Einleitung uͤber einige Gegenſtaͤnde der Pflanzenphyſiologie. Herr Ingenhouſz gehoͤrt zu der kleinen Zahl arbeitender Phyſiker, welche das fruchtbare Talent beſitzen, nicht nur einzelne Gegenſtaͤnde mit bewundernswuͤrdiger Anſtrengung zu verfolgen, ſondern auch jede neue Erſcheinung (ſtatt ſie iſolirt aufzuſtellen) harmoniſch mit den aͤltern zu verbinden. Seine Schriften lehren, daß er den großen Zweck aller Naturforſchung, dies Zuſammenwirken der Kraͤfte, zu unterſuchen, nie aus den Augen verliert, und wenn ſeine Lage in England, die er vor Endigung des Seekriegs nicht zu verlaſſen wuͤnſcht, wenn die Entfernung von ſeinem koſtbaren Apparate ihn gegenwaͤrtig hindert, ſeine pneumatiſchen oder elektriſchen Entdekkungen weiter zu verfolgen, ſo iſt er dennoch unablaͤſſig beſchaͤftigt, die allgemeine Oekonomie der Natur zu ſtudiren. Die Abhandlung on the food of plants and renovation of the ſoil, welche mein Freund, Herr D. Fiſcher, hier dem Publikum uͤbergiebt, iſt eine Frucht jenes Studiums. Ohnerachtet ſie nicht leer von neuen Verſuchen uͤber den Wachsthum der Gewaͤchſe iſt, ſo zeichnet ſie ſich doch minder durch dieſe, als durch die Zuſammenſtellung aͤlterer Beobachtungen, durch die Anwendung phyſikaliſch-chemiſcher Erfahrungen auf die Phyſiologie der organiſchen Koͤrper aus. Die Manufakturen haben bereits mannigfaltigen Nutzen von den Entdeckungen der antiphlogiſtiſchen Chemie gezogen. Herr Ingenhouſz zeigt uns, daß die edelſte und wichtigſte Beſchaͤftigung der Menſchen, der Pflanzenbau, nicht mindere Vervollkommnung davon zu erwarten habe. Je tiefer wir in das Dunkel der organiſchen Kraͤfte eindringen, je mehr wir von dem großen Lebensproceſſe errathen, durch den alle vitalen Erſcheinungen im Thier- und Pflanzenkoͤrper bewirkt werden, deſto eher duͤrfen wir hoffen, die Mittel aufzufinden, durch welche die ſchnellere Entwikkelung der Organe, und die Veredlung ihre Saͤfte befoͤrdert wird. Sollte das Reſultat dieſer Unterſuchungen auch ſeyn, daß der Akkerbau nach eben der Methode fortbetrieben werden muͤſſe, welche man durch das Anſehen mehrerer Jahrtauſende unerſchuͤtterlich feſtgegruͤndet glaubt; ſollten die kuͤnftigen Phyſiker ſelbſt rathen, daß man die Erdarten, wie bisher, zu miſchen, das Feld, wie bisher, zu duͤngen fortfahre: ſo wuͤrde jene Verbindung der Chemie und Oekonomie dennoch keineswegs ſo fruchtlos geweſen ſeyn, als der rohe Praktiker uns zu uͤberreden ſucht. Es geht mit dem Pflanzenbau, wie mit der ausuͤbenden Medicin, mit der Pflege des vegetabiliſchen Koͤrpers, wie mit der des animaliſchen. Man ſpricht von bisheriger Methode, von bisheriger Verfahrungsart, eben als wenn alle Oekonomen und Aerzte ſich laͤngſt uͤber allgemein guͤltige Principien vereinigt haͤtten. Schon vor Brown hat man das Nervenfieber (Typhus) reizend zu behandeln, den Gebrauch des Opiums, als Staͤrkungsmittel, angerathen. Ohne die Erfahrungen der Phyſiker zu kennen, und von dieſen in ihren Grundſaͤtzen irre gemacht zu werden, haben praktiſche Oekonomen ſelbſt uͤber die Vorbereitung des Bodens, uͤber die Ruhe, welche ihm neue Kraͤfte verſchaffen ſoll, und