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Alexander von Humboldt: „Ueber das Salpetergas, und seine Verbindungen mit dem Sauerstoff“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1798-Experiences_sur_le-2> [abgerufen am 25.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1798-Experiences_sur_le-2
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Titel Ueber das Salpetergas, und seine Verbindungen mit dem Sauerstoff
Jahr 1798
Ort Leipzig
Nachweis
in: Allgemeines Journal der Chemie 1:3 (1798), S. 263–270.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua (mit lang-s) für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Ziffern; Formelsatz; Besonderes: mathematische Sonderzeichen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.71
Dateiname: 1798-Experiences_sur_le-2
Statistiken
Seitenanzahl: 8
Zeichenanzahl: 11887

Weitere Fassungen
Expériences sur le Gaz nitreux, et ses combinaisons avec l’Oxigène (Paris, 1798, Französisch)
Ueber das Salpetergas, und seine Verbindungen mit dem Sauerstoff (Leipzig, 1798, Deutsch)
Beyträge zur Eudiometrie (Leipzig, 1799, Deutsch)
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XII. Ueber das Salpetergas, und ſeine Verbindungen mitdem Sauerſtoff, vom Hrn. v. Humboldt Koͤnigl.Preuß. Ober-Bergrath.

Dieſer Chemiſt ſtellte Verſuche an, um die genaueZerlegung der Atmoſphaͤre zu vervollkommnen. Siebeweiſen, 1) daß weder der Phosphor, noch das Schwe-fel-Kali (trocken oder in Waſſer aufgeloͤſt) den Sauer-ſtoff gaͤnzlich aus ihr wegnehmen, daß aber das Sal-petergas dazu dient, um beſtaͤndig bis auf fuͤnf Hun-derttheile in dem Ruͤckſtand der zerlegten Luftarten den |264| Sauerſtoff zu entdecken. 2) Daß waͤhrend der Verbren-nung des Phosphors in der atmoſphaͤriſchen Luft ſich eine dreyfache Verbindung aus Stickſtoff, Phosphor undSauerſtoff (azoture de phosphore oxidée) bildet, einneues Gemiſch, welches durch einfache Verwandtſchaft nichtzerlegt werden kann, und in dem der Phosphor nicht leuch-tet. 3) Daß das Salpetergas von der Aufloͤſung desſchwefelſauren Eiſens gaͤnzlich verſchluckt wird. Manweiß noch nicht, ob dieſe Verſchluckung, (die der Profeſſor Goͤttling zu Jena entdeckt hat) 10) durch eine Desoxyda-tion des Eiſens geſchieht, oder ob ſie von einer Zerſetzungdes Waſſers begleitet iſt; dieſes Problem wird durch eineArbeit geloͤſt werden, welche die Buͤrger Vauquelin
10) Dieſe Entdeckung hat Prieſtley gemacht. Er ſagt in ſeinen Verſ. u. Beobacht. uͤber verſch. Gattungen der Luft Th. III. Vorrede S. XXVII. ſehr beſtimmt: „Die ſalpeter-artige Luft wird augenblicklich zerſezt von einer Aufloͤſung von gruͤnem Vitriol in Waſſer, welches dadurch eine ſehr truͤ-be Farbe annimmt, aber gruͤn wird, wenn man es noch einmalder freyen Luft ausſezt“ u. ſ. w. Ferner ſagt er in ſ. Verſ.u. Beob. uͤb. verſch. Theile der Naturlehre Th. III. S. 252. u. f. „Ich habe ſchon an einem andern Orte die Erfah-rung bekannt gemacht, daß eine Aufloͤſung des gruͤnen Vitriolsdie Salpeterluft ſchnell zerſezt und ſehr ſchwarz wird, daß aberauch dieſe Aufloͤſung die ſchwarze Farbe wieder verliehrt, wennman ſie der freyen Luft ausſetzt. Ich ſchwaͤngerte eine Por-tion Vitriolaufloͤſung auf dieſe Art und erhitzte ſie dann ineiner Phiole; ich bemerkte, daß ſie halb ſo viel, als ihr Volu-men ausmachte, reine Salpeterluft gab, daß ſie aber gar keineLuft durch die Waͤrme aus ſich entbinden ließ, wenn ſie ihreſchwarze Farbe an der Luft verlohren hatte.“ — Vollſtaͤndi-ger findet man alle hieruͤber von Prieſtley geſammelten Er-fahrungen in der neuen Ausgabe ſeiner Exper. and obſervat.on different kinds of air (Birmingham, 1790.) Vol. II. ſect. 2.„Of the diminution of nitrous air by Iron ſilings and ſulphurand by a ſolution of green Vitriol. vgl. S. 8. u. ff. u. 20. u. ff. S.
