XII. Ueber das Salpetergas, und seine Verbindungen mit dem Sauerstoff, vom Hrn. v. Humboldt Königl. Preuß. Ober-Bergrath. Dieser Chemist stellte Versuche an, um die genaue Zerlegung der Atmosphäre zu vervollkommnen. Sie beweisen, 1) daß weder der Phosphor, noch das Schwefel-Kali (trocken oder in Wasser aufgelöst) den Sauerstoff gänzlich aus ihr wegnehmen, daß aber das Salpetergas dazu dient, um beständig bis auf fünf Hunderttheile in dem Rückstand der zerlegten Luftarten den Sauerstoff zu entdecken. 2) Daß während der Verbrennung des Phosphors in der atmosphärischen Luft sich eine dreyfache Verbindung aus Stickstoff, Phosphor und Sauerstoff (azoture de phosphore oxidee) bildet, ein neues Gemisch, welches durch einfache Verwandtschaft nicht zerlegt werden kann, und in dem der Phosphor nicht leuchtet. 3) Daß das Salpetergas von der Auflösung des schwefelsauren Eisens gänzlich verschluckt wird. Man weiß noch nicht, ob diese Verschluckung, (die der Professor Göttling zu Jena entdeckt hat) durch eine Desoxydation des Eisens geschieht, oder ob sie von einer Zersetzung des Wassers begleitet ist; dieses Problem wird durch eine Arbeit gelöst werden, welche die Bürger Vauquelin und Humboldt im Laboratorium der Ecole des Mines unternommen haben. 4) Daß, wenn man Salpetersäure auf Kupferdrath gießt, ein Antheil der Säure gänzlich zerlegt wird, und daß man aus dieser Ursache das Salpetergas mit Stickstoff gemischt findet. 5) Daß die Abweichungen und Irrthümer bey Fontana's Eudiometer, (über die sich die Physiker bis diese Stunde beklagt haben, und die sie irriger Weise einem bald zu starken, bald zu schwachen Salpetergas zuschrieben) in nichts anderem ihren Grund haben, als in der Menge von Stickstoff, die das Salpetergas enthält. 6) Daß die Auflösung des schwefelsauren Eisens dient, diese Menge Stickstoff zu bestimmen, welche von 0,07 bis zu 0,67, und selbst darüber, steigt. 7) Daß, wenn man die Menge Salpetergas, die erforderlich ist, einen Theil Sauerstoff n zu sättigen, m nennt, das Verhältniß m:n nicht (wie es der unsterbliche Lavoisier angiebt, und die chemischen Compendien es nachschreiben) gleich ist dem 1,7:1, sondern, daß es, nach dem Grad der Stickstoffung (azotation) des Salpetergases, von 3,2 bis zu 0,5 wechselt. 8) Daß, wenn man die Räume des in dem Salpetergas enthaltenen Stickstoffs für die Abscissen, und den Werth von n für die Ordinaten nimmt, die Verbindungen mit dem Sauerstoffe sich darstellen unter der Figur einer Curve, welche anfangs in einer beynahe gleichen Entfernung von den Abscissen bleibt, und hernach sich ihnen mit sehr großer Schnelligkeit nähert. 9) Daß die Gestalt der Gefäße, in welchen die Mischung des Salpetergases und der atmosphärischen Luft geschieht, viel Einfluß auf die Grade der Verminderungen habe. Von 300 Theilen Salpetergas, und 100 Theilen Sauerstoffgas sah Lavoisier in einer eudiometrischen Röhre 74 Theile schwinden. Herr von Humboldt, der den nämlichen Versuch siebenmal in einem Cylinder von 11 Centimeters im Durchmesser wiederholte, beobachtete eine Verminderung von 147 Theilen. 10) Der mit dem Salpetergas gemischte Stickstoff scheint durch eine geringe Verwandtschaft die Verbindung des Sauerstoffs mit dem Salpetergase zu begünstigen. Herr von Humbold bereitete ein sehr reines Stickstoffgas, in welchem der Phosphor nicht leuchtete. Dieses Gas mit einem sehr reinen Sauerstoffgas gemischt, veränderte seine Natur so sehr, daß jezt, statt 2,6, schon 1,4 oder 1,8 Salpetergas hinlänglich waren, um einen Theil Sauerstoff zu sättigen. Es bildet sich in der Folge in jedem dieser beyden Fälle eine sehr verschiedene Salpetersäure, eine Säure, welche mehr, und eine, die weniger Sauerstoff enthält. Alle diese Erfahrungen, deren Herr v. H. bisher 160 in Form einer Tabelle bekannt gemacht hat, erleichtern den eudiometrischen Calcul. So unrein auch das Salpetergas, was man bereitet, sey, so kann man sich dessen demungeachtet zur Zerlegung der atmosphärischen Luft bedienen, wenn man nur vermittelst des schwefelsauren Eisens den Grad der Stickstoffung erforscht. Man theile eine gegebene Summe in zwey Theile nach dem Verhältniß m:n; und man sieht, worauf die Auflösung der eudiometrischen Probleme beruht. Die Summe oder Menge der verschwindenden Gasarten ist gegeben. Sie besteht aus x = dem Salpetergas, und y = dem durch x verschluckten Sauerstoff. Alsdenn ist m:n = x:y, wo, wenn man n = 1 sezt, nun [Formel] ist. Diese Entdeckung hat Priestley gemacht. Er sagt in seinen Vers. u. Beobacht. über versch. Gattungen der Luft Th. III. Vorrede S. XXVII. sehr bestimmt: "Die salpeterartige Luft wird augenblicklich zersezt von einer Auflösung von grünem Vitriol in Wasser, welches dadurch eine sehr trübe Farbe annimmt, aber grün wird, wenn man es noch einmal der freyen Luft aussezt" u. s. w. Ferner sagt er in s. Vers. u. Beob. üb. versch. Theile der Naturlehre Th. III. S. 252. u. f. "Ich habe schon an einem andern Orte die Erfahrung bekannt gemacht, daß eine Auflösung des grünen Vitriols die Salpeterluft schnell zersezt und sehr schwarz wird, daß aber auch diese Auflösung die schwarze Farbe wieder verliehrt, wenn man sie der freyen Luft aussetzt. Ich schwängerte eine Portion Vitriolauflösung auf diese Art und erhitzte sie dann in einer Phiole; ich bemerkte, daß sie halb so viel, als ihr Volumen ausmachte, reine Salpeterluft gab, daß sie aber gar keine Luft durch die Wärme aus sich entbinden ließ, wenn sie ihre schwarze Farbe an der Luft verlohren hatte." -- Vollständiger findet man alle hierüber von Priestley gesammelten Erfahrungen in der neuen Ausgabe seiner Exper. and observat. on different kinds of air (Birmingham, 1790.) Vol. II. sect. 2. "Of the diminution of nitrous air by Iron silings and sulphur and by a solution of green Vitriol " . vgl. S. 8. u. ff. u. 20. u. ff. S. Der Verfasser mischte z. B. 100 Theile atmosphärischer Luft zu 100 Theilen Salpetergas. Der Rückstand betrug 103. Dieser wurde mit der Eisenauflösung geschüttelt, um 0,19 vermindert; da aber 0,02 davon das Wasser vorher in seine Zwischenräume ausnahm, (wie andere Versuche beweisen) so muß man für den Rückstand 103 -- 21 = 82 nehmen. Aber das angewandte Salpetergas enthielt (gleichfalls nach den Versuchen mit schwefelsaurem Eisen) 0,09 Stickstoff, die untersuchte Luft enthielt daher 0,82 -- 0,09 oder 0,73 atmosphärischen Stickstoff und 0,27 Sauerstoff. Die nämliche Luft wurde durch ein sehr unreines Salpetergas, was 0,52 Stickstoff enthielt, zerlegt. Der Rückstand in der eudiometrischen Röhre betrug 133 Theile, welche mit schwefelsaurem Eisen gewaschen nur 127, oder (indem man die 0,52 im angewandten Salpetergas vorher vorhandenen Stickstoff abrechnet,) 0,73 Stickstoff. In dem ersten Versuch war m:n = 2,5:1; in dem zweyten = 1,4:1. Das Salpetergas, dessen sich Ingenhouß, Jacquin, Scherer, Landriani, Volta und alle andere Physiker bedienten, enthielt beständig nur 0,07 bis 0,09 Stickstoff. Hr. v. Humboldt hat eine Tafel berechnet, welche zur Reduction der Grade des Fontana'schen Eudiometers auf Tausendtheile dient, die neuen Versuche, die er in Gegenwart des Bürgers Vauquelin unlängst angestellt hat, bestätigen diesen Calcul. Nach diesen Angaben kann man den Mittelgrad der Reinheit der Atmosphäre, ihrer größten und kleinsten Abweichungen in Tausendtheilen bestimmen, ein Gegenstand, den der Verf. in einer andern Abhandlung über die Zerlegung der Luft und die meteorologischen Erscheinungen des Jahres 5 und 6 bearbeitet hat. Er hat in derselben gezeigt, daß der Sauerstoffgehalt der atmosphärischen Luft keinesweges immer 0,27 oder 0,28 sey, sondern zwischen 0,23 und 0,29 wechsle . Die Reise nach Indien, zu der sich Hr. v. Humboldt so eben vorbereitet, wird