uͤber die Behandlung der aufkeimenden Gewaͤchſe geſtritten. Fuͤhrt daher auch unſere erweiterte Naturkenntniß weder auf die Erfindung neuer Heilmittel, noch auf die einer noch nie gebrauchten kraͤftigeren Dungart — ſo wird ſie doch wohlthaͤtig genug fuͤr die Menſchheit ſeyn, wenn ſie unter entgegen geſetzten Methoden waͤhlen, die alltaͤglichſten, aber noch immer unentraͤthſelten Phaͤnomene erklaͤren, und einen cauſalen Zuſammenhang zwiſchen Wirkungen einſehen lehrt, von deren Einfluß oft der Wohlſtand der zahlreichſten und wichtigſten Menſchenklaſſe abhaͤngt. Unermeßlich iſt in der That das Feld, welches der Pflanzenbau dem Unterſuchungsgeiſte des Phyſikers darbiethet. Erfordert die Pflege des thieriſchen Koͤrpers, daß man, außer der Geſtalt und den Verrichtungen ſeiner Organe, auch die reizende Einwirkung aͤußerer Stoffe auf denſelben kenne, ſo wird bei der Kultur der Gewaͤchſe dieſe Kenntniß doppelt nothwendig. Die thieriſche Faſer iſt ſelbſtſtaͤndiger, unabhaͤngiger von dem Medium, in welchem ſie ſich befindet. Sonnenlicht, magnetiſche und elektriſche Ladung des Dunſtkreiſes, Feuchtigkeit, Waͤrme und Sauerſtoffgehalt deſſelben modificiren allerdings die Functionen der thieriſchen Maſchine; aber die Veraͤnderungen, welche ſie in dieſer hervorbringen, ſind im Ganzen minder auffallend und maͤchtig, als ihr Einfluß auf die vegetabiliſchen Organe. Dieſer Unterſchied liegt nicht ſowohl in einer groͤßern Erregbarkeit (Irritabilitaͤt) der Pflanzenfaſer, als vielmehr in dem Umſtande, daß die Lebensverrichtungen der Gewaͤchſe mehr durch aͤußere, als durch innere Reize unterhalten werden, daß ſie dieſer Reizung ununterbrochen beduͤrfen, und daß die (Energie) Lebenskraft ihrer Organe zu ſchwach iſt, um den Kampf gegen die Einwirkung ſchaͤdlicher Potenzen zu beſtehen. Sonnenlicht iſt im Stande, das aufkeimende Saamenkorn zu zerſtoͤren. Eine kalte Fruͤhlingsnacht toͤdtet die aufgebrochene Bluͤthenknoſpe. Brunnenwaſſer entblaͤttert Straͤucher, die an Befeuchtung mit Regenwaſſer gewoͤhnt ſind. Beruͤhrung mit kohlenſaurem Gas macht jedes Gewaͤchs erwelken. Die geringſte Veraͤnderung des Mediums ſtoͤhrt, oder befoͤrdert die Entwikkelung der vegetabiliſchen Schoͤpfung. Wiſſenſchaftliche Kenntniß der Pflanzenkultur kann daher nicht ohne Phyſiologie, dieſe nicht ohne allgemeine Meteorologie und Chemie beſtehen. Die Pflanze iſt an den Boden geheftet. Es iſt nicht genug, die Grunderden zu kennen, aus welchen dieſer oder jener Boden zuſammengeſetzt iſt; nein, wir muͤſſen auch das Verhaͤltniß wiſſen, welches zwiſchen dieſen Grunderden und den Beſtandtheilen der Gewaͤchſe ſtatt findet. Jedes Problem haͤngt mit hundert anderen zuſammen. Warum (um nur ein Beyſpiel zu waͤhlen) iſt ein Gewitterregen erquikkender fuͤr die Pflanzendekke, als das ſorgfaͤltigſte Beſprizzen (ein kuͤnſtlicher Regen) mit Flußwaſſer? Die Beantwortung dieſer einfachen Frage koͤnnte einen experimentirenden Phyſiker Jahre lang beſchaͤftigen. Unterſcheidet ſich jenes Regenwaſſer vom Flußwaſſer als Waſſer, das heißt, miſcht ſich Sauerſtoff und Waſſerſtoff nach verſchiedenen Verhaͤltniſſen zuſammen, oder