|265| und Humboldt im Laboratorium der Ecole des Mines unternommen haben. 4) Daß, wenn man Salpeterſaͤureauf Kupferdrath gießt, ein Antheil der Saͤure gaͤnzlichzerlegt wird, und daß man aus dieſer Urſache das Sal-petergas mit Stickſtoff gemiſcht findet. 5) Daß die Ab-weichungen und Irrthuͤmer bey Fontana’s Eudiometer, (uͤberdie ſich die Phyſiker bis dieſe Stunde beklagt haben, unddie ſie irriger Weiſe einem bald zu ſtarken, bald zu ſchwa-chen Salpetergas zuſchrieben) in nichts anderem ihrenGrund haben, als in der Menge von Stickſtoff, die dasSalpetergas enthaͤlt. 6) Daß die Aufloͤſung des ſchwe-felſauren Eiſens dient, dieſe Menge Stickſtoff zu be-ſtimmen, welche von 0,07 bis zu 0,67, und ſelbſt dar-uͤber, ſteigt. 7) Daß, wenn man die Menge Salpe-tergas, die erforderlich iſt, einen Theil Sauerſtoff n zuſaͤttigen, m nennt, das Verhaͤltniß m:n nicht (wie esder unſterbliche Lavoiſier angiebt, und die chemiſchenCompendien es nachſchreiben) gleich iſt dem 1,7:1, ſon-dern, daß es, nach dem Grad der Stickſtoffung (azota-tion) des Salpetergaſes, von 3,2 bis zu 0,5 wechſelt.8) Daß, wenn man die Raͤume des in dem Salpetergasenthaltenen Stickſtoffs fuͤr die Abſciſſen, und den Werthvon n fuͤr die Ordinaten nimmt, die Verbindungen mitdem Sauerſtoffe ſich darſtellen unter der Figur einer Cur-ve, welche anfangs in einer beynahe gleichen Entfernungvon den Abſciſſen bleibt, und hernach ſich ihnen mit ſehrgroßer Schnelligkeit naͤhert. 9) Daß die Geſtalt der Ge-faͤße, in welchen die Miſchung des Salpetergaſes und deratmoſphaͤriſchen Luft geſchieht, viel Einfluß auf die Gradeder Verminderungen habe. Von 300 Theilen Salpeter- |266| gas, und 100 Theilen Sauerſtoffgas ſah Lavoiſier ineiner eudiometriſchen Roͤhre 74 Theile ſchwinden. Herrvon Humboldt, der den naͤmlichen Verſuch ſiebenmal ineinem Cylinder von 11 Centimeters im Durchmeſſer wie-derholte, beobachtete eine Verminderung von 147 Theilen.10) Der mit dem Salpetergas gemiſchte Stickſtoff ſcheintdurch eine geringe Verwandtſchaft die Verbindung desSauerſtoffs mit dem Salpetergaſe zu beguͤnſtigen. Herrvon Humbold bereitete ein ſehr reines Stickſtoffgas, in wel-chem der Phosphor nicht leuchtete. Dieſes Gas mit einemſehr reinen Sauerſtoffgas gemiſcht, veraͤnderte ſeine Na-tur ſo ſehr, daß jezt, ſtatt 2,6, ſchon 1,4 oder 1,8 Sal-petergas hinlaͤnglich waren, um einen Theil Sauerſtoff zuſaͤttigen. Es bildet ſich in der Folge in jedem dieſer beydenFaͤlle eine ſehr verſchiedene Salpeterſaͤure, eine Saͤure, wel-che mehr, und eine, die weniger Sauerſtoff enthaͤlt. Alle dieſeErfahrungen, deren Herr v. H. bisher 160 in Form einerTabelle bekannt gemacht hat, erleichtern den eudiometri-ſchen Calcul. So unrein auch das Salpetergas, wasman bereitet, ſey, ſo kann man ſich deſſen demungeach-tet zur Zerlegung der atmoſphaͤriſchen Luft bedienen, wennman nur vermittelſt des ſchwefelſauren Eiſens den Gradder Stickſtoffung erforſcht. Man theile eine gegebene Sum-me in zwey Theile nach dem Verhaͤltniß m:n; und manſieht, worauf die Aufloͤſung der eudiometriſchen Problemeberuht. Die Summe oder Menge der verſchwindendenGasarten iſt gegeben. Sie beſteht aus x = dem Salpe-tergas, und y = dem durch x verſchluckten Sauerſtoff.Alsdenn iſt m:n = x:y, wo, wenn man n = 1 ſezt, nun \( \textrm{y} = \frac{\textrm{x}}{1+\textrm{m}} \) iſt.
