Aus einem Schreiben des Ober-Bergraths A. von Humboldt. Madrid, 23 Floreal Jahr VII. ..... Ich fange mit meinen Beobachtungen über Inclination der Magnet-Nadel an. Das Instrument, dessen ich mich bediene, ist der Inclinations-Compaß, den Borda angegeben und Le Noir für das Bureau des Longitudes in Paris ausgeführt hat. Das Bureau hat die Gefälligkeit gehabt, es mir bey meiner Abreise von Paris abzutreten. Der Azimuthal-Zirkel hat 0,5 Metre im Durchmesser, die Nadel 0,3 Metre Länge. Borda betrachtete dieß Instrument als das erste, das uns sichere Inclinationen angeben würde, da alle übrige, die uns so viele irrige Zahlen geliefert haben, nie in die wahre Ebene des magnetischen Meridians gestellt werden konnten. Ich weiß nicht, ob Nouet, der auch Borda's Inclinations- Compaß besitzt, mir zuvorgekommen ist, und seine magnetischen Beobachtungen aus Aegypten eingesendet hat. Hätten die Begebenheiten in der Barbarey, der Schiffbruch einer Schwedischen Fregatte, des Jeremias, die ich in Marseille zwey Monate lang erwartete, und die vom Dey in Tripolis untersagte Abreise der Karavane, mit der ich nach Cairo zu gehen gedachte, mich nicht genöthiget, meinen Vorsatz, eine Reise durch Afrika zu machen, aufzugeben, so würden wir in weniger als acht Monaten die Stärke der magnetischen Kraft von der Meer-Enge von Gibraltar bis zur Land-Enge von Suez kennen gelernt haben. Ich würde die westlichen Inclinationen beobachtet haben, während die Astronomen in Aegypten die östlichen bestimmten: Beobachtungen, die mit Instrumenten wären angestellt worden, die derselbe Künstler nach einerley Grundsätzen verfertiget hat. Diese Hoffnungen, mit denen ich lange mich wiegte, waren zu schön, als daß sie hätten in Erfüllung gehen sollen. Meinem Vorhaben treu, die heiße Zone zu besuchen, habe ich mich nach Spanien gewandt, und eben erhalte ich von der hiesigen Regierung die Erlaubnis, Mexiko, Peru, Chili und die Philippinen durchreisen zu dürfen. Ehe ich Ihnen daher aus der andern Halbkugel Beobachtungen senden kann, erlauben Sie mir, Ihnen diejenigen zu schicken, welche ich im mittäglichen Frankreich und im östlichen Spanien angestellt habe. Es gibt verschiedene Methoden, den senkrechten Zirkel des Borda'ischen Compasses in die Ebene des magnetischen Meridians zu stellen. 1) Indem man durch Hülfe einer mit zwey Dioptern versehenen Magnetnadel zwey genau in der Axe des magnetischen Meridians liegende Gegenstände aufsucht. Andere Dioptern auf dem Kasten, welcher den verticalen Zirkel enthält, dienen, diesen in die magnetische Meridian-Ebene zu bringen. Ist der Meridian schon gezogen und die magnetische Abweichung bekannt, so kann man sich die nöthigen Signale mit Hülfe des Sextanten aufstellen. Oder 2) da die Cotangante der Inclination wächst, wie der Cosinus des Winkels, den eine vertical durch die Nadel gehende Ebene mit der magnetischen Meridian-Ebene macht, so kann der, an dem Borda'ischen Compaß angebrachte Azimuthal-Zirkel dazu dienen, correspondirende Inclinations-Höhen zu nehmen. Man findet die Abweichungs-Ebene, indem man mehrere, sich gleiche Inclinationen gegen Osten und Westen des Magnet-Meridians beobachtet. Oder 3) man sucht die kleinste Inclination, indem man nach und nach das Instrument um den Azimuthal-Zirkel dreht. Oder 4) man sucht den Punct, in welchem die Nadel genau vertical steht. Wenn man zu diesem auf dem Azimuthal- Zirkel 100 Grad addirt, so ergibt sich daraus der Magnet-Meridian. Gibt diese letzte Methode nicht denselben Magnet-Meridian, als die erste oder die dritte, so kann man überzeugt seyn, daß entweder der Compaß nicht genau horizontal gestellt ist, oder daß beyde Enden der Nadel von ungleicher Schwere sind. Ich habe bey meinen Beobachtungen mehrere dieser Methoden zu verbinden gesucht, und mit Vergnügen gesehen, daß meine Nadel so genau centrirt ist, daß ich immer einerley Resultate erhalte, ich mag die dritte oder die vierte der angegebenen Methoden wählen. Die Theilung des Zirkels gibt, mit Hülfe der Loupe, eine Gewißheit von fünf Decimal-Minuten. Zu Paris fand ich mit Borda am Anfang des Vendemiaire die Inclination 77° 15'. Le Noir glaubte sie am 25 Vendem. 