen Verhältniſſe unſers feſtenErdkörpers bezieht, iſt eine empiriſche Wiſſen-ſchaft, welche eines hohen Grades der Zuverläſ-ſigkeit fähig iſt. Was Baſalt- und Mandelſteinſind, ob ſie ſich in hohen Gebirgen unmittelbarauf Gneis, Granit, oder Porphyr aufgeſetzt fin-den, ob ihre Schichtung Aehnlichkeit mit derder Flötzgebirgsarten hat, in welchen Beziehungenſie zum Porphirſchiefer, zu gewiſſen Formatio-nen der Steinkohlen, und zu den Thonlagen ſte-hen, ob die ſäulenförmigen Abſönderungen desBaſalts mehr Aehnlichkeit mit denen des uranfäng-lichen Porphirs als mit denen der Lava haben? —dieß ſind Fragen, die nie Gegenſtand eines geo-gnoſtiſchen Streites hätten werden ſollen. Durchruhige anhaltende Beobachtungen ſind ſie eben ſobeſtimmt, als die, zu beantworten, ob Hund undSchakall eine gleiche Bildung haben? Dieſe Be-ſtimmtheit fällt aber weg, ſobald man jenen Fra-gen hiſtoriſche Probleme einmengt. Nun heißtes nicht mehr, worinn ſind die Rheiniſchen Ba-ſalte der veſuviſchen Lava ähnlich, ſondern: ſindBaſalte und Lava gleicher Entſtehung, verdankenjene ihr erdiges Anſehn einer Verwitterung, ſindſie in dem Meere erkaltet, oder ruhten ſie vor-mals in dem Inneren eines Vulkans? Nun iſt derPhantaſie ein weites Feld der Vermuthungen, demStreitliebenden ein Kampfplatz eröffnet, auf dem er |4| ſich neue Gegner fingirt, wenn er alle wirklicherſchienenen beſiegt zu haben glaubt. Dieſe Ver-mengung ungleichartiger Probleme hat ihre Fol-gen bey manchem geognoſtiſchen Streite geäuſſert.Die Wiſſenſchaft wurde mit vielen Meinungen,aber mit wenigen Thatſachen bereichert! Geſchiehtes zum Nachtheile der Geognoſie, daß man zurErklärung jener groſſen Denkmäler der Vorweltſchreitet, ehe man ihre dunkeln Schriftzüge ge-faßt hat, daß man über Entſtehung der GebirgeHypotheſen wagt, ehe man ihre dermaligen Ver-hältniſſe gehörig ergründet, ſo iſt die Willkühr ,mit der dieſe Hypotheſen gebildet werden, nichtminder ſchädlich. Will man annehmen, daß inchaotiſchen Zeiten Kräfte wirkten, deren Exiſtenzuns gegenwärtig unbekannt iſt, ſo müſſen wirzugleich allen cosmogeniſchen Betrachtungen entſa-gen. Allerdings bleibt die Möglichkeit unbeſtrit-ten, daß es vormals freye Stoffe gab, die gegen-wärtig gebunden, und dadurch in ihren Kraftäuſ-ſerungen gehemmt ſind. Allerdings können dieſeStoffe das Spiel der zuſammengeſetzten Verwandt-ſchaften ſo modificirt haben, daß Miſchungen vor-giengen, welche die Kunſt nicht nachzuahmenvermag. Aber dieſe Möglichkeiten, deren Zahlbis ins Unendliche vermehrt werden kann, be-gründen kein phyſikaliſches Raiſonement. So lan-ge es noch unentſchieden iſt, ob nicht eben dieplaſtiſchen Kräfte der Anziehung und Abſtoſſung,welche wir gegenwärtig in dem Univerſum thä-tig finden, ſchon in der Vorwelt gewirkt haben,ſo lange dürfen wir uns nicht neue Materienſchaffen, zu denen die Zuflucht freylich eben ſobequem, als die zu hyperphyſiſchen Urſachen iſt.Ein Feuer, welches ſtrengflüſſige Gemiſche vonErdarten in Fluß bringt, und dabey (wie im |5| Porphirſchiefer) den zarteſten Abdruck ſaamentra-gender Farrenkräuter unverſehrt erhält — der Be-griff eines ſolchen Feuers verſetzt uns in eine