|267| Der Verfaſſer miſchte z. B. 100 Theile atmoſphaͤriſcherLuft zu 100 Theilen Salpetergas. Der Ruͤckſtand betrug103. Dieſer wurde mit der Eiſenaufloͤſung geſchuͤttelt,um 0,19 vermindert; da aber 0,02 davon das Waſſer vor-her in ſeine Zwiſchenraͤume auſnahm, (wie andere Verſuchebeweiſen) ſo muß man fuͤr den Ruͤckſtand 103 — 21 = 82nehmen. Aber das angewandte Salpetergas enthielt (gleich-falls nach den Verſuchen mit ſchwefelſaurem Eiſen) 0,09Stickſtoff, die unterſuchte Luft enthielt daher 0,82 — 0,09oder 0,73 atmoſphaͤriſchen Stickſtoff und 0,27 Sauerſtoff.Die naͤmliche Luft wurde durch ein ſehr unreines Salpe-tergas, was 0,52 Stickſtoff enthielt, zerlegt. Der Ruͤck-ſtand in der eudiometriſchen Roͤhre betrug 133 Theile, wel-che mit ſchwefelſaurem Eiſen gewaſchen nur 127, oder (in-dem man die 0,52 im angewandten Salpetergas vorher vor-handenen Stickſtoff abrechnet,) 0,73 Stickſtoff. In demerſten Verſuch war m:n = 2,5:1; in dem zweyten = 1,4:1.Das Salpetergas, deſſen ſich Ingenhouß, Jacquin, Scherer, Landriani, Volta und alle andere Phyſi-ker bedienten, enthielt beſtaͤndig nur 0,07 bis 0,09 Stick-ſtoff. Hr. v. Humboldt hat eine Tafel berechnet, wel-che zur Reduction der Grade des Fontana’ſchen Eudio-meters auf Tauſendtheile dient, die neuen Verſuche, dieer in Gegenwart des Buͤrgers Vauquelin unlaͤngſt an-geſtellt hat, beſtaͤtigen dieſen Calcul. Nach dieſen Anga-ben kann man den Mittelgrad der Reinheit der Atmo-ſphaͤre, ihrer groͤßten und kleinſten Abweichungen in Tau-ſendtheilen beſtimmen, ein Gegenſtand, den der Verf. ineiner andern Abhandlung uͤber die Zerlegung der Luft unddie meteorologiſchen Erſcheinungen des Jahres 5 und 6 |268| bearbeitet hat. Er hat in derſelben gezeigt, daß der Sauer-ſtoffgehalt der atmoſphaͤriſchen Luft keinesweges immer 0,27oder 0,28 ſey, ſondern zwiſchen 0,23 und 0,29 wechsle 11).Die Reiſe nach Indien, zu der ſich Hr. v. Humboldt ſo ebenvorbereitet, wird entſcheiden, ob die Zerlegungen der At-moſphaͤre in der heißen Zone die naͤmlichen Verhaͤltniſſe vonSauerſtoff angeben werden 12).