77° 20' gefunden zu haben. Mit dem sehr mittelmäßigen Inclinations-Compaß auf der National-Sternwarte fand Bouvard die Inclination am 26 Vendem. 70° 10' der alten Eintheilung (77° 96'). Zu Marseille 72° 14'. Die Inclination veränderte sich durchaus nicht vom 10 Brumaire bis zum 7 Frimaire, obgleich das Instrument sehr oft auf der Sternwarte der Marine von Thulis und Blancplain beobachtet wurde. Zu Nismes 72° 65' den 1 Nivose. Zu Montpellier den 4 Nivose 73° 20 '. Zu Perpignan den 15 Nivose 72° 55 '. Trägt etwa die Nähe der Pyrenäen dazu bey, daß hier die Inclination stärker ist, als sie nach der südlichen und westlichen Lage des Ortes erwartet werden könnte? Zu Gironne in den Pyrenäen von Catalonien am 18 Nivose nur 71° 75'. Der Ort scheint nach Barometer-Beobachtungen 132 Toisen über der Fläche des Mittell. Meeres zu liegen. Zu Barcelona am 7 Pluviose 71° 80 '. Zu Cambrils den 11 Pluviose 71° 75'. Zu Valenzia den 20 Pluviose 70° 70'. Zu Madrid 75° 20' nach einer großen Zahl Beobachtungen gemeinschaftlich mit Megnie. Die Berge von Guadarama enthalten viel magnetisches Eisen. Um die Stärke der magnetischen Kraft, das heißt, ihre Intensität zu messen, bediente ich mich ehedem des Saussure'- schen Magnetometers, eines in Hinsicht des Transports äußerst zarten Instruments. Borda hatte mir gerathen, mich der Oscillationen der Neigungs-Nadel als eines Magnetometers zu bedienen. Er war sehr neugierig, die Geschwindigkeiten dieser Oscillationen in verschiedenen Breiten zu wissen, für die Beobachtungen, die er während der Entrecasteau'ischen See- Reise zu machen gerathen hatte, die ihm nie zu Gesicht gekommen waren. Ich habe mit großer Sorgfalt die Oscillationen der in den Magnet-Meridian gestellten Nadel mit dem Gange eines Berthoud 'ischen Chronometers verglichen. Diese Oscillations-Geschwindigkeiten sind so gleichförmig, daß, wenn beyde Personen, deren eine die Nadel, die andere den Chronometer beobachtet, genau sind, sie nicht um 0,2 von einander abweichen. Die Zahl dieser Oscillationen war in 10 Minuten zu Paris 245, zu Marseille 240, zu Nismes 240, zu Montpellier 245, zu Perpignan 248, zu Gironne 232 (!) (eine sehr oft wiederholte Beobachtung), zu Barcelona 245, zu Cambrils 241, zu Valenzia 235. Wie viel werde ich wol unter dem Aequator finden? Eben beobachte ich auch, daß eine sehr horizontal gestellte Nadel von 0,3 Metre Länge zu Madrid in der Minute regelmäßig acht Oscillationen macht. Ich wäre neugierig zu wissen, wie viel sie zu Paris macht. Ich habe mir vorgenommen, hierüber durch Hülfe der Colomb 'ischen Aufhängung-Methode genaue Versuche zu Quito und in Mexiko anzustellen; versteht sich mit einer Nadel von gleicher Länge und Schwere. Ort der Beobachtung Vend. Germ. VII Breite. Länge. Inclination der Magnetnadel (nach der neuen Einth.) Magnetische Kraft durch die Oscillationsmenge in 10 Minuten ausgedrückt. Paris 48° 50' 15" 0° 0' 0" 77° 15' 245 Nismes 43 50 12 7 55 O. 72 65 240 Montpellier 43 36 29 6 10 73 20 245 Marseille 43 17 49 12 14 72 40 240 Perpignan 42 41 53 2 14 72 55 248 Gironne 71 75 232 Barcelona 4123 8 0 33 W. 7180 Cambrils 71 75 241 Madrid 40 25 18 24 8 75 20 240 Valenzia 39 28 55 10 4 70 70 235 Wären die magnetischen und die Erdpole dieselben, so wird wahrscheinlich die Inclination dieselbe