Abhandlung uͤber die dreyfache Verbindung aus Phosphor, Stickſtoff und Sauerſtoff, oder uͤber das Daſeyn der Phosphures d’azote oxidés. Vom Herrn Fr. Al. v. Humboldt, Koͤnigl. Preuß. Oberbergrath. Unter allen Erſcheinungen, welche die pneumatiſche Chemie darbietet, giebt es wenige, welche ſo viel Aufmerkſamkeit verdienten, als die dreyfachen Verbindungen der Stoffe. Wenn es bey der Zerlegung thieriſcher und vegetabiliſcher Koͤrper ſchwer iſt, die Grundlagen, welche die Saͤuren, die Gallerten, den Eyweißſtoff oder die Schleime zuſammenſetzen, zu beſtimmen, ſo nimmt dieſe Schwierigkeit noch zu, wenn dieſe drey- oder vierfachen Verbindungen nur im gasartigen Zuſtande vorkommen. Der Schwefel, die Kohle und der Arſenikkalk loͤſen ſich in dem Waſſerſtoffgas auf. Es ſcheint, daß der Schwefel in dem Stickſtoffgas aufloͤslich ſey. Als ich vielen Schwefel ſehr langſam in einer atmoſphaͤriſchen Luft, welche nur 0,16 Sauerſtoff enthielt, verbrannt hatte, fand ich den Ruͤckſtand zwey Tage lang durchſichtig; am dritten, wo die Temperatur des Zimmers bis auf — 5° des hundertgradigten Thermometers fiel, uͤberzogen ſich die Waͤnde der Glocke, welche das Stickſtoffgas enthielt, mit einem gelben Staub; es war ſehr reiner Schwefel, der ſich aus ſeiner gasartigen Aufloͤſung niederſchlug. Als ich mich mit der Zerlegung der Bergſchwaden beſchaͤftigte, ſammelte ich in den Ritzen eines Eiſenganges eine Miſchung von Waſſerſtoff-Stickſtoff- und Kohlenſtoffſaurem Gas. Die Flaſche, welche dieſe Miſchung enthielt, war klar und durchſichtig; in Schnee geſtellt, uͤberzog ſie ſich inwendig mit einem gelben Eiſenkalk: dieſer Schwaden hielt alſo Metall aufgeloͤſt . Wenn es nur mechaniſch damit gemiſcht war, warum ſchied es ſich nur bey der Temperatur des Gefrierpunkts daraus ab? Die Kohlenſtoffſaͤure, welche ich aus Bier und Champagner-Wein entbunden hatte, ließ bey der Erkaͤltung Weingeiſttropfen fallen. Der Buͤrger Chaptal hat aͤhnliche Phaͤnomene beobachtet , und der Buͤrger Guyton iſt mit mir einig, daß die reizenden und ſtaͤrkenden Wirkungen, die man der Kohlenſtoffſaͤure zugeſchrieben hat, groͤßtentheils auf Rechnung des Alkohols der Alkalien und der andern Stoffe kommen, welche ſie aufgeloͤſt zu halten ſcheint. Hier haben wir eine Menge feſter Subſtanzen, die, indem ſie ſich mit den Gasarten verbinden, ſo zu ſagen, ſich unſern Unterſuchungen entziehen. Das Waſſerſtoffgas, welches ich in den Bergwerken ſammelte, fand ſich mit Stickſtoff vermiſcht. War das Eiſen in dem Waſſerſtoff aufgeloͤſt, oder muß man eine dreyfache Verbindung aus Eiſen, Waſſerſtoff und Stickſtoff annehmen? War der Alkohol, welcher ſich aus einigen Arten des kohlenſtoffſauren Gaſes entbindet, vorher ſchon gebildet, oder muß man dieſe Gasarten als Acides carboniques hydrogènés betrachten? Auf dieſelbe Art, wie ſich die Kohle in dem Waſſerſtoffgas aufloͤſt, um kohlenſtoffhaltiges Waſſerſtoffgas zu bilden, koͤnnte ſich ein kleiner Antheil Waſſerſtoff in der mit dem Sauerſtoff verbundenen Kohle aufloͤſen. Dieſe dreyfachen gasartigen Verbindungen aus Waſſer- Kohlen- und Sauerſtoff werden nach dem relativen Verhaͤltniß ihrer Grundlagen und dem Grad von Verwandtſchaft, welche die leztern gegen ſich wechſeltig ausuͤben, verſchiedene