liegt die ungleiche Wirkung in der Luft, welche beide Waſſerarten mechaniſch eingemengt enthalten? Iſt die Luft im Regenwaſſer, welches waͤhrend des Gewitters faͤllt, noch ſauerſtoffreicher, als die Luft im gemeinen Regenwaſſer, und finden ſich hier aͤhnliche Unterſchiede, als die, welche Herr Haſſenfraz zwiſchen dem Brunnen- und Flußwaſſer aufgefunden hat? Alles Regenwaſſer enthaͤlt eine Spur von Kochſalz- und Stikſtoff-Saͤure nebſt Kalkerde aufgeloͤßt. Zeichnen ſich nun die Gewitterregen durch den mehrern oder mindern Gehalt an dieſen Stoffen aus, oder beruht ihre belebende Kraft auf der groͤßern Leichtigkeit, mit der ſie in den Organen zerſetzt werden? Geſchieht dieſe Zerſetzung leichter, weil das Oxygen mit dem Hydrogen in einem Waſſer inniger, in einem andern lokkerer verbunden iſt, oder deshalb, weil die Erregbarkeit der Organe, (ihre Energie) waͤhrend des Gewitters erhoͤht iſt, und ſie alſo faͤhiger ſind, ihre vitalen Funktionen zu verrichten. Haͤngt dieſe Erhoͤhung der Erregbarkeit von der elektriſchen Ladung des Dunſtkreiſes, oder von ſeiner eudiometriſchen Beſchaffenheit, (ſeinem Gehalt an Lebensluft oder Kohlenſaͤure) ab? Dieſe Fragen koͤnnen, ohne die gruͤndlichſte Kenntniß der Meteorologie, pneumatiſchen Chemie, und Phyſiologie der Gewaͤchſe nicht befriedigend beantwortet werden. Alle organiſche Weſen ſtehen im Verkehr mit der ganzen aͤußeren Sinnenwelt, indem dieſe reizend auf ſie einwirkt, und wir duͤrfen uns keiner Einſicht in den Zuſammenhang vitaler Erſcheinungen ruͤhmen, wenn wir nicht unablaͤſſig das Studium der todten Natur mit dem der belebten verbinden. Von dem Nutzen dieſer Verbindung uͤberzeugt, haben mehrere Staaten bereits Anſtalten getroffen, den Pflanzenbau den naturhiſtoriſchen Wiſſenſchaften naͤher zu bringen. Wenn daher die nachfolgende Abhandlung des Herrn Ingenhouſz auch nicht einen innern litterariſchen Werth haͤtte, ſo muͤßte ſie dennoch ſchon von der Seite wichtig ſcheinen, daß ſie das Nachdenken auf Gegenſtaͤnde lenkt, welche der rohen Empirie allein uͤberlaſſen ſind. Die Anwendung chemiſcher Grundſaͤtze auf den Akkerbau kann nicht ſo gelehrt werden, daß dieſe Lehre dem Landmann ſelbſt eine unterrichtende Lektuͤre gewaͤhren koͤnnte. Auch war dieß Hrn. Ingenhouſz Zweck nicht. Dieſer iſt vollkommen erreicht, wenn Maͤnner, deren Pflicht es iſt, die Erzeugung nutzbarer Naturprodukte zu befoͤrdern, und durch Vervollkommnung der Pflanzenkultur den Nazionalreichthum zu vermehren, wenn dieſe Maͤnner, ſage ich, in dem Glauben beſtaͤrkt werden, daß die Wiſſenſchaften wohlthaͤtig fuͤr die Menſchheit ſind, wenn ihr Einfluß auf die techniſchen Gewerbe nicht durch politiſche Verhaͤltniſſe gehindert wird. In demjenigen Lande, wo dieſe Hinderung am wenigſten ſtatt findet, wo das freiſte Verkehr der Ideen herrſcht, wo um ſo mehr gewirkt wird, als man ſich weniger ſeines Wirkens ruͤhmt, in England, haben die Ingenhouſziſchen Vorſchlaͤge große Senſation gemacht. Die Akkerbaugeſellſchaft hat die Abhandlung ihren Schriften einverleibt. Mehrere Privatperſonen, beſonders der groͤßte Befoͤrderer alles Nuͤtzlichen, der