unter einerley Breite, und sie würde nur mit der Breite sich verändern, ohne Rücksicht auf die Länge. Wenn die Inclinationen J und i den Breiten L und l zukommen, so wäre auf dem ganzen Erdball [Formel] , und die Kenntniß einer Inclination in bekannter Breite zöge unmittelbar die Kenntniß aller nach sich. Da aber die Magnet-Axe von der Erd-Axe verschieden ist, so hat die Länge auf die magnetische Inclination beträchtlichen Einfluß. Wenn A und B zwey, unter der nämlichen geographischen Breite liegende Orte sind, davon B in Osten von A liegt, so kann die Inclination in B nicht so groß seyn, als die in A, da jener Ort, senkrecht auf den magnetischen Meridian bezogen, in eine magnetische Breite zu liegen kommt, die südlicher, als die magnetische Breite des Orts A seyn wird. Auch sehen wir in der vorstehenden Tafel, in welcher die Orte nach ihrer Breite geordnet sind, daß einige von Paris gegen Westen liegende Orte, bey gleicher Breite, größere Inclinationen gegeben haben, als Orte, die ostwärts von Paris liegen. Marseille liegt 35' 36" nordwärts von Perpignan, und doch ist die Inclination dort 0° 15' geringer, und so in Nismes und Montpellier. Dieselbe Tafel zeigt aber doch auch, daß die magnetischen Anziehungs-Kräfte sonderbar durch Ursachen verändert sind, die wahrscheinlich nur local sind. Ich habe den Werth [Formel] berechnet, um zu sehen, ob der Quotient größer wird für die Orte, welche mehr gegen Westen liegen, oder ob sie langsamer zunehmen, je mehr sie gegen Norden rücken. Diese Zahlen zeigen bis jetzt keine Spur von Regelmäßigkeit. Denn, wenn man die Orte nach ihrer abnehmenden Breite ordnet, so erhält man für [Formel] für Paris 2,63, für Nismes 2,76, Montpellier 2,79, Marseille 2,78, Perpignan 2,84, Barcelona 2,49, Valenzia 2,98. Wenn man sie ordnet, wie sie von Ost nach West folgen, so wird die Reihe Marseille 2,78, Nismes 2,76, Montpellier 2,79, Perpignan 2,84, Paris 2,63, Barcelona 2,49, Valenzia 2,98. Es ist der Klugheit gemäß, sich bis jetzt alles Calculs zu enthalten und eine größere Beobachtungs-Zahl abzuwarten. Doch verdient das Problem, durch Inclinations-Beobachtungen den Winkel der Magnet-Axe mit der Erd-Axe zu sinden, immer bearbeitet zu werden. Folgende Betrachtungen bieten sich hierüber bey dem ersten Anblicke dar. Wenn man auf dem Meere (da auf dem sesten Lande Berge und andere Local-Umstände Irrungen hervorbringen) mehrere Orte fände, die genau gleiche Inclination zeigten, so könnte man leicht einen magnetischen Parallel-Kreis verzeichnen, und hätte eben dadurch die Magnet-Axe bestimmt. Je größer dieser gesuchte Winkel ist, um so größer wird die Inclinations-Differenz unter einerley Breite seyn. Durch Hülfe vieler Beobachtungen wäre dieser Winkel zu finden, und durch mehrere Suppositionen, beynahe auf dieselbe Art, deren man sich bedient, um die Länge eines Orts aus Monds-Höhen zu bestimmen. Die durch Zahl der Oscillationen bestimmte magnetische Kraft scheint abzunehmen gegen Süden hin. Ist es etwa die Nähe der Pyrenäen, die sie in Perpignan so verstärkt? Die Höhe von Gironne über der Meeresfläche ist so wenig beträchtlich und doch die magnetische Kraft dort so klein. Wie viele interessante Beobachtungen hätte ich nicht anstellen können, hätte ich das Magnetometer vor zwey Jahren gekannt, als ich den gewaltigen aus magnetischen Serpentin bestehenden Heidberg auffand, dessen magnetische Atmosphäre acht Metres davon noch wirksam ist, und die Polarität ohne Spur von Anziehung zeigt. Ich habe bey meiner Ankunft zu Madrid den Borda 'ischen Compaß durch Megnie untersuchen lassen. Er hat gefunden, daß er sich gar nicht verändert hatte. Er ist eben beschäftigt, kleine Veränderungen daran zu machen, um seine Tragbarkeit dadurch