entscheiden, ob die Zerlegungen der Atmosphäre in der heißen Zone die nämlichen Verhältnisse von Sauerstoff angeben werden . Hr. D. Davidson in Port Royal aus Martinique meldet in einem Briefe an den D. Hosak vom 23 Sept. 1796. (s. des letztren History of the yellow fever, as it appeared in the city of New York in 1795. Philadelphia, 1797), daß er vielfältige Versuche über die Zusammensetzung der atmosphärischen Luft in Gesellschaft der Doktoren Webster, Saunderson und Chisholme angestellt, und jederzeit den Antheil des Sauerstoffgases daselbst nie unter [Formel] (wenn es anders kein Druckfehler ist) gefunden habe. (Aus dem Appendix to the 25. Vol. of the Monthly Review enlarged. S. 534.) Giobert fand das Verhältniß des Sauerstoff-Stickstoff- und kohlenstoffsauren Gases am Ufer des Po, wie 28,72,0 (aus dessen Abhandlung des eaux sulphureuses et thermales de Vaudier. Turin. 1793. in Gehler's physikal. Wörterb. B. V. S. 1048.). Wie wichtige Resultate werden nicht die eudiometrischen Untersuchungen der Atmosphäre in heißen Climaten gewähren! S. Vorstehendes sind Resultate aus Versuchen, welche Herr von Humboldt im Winter 1798 zu Salzburg angestellt hat. S. v. Zach's Allgem. geogr. Ephemeriden 1798. B. I. S. 359 und 497. Er fand bey dieser Gelegenheit die Luft auf dem 453 Toisen höher als sein Zimmer gelegenen Geisberge um 10 Grad schlechter als zu Salzburg. S. 498. u. f. sagt Hr. v. H. in einem Briefe an Hrn. v. Zach unter andern: "ich glaube entdeckt zu haben, daß das Wasser die Hauptquelle des Sauerstoffgehalts im Dunstkreise ist. Im Nebel finde ich diesen Gehalt sehr groß, eben so, wenn es thauet, wo Schneewasser, das nach Hassenfratz in seinen Zwischenräumen eine fast reine Lebensluft enthält, und darum den Pflanzen fast eben so wohlthätig ist, als (in meinen Keim-Versuchen) die oxygenirte Salzsäure, wo Schneewasser zersezt wird. Bildet sich dagegen Wasser aus Luft im Dunstkreise, Schnee oder Regen, so zeigen meine Eudiometer gleich weniger Lebensluft. Das pflanzenlose Meer hat die reinste Luft, wegen der Verdampfung und Wasserzersetzung, und in dem feuchten London ist die Luft an Sauerstoff reicher, als in den Toskanischen Fluren." -- Der Vollständigkeit wegen führe ich hier noch eine andere hierher gehörige Stelle aus einem Briefe desselben Verf. an Hrn. v. Zach in dessen A. G. E. B. II. S. 176. an: "Im National-Institut habe ich zwey Memoirs über die Natur des Salpetergases und die Möglichkeit einer genaueren Analyse der Atmosphäre vorgelesen, welche Gegenstände behandeln, die für die Theorie der Strahlenbrechung nicht gleichgültig sind. Einen Theil meiner Versuche habe ich hier gemeinschaftlich mit Vauquelin im Laboratorium der Ecole des Mines glücklich wiederholt. Diese Arbeit beweiset, daß alles Salpetergas mit Stickgas gemengt ist, daß diese Beymengung die Affinität des Salpetergases zum Sauerstoff nach einem, in Zahlen zu bestimmenden Verhältniß modificirt, daß die vom unsterblichen Lavoisier angegebene und überall nachgeschriebene Bestimmung von der Sättigung des Salpetergases durch Oxygen falsch ist, und dagegen (wenn man auch mit dem unreinsten Salpetergas operirt) doch eine genaue Reduction der Fontana'schen Grade auf Hunderttheile möglich ist. Fourcroy, Vauqelin und Guyton sind jezt mit mir von der Richtigkeit dieser Resultate überzeugt, wie von der Unvollkommenheit aller Phosphor-Schwefel-Eisen- und Schwefel -Alkali-Eudiometer. Möchte diese Arbeit doch endlich wieder zur sorgfältigen Zerlegung des Dunstkreises führen, ein Gegenstand, der seit 8 bis 10 Jahren ganz vernachlässigt worden ist. Man schreibt ewig nach, daß der Lebensluft-Gehalt nur zwischen 0,27 und 0,28 balancirt und im verflossenen Winter allein gieng das Schwanken von [Formel] bis [Formel] , wie ich durch eine Reihe von sieben bis achthundert sorgfältig angestellten Versuchen beweisen kann." -- S.