Praͤſident der koͤniglichen Societaͤt, Sir Joſeph Banks, haben ſogleich beſchloſſen, die neuen Verſuche zur Befruchtung des Bodens zu wiederholen. Selbſt der Koͤnig iſt im Sommer 1797 mit denſelben in dem Garten zu Kew beſchaͤftiget geweſen. Auch in der bataviſchen Republik erſchien ſchon im November 1796 eine hollaͤndiſche Ueberſetzung der Ingenhouſziſchen Abhandlung durch Hrn. van Breda . Derſelbe Naturforſcher, dem die Eudiometrie manche wichtige Verſuche verdankt. Er bemerkte zuerſt die ungleiche Luftabſorption in Fontana’s Eudiometer, wenn man ſich des Brunnen- oder Regenwaſſers bediente. Dieſe Bemerkung haͤtte allein ſchon auf die Exiſtenz einer ſauerſtoffreichern Luft, die dem Regenwaſſer eingemengt iſt, leiten koͤnnen. Eine Schrift, deren Verbreitung ſo auffallend ſchnell geweſen iſt, bedarf keiner Empfehlung fuͤr unſer deutſches Vaterland. Ich glaubte nur den praktiſchen Geſichtspunkt angeben zu muͤſſen, aus welchem ich dieſelbe betrachtet zu ſehen wuͤnſchte. Auch von der Ueberſetzung und den Anmerkungen des Hrn. D. Fiſcher (welcher gegenwaͤrtig die naturhiſtoriſchen Anſtalten in Paris benuzt) ſage ich nichts. Die freundſchaftlichen Verhaͤltniſſe, in denen wir ſtehen, wuͤrden jedes Lob verdaͤchtig machen. Ein Mann, deſſen fruͤhere Arbeiten (die anatomiſch-phyſiologiſche Beſchreibung der Schwimmblaſe, und die Bearbeitung meiner Aphoriſmen aus der Pflanzenphyſiologie) ſo guͤnſtig aufgenommen worden ſind, kann deſſen ohnedieß entbehren. Ich begnuͤge mich daher, dieſe Einleitung mit einzelnen Bemerkungen zu beſchließen, zu denen mich die nachfolgende Schrift veranlaßt, und welche vielleicht darum willkommner ſind, weil die Phyſiologie der Gewaͤchſe unter uns mehr angeruͤhmt, als bearbeitet wird. Herr Ingenhouſz ſtellt gleich am Eingange ſeiner Schrift (§. 1.) den Satz auf, daß viele Pflanzen der Beruͤhrung mit Waſſer und Erde entbehren koͤnnen, ohne in ihrem Wachsthume geſtoͤhrt zu werden. Dieſe Idee kann, gegen den Willen des Verfaſſers, zu phyſiologiſchen Irrthuͤmern verleiten, welchen ich hier einige Erfahrungen entgegen ſetzen muß. „Die fetten Gewaͤchſe, Agave, Aloe und Cactus (heißt es) leben in duͤrren Felſenritzen, und daß der Nachtthau der Tropenlaͤnder ihnen nicht ihre Nahrung giebt, erkennt man daraus, daß andere umherſtehende Vegetabilien, welche doch einer gleichen Wohlthat genießen wuͤrden, in der Trokkenheit verſchmachten. Auch koͤnnen ſie in den Gewaͤchshaͤuſern gewiß nicht von dieſem Thau getroffen werden.“ So wenig ich es fuͤr unwahrſcheinlich halte, daß viele Saͤfte der Pflanzen in den belebten Organen ſelbſt aus luftfoͤrmigen Stoffen gebildet werden, und daß in dem vegetabiliſchen und animaliſchen Koͤrper eben ſo gut Waſſer zerſezt, als (unter gewiſſen Bedingungen) erzeugt werde: ſo braucht man zur Loͤſung des vorliegenden Problems ſich doch nicht darauf, ſondern nur auf die anatomiſche Betrachtung der fleiſchigen, oder fetten Gewaͤchſe zu ſtuͤtzen. Wie verſchieden iſt die Organiſation einer Agave, oder eines Meſembryanthemum von der der afrikaniſchen Pſoralien, der Cordia, Myxa, oder Caſſien und Mimoſen! Dieſen iſt die