un-bekannte Sphäre. Es iſt beſſer, Erſcheinungen un-erklärt zu laſſen, beſſer zu geſtehen, daß ſie zugroß ſind, um ihre Erklärung zu wagen, als vonWirkungen auszugehen, die jenſeits unſerer em-piriſchen Erkenntniß liegen. Iſt man dagegen einmal bei kosmogeniſchenBetrachtungen (alſo in dem hiſtoriſchen Theile derGeognoſie) von einer Hypotheſe ausgegangen, wel-che durch die Analogie noch jetzt zu beobachten-der Naturwirkungen unterſtützt wird, ſo hat manunmittelbar durch die Annahme einer Urſache eineganze Reihe anderer Urſachen begründet, welchemit jener unzertrennlich verknüpft ſind. Je unſi-cherer der Weg iſt, den wir betreten, deſtovorſichtiger müſſen die Schlüſſe aneinander gereihtſeyn. Kosmogeniſche Phantaſien, wie die des un-ſterblichen Franklin , ſind nicht nur vorzüglicheiner äſthetiſchen Behandlung fähig; — nein! ſiekönnen auch belehren, weil ſie einzelne neueAnſichten gewähren. Aber ihrem Weſen nachgehören ſie nicht in das Gebieth der Geognoſie.Man darf nicht nach Willkuhr das Innere desErdkörpers aushölen, und mit elaſtiſchen Flüſſig-keiten füllen, wenn Maskelyne’s Pendelverſuche —apodiktiſch — das Gegentheil beweiſen. Phanta-ſien ſind gefahrvoll täuſchend, ſobald man ſie,wie nur zu oft geſchieht, als Thatſachen vorträgt,und in das ernſte Gewand wiſſenſchäftlicher Un-terſuchungen einkleidet. Dieſe vorangeſchickten Betrachtungen ſchienenmir nöthig, um den Geſichtspunkt anzugeben, aus |6| welchem ich die nachfolgenden Blätter beurtheiltzu ſehen wünſche. Sie enthalten einen ſchwachenVerſuch, die Grundſätze der neuern Phyſik aufdie Geognoſie anzuwenden. Sie begründen keineneue Hypotheſe, ſondern ſie zeigen nur, daßman (um conſequent zu verfahren) keine Wir-kung iſolirt betrachten dürfe, ſondern daß jedeMaterie, nur mit allen ihr inhärirenden Kräften,thätig gedacht werden könne. Ob dieſe Behand-lungsart zu fruchtbaren Reſultaten führe, darübererlaube ich mir die Entſcheidung nicht. Alle geognoſtiſchen Hypotheſen ſtimmen dar-inn mit einander überein, daß auch der feſte (ſtar-re) Theil unſers Erdſphäroids ſich ehemals in ei-nem flüſſigen Zuſtande befand. Für dieſe groſſeund wichtige Thatſache zeugen die unwiderſprech-lichſten Denkmäler der Vorwelt. Unbefriedigen-der iſt die Frage zu beantworten, ob dieſer flüſ-ſige Zuſtand ein elaſtiſch- oder tropfbar-flüſſigerwar? Wir ſehen, daß Gasarten feſte Körper(Waſſerſtoffgas den Schwefel und Arſenik, Stikgasden Phosphor) auflöſen. Vielleicht iſt die Kalkerde,die im Gewitterregen von den oberen Regionen her-abkömmt, nicht in latentem Waſſer, ſondern ineben den Luftarten enthalten, welche das elektri-ſche Feuer zu einem tropfbaren Fluidum verbindet?Denkbar, den jetzigen Naturerſcheinungen analog,iſt es daher allerdings, daß die Beſtandtheile allerGebirgsarten einſt gasförmig exiſtirten. Denkbariſt es, daß dieſem erſten Zuſtande ein zweyterfolgte, in dem der gröſſere Theil jener Gasartenzu tropfbaren Fluiden zuſammengerann; — aber,was man darüber auch feſtſetze, ſo bleibt immerdie Annahme gegründet, daß die feſte Erdmaſſeſich durch Niederſchläge aus Flüſſigkeiten bildete, |7| daß aufgelöste Stoffe aus ihren Auflöſungsmittelnabgeſchieden wurden. Was nun war die Urſache des erſten Nie-derſchlags, oder der erſten Abſcheidung, was dieUrſache der nachfolgenden, deren Entſtehungsepo-che durch ihre Lagerung karakteriſirt wird? DieBeantwortung dieſer Frage liegt, in ſo fern ſieſich auf die erſte Entſtehung oder Schöpfung ei-nes Dinges bezieht, auſſerhalb den Gränzen menſch-licher Erkenntniß. Die Cosmogenie darf nichtmit dem Nichts anheben. Sie ſetzt die Exiſtenzaller, jetzt in dem Weltall zerſtreuten Materievoraus, und beſchäftigt ſich nur mit den manch-fältigen Zuſtänden, welche dieſe Materie durch-laufen iſt, bis ſie ihre dermalige Form und Mi-ſchung erhalten hat. Was auſſerhalb dieſem Krei-ſe liegt, gehört zu den Anmaſſungen der philoſo-phirenden Vernunft. Setzen wir demnach (wie in allen bisherigengeognoſtiſchen Schriften geſchehen) das Daſeyn ei-nes erſten Niederſchlags, einer einmaligen Abſchei-dung aus der chaotiſchen Flüſſigkeit voraus, ſoliegt in dieſer erſten Wirkung ſelbſt die Urſache aller folgenden. Beym Uebergange des Waſſerszu Eis, beym Erhärten des Gypſes, beym An-ſchießen des Kochſalzes aus der Soole wird Wär-me erregt. So oft ein Stoff aus dem flüſſigen Zu-ſtande (ſey er tropfbar, oder gasförmig elaſtiſchflüßig) in einen feſten (ſtarren) Zuſtand übergeht,wird Wärmeſtoff entbunden. Dieſes Factum, mitwelchem die wichtigſten Erſcheinungen im Dunſt-kreiſe, wie im Innern der belebten Körper zuſam-menhängen, — dieſes Factum ſteht unerſchütter-lich feſt, man mag ſich, wie die atomiſtiſchen |8| Antiphlogiſtiker, die Urſache der Wärme als eineexpandirende, in die Zwiſchenräume der andernGrundſtoffe eindringende Materie (gleichſam alsExpanſivſtoff), oder dynamiſch, als Modifikationder originellen, (urſprünglichen) Anziehungs- und Abſtoſſungskräfte denken. Steigt nun das Thermoſcop ſchon merkbar,wenn wenige Kubiklinien Eis entſtehen, werdendie benachbarten Waſſerſchichten merkbar erwärmt,indem die zarten Salzkriſtalle ſich abſcheiden, —welche Erhöhung der Temperatur, welche Erhi-tzung mußte nicht erfolgen, indem ungeheureMaſſen erdiger Grundſtoffe, mächtige Gebirgs-ſchichten, ſich niederſchlugen. Nicht bloß dieForm der einfachen Foßilien, aus welchen diegröſſeren Theile der uranfänglichen Geſteinsartenzuſammengeſetzt ſind, bezeugt einen kriſtalliniſchenAnſchuß. Auch der Anblick ganzer Gebirgsſtö-cke lehrt, daß ſie ihre urſprüngliche, freylichſehr verwiſchte Geſtalt den Anziehungskräften ver-danken, welche nach einem Punkte hin, undvon einem Punkte aus wirkten, daß ſie gleich-ſam ungeheure Gruppen von Kriſtallen bilden, dieſich um einen Kern verſammelt haben. Die ural-te koloſſaliſche Pyramide des Dru’s in Savoyen (man betrachte ihn vom Eismeere aus) und dieſüdliche Wand des Weißenberges gegen Courmay-eux hin ſtellt eben ſolche Beziehungen gegen einenPunkt dar, als das Innere eines ſpät entſtandenen Hügels ſäulenförmigen Baſaltes und Porphirſchie-fers. Dieſe kriſtalliniſche Bildungen beweiſen, daßjene Niederſchläge, denen der feſte Erdkörper ſei-ne gegenwärtige Geſtalt verdankt, plötzlich erfolg-ten, und daß der Uebergang aus dem Flüſſigenzum Starren nicht allmälig in unendlich kleinen |9| Maſſen, wie beym Fällen des Silbers aus der Sal-peterſäure, geſchah. Niederſchläge überhaupt, und beſonders Nie-derſchläge groſſer Gebirgsmaſſen, können alſo nicht ohne Entbindung von Wärme gedacht werden.Dieſe Wärme gieng in die noch übrigen Theileder Auflöſung über, und erregte in dieſen — Ver-dampfung, Verminderung des Menſtruum’s, und(als unmittelbare Folge der Verminderung) neueNiederſchläge. Die Entſtehung der erſten Gebirgs-ſchicht iſt alſo ſelbſt die Urſache der Entſtehungeiner folgenden. Wir bedürfen nicht neuer Hy-potheſen, nicht der Annäherung eines Kometen,um die groſſe Waſſerverminderung zu erklären.Erhärtung einer Gebirgsmaſſe und Verdampfungſind unzertrennliche Begriffe! Je gröſſer die erhärtete, oder niedergeſchla-gene Maſſe war, deſto ſchneller mußte derſelbenein neuer Niederſchlag folgen. Je mehr Nieder-ſchläge vorhergegangen waren, deſto erwärmtermußte im Ganzen der Reſt des Menſtruums ſeyn.Im Ganzen; denn es iſt nicht bloß denkbar, ſon-dern auch ſehr wahrſcheinlich, daß in einzelnenFällen, ſelbſt bey erhöhter Temperatur, die che-miſchen Ziehkräfte der ſich bildenden neuen Ge-ſteinſchichten ſo balancirt wurden, daß die Bil-dung oder Abſönderung nur ſehr langſam erfolgte,und daß während dieſes Zeitraums die Auflöſungſich von neuem erkältete. Für dieſe Zwiſchenepo-chen ſcheinen manchfältige geognoſtiſche Phänomenezu zeugen. In den uranfänglichen Gebirgsarten,welche als die früher niedergeſchlagenen in ei-nem kühleren Medium entſtanden, erkennt maneinen ruhigern kriſtalliniſchen Anſchuß, in den |10| ſpäteren Flötzgebirgen aber, bey deren Formationdas Medium bereits eine hohe Temperatur hatte,ein erdigeres Anſehen, gleichſam als Folge mecha-niſcher Anſchwemmnng. Zur Zeit der Erhärtungder letztern war das Menſtruum zu ſehr erhitzt.Allzu viele Ziehkräfte wirkten gleichzeitig, alsdaß die homogenen Grundſtoffe ſich ruhig hättenabſondern können. Dennoch ſehen wir, wenn- gleich ſelten, mitten in der Folge neuer Gebirgs-arten, Schichten von kriſtalliniſchem Anſchuß,körnig-blätterigen Kalkſtein, Gyps, oder Stink-ſtein, im dichten Kalkſtein des Jura. Der Bildungdieſer ſcheint jene Ruhe, jene Abkühlung voraus-gegangen zu ſeyn, deren wir oben erwähnten. Bemerken wir in der Entbindung des Wär-meſtoffs einen Grund von der verſchiedenen Mi-ſchung der uranfänglichen und Flötzgebirgsarten,ſo muß dieſelbe noch wirkſamer bey der urſprüng-lichen Poroſität der Mineralien gedacht werden.Dieſe urſprüngliche Poroſität darf nicht mit der ſecondären verwechſelt werden. Die letztere, ſeyſie Folge der Auswitterung eingewachſener Foßi-lien, oder der Einwirkungen des Feuers, iſt un-endlich ſpäter als die Formations-Epoche ſelbſt.Die erſtere iſt dieſer Epoche gleichzeitig; ſie ver-dankt ihr Daſeyn den chemiſchen und mechani-ſchen Kräften ſelbſt, welche bey der Erhärtungder Gebirgsmaſſen thätig waren. Nehmen wirwarme, erzeugende Niederſchläge aus einem all-gemeinen chaotiſchen Menſtruum an, ſo muß (be-ſonders wenn die Temperatur ſchon mächtig er-höht iſt) eine groſſe Maſſe elaſtiſcher Dämpfe er-zeugt werden. Das Menſtruum ſelbſt geräth inein Aufwallen, deſſen Spuren wir eben ſo ſehran der Form und Richtung der Geſteinſchichten, |11| als an ihrer Dichte erkennen. Wo ſich Erdmaſ-ſen niederſchlagen, ſuchen Dämpfe zu entweichen;die noch weiche Maſſe bläht ſich auf; es bildenſich theils Zellen und kleinere Oeffnungen, theilsweite Durchbrüche, welche wir mit dem Namen Hölen bezeichnen. Viele Quadratmeilen in Deutſch-land ſind mit Sandſtein- und Kalkſteinflötzen be-deckt, welche ſchlackenartig, wie Laven, durch-löchert ſind. Bey den genannten Gebirgsarten (beyder erſtern nämlich, nur da, wo ein kalkartigesBindemittel vorhanden iſt) mag die durch Wärmeentweichende Kohlenſäure mitwirkſam geweſenſeyn; doch iſt dieſe Wirkung nur örtlich. Gera-de die poröſe Formation, welche am meiſten fürdie entwickelte Hypotheſe zeugt, welche am all-gemeinſten über den ganzen Erdkörper verbreitetiſt, die neueſte Trapp-Formation, iſt faſt völligleer von kohlengeſäuerten Foßilien. Die blaſige,zellige, und dabey gar nicht verglaſete, ſondernerdige Grundmaſſe ſo vieler Baſalte und Mandelſtei-ne ſcheint aus einem erhitzten aufſchäumenden Me-dium entſtanden zu ſeyn. Ich glaube, die Wir-kung elaſtiſcher Dämpfe da zu ſehen, wo andereGeognoſten die Spuren eines ſchmelzenden undverglaſenden Feuers finden. Dieſe hypothetiſchen Betrachtungen über Ent-bindung des Wärmeſtoffs ſetzen nicht die Exiſtenzeines tropfbaren Mediums voraus; die Entbindungmußte ſtatt finden, wenn auch dieſes Medium ur-ſprünglich in einem gasförmig elaſtiſchen Zuſtandewar. Welche Annahme auch die richtigere ſey,ſo hat die Erhärtung der Gebirgsmaſſen einenwichtigen Einfluß auf die Formation des Dunſt- |12| kreiſes gehabt. Die organiſchen Stoffe, die in denFlötzgebirgen vergraben ſind, beweiſen das Da-ſeyn eines tropfbaren Fluidums, des Waſſers, indem die Niederſchläge geſchahen, und die Analo-gie zwiſchen den Flötz- und uranfänglichen Ge-ſteinsſchichten macht ein gleiches auch für die letz-teren wahrſcheinlich. Während nun, daß dasMedium ſeine Temperatur allmählig erhöhte,während daß die aufgelösten, ſich abſcheidendenGrundſtoffe ihre Ziehkräfte gegen einander, undgegen das Medium ausübten, wurde ein Theildes letzteren zerſetzt. Mit den aufſteigenden Däm-pfen giengen luftförmige Stoffe über, und derDunſtkreis gewann eine neue Miſchung, und neueSchichten. Dieſe allmählige Zunahme, die gewißnicht gleichmäßig über den ganzen Erdkörper vor-gieng, modificirte nun wiederum die Leichtigkeitder Verdampfungen. Wenn das Medium von hö-heren und dichteren Schichten gedrückt war, nahmdaſſelbe nach phyſiſchen Geſetzen eine höhere Tem-peratur an. Die Veränderung des Auflöſungsmit-tels geſchah langſamer; die Niederſchläge bildetenſich allmäliger, und ſo iſt in dieſen Verhältniſſender Atmosphäre ein neuer Grund aufzufinden,warum die Formation der Geſteinſchichten nichtimmer mit zunehmender Geſchwindigkeit vor ſichgieng, — warum reinere und unreinere Anſchüſ- ſe, kriſtalliniſche, und erdige Maſſen miteinanderabwechſeln. Mit den aufſteigenden gasförmigen Stoffengieng endlich auch eine groſſe Maſſe von Wärme-ſtoff in den neuen Dunſtkreis über. Das tropfba-re Medium, welches durch die erhärtenden (zu-ſammengeronnenen) Steinſchichten erwärmt war,theilte