Eigenſchaften darbieten. Die naͤmliche gasartige Verbindung wird ſich bald der Natur einer Saͤure mit zweyfacher Grundlage, bald der des Alkohols, des Aethers oder des ſuͤßen Weinoͤhls naͤhern koͤnnen. Eine bloße Veraͤnderung der Temperatur wird hinreichen, die verſchiedenen Zuſtaͤnde hervorzubringen; und durch dieſelben Mittel, welcher wir uns zur Zerlegung unbekannter Verbindungen bedienen, zerſtoͤren wir oft das, was wir uns unſern Unterſuchungen zu unterwerfen ſchmeicheln. Die ſchoͤne Abhandlung, welche die Buͤrger Fourcroy und Vauquelin uͤber die Bildung des Aethers vorgelegt haben , beſtaͤtiget meine Gedanken vollkommen. Metalle in Gasarten aufgeloͤſt, ſind ein fuͤr die Meteorologie und Mineralogie aͤußerſt intereſſanter Gegenſtand. Es iſt eine ſehr erwieſene Thatſache, daß die Feuerkugeln oft Stuͤcken halbverſchlacktes Eiſen fallen laſſen. Befindet ſich wohl dieſes Eiſen in den hoͤchſten Schichten der Atmoſphaͤre im gasartigen Zuſtand? Erhebt es ſich mit dem Waſſerſtoffgas, welches die Moraͤſte in Ueberfluß ausdunſten? — Die Mineralogen kennen die ſchoͤnen Gruppen von Bergkryſtall oder Kalkſpath, die blos auf einer Seite mit Kieß oder Bleyglanz uͤberzogen ſind. Ihr Anſehen leitet auf den Gedanken eines Hauchs, welcher dieſe metalliſchen Stoffe abgeſezt, und nur die eine Seite der Kryſtallen getroffen hat. War dieſer Hauch wohl ein Luftſtrom von metallhaltigem Waſſerſtoffgas? Ich gebe dieſe Gedanken fuͤr nichts, als fuͤr auf die Analogie chemiſcher Erſcheinungen gegruͤndete Anſichten aus. Es iſt indeſſen Zeit, die Geologie der Phyſik und Chemie zu naͤhern. — Die electriſchen Regen enthalten Kalkerde. Wenn dieſes Regenwaſſer ſich aus Waſſerſtoff und Sauerſtoff bildet, ſo iſt zu unterſuchen, wie dieſe Erde in der atmoſphaͤriſchen Luft vorhanden iſt. v. H. S. deſſen Anfangsgruͤnde der Chemie V. I. S. 234. Von der Aufloͤsbarkeit der Metalle in Gasarten ſprechen auch ſehr beſtimmt: Prieſtley (ſ. deſſen exp. on diff. kinds of air, neue Ausgabe von 1790. S. 178-180.) Watt (in Beddoes considerat. on factitious airs Vol. II. S. 210. 212. 213. Vol. V. S. 7. 9. 35. Sennebier (ſ. deſſen analyt. Unterſ. der brennb. Luft. Leipz. 1785. S. 190.). Nicolas, der die Aufloͤſung des Queckſilbers im kohlenſtoffſauren Gaſe ſogar mit Erfolg in veneriſchen Krankheiten anwendete (ſ. Hist. de la soc. roy. de Médecine de Paris. p. 1777 et 78. S. 290. der Crell’s neueſte Entd. B. V. S. 99. f.) S. Sie befindet ſich aus den Annales de Chimie T. XXIII. No. 68. (Aug. 97.) S. 203-215. in Nicholſon’s Journal of natural philosophy Vol. I. No. 9. (Novemb. 1797.) S. 385-394. und in Trommsdorff’s Journ. d. Pharmacie B. VI. St. 1. S. 189- 202. mitgetheilt. Sie wurde am 28. Ventoſe des 5. Jahres in der Société des Pharmaciens von Vauquelin vorgeleſen (ſ. das Journ. dieſer Soc. T. I. S. 1.) und im Auszuge ebendaſelbſt No. IV. (18. Jul. 97.) S. 29-31. mitgetheilt. S. Es wuͤrde ein weit uͤber meine Kraͤfte gehendes Unternehmen ſeyn, die Art zu beſtimmen, auf welche ſich die große Anzahl der dreyfachen Verbindungen bildet, welche uns die pneumatiſche Chemie darbietet. Man kann ſogar ohne Verwegenheit ſagen, daß es noch lange dauern werde, bis wir die Materialien geſammelt haben werden, um dieſe Arbeit zu wagen. Ich hoffe ihre Anzahl zu vermehren, wenn ich die Beobachtungen darlege, welche das Daſeyn der Phosphures d’azote oxidés zu beweiſen ſcheinen. Bey meiner mehrjaͤhrigen Beſchaͤftigung mit der genauen Analyſe der Atmoſphaͤre und mit den verſchiedenen Eudiometern, von denen ich die Grenzen zu beſtimmen ſuche, bis zu welchen ſie irre fuͤhren koͤnnen, fand ich, daß das Stickſtoffgas, welches man bey der Zerlegung der Atmoſphaͤre durch den Phosphor erhaͤlt, ſehr oft einen Antheil Sauerſtoff enthaͤlt, den man ihm durch keine Verwandtſchaft der ſaͤurefaͤhigen Baſen entziehen kann. Das atmoſphaͤriſche Gas, mit welchem ich arbeitete, enthielt 0.274 Sauerſtoff, 0.008 Kohlenſtoffſaͤure, 0.718 Stickſtoff. 1.000 Dieſe Zerlegung war durch die beyden Mittel des Salpetergaſes und des Schwefelkali geſchehen. Die Zahl 0.274 war das Mittel aus den Reſultaten von fuͤnf Verſuchen, welche nur um ein Hundertheil von einander verſchieden waren. Ich entwickelte ein Salpetergas, welches zu Folge der Pruͤfung mit der Aufloͤſung des ſchwefelſauren Eiſens und der Salzſaͤure, 0.18 Stickſtoffgas enthielt. Als ich 100 Theile atmoſphaͤriſcher Luft in der Roͤhre des Eudiometers mit 100 Theilen Salpetergas vermiſchte, blieben nur 103 Theile zuruͤck; dieſer Ruͤckſtand wurde mit ſchwefelſaurem Eiſen gewaſchen: der Umfang nahm bis auf 85 Theile ab, und nach Abzug der 13 in dem Salpetergas vorher ſchon enthalten geweſenen Theile von dieſen 85 Theilen fand ich 72 Theile; d. i. [Formel] Stickſtoffgas, als den Gehalt der unterſuchten atmoſphaͤriſchen Luft. Dieſe Methode, die Sauerſtoffsmenge zu beſtimmen, welche ich im lezten Winter fand, und deren Grundſaͤtze hier auseinander zu ſetzen, zu weitlaͤuftig ſeyn wuͤrde, iſt unendlich gewiſſer, als die, deren ſich die Chemiker bis jezt bedienten. Kennt man einmal den Grad der Azotation (Azotation) des angewandten Salpetergaſes, weiß man, daß es die Grenzen von 0.10 Stickſtoff nicht uͤberſchreite, ſo darf man nur die Zahl der in der eudiometriſchen Roͤhre abſorbirten oder vernichteten Theile durch 3.55 dividiren: der Quotient giebt die Menge des atmoſphaͤriſchen Sauerſtoffs in Tauſendtheilen an . Dieſe Zahl 3,55 gruͤndet ſich auf das Verhaͤltniß 2.55:1 (d. i. daß 2 [Formel] Theile Salpetergas 1 Theil Sauerſtoffgas verſchlucken), ein Verhaͤltniß, welches das Reſultat einer Arbeit iſt, die ich der erſten Klaſſe des National-Inſtituts in den Sitzungen am 6ten und 11ten Prairial des 6. Jahres vorgelegt habe. v. H. Die uͤber das naͤmliche atmoſphaͤriſche Gas mit der Aufloͤſung des Schwefelkali angeſtellten Verſuche ſtimmten vollkommen mit dem oben erzaͤhlten uͤberein. Dieſe Aufloͤſung verſchluckte in drey Tagen in einer Roͤhre A. 0.21, in der andern B. 0.23 Sauerſtoff. Da ich zu Folge einer andern Arbeit wußte, daß die Ruͤckſtaͤnde 0.79 und 0.77 nicht reines Stickſtoffgas ſeyen, ſo zerlegte ich ſie von neuem durch das Salpetergas: der Ruͤckſtand aus A gab 18, die Roͤhre B 13 Theile Verminderung, welche von 0.05 und 0.037 Sauerſtoff bewirkt wurde. Die Zerlegung gab alſo ebenfalls beynahe [Formel] als den Sauerſtoffgehalt der atmoſphaͤriſchen Luft an. Die Menge der Kohlenſtoffſaͤure wurde in einem Inſtrument geſchaͤzt, welches: vermittelſt einer communicirenden Roͤhre [Formel] eines Kubikzolles unterſcheidet, ich habe dieſes Inſtrument dem National-Inſtitut in der Sitzung vom 11. Prairial vorgelegt. Nachdem ich mich hinlaͤnglich von der Natur des Gaſes, mit dem ich arbeitete, verſichert hatte, ſezte ich Phosphor in Beruͤhrung mit demſelben. Die Roͤhre, welche ich anwendete, hatte nur 8 bis 16 Millimeters im Durchmeſſer. Das Verhaͤltniß des Phosphors war dem Luftraum, welcher ihn umgab, angemeſſen; er wurde mehreremal des Tages abgewaſchen, um aufs neue auf den atmoſphaͤriſchen Sauerſtoff wirken zu koͤnnen. Die Temperatur des Zimmers war zwiſchen 16 und 20° des hundertgradigten Thermometers. Nach einer Zeit von neun Tagen maaß ich die verſchluckten Raͤume, wobey ich gehoͤrige Ruͤckſicht auf die Veraͤnderungen der Elaſticitaͤt und der Temperatur nahm. Fuͤnf Roͤhren lieferten Abſorbtionen von 0.12, 0.17, 0.18, 0.20, 0.22. Die Ruͤckſtaͤnde mußten alſo noch [Formel] bis [Formel] Sauerſtoff enthalten. Ich eilte, ſie durch das Salpetergas zu zerlegen; zu meinem großen Erſtaunen entdeckte dieſes Gas nur 0.04, 0.03, 0.05, 0.06, 0.01 Sauerſtoff. Was war aus den 0.11 und 0.07 Sauerſtoff in der erſten und zweyten Roͤhre geworden? Eine große Anzahl von Verſuchen hat mir die naͤmlichen Reſultate gegeben. Der Phosphor leuchtete oft vom dritten oder vierten Tage an nicht mehr. Ich glaubte, ein ſehr reines Stickſtoffgas erhalten zu haben, aber faſt immer entdeckte das Salpetergas noch einige Hunderttheile Sauerſtoff-Ruͤckſtaͤnde der atmoſphaͤriſchen Luft, in welchen der Phosphor nicht rauchte, obgleich die Roͤhre halb gluͤhend gemacht worden war, ſie roͤtheten das Salpetergas: ſie enthielten alſo den Sauerſtoff in einem Zuſtand chemiſcher Bindung, welcher ihm , nicht der Phosphor, wohl aber die Grundlagen des Salpetergas zu entziehen im Stande ſind. Das wichtige Phaͤnomen, daß der Phosphor beſtaͤndig weniger Sauerſtoff in der Atmoſphaͤre angiebt, als das Salpetergas, war der Scharfſichtigkeit des Buͤrgers Guyton nicht entgangen; er bemerkt (Encyclopéd. Vol. I. p. 709.) daß der Phosphor niemals uͤber 0.20. verſchlukke: und indem er den Ruͤckſtand nicht durch das Salpetergas zerlegt hatte, ſchrieb er die Urſache dieſer geringen Verſchluckung der Bildung einer gasartigen Phosphorſaͤure zu. Der Zuſtand der chemiſchen Kenntniſſe erlaubte dieſem beruͤhmten Chemiker damals nicht, die Aufloͤſung des Phosphors in dem Stickſtoffgas dafuͤr anzugeben, welche er jezt anzunehmen nicht anſteht. Am erſten und funfzehnten Meſſidor ſtellte ich im Laboratorium der Agence des mines unter den Augen Vauquelin’s folgende Verſuche an; ich brachte atmoſphaͤriſche Luft (deren Sauerſtoffgehalt man 0.27 befunden hatte) mit Phosphor in drey Roͤhren A, B und C in Beruͤhrung; der erſte verſchluckte in zehn Tagen, 0.115, der zweyte 0.103, der dritte 0.156: die Temperatur des Laboratoriums war zwiſchen 18 und 24° des hunderttheilchen Thermometers, und die Roͤhre C, welche 2 Centimeters im Durchmeſſer hatte, war ſo geſtellt, daß die brennnenden Strahlen der Sonne ſie einige Stunden lang trafen. Der Mangel an Abſorbtion kam keinesweges von einer oxydirten Rinde her, die ſo oft den Phosphor braun macht; denn, als wir die lezte dieſer Roͤhren wegnahmen, ſahen wir ihn bey der Beruͤhrung mit der atmoſphaͤriſchen Luft dampfen. Die durch das Salpetergas und das Schwefeleiſen (Sulfure de fer) genau zerlegten Ruͤckſtaͤnde der drey Roͤhren gaben fuͤr A, 0.03, fuͤr B, 0.05, fuͤr C, 0.01 Sauerſtoff an: folglich war die atmoſphaͤriſche Luft in A an Sauerſtoff 0.145, in B 0.153 und in C 0.166 Sauerſtoff befunden worden. Der Ruͤckſtand der lezteren mußte noch [Formel] Sauerſtoff enthalten, die ihm das Salpetergas nicht entziehen konnte: wir brachten Phosphor in dieſelbe. Bey der Annaͤherung eines Lichts ſchmolz er, ſtatt ſich zu entzuͤnden, oder zu rauchen, tropfenweiſe, indem er an den Waͤnden des Apparats haͤngen blieb. Das wenige Salpetergas, das mit dieſem ſogenannten Stickſtoffgas gemiſcht war, verhinderte gewiß das Verbrennen des Phosphors nicht; denn ich habe dieſe Verbrennung in einem ſehr unreinen Salpetergas beobachtet, welches in der Geſchwindigkeit, ohne davon die in der Retorte enthaltene atmoſphaͤriſche Luft zu ſcheiden, bereitet worden war. Dieſelben Erſcheinungen zeigten ſich in dem Ruͤckſtand der Luft, in welcher der Phosphor gebrannt hatte. Es geſchieht unendlich ſelten, daß ſich dieſe ſaͤurefaͤhige Subſtanz alles des mit dem Stickſtoff gemiſchten Sauerſtoffs bemaͤchtiget. Ich bin ſeit drey Monaten, in Vereinigung mit Hr. Goͤdeking , Eleven des beruͤhmten Klaproth, beſchaͤftiget, alle Abende, Phosphor in Reboul’s Eudiometer verbrennen zu laſſen: wir ſind dahin gelangt, die Fehler deſſelben durch Erweiterung der Roͤhre, mit welcher die Kugel vereiniget iſt, zu vermindern; auf dieſe Art entfernt ſich die in der Kugel enthaltene atmoſphaͤriſche Luft bey der Ausdehnung durch die Waͤrme wenig von dem Phosphor; die Zerſetzung iſt ſchneller und vollkommener: jedoch ſahen wir in einer großen Anzahl dieſer Verſuche (ich wage ſie wenigſtens auf achthundert zu ſchaͤzzen) nur drey bis viermal Abſorbtionen von 0.27 bis 0.28 Sauerſtoff. Die meiſten Male gab das Phosphor- Eudiometer nur 18 bis 20 Sauerſtoff in der Atmoſphaͤre an, eine Unreinheit, zu welcher ſie in unſern Climaten nicht herabkoͤmmt. Das Salpetergas entdeckte faſt beſtaͤndig in dem Ruͤckſtand des Reboul’ſchen Endiometers einige Hunderttheile Sauerſtoff, ſelten aber den ganzen Antheil, welcher, nach einer auf andere genaue Verſuche gegruͤndeten Berechnung in ihm enthalten iſt. Ich habe ſogar Faͤlle geſehen, in welchen das Salpetergas den Raum dieſes unreinen Stickſtoffgaſes ganz und gar nicht verminderte. Ich ließ Phosphor in einem atmoſphaͤriſchen Gas, welches nach den Verſuchen des Hrn. Jacquin uͤber 0.26 Sauerſtoff enthielt, verbrennen; der Phosphor verſchluckte nur 0.16; dieſer in die Fontana’ſche Roͤhre gebrachte Ruͤckſtand erlitt durch das Salpetergas keine Veraͤnderung: man wuͤrde mit einem ſehr reinen Stickſtoffgas zu thun geglaubt haben; und dennoch hielt es [Formel] Sauerſtoff verborgen. Muͤnzmeiſter in Bayreuth. S. Ich beſitze ein ſolches Eudiometer, wovon ich, im Fall uns der Herr v. H. nicht noch eine Beſchreibung liefern ſollte, eine Zeichnung dieſem Journale bald beyfuͤgen werde. S. Da die neuern Chemiker entdeckt haben, daß das Stickſtoffgas den Phosphor bey einer Temperatur von 10 bis 12° aufloͤſt; ſo koͤnnte man glauben, daß wenn in Reboul’s Eudiometer, ſo wie in Scheele’s und Berthollet’s von 100 Theilen atmoſphaͤriſcher Luft nur 86 zuruͤckbleiben, die Abſorbtion des Sauerſtoffs demnach groͤßer als 14 ſey; weil das Stickſtoffgas, indem es den Phosphor aufloͤſt, ſich um 0.10 bis 0.12 ausdehne: bey dieſer Vorausſezzung wuͤrden 0.26 Sauerſtoff verſchluckt worden ſeyn, waͤhrend der Umfang des Ruͤckſtandes nur 0.14 anzuzeigen ſchien. Eben ſo hatte in dem in Geſellſchaft des Buͤrgers Vauquelin angeſtellten Verſuche die Roͤhre C vielleicht 0.26 anſtatt 0.16 verſchluckt; und die 84 Theile Ruͤckſtand, weit entfernt 0.10 Sauerſtoff, welche in dem Stickſtoffgas verborgen zu ſeyn ſchienen, zu enthalten, waren nichts als 74 Theile durch die Aufloͤſung des Phosphors um [Formel] ausgedehntes Stickſtoffgas. Dieſe Zweifel mußten nothwendig durch Verſuche entfernt werden. Ich bereitete Stickſtoffgas, ſowohl durch Behandlung thieriſcher Subſtanzen mit Salpeterſaͤure, als durch Wegnahme des Sauerſtoffs aus der atmoſphaͤriſchen Luft durch das Salpetergas; dieſes leztere, nachdem es mit der Aufloͤſung des ſchwefelſauren Eiſens abgewaſchen war, war noch reiner als das erſte: der Phosphor leuchtete nicht darinn; ich ließ ihn 10 bis 15 Tage darinn; niemals ſah ich den Umfang des Stickſtoffgaſes bemerkbar veraͤndert; denn Unterſchiede von 0.01 oder 0.015, ſind zu klein, um ſie bleibenden Urſachen zuzuſchreiben. Oft entbindet ſich Sauerſtoff, der in den Zwiſchenraͤumen des Waſſers enthalten war. Kleine Irrthuͤmer ſind in ſo delikaten Verſuchen nicht zu vermeiden. Indeſſen blieb der Umfang des Stickſtoffgaſes im Allgemeinen derſelbe, ob ſich gleich eine ſehr betraͤchtliche Menge Phosphor darinn aufgeloͤſt befand; denn, als eine Blaſe Sauerſtoffgas in die Roͤhre gelaſſen wurde, ſo wurde die ganze Geraͤthſchaft mit Licht erfuͤllt, obgleich der Phosphor in Subſtanz zuvor herausgenommen worden war. Andere Beobachtungen unterſtuͤtzen dieſe Thatſachen. Der Phosphor z. B. hatte in zwey Roͤhren 0.17 und 0.19 Sauerſtoff verſchlukt. Der Ruͤckſtand der zweyten erlitt, mit Salpetergas in Beruͤhrung gebracht, keine Verminderung des Umfangs. Der Ruͤckſtand der erſten gab eine neue Abſorbtion von 0.09 Sauerſtoff. Da man von der unterſuchten Luft wußte, daß ſie 0.27 Sauerſtoff enthielt, muß man aus dieſen Verſuchen nicht ſchließen, daß der zweyte Ruͤckſtand 0.08 Sauerſtoffgas verſteckt hielt, waͤhrend das Salpetergas dem erſten allen Sauerſtoff bis auf [Formel] entzog? Es iſt ſehr unwahrſcheinlich, daß der leztere ſich zufaͤllig um 0.08 ausgedehnt habe, waͤhrend ein direkter Verſuch beweißt, daß in dem erſten die Vergroͤßerung des Umfangs nur von einem Ruͤckſtand von 0.09 Sauerſtoff, welchen Fontana’s Eudiometer entdeckte, herruͤhrte. Ich beſchließe die Aufzaͤhlung dieſer Thatſachen mit einer Tafel aͤhnlicher Verſuche, die ich in meinem chemiſchen Tagebuch angemerkt finde: Sauerſtoff, den die unterſuchte Luft enthielt. Sauerſtoff, der durch den Phosphor weggenommen wurde. Sauerſtoff, den das Salpetergas in dem Ruͤckſtand entdeckte. Sauerſtoff, welcher in dem Ruͤckſtand verſteckt blieb. 0.27 0.18 0.02 0.07 0.27 0.12 0.06 0.09 0.28 0.10 0.13 0.05 0.28 0.19 0.07 0.02 0.28 0.14 0.06 0.08 0.28 0.12 0.03 0.13 0.27 0.09 0.10 0.08 0.27 0.08 0.09 0.10 0.28 0.15 0.08 0.05 0.27 0.23 0.01 0.03 0.27 0.09 0.14 0.04 0.28 0.20 0.00 0.08 0.26 0.15 0.03 0.08 0.26 0.17 0.05 0.04 0.28 0.12 0.08 0.08 0.27 0.18 0.00 0.09 0.27 0.20 0.02 0.05 Unter 17 mit beſonderer Sorgfalt angeſtellten Verſuchen war nicht ein einziger, in welchem die beyden ſaͤurefaͤhigen Grundlagen des Phosphors und des Salpetergaſes dem Stickſtoff allen Sauerſtoff haͤtten entziehen koͤnnen. Es bleibt uns uͤbrig, zu unterſuchen, in welchem Zuſtand ſich dieſer Sauerſtoff befindet, welchen uns der ſchaͤrfſte Calcul, als in dem Ruͤckſtand der Eudiometer Reboul’s und Scheele’s verborgen, angiebt. Dieſes Problem kann nur durch analogiſches Raiſonnement geloͤſt werden. Der in dem Stickſtoffgas enthaltene Sauerſtoff aͤußert keine dem freyen Sauerſtoff zukommende Wirkung; man muß ſchließen, daß er ſich darinn mit andern Stoffen chemiſch gebunden befinde. Der Phosphor loͤſt ſich in dem Stickſtoffgas auf, es iſt wahrſcheinlich, daß ein Theil des atmoſphaͤriſchen Sauerſtoffs ſich mit dieſem Phosphure d’azote verbindet, um in den Zuſtand eines gasartigen Oxyds mit zweyfacher Grundlage uͤberzugehen. Wenn man von neuem Phosphor in den Ruͤckſtand bringt, ſo wird er ſich nicht entzuͤnden koͤnnen, da er dem Sauerſtoff in demſelben Grade verwandt iſt, in welchem ſich der leztere bereits gebunden befindet; das Salpetergas hingegen zerſezt das Phosphure d’azote oxidé, indem es ihm ſeinen Sauerſtoff entzieht; dieſe Zerſetzung aber geſchieht nur zum Theil; und faſt immer ſind die lezten Hunderttheile Sauerſtoff ſo innig mit dem Stickſtoff und dem Phosphor gemiſcht, daß ihre Abſorbtion durch einfache Wahlverwandſchaft nicht bewirkt werden zu koͤnnen ſcheint. Wenn die Verbrennung des Phosphors ſehr ſchnell geſchieht, ſo wird dem Stickſtoff aller Sauerſtoff entzogen, ehe ſich das Phosphure d’azote oxidé bilden kann; unter dieſen Umſtaͤnden habe ich Abſorbtionen von 0.20 bis 0.25 Sauerſtoff beobachtet. Wenn hingegen der Phosphor nur ſehr langſam verbrennt, wenn die Daͤmpfe der Phosphorſaͤure vielen Phosphor in Subſtanz mit ſich fortreißen (von dem ſie einen Theil an die Waͤnde der Roͤhren abſetzen), alsdann kann man ſicher ſeyn, daß ſich viel Phosphure d’azote bildet, und daß ein großes Volumen Sauerſtoff ſich mit dem lezteren verbindet. Die Abſorbtion geht noch ſchlimmer vor ſich, wenn man, anſtatt ihn anzuzuͤnden, ihn lange Zeit rauchen laͤßt, waͤhrend welcher man von Zeit zu Zeit die Kugel mit kaltem Waſſer erkaͤltet. Stellt man den Verſuch mit 4 bis 6 Kubikzoll atmoſphaͤriſcher Luft an, ſo kann man ſo zu ſagen, mit ſeinen Augen die Bildung dieſer dreyfachen Verbindung aus Sauerſtoff, Stickſtoff und Phosphor verfolgen. Ich habe, als ich von Tag zu Tage den Ruͤckſtand der Luft, in welcher der Phosphor ſich nicht mehr entzuͤndet, unterſuchte, beobachtet, daß das Salpetergas nach und nach immer weniger Sauerſtoff darinn entdeckte. Am neunten Tage z. B. fand ich, als ich von 440 Theilen Ruͤckſtand 100 Theile wegnahm, in denſelben 0.05 Sauerſtoff, indeß 100 andere Theile am funfzehnten Tage kaum 0.01 gaben. Das Volumen der 340 hatte ſich vom neunten bis funfzehnten Tage unveraͤndert erhalten, dieſe Unterſchiede in den Reſultaten ſind bloß einer innigeren Vereinigung des Sauerſtoffs mit dem Stickſtoff und Phosphor zuzuſchreiben. Wenn die Bildung einer gasartigen phosphorigten Saͤure alle dieſe Erſcheinungen bewirkte, ſo wuͤrde das Salpetergas, nicht im Stande ſeyn, den Umfang des Ruͤckſtandes zu vermindern. Die Verwandtſchaft des Phosphors zum Sauerſtoff iſt zu ſtark, als daß der in dem Salpetergas enthaltene Stickſtoff dieſe Phosphorſaͤure zerſetzen koͤnnte. Auch verloͤhre ſie in der Kaͤlte ihren gasartigen Zuſtand von ſelbſt. Der Buͤrger Vauquelin hat eine ſehr wichtige Beobachtung gemacht, welche den Gedanken, die ich hier mittheile, ſehr guͤnſtig iſt: er brachte Phosphor mit ſehr reinem aus ſalzſaurem Kali erhaltenem Sauerſtoffgas in Beruͤhrung, er bemerkte bey der Temperatur von 10 bis 15° kein Licht: er vermuthete dieſes, weil ſein Gas keinen Stickſtoff enthielt, die Geraͤthſchaft blieb mehrere Tage ruhig und ohne Licht; als er aber eine Blaſe atmoſphaͤriſcher Luft unter die Glocke treten ließ, zeigten ſich durch das ganze Sauerſtoffgas leuchtende Wolken; eine Beobachtung, die es augenſcheinlich beweißt, daß das Sauerſtoffgas, gleich dem Stickſtoffgas, im Stande ſey, Phosphor aufzuloͤſen. Nach dieſen Angaben darf uns die Entdeckung dreyfacher Verbindungen aus Phosphor, Stickſtoff und Sauerſtoff nicht in Verwunderung ſetzen; noch weniger darf es uns wundern, daß die Miſchung des Stickſtoffs und des atmoſphaͤriſchen Sauerſtoffs ſo innig iſt, daß ſie ſich ſchon ſo ſehr dem Zuſtand einer wahren chemiſchen Verbindung naͤhert, und daß der Sauerſtoff an allen Veraͤnderungen, welchen der Stickſtoff unterworfen iſt, bis auf einen gewiſſen Grad, Theil nehmen zu muͤſſen ſcheint. Dieſe Verwandtſchaft, dieſe Adhaͤſion, welche die beyden unſere Atmoſphaͤre conſtituirenden Baſen auf einander wechſelſeitig ausuͤben, iſt es, von der eine große Anzahl der wichtigſten Erſcheinungen abhaͤngt; und wenn wir auf der einen Seite den Stickſtoff ſich einiger Theile des Sauerſtoffs bemaͤchtigen ſehen, ſo ſehen wir auf der andern Seite, wie ihn der Sauerſtoff noͤthiget, mit ihm in einige metalliſche Oxyde einzugehen. Aus den in dieſer Abhandlung enthaltenen Thatſachen ſcheint zu folgen: 1. Daß der Phosphor, ſowohl wenn er brennt, als wenn man ihn in Beruͤhrung mit der atmoſphaͤriſchen Luft bloß leuchten laͤßt, eine unendlich ungewiſſe eudiometriſche Subſtanz ſey, da ſie ſehr oft nur 0.15 bis 0.20 Sauerſtoff ſtatt 0.27, abſorbirt: 2. Daß das Salpetergas faſt immer einige Hunderttheile Sauerſtoff-Gehalt in dem Ruͤckſtand des Phosphor-Eudiometers entdeckt: 3. Daß nicht alle Arten von Stickſtoffgas, in denen der Phosphor nicht leuchtet, und welche mit dem Salpetergas keine Verminderung erleiden, als Sauerſtoff-leer, angeſehen werden koͤnnen. 4. Daß der Phosphor ſich ſowohl im Stickſtoffgas als im Sauerſtoffgas aufloͤſt, und daß ſich Oxyde mit zweyfacher Baſis, Phosphor und Stickſtoff (Phosphures d’azote oxidés) bilden, welche das Salpetergas nur zum Theil zerſezt. Die Verwandtſchaften des Phosphors und des Stickſtoffs ſpielen, wie die Buͤrger Berthollet und Fourcroy ſehr richtig bemerkt haben, eine wichtige Rolle in dem chemiſchen Proceß der Vitalitaͤt: eben ſo wahrſcheinlich iſt es, daß auch die thieriſchen Subſtanzen Oxyde mit zweyfacher Grundlage, Stickſtoff und Phosphor, enthalten muͤſſen.