Wurzel die unentbehrlichſte Nahrungsquelle, bei jenen ſind die Gefaͤße der Oberflaͤche wichtiger, als die Muͤndungen der Saugewurzeln. Bei dieſen iſt mehr Beziehung auf ein Organ, bei jenen mehr partielles Leben, da jedes Blat weniger Nahrung aus dem Stamme, als aus ſeiner Oberhaut zieht. Wenn von zwei Gewaͤchſen in den regenloſen Tropenlaͤndern das eine mehr einſaugende Gefaͤße, als das andere hat, ſo ſcheint es ſehr natuͤrlich, daß das erſtere auch den trokkenſten Luftſchichten noch Feuchtigkeit ablockt, wo das Leztere vor Duͤrre verſchmachtet. Eine Aloe wird, wenn das Hygrometer auf 60° (nach Sauſſure) ſteht, noch immer mehr Waſſer empfangen, als eine Caſſia bei einer Feuchtigkeit von 74 Grad. Kein Wunder daher, daß Caſſien und Mimoſen in Oberaͤgypten ihr Laub verliehren, wenn Aloe und Meſembryanthemum im vollen Safte ſtehen. Auch bezeugen alle Reiſebeſchreiber die Exiſtenz des ſtarken Thaues in dem regenloſen Palmenklima. Haſſelquiſt erwaͤhnt dieſes Gegenſtandes ausfuͤhrlich in einem Briefe an Linné: bei Cairo, ſagt er , und gegen Aſſuan zu, ſtehen alte Sycomoren-Staͤmme (Ficus Sycomorus), welche in ihrem langen ſechshundertjaͤhrigen Leben vielleicht nicht 6 Unzen Regenwaſſer zu ihrer Nahrung erhalten haben. In der heiſſeſten Sommerzeit vom Mai an, wo das Erdreich vor Duͤrre aufreißt, wuͤrde alles verſchmachten, wenn nicht (waͤhrend daß dunkles Gewoͤlk unaufhoͤrlich vom Mittelmeere gegen das Abeſſiniſche Gebirge hinzieht) Morgens und Abends ſtarker Thau fiele. Den Baͤumen dient dann die Krone ſtatt der Wurzel, da dieſelbe durch ihre vaſa abſorbentia aus der Luft die Nahrung aufnimmt, welche zu einer andern Jahreszeit der gewaͤſſerten Erde entzogen wird. Haſſelquiſt’s Reiſe nach Palaͤſtina. Roſtock 1762. S. 264. Welches ſind aber die Gefaͤße, welche jene Einſaugung verrichten? Sind die der duͤnnblaͤttrigen Baͤume von denen der fleiſchigen Gewaͤchſe verſchieden? Ich glaube mit Hrn. Schrank , daß die eifoͤrmigen, warzenartigen Erhebungen (Spaltgefaͤße), welche das Mikroſkop faſt auf dem Oberhaͤutchen aller Vegetabilien, beſonders auf dem untern der haarloſen Blaͤtter, zeigt, und woruͤber wir dem großen Pflanzenzergliederer zu Leipzig ſo wichtige Entdekkungen verdanken, daß dieſe Spaltgefaͤße, ſage ich, vorzuͤglich zur Einſaugung der atmoſphaͤriſchen Feuchtigkeit beſtimmt ſind. Wenn ich es wage, meinem allgemein verehrten Freunde, Herrn Hedwig, in dieſem Punkte zu widerſprechen, ſo geſchieht das gewiß mit der ſchuͤchternen Beſcheidenheit, die mir gegen Ihn geziemt. Durch ſeine freundſchaftliche Aufforderung veranlaßt, habe ich nun ſeit vier Jahren das Oberhaͤutchen aller der Pflanzen, uͤber deren luftfoͤrmige Exſpiration ich Verſuche angeſtellt, unter dem Hoffmanniſchen Mikroſkope unterſucht, die Reſultate dieſer Unterſuchung aber (wie vieles andere) ſorgfaͤltig zuruͤck gehalten, um nicht voreilig ungruͤndliche Erfahrungen in die Welt zu bringen. Erſt in dieſem Jahre habe ich meine Zweifel daruͤber im 2ten Bande meiner Verſuche uͤber die gereizte Muſkel- und Nervenfaſer oͤffentlich geaͤuſſert. Es geht mit dem vegetabiliſchen Koͤrper, wie