ſeine hohe Temperatur den angränzenden |13| Luftſchichten mit. Hier treffen wir auf Verhält-niſſe, in denen ich die urſprüngliche, oder Grund-wärme unſers Erdkörpers ſuche, auf Verhältniſſe,welche unabhängig von der Lage eines Planetengegen die Sonne ſind. Allgemein beobachtete Er-ſcheinungen lehren unwiderſprechlich, daß esEpochen der Vorwelt gab, in denen die Thier-und Pflanzenſchöpfung der heißen Zone auch überdie kältere und gemäßigte verbreitet war. Baum-artige Farrenkräuter von Südamerika , oſtindiſcheScitamineen, Löwen, Elephanten- und Rhinoceros-Gerippe finden ſich in einer Lagerſtätte, welcheunwiderſprechlich beweist, daß alle dieſe organi-ſchen Produkte nicht angeſchwemmt, ſondern inihrer damaligen Heimath vergraben ſind. Um die-ſe groſſe Erſcheinung zu erklären, hat man baldſüdlichen Thieren (den dunkel-gefärbten Mace-doniſchen Löwen) eine gröſſere Biegſamkeit derOrganiſation, eine Fähigkeit Kälte zu tragen an-gedichtet; bald ſie ſchaarenweiſe ſich in Länderverlaufen laſſen, in denen der erſte Eintritt ihnenſchon den Tod bereitet hätte; bald brennende underwärmende Irrſterne herbeygeführt; bald endlichdie Erde aus ihren Angeln gehoben. Dieſes letz-tere Wagſtück hat man beſonders durch die aſtro-nomiſche Beobachtungen über die ſeit Pytheas Zei-ten veränderte Schiefe der Ekliptik zu rechtferti-gen geſucht. Weil von Eratoſthenes an bis Caſ-ſini der Winkel um 7 Minuten abgenommen hat,hielt man es für denkbar, daß vor vielen tauſendJahren die kältere Zone vom Sonnenſtrahle ebenſo, als die Palmengegend getroffen wurde. Aberdie tiefſinnigſten Analytiker unſers Zeitalters, laGrange und la Place , haben berechnet, daß dieVeränderungen jener Schiefe der Ekliptik (alsFolge der zuſammengeſetzten Gravitation der Plane- |14| ten) einen Cyclus hält, welcher die Gränzen von1° 21′ nie überſteigt. Ja! Herr Bode hat ſcharf-ſinnig erwieſen, daß, wenn auch je der Aequa-tor auf der Ekliptik ſenkrecht geſtanden hätte,dieſe Stellung der Erdaxe, weit davon entfernt dieVegetation zu befördern, ihr vielmehr ſehr nach-theilig geweſen ſeyn müßte. Erinnert man ſichdagegen der Entbindung des Wärmeſtoffs, womitdie Erhärtung der Gebirgsmaſſen unzertrennlichverknüpft iſt, ſo werden jene hypothetiſchen An-nahmen entbehrlich. Wo plötzlich eine groſſeMenge feſter Stoffe abgeſchieden ward, nahm dieTemperatur der umgebenden Luftſchichten zu.Unter dem 70° Grade der Breite, wie unter dem20ten konnte nun ein Palmenklima entſtehen. Vondieſer Zunahme der Wärme begünſtigt, äußertenalsbald die plaſtiſchen Kräfte der Natur ihre wohl-thätige Energie. Südliche Bildungen von Thier-und Pflanzenſtoffen ſproſſen üppig hervor. Siewürden in ihrem Wachsthume fortgefahren haben,wenn nicht die Dauer dieſer Temperatur-Erhö-hung nur auf einen kurzen Zeitraum eingeſchränktgeweſen wäre. Die Höhe der Luftſchichten, undihrer Wärme erreichten allmählig das Gleichgewicht,nach welchem ſie lange vergeblich ſtrebten. Nurauf einem kleinen Raume begünſtigte der hoheSonnenſtand fortwährend die ſchnellere Entwick-lung der organiſchen Kräfte. Gegen den Süd- und Nordpol hin nahm, mit Erkältung des Dunſtkrei-ſes, die Fülle des Lebens ab.