zu vermehren. Denn die Schwierigkeit des Auspackens hat mich bis jetzt verhindert, es noch öfter zu gebrauchen. Die Abweichung der Magnet-Nadel war am 20 Brumairs in Marseille 20° 55' 30" der alten Eintheilung. Thulis fand mit seinem Instrument 20° 55'; eine Uebereinstimmung, welche dieser Beobachtung einen hohen Grad von Gewißheit gibt. Zu Paris war zur Zeit meiner Abreise die Abweichung um 12' zweifelhaft. Man hatte sie nämlich im Vendemiaire VII zwischen 22° 8' und 22° 20' gesunden. Bouvard, der sich viele Mühe gab, diese Zweifel zu heben, hielt 22° 15' für die wahrscheinlichste Angabe. Obgleich die Gegenden, die ich bis jetzt durchreiste, für astronomische Geographie nicht viel Merkwürdigkeiten darbieten, so glaube ich doch, Ihnen einen kleinen Auszug meiner Arbeiten liefern zu können. Ich habe die Sonne und die Sterne erster Größe so oft beobachtet, als die Umstände mir es haben erlauben wollen, mehr als 28mahl von meiner Abreise von Barcelona vom 20 Nivose bis zum 21 Pluviose, als ich Valenzia verließ. Im Königreiche Valenzia habe ich viel vom Auszischen des Pöbels leiden müssen, da ich dazumal noch die Erlaubniß der Regierung nicht in Händen hatte, die man mir jetzt in sehr großer Ausdehnung ausgefertiget hat. Oft habe ich den Schmerz gehabt, die Sonne culminiren zu sehen, ohne meine Instrumente auspacken zu dürfen. Ich war genöthigt, die Stille der Nacht zu erwarten, um mich mit einem Sterne zweyter Größe zu begnügen, der sich traurig in einem künstlichen Horizonte darstellt. Meine Hülfsmittel zu diesen Beobachtungen sind zwey Chronometer, einer von Louis Berthoud, der andere von Seyffert in Dresden, ein achtzolliger Theodolit von Hurter et Haas, ein Reflections-Zirkel von Borda, zwey Sextanten von Ramsden und Troughton, ein Quadrant von Bird, ein Dollond 'isches 94 bis 114mahl vergrößerndes Fernrohr, und ein anderes von Carroche. Der Berthoud 'ische Zeithalter ist äußerst genau. Er ist, als er mit den Sternen im Passagen-Instrumente von Marseille verglichen ward, vorgeeilt: vom 13 bis 14 Brumaire 1,"5 - 14 - 15 - 1, 5 - 15 - 16 - 2 - 16 - 20 - 1, 4 - 20 - 23 - 1, 8 - 23 - 24 - 2 - 24 - 25 - 1, 5 - 25 - 26 - 2 - 26 - 27 - 2, 2 - 27 - 4 Frimaire 1, 2 - 4 - 7 - 0, 7 - 7 - 10 - 0, 7 - 10 - 19 - 1, 3 Seit dem Ende Nivose, oder seit der Hitze von Valenzia hat er angefangen, zurückzubleiben, aber nicht weniger regelmäßig. Die mittlere Vorrückung über die mittlere Zeit ist daher 1,"5. Der Chronometer ist während dieser Zeit getragen worden, und die Temperatur hat 15° R. variirt. Ohnerachtet der Stöße der Diligence habe ich die Länge von Marseille 12' 25,"4 bestimmt, da Mechain sie 12' 14" gefunden hat. Derselbe Chronometer hat mir den Längen-Unterschied von Barcelona und Perpignan zu 2' 34" angegeben. Mechain gibt Perpignan 2' 14" O. Barcelona 0' 33" W. an; der Unterschied ist daher 2' 47". Aber zu Barcelona war ich auch um 2 oder 3" in der Zeit ungewiß. Ich führe Ihnen diese Beobachtungen nicht an, um durch meine kleinen Bemühungen Mechain 's Arbeiten bestätigen zu wollen, sondern nur um Ihnen etwas Vertrauen gegen meine Instrumente einzuflößen. Mein Seyffert 'scher Chronometer, der nur zur Hälfte auf Diamanten geht, ist bis auf 4 bis 5" täglich genau. Er kann mir daher freylich nicht zu Längen-Bestimmungen dienen; aber doch um die Zeit vom Mittag bis zur nächsten Nacht überzutragen. Wenn man ihn nicht bewegt, so variirt er oft um keine 2" in drey bis vier Tagen. Von meinen Reflexions-Instrumenten ist der zehnzollige Ramsden 'sche Sextant das schönste. Er hat einen silbernen Limbus, dessen Nonius unmittelbar 15" gibt. Man erreicht noch vollkommen 5", die wegen des künstlichen Horizonts noch auf die Hälfte 2,"5 gebracht werden. Ich