mit dem animaliſchen. Die genaue Kenntniß der Geſtalt der Organe geht der ihres Nutzens (ihrer Lebensverrichtungen) voraus. Ob ein Organ vorhanden, ſo oder ſo gebildet iſt, laͤßt ſich daher apodiktiſch entſcheiden, nicht aber ob es zur Ausduͤnſtung, oder Einſaugung, zur luft- oder dampffoͤrmigen Reſpiration beſtimmt iſt. Die mathematiſchen Beweiſe, deren Herr Schrank (Nebengefaͤße S. 82) ſich ruͤhmt, koͤnnen in der belebten Natur, wo Pulſation der Cirkelfaſer wirkt, und die Fluͤßigkeiten nicht, wie „durch Rauchfaͤnge ausziehen, ſchwerlich gelten. Ich habe gehofft, dem Nuzzen jener Spaltgeſaͤße der Oberhaut auf die Spur zu kommen, wenn ich unter dem Mikrometer die Groͤße und Zahl dieſer Organe im geſunden und kranken Zuſtande beſtimmte, den Ort beobachtete, wo ſie hauptſaͤchlich liegen, und dann die Menge der Lebensluft maͤße, welche die Spaltgefaͤßreiche, oder leere Seite des Oberhaͤutchens liefert. Folgende Thatſachen ſcheinen mir zu beweiſen, das die gasfoͤrmige Exſpiration der Pflanzen aus Oeffnungen kommt, die uns noch eben ſo verborgen und unbekannt ſind, als die Gefaͤßmuͤndungen, durch welche die menſchliche Cuticula Kohlenſaͤure und Stikluft aushaucht: Haare und Spaltgefaͤße exiſtiren zwar bisweilen bei einer Pflanze (Calendula officinalis); aber im Ganzen ſind die letztern bei haarigen und wolligen Gewaͤchſen ſehr ſelten, ohnerachtet dieſe ſehr viele und reine Lebensluft geben. Baumarten und Kraͤutern (Paſtinaca ſativa, Braſſica ſabauda, B. ſeleniſia, Fragaria veſca), welche auf der obern Blattflaͤche gar keine, oder doch uͤberaus ſparſame Spaltgefaͤße haben, werden, der Sonne ausgeſezt, auf dieſer obern Flaͤche mit haͤufigen und großen Luftblaſen unter Waſſer bedekt. Dieſe Luftblaſen entſtehen nicht vorzuͤglich da, wo das Mikroſkop die Spaltgefaͤße zeigt, ſondern meiſt an den Rippen der Blaͤtter, woruͤber Herr Senebier ſchoͤne Beobachtungen geſammelt hat. Pflanzen, die ich im Finſtern erzog, und deren Ausduͤnſtungs- und Einſaugungsgeſchaͤft geſtoͤhrt war, zeigten zwar in der Bleichſucht zuſammengeſchrumpfte kleine unausgebildete Spaltgefaͤße, dagegen fand ich dieſelben aber auch vollkommen ausgebildet in vegetabiliſchen Theilen, welche gar keine Luft aushauchen, als in den weißgelben Raͤndern der Agave americana, und den violetten Flekken der Orchis maculata. Nach dieſen Beobachtungen, die ich vielleicht bald an einem andern Orte umſtaͤndlicher entwikkeln werde, vermuthe ich, daß jene problematiſchen Organe mehr zur waͤſſerigen Einſaugung beſtimmt ſind. Auch ſehe ich, daß Herr Hedwig ſelbſt dieſe Function, wenigſtens als Nebenzweck, nicht unwahrſcheinlich findet . Schon in einem lehrreichen Briefe an mich vom Jahr 1794 aͤuſſert er die Vermuthung, daß manche Baͤume und Straucharten, deren obere Blattflaͤche keine Spaltgefaͤße zeigt, eigene uns unbekannte Oeffnungen zur Luftſpiration haben moͤgen. Sollten nun nicht die fleiſchigen Gewaͤchſe, Sempervivum, Sedum, Aloe, Agave, Cactus und Meſembryanthemum (welche der phantaſiereiche St. Pierre ſehr treffend die belebten Quellen der tropiſchen Wuͤſten nennt) eben deshalb im Sonnenlichte oder in der Finſterniß (vom Waſſerſtoffgas umgeben) ſo viel Sauerſtoffgas aushauchen, weil ſie mehr Waſſer als andere Pflanzen, einſaugen, und alſo auch mehr davon zu zerlegen im Stande ſind? Die einſaugenden Spaltgefaͤße derſelben ſind 3 bis 4mal groͤßer, als die der andern duͤnnblaͤtterigen Pflanzen, und wenn bei den gemeinen Erdbeeren z. B. zwiſchen zweien dieſer wichtigen Organe noch funfzehn andere mit ihrem Durchmeſſer Raum hatten, ſo ſind ſie bei der Agave ſo dicht aneinander gereiht, daß ich im Phyllometer uͤber 55 auf 1 □ Linie zaͤhlte. Dieſe Zahl iſt aber, wegen der auſſerordentlichen Groͤße der Spaltgefaͤße, doch noch gering. Denn Hyacinthus non ſcriptus hat auf demſelben Raume, da, wo die Blaͤtter am dunkelgruͤnſten ſind, 140 bis 145, wo das Gruͤn blaͤſſer iſt (gegen den Stengel hin), 62 bis 75. Statt aber, daß dieſe und andere Kraͤuter jene Werkzeuge nur auf den Blaͤttern zeigen, ſo haben jene fleiſchigen Bewohner der Palmenlaͤnder (z. B. die Cactus-Arten), ſo weit ſie uͤber der Erde emporſtreben, uͤberall einen blaͤtterartigen, gefaͤßreichen Ueberzug. Sie ſind daher in jedem Theile ihrer Oberflaͤche geſchickt, die Feuchtigkeit des Luftkreiſes aufzunehmen. Von den Nebengefaͤßen der Pflanzen S. 92. Samml. naturhiſtor. Aufſ. 1796. S. 147. Hedwigs Sammlungen ſeiner Abhandlungen uͤber botaniſch-oͤkonomiſche Gegenſtaͤnde B. I. S. 116. 129. B. II. S. 143. Aus allen dieſen Beobachtungen folgt, daß die fetten fleiſchartigen Vegetabilien regenloſer Klimate keinesweges fuͤr die Entbehrlichkeit des Waſſers, als Nahrungsmittels, zeugen, ſondern daß ſie durch die beſondere Einrichtung des Oberhaͤutchens vor dem Verdorren geſchuͤtzt ſind. In ſolchen Gegenden endlich, wo zu gewiſſen Zeiten auch der Nachtthau fehlt, dient den fleiſchigen Blaͤttern der Aloe, dem Meſembryanthemum, oder Sedum das Parenchyma ſelbſt zur Nahrung. Dieſe Vegetabilien zehren ſich dann gleichſam ſelbſt auf, und erhalten ſich von dem Nahrungsſafte, der in die Hoͤlen des Zellgewebes deponirt iſt . Dieſer Proceß, durch den vorzuͤglich die Exiſtenz zuruͤckfuͤhrender Gefaͤße in den Pflanzen erwieſen wird, wuͤrde auch in den Gewaͤchshaͤuſern immerdar vorgehen, wenn nicht die Luft in denſelben (wie einfache Hygrometer-Verſuche, und das Feuchtwerden der Kleider mich oft belehrt haben) mit Waſſerdaͤmpfen geſchwaͤngert waͤre. Herr Ingenhouſz bemerkt ſehr richtig, daß in dieſen Standort kein Thau dringt; aber die waͤſſerige, Kaͤlte erregende Ausduͤnſtung der umherſtehenden Muſen, Heliconien und Canna-Arten, und die dampfende Gartenerde erſezt hier reichlich das mangelnde Verkehr mit der Wolkenregion. A. a. O. S. 3. und 149. Noch muß ich einer Erfahrung erwaͤhnen, welche wohl ebenfalls fuͤr die Nothwendigkeit des Waſſers zur Ernaͤhrung der fetten Pflanzen zeugt. Bei meinem Aufenthalte auf dem fraͤnkiſchen Fichtelgebirge in den Jahren 1793 und 1794 ſtellte ich Verſuche uͤber Abſcheidung der Kohlenſaͤure an, welche mehrere Gewaͤchſe mit Stikſtoffluft gemengt im Schatten von ſich geben. Ich hatte Mauerpfeffer und Hauslaub (Sedum acre, und Sempervivum tectorum) in gereinigte Kieſelerde unