Alexander von Humboldt an den Herausgeber aus Corunna am 5. Jun. 1799. Die Stellen S. 373 n. 78 und S. 392 waren ſchon abgedrukt, als dieſer Brief eingieng. d. H. Von Marſeille aus nahm ich Abſchied von Ihnen, weil ich nach Alger abzugehen, das Atlasgebirg zu ſtudiren, und mit der Caravane von Mecha den Landweg nach Cairo einzuſchlagen gedachte. Daſſelbe ungünſtige Schikſal, welches meine Reiſe um die Welt mit Cap. Baudin vereitelte, verfolgte mich auch dort. Der zwiſchen Alger und der Republik ausbrechende Krieg machte Africa unzugänglich für mich, und meinem Plane, eine groſſe naturhiſtoriſche Reiſe zu unternehmen, getreu, lief ich bis an’s Ende von Europa. Ich rechnete damals, als ich nach Spanien kam, nur auf eine ſichere Ueberkunft nach Marocco. Aber die liberale Art, mit der mich der neue, und junge Staatsminiſter D. Mariano de Urquijo aufnahm, die ausgezeichnete Gnade, mit der mir der König und die Königin perſönlich begegneten, ließ mich bald mehr hoffen. Der Sächſiſche Geſandte, Baron v. Forell, ein vortreflicher Mineraloge, und Beſizer eines ſehr intereſſanten geognoſtiſchen Cabinets, verſchaffte mir die Erlaubniß, mit allen meinen Inſtrumenten die ſpaniſchen Colonien zu beſuchen. Der König äuſſerte mir noch, als ich mich ihm zum Abſchiede am Hoſe zu Aranjuez zeigte, wie gern er zu nüzlichen wiſſenſchäftlichen Zweken behilflich ſey. Ich trete demnach mit den herrlichſten Empfehlungen, und unter tauſend günſtigen Vorbedeutungen meine groſſe Reiſe an. In wenigen Stunden (das iſt pünctlichſt wahr – ich wollte Ihnen noch einen recht langen Brief ſchreiben; aber der Wind hat ſich plözlich günſtig geändert) ſegeln wir um das Cap Finisterre. Wir landen in Lancelotte, Teneriffa, an der Küſte Carraccas, und zulezt in Trincolad, einem ſüdlichen Haſen von Cuba, von wo wir (der franzöſiſche Botaniſt Bonpland, vom Muſée ebenfalls zu Baudin’s Reiſe um die Welt beſtimmt, begleitet mich) zu Lande nach der Havana reiſen. Wie, in welcher Folge ich meine Plane ausſühre, iſt von hier aus ſchwer zu beſtimmen; wahrſcheinlich Vera Cruz, das Gebirge von Tlascala, dann Mexiko, Californien, Guatimala, den für die Geognoſie ſo wichtigen Iſtthmus von Panama, Neugranada ſamt dem Vulcan von Tonguragua (der 1797 an 16000 Menſchen das Leben koſtete, mehr durch heiſſes Waſſer, als durch Laven) dann Peru ... Ich werde Pflanzen und Foßilien ſammeln, mit einem vortreflichen Sextanten von Ramsden, einem Quadrant von Bird, und einem Chronometer von Louis Berthoud werde ich nüzliche aſtronomiſche Beobachtungen machen können; ich werde die Luft chemiſch zerlegen. – dieß alles iſt aber nicht Hauptzwek meiner Reiſe. Auf das Zuſammenwirken der Kräfte , den Einfluß der unbelebten Schöpſung auf die belebte Thiere- und Pflanzenwelt; auf dieſe Harmonie ſollen ſtäts meine Augen gerichtet ſeyn. Der arbeitſame Menſch muß das Gute und Groſſe wollen. Ob er es erreiche, hängt von dem unbezwungenen Schikſale ab. Ich arbeite noch immer unausgeſezt an meinem Werke über die Conſtruction des Erdkörpers, das aber ſchlechterdings erſt nach meiner Rükkunft erſcheinen ſoll. Ich habe nun den gröſſern Theil von Europa geſehen, und erſtaune immer mehr über die bewundernswürdige Einfachheit der Conſtruction. Drey bis vier Schichten kann man von Moscau bis Cadiz, von Schweden bis Akruim im Mittelägypten verfolgen. Im Königreich Leon habe ich ſogar, ganz wie am Harz, und bey Servoz in Savoyen unſere Grauwake unter dem alten Flözkalkſtein (Zechſtein-Alpenkalkſtein) hervorkommen ſehen. In Madrid geſchieht izt viel für die Mineralogie. Prof. Herrgen, der den Wiedemann überſezt hat, legt neben dem groſſen königl. Cabinete eine kleine oryctognoſtiſche Sammlung zum Unterricht an. Er wird Ihnen nächſtens ſchreiben, und wünſcht ſehr in Verkehr mit Ihnen zu treten. Prouſt kömmt von Segovia nach Madrid in eine thätige Lage. Wenige Chemiſten haben ſo viel zerlegt, und gearbeitet, als er. Leider! macht er wenig bekannt – aus Beſcheidenheit, nicht um es zu verheimlichen. Der König läßt izt ein prächtiges Laboratorium für ihn bauen.