habe für dieses schöne Instrument und für den Borda 'ischen Reflexions-Zirkel, dessen ich mich zu seiner Controllirung bediene, ein 16mahl vergrößerndes Fernrohr von Carroche. Mein künstlicher Horizont ist auch von Carroche verfertiget. Tralles hat ihn sehr genau untersucht und das Maximum seiner Irrung am Rande 6" gefunden. Das Niveau, mit dem ich den Horizont stelle, zeigt 2,"5 Erhebung. Durch ein Jahr lange Erfahrung habe ich gefunden, daß, wenn ich mich nicht des Bird'ischen Quadranten bediene, den ich wegen der großen Sonnenhöhe in den Tropen-Ländern gekauft habe, ich unter sonst günstigen Umständen die Breite bis 12" genau bestimmen kann; die wahre Zeit durch etwa 15 correspondirende Sonnenhöhen bis 2", und durch correspondirende Sirius- oder Rigel-Höhen bis 5". Ich habe geglaubt, diese Gränzen meiner Irrthümer an Orten bestimmen zu müssen, deren Breite und Zeit genau bekannt war, um sodann unterscheiden zu können, was man dem Zusalle oder der Sorgfalt bey der Beobachtung schuldig ist. Der Hurter 'sche Theodolit, der wegen der vielen Correctionen, die er täglich erfordert, unbequem ist, gibt nur bis auf 35" Gewißheit. Aber er hat den Vortheil einer 30 bis 40mahligen Vergrößerung, und ich habe mit Thulis gesehen, daß er uns durch b des Wallfisches und oft durch noch kleinere Sterne die Breite von Marseille zwischen 43° 17' 23" und 52" das ist ohngefähr zu 26" angab. Zu Paris hat er nur durch eine große Beobachtungs- Zahl die Breite meiner Wohnung (maison Boston, rue du Colombier) zu 48° 51' 20" gegeben, das scheint ziemlich richtig; die Breite der Marseiller Sternwarte ist nicht, wie in Connoiss. des temps VII S. 461 steht 43° 17' 43", sondern 49". Zwey Beobachtungen des ersten und zweyten Jupiters- Trabanten haben mir die Länge 12' 39", selbst 13' 22" gegeben; aber ich war damahls in dieser Art Beobachtungen viel zu wenig geübt. Ich kam am 19 Nivose zu Barcelona an, und durfte schon am solgenden Tage Beobachtungen anstellen; auf derselben Terrasse des goldenen Brunnen, wo Mechain so lange gearbeitet hat. Ich fand mit der kleinen 8mahligen Vergrößerung die Breite 41° 23' 28", ein andermahl 41° 22' 59". Am 22 Nivose nahm ich correspondirende Sonnen-Höhen und fand Länge 0' 20". Unglücklicher Weise ließ ich am 23 Nivose den Chronom. stehen. Ich hoffte, die Bedeckung des Jupiter durch den Mond am 26 Niv. zu sehen, und es war nothwendig, am 25 durch Aufsuchung der wahren Zeit sich darauf vorzubereiten. Die Morgen-Beobachtungen waren sehr gut, aber am Nachmittage war die Sonne so blaß, daß man den Zeitpunct der Berührung der Ränder errathen mußte. Die Bedeckung Jupiters durch den Mond war unglücklicher Weise zu Barcelona nicht sichtbar. Ich verfolgte den Planeten, bis er auf vier Minuten (im Bogen) vom Monde entfernt war, als auf einmahl die Berge des h. Hieronymus mir den Anblick des Mondes entzogen. Während meines Aufenthalts zu Barcelona verglich ich oft den Horizont des Meeres mit einem Thurme, der davorstand. Ich war erflaunt, daß der Depressionswinkel sich während zwey gleich heiteren Tagen veränderte, da doch ein Regentag auf ihn gar nicht wirkte. Das Maximum dieser Veränderung war 35". Sollte Ihnen das Journal de Physique in die Hände fallen, so bitte ich Sie, einen Blick auf den Auszug aus meinen Arbeiten über die Zusammensetzung der Atmosphäre zu werfen, den ich Delametherie mitgetheilt habe. Sie werden Thatsachen finden, die Sie durch ihren Einfluß auf die Phänomene der Strahlen-Brechung interessiren werden. Es fehlt viel daran, daß die Atmosphäre stets 0,27 - 0,28 Theile Oxygen enthalten solle, wie man es bis itzt immer behauptet hat. Ich habe von 0,236 bis 0,284 gefunden, durch eine Methode, die eine Gewißheit von 0,003 Oxygen gibt. Mit meinem Anthrakometer (einem Instrumente, den Gehalt an Kohlensäure zu messen, einem Stoffe, der so viel Einfluß auf Refraction bey dem Scirocco hat) durch Vereinigung von Thermometer, Hygrometer, Barometer, Elektrometer, Cyanometer könnte man eine schöne Arbeit über die Wege des Lichts in die Atmosphäre unternehmen. Könnte ich doch Astronomen in Quito ankommen sehen, um mit ihnen vereint diese zugleich astronomische und chymische Arbeit zu unternehmen. Der Grad in Südamerika verdiente wol aufs neue gemessen zu werden, und wie viel Zwecke könnte man dann nicht zugleich während dem Laufe einer Unternehmung erreichen, die ungleich weniger kostbar und doch weit nützlicher ist, als eine Reise um die Welt. Ich habe vom 29 Niv. bis 6 Pluv. eine kleine Reise nach Monserrat gemacht. Ich beobachtete Sonne, Mond und Sirius zu Mattorel, Colbaton und im Kloster. Auch habe ich über die Atmosphäre dort Beobachtungen angestellt. Aber ich theile Ihnen nur diejenigen mit, die Einfluß auf Astronomie haben. Oft habe ich nur absolute Stern-Höhen genommen, wenn ich nicht Zeit hatte, die Culmination zu erwarten. Einst werden diese Beobachtungen dienen können, die Länge des Ortes zu finden, indem ich die Zeit sehr genau von einem Orte zum andern übertrage, wenn andere Beobachter die Breite werden bestimmt haben. Und so glaube ich die geographische Kenntniß eines Ortes vorzubereiten. Zu Mattorel beobachtete ich auf freyer Straße von etwa 30 Zuschauern umgeben, die sich zuschrien, daß ich den Mond anbetete. Doch war man sonst ruhig. Ich nahm Sonnen-Höhen nahe am Mittage zwischen Colbaton und der Südseite des Berges von Monserrat bey dem ersten Weingarten, Breite 41° 34' 30". Im Kloster selbst konnte ich nur eine einzige Nacht, den 4 Pluv. arbeiten. An den übrigen hörten Regen und Schnee nicht auf. Ich theilte meine Beobachtungen Chaix mit, der mit Mechain an dem Meridian durch Catalonien gearbeitet hat. Gewiß konnten mir damahls Mechain 's Bestimmungen der Breite und Länge des Klosters nicht bekannt seyn. Wie groß war daher meine Freude, als ich seine Beobachtungen von Chaix erhielt, die von den meinigen in Breite und Länge nur 10-12" abweichen. Und doch hatte ich nur Sterne in einem wenig hellen, künstlichen Horizonte beobachtet. Da mein Chron. am 26 Niv. unter der mittleren Zeit von Barcelona 5' 42,"5 zurückblieb, daher am 1 Pluv. 5' 52", so fand ich durch correspondirende Höhen die Culmination des Sirius 1' 45" die Länge des Klosters. Mechain hat mir durch Pommard die Länge 2' 45" geschickt; diese Beobachtung aber ist in der kleinen Kapelle U. I. F. angestellt worden. Ich habe die Breite des Klosters gefunden: 41° 35' 4"; 49"; 51"; im Mittel 41° 35' 34". Chaix hat mir für das Kloster mitgetheilt: 41° 35' 30"; Pommard die Kapelle U. I. F. 41° 36' 15". Mir scheint diese Genauigkeit groß genug, da Mechain mit einem großen Kreise arbeitete; ich aber mit einem dreyzolligen Ramsden 'schen Sextanten beobachte. Ich habe am Monserrat in verschiedenen Höhen Wasser kochen lassen, um Rhue 's Formel zu berichtigen. Noch habe ich nicht Zeit gesunden, alle Beobachtungen zu berechnen; aber diejenigen, die ich mit dem Ebulloir in der Einfiedeley des hl. Hieronymus gemacht habe, stimmen gut mit den 634,4 Toisen zusammen, die Mechain für die Kapelle sindet. Derselbe Gelehrte gibt durch Nivellement die Höhe des Monjouy auf 104 Toisen an. Ich finde barometrisch den Gipfel des Monjouy über dem Barceloner Stadtpflaster bey dem goldnen Brunnen 96 Toisen. Auch rechnet Mechain die Zinne um den Thurm des Forts. Indem ich von Barcelona nach Valenzia reiste, habe ich Sonne, Jupiter, Procyon, Sirius und Rigel beobachtet; den 9 zu la Venta de Lionet, den 10 zu los Munjos, den 