11) Hr. D. Davidſon in Port Royal auſ Martinique meldet in einem Briefe an den D. Hoſak vom 23 Sept. 1796.(ſ. des letztren Hiſtory of the yellow fever, as it appeared inthe city of New York in 1795. Philadelphia, 1797), daß er viel-faͤltige Verſuche uͤber die Zuſammenſetzung der atmoſphaͤriſchenLuft in Geſellſchaft der Doktoren Webſter, Saunderſon und Chiſholme angeſtellt, und jederzeit den Antheil desSauerſtoffgaſes daſelbſt nie unter \( \frac{67 (37?)}{100} \) (wenn es anderskein Druckfehler iſt) gefunden habe. (Aus dem Appendix to the25. Vol. of the Monthly Review enlarged. S. 534.) Giobert fand das Verhaͤltniß des Sauerſtoff-Stickſtoff- und kohlenſtoff-ſauren Gaſes am Ufer des Po, wie 28,72,0 (aus deſſen Abhand-lung des eaux sulphureuses et thermales de Vaudier. Turin. 1793.in Gehler’s phyſikal. Woͤrterb. B. V. S. 1048.). Wie wichtigeReſultate werden nicht die eudiometriſchen Unterſuchungen derAtmoſphaͤre in heißen Climaten gewaͤhren! S. 12) Vorſtehendes ſind Reſultate aus Verſuchen, welche Herr von Humboldt im Winter 1798 zu Salzburg angeſtellt hat. S.v. Zach’s Allgem. geogr. Ephemeriden 1798. B. I. S. 359 und497. Er fand bey dieſer Gelegenheit die Luft auf dem 453 Toi-ſen hoͤher als ſein Zimmer gelegenen Geisberge um 10 Grad ſchlech-ter als zu Salzburg. S. 498. u. f. ſagt Hr. v. H. in einemBriefe an Hrn. v. Zach unter andern: „ich glaube entdeckt zuhaben, daß das Waſſer die Hauptquelle des Sauerſtoff-gehalts im Dunſtkreiſe iſt. Im Nebel finde ich dieſen Gehaltſehr groß, eben ſo, wenn es thauet, wo Schneewaſſer, das nach Haſſenfratz in ſeinen Zwiſchenraͤumen eine faſt reine Lebens-luft enthaͤlt, und darum den Pflanzen faſt eben ſo wohlthaͤtig iſt,als (in meinen Keim-Verſuchen) die oxygenirte Salz-ſaͤure, wo Schneewaſſer zerſezt wird. Bildet ſich dagegen Waſ-
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ſer aus Luft im Dunſtkreiſe, Schnee oder Regen, ſo zeigen meineEudiometer gleich weniger Lebensluft. Das pflanzenloſe Meerhat die reinſte Luft, wegen der Verdampfung und Waſſerzer-ſetzung, und in dem feuchten London iſt die Luft an Sauer-ſtoff reicher, als in den Toskaniſchen Fluren.“ — DerVollſtaͤndigkeit wegen fuͤhre ich hier noch eine andere hierhergehoͤrige Stelle aus einem Briefe deſſelben Verf. an Hrn.v. Zach in deſſen A. G. E. B. II. S. 176. an: „Im Natio-nal-Inſtitut habe ich zwey Memoirs uͤber die Natur des Sal-petergaſes und die Moͤglichkeit einer genaueren Analy-ſe der Atmoſphaͤre vorgeleſen, welche Gegenſtaͤnde behan-deln, die fuͤr die Theorie der Strahlenbrechung nichtgleichguͤltig ſind. Einen Theil meiner Verſuche habe ich hiergemeinſchaftlich mit Vauquelin im Laboratorium der Ecole desMines gluͤcklich wiederholt. Dieſe Arbeit beweiſet, daß allesSalpetergas mit Stickgas gemengt iſt, daß dieſe Beymengungdie Affinitaͤt des Salpetergaſes zum Sauerſtoff nach einem, inZahlen zu beſtimmenden Verhaͤltniß modificirt, daß die vom
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unſterblichen Lavoiſier angegebene und uͤberall nachgeſchrie-bene Beſtimmung von der Saͤttigung des Salpetergaſes durchOxygen falſch iſt, und dagegen (wenn man auch mit dem un-reinſten Salpetergas operirt) doch eine genaue Reduction der Fontana’ſchen Grade auf Hunderttheile moͤglich iſt. Four-croy, Vauqelin und Guyton ſind jezt mit mir von derRichtigkeit dieſer Reſultate uͤberzeugt, wie von der Unvollkom-menheit aller Phosphor-Schwefel-Eiſen- und Schwefel-Alka-li-Eudiometer. Moͤchte dieſe Arbeit doch endlich wieder zurſorgfaͤltigen Zerlegung des Dunſtkreiſes fuͤhren, ein Gegenſtand,der ſeit 8 bis 10 Jahren ganz vernachlaͤſſigt worden iſt. Manſchreibt ewig nach, daß der Lebensluft-Gehalt nur zwiſchen0,27 und 0,28 balancirt und im verfloſſenen Winter allein giengdas Schwanken von \( \frac{245}{1000} \) bis \( \frac{284}{1000} \), wie ich durch eineReihe von ſieben bis achthundert ſorgfaͤltig angeſtellten Verſuchenbeweiſen kann.“ — S.