11 zu Figueretta und Cabrils, den 12 auf dem Col de Balaguet (während der Commandant des Forts mich einzusperren drohte) den 14 zu la Venta della Sienita. Da die Ventas einzelne Häuser find, in Wüsten von 30 bis 40 Quadrat-Meilen Größe, die Pistazien und Palmettenbäume bedecken, so ist ihre astronomische Bestimmung für die Spanische Geographie ungemein wichtig. Es sind eben so viele feste Puncte in ungeheuren Ebenen, in denen man wie auf dem Ocean reist. Zu los Munjos fand ich die Breite, indem ich in einem Walde beobachtete, 41° 13' 13"; Länge von Paris 2' 23", wenn man annimmt, daß Barcelona 33" w. liegt. Da die Sonnen-Höhen 20" vom Mittage genommen wurden, so ist 20" Ungewißheit in der Länge. Da ich immer am Meerufer fortreiste, so bestimmte ich jeden Morgen genau den Zeitpunct, wenn die Sonne sich vom Meer-Horizont ablösete. Zu Figueretta drey Meilen vor Tarragona sahe ich am 10 Pluv. zwischen 7 und 8 Uhr des Abends ein weißliches, pyramidales Licht gegen Südwest. Es stieg gegen 25" bis zum Orion in die Höhe. Sein Glanz fiel selbst den Mauleseltreibern auf. Es verschwand plötzlich um 8U 50', und obgleich die folgenden Nächte sehr hell waren, so sahe ich es doch nur erst am 14 Ventose zu Madrid wieder, wo seine Pyramidal-Form viel auffallender war. Ich zweifle keinesweges, daß es das Zodiacal-Licht gewesen sey, das nur bey außerordentlicher, wahrscheinlich von chemischen Zusammensetzungen abhängender Durchsichtigkeit der Atmosphäre sichtbar ist. Doch scheint es immer merkwürdig, daß schon im Anfange Pluv. das Zodiacal-Licht so schön erscheint. De la Flauzeres sahe es auch schon seit dem Januar: La Lande's Astronomie §. 846. Col de Balaguet am Fuß, [Formel] Meile Nordnordost vom Fort S. Philipp, Breite 40° 59' 21", Länge 5' 15". Tofino gibt die Breite an zu 40° 59' 30", Länge 5' 24". Eine sehr genugthuende Uebereinstimmung. Venta della Sienita, fünf Meilen nordwärts von Alcala della Serba in der Mitte der großen Wüste, die Valenzia von Catalonien scheidet, Breite durch Rigel 40° 8' 34", durch Sirius 40° 8' 37". Länge von Paris ohngefähr 7' 50". Wenn einige dieser Beobachtungen Ihnen nicht genau genug scheinen, so bitte ich Sie, nicht zu vergessen, daß sie in sehr übler Lage, und in steter Furcht, entdeckt zu werden, gemacht sind. Die Ermüdung durch eine ununterbrochene Reise schwächt überdieß das Gesicht. Die Beobachtungen, welche mir das größte Vergnügen gemacht haben, sind die, welche ich mit äußerster Sorgfalt vom 17 bis 21 Pluviose über die Lage von Valenzia und vom alten Sagunt angestellt habe. Würden Sie wol glauben, daß eine Stadt von mehr als 80000 Einwohnern noch um 2' in den Spanischen Karten umherirrt? Valenzia: der Jesuit Cassans in seiner schönen Karte des Königreichs Valenzia gibt ihre Breite 39° 29'. Tosca, sein Nachfolger, dem Villanova in dem Werke gefolgt ist: Curso del nuevo planeta Hersel, das 1785 unter dem angenommenen Namen Manuel Munnoz de Vigastro herauskam, 39° 34'. Man glaubt in Valenzia, daß Cassans und Tosca gerathen haben. ohne selbst zu beobachten. Tofino in seinem See-Atlas, in der Karte de la Costa desde Cabo de Gata hasta Cabo de Oropesa, bestimmt diese Breite auf 39° 26' 45". Auf einmahl sieht man daher diese Stadt 7' 15" weiter südlich versetzt! Ich habe meine Beobachtungen mit der größten Sorgfalt berechnet; unter 20 geben 15 die Breite für die Mitte der Stadt bey Santa Tecla, wo ich beobachtete, zwischen 39° 28' 40" und 39° 29' 5". Die schlechtesten bestimmen sie immer noch zu 39° 28' 30" und 15". Der P. Cassans hat am besten gerathen. Es scheint sehr außerordentlich, wie ein so geschickter Astronom, als Tofino, sich um zwey Minuten hat irren können, da er doch mit großen Quadranten arbeitete. Doch habe ich einen ähnlichen Fall in Salzburg gesehen, wo ein Quadrant seit langer Zeit die durch die Karten bestimmte Breite 47° 46' angab, da ich sie doch mit dem Sextanten stets zu 47° 48' 2" fand, eine Angabe, die seitdem völlig bestätigt worden ist. Die Uebereinstimmung zwischen den Sirius- und Sonnen-Beobachtungen läßt mich nicht fürchten, daß der Irrthum auf meiner Seite seyn möge. Hätte ich den künstlichen Horizont nicht gut gestellt, und ein Irrthum von 4' bey einem Niveau, das 2,"5 Veränderung anzeigt, ist hier fast unmöglich, so würde doch auch keine Uebereinstimmung in den Beobachtungen mehrerer Tage Statt finden. Hätte sich die Fläche des Spiegels verändert, warum fand ich zu Barcelona, zu Monserrat, zu Balaguet und seitdem am 14 Ventose zu Madrid die Breite genau, wie sie die berühmtesten Astronomen bestimmt haben? Ein Instrument kann in Unordnung gerathen, aber vermag es, sich von selbst wieder zu verbessern? Auch war der Collimations-Fehler zu Valencia + 10", zu Barcelona + 2", zu Madrid + 8"; ein Beweis, daß der Sextant nicht einmahl durch die Stöße des Wagens gelitten hatte. Espinosa, der mit Tofino gearbeitet hat, und dem man sehr schätzbare Beobachtungen während seiner Reise um die Welt schuldig ist, versicherte mich, daß Tofino in Valenzia selbst nicht beobachtete, sondern seine Lage nur aus einigen, im Innern des Landes geworfenen Triangeln geschlossen habe. Mein Chronometer hat mir die Länge von Valenzia zu 11' 12" durch die Sonne gegeben, und 11' 7" durch Sirius. Tofino bestimmt die Länge 10' 42". Das erstemahl, als ich die Ruinen des alten Sagunt, das Schloß von Murviedro, besuchte, verhinderten mich Wolken, Beob. anzustellen. Ich kehrte am 12 Pluv. dahin zurück, und setzte meinen Horizont ungefähr 200 Metres südwärts vom Amphitheater auf die Ruinen des Dianen-Tempels, und fand die Breite von Murviedro oder Sagunt 39° 40' 40". Tofino hat sie 39° 40' 10" . Die Länge ist 10' 14" westl. Am 14 Ventose fing ich meine Beob. zu Madrid an, in dem Pallast des Herzogs von Infantado, 200 Toisen südwärts von der Plaza major. Meine ersten Beob. gaben mir die Breite im Mittel 40° 24' 42". Eine größere Zahl anderer Beob. läßt mich vermuthen, daß die Breite von Madrid wol etwas unter 40° 25' 18" seyn möge. Chaix wird diese Ungewißheit bald heben, da ihm die Regierung den Auftrag gegeben hat, die Länge und Breite der Hauptstadt auf das schärfste zu bestimmen. Mein Chronometer hat mir die Länge gegeben 24' 34". Die Conn. d. temps hat 24' 8". Bey meinem letzten Ausenthalt in Aranjuez glaubte ich die Länge dieses Orts sehr genau bestimmen zu müssen, da die Karten sie so unrichtig angeben, unerachtet der Nähe der Hauptstadt. Ich fand dort die Zeit auf 6 bis 8" genau; Chaix gab mir die Madrider Zeit, die bis auf 0,"2 genau war, damit ergab sich Mittags-Unterschied zwischen Madrid und Aranjuez 23,"8. Da ferner Madrid und Paris = 24' 8", so ist die Länge von Aranjuez 23' 44" von Paris. Die Breite von Aranjuez ist beynahe bis auf 45" unsicher geblieben, da in diesen Gegenden die Sonne im Mittag zu hoch steht, um sie mit dem Sextanten beobachten zu können. Einzelne absolute Höhen der Sonne, die ich mit Chaix berechnet habe, geben, daß die Breite von Aranjuez wahrscheinlich 40° 0' 0" seyn möge. Durch Azimuthal-Beobachtungen habe ich die Abweichung der Magnet-Nadel im Floreal gefunden für Madrid 22,G 2, für Aranjuez 21,G 58. Das ist das Wenige, was ich Ihnen in diesem Augenblicke schicken kann. Ich reise in drey Tagen für die Havana und Mexiko ab, und werde dort fleißig mit meinen Bird'ischen Quadranten beobachten. Nehmen Sie das Wenige mit Nachsicht auf, und mit der Erinnerung, daß ich noch andere Zwecke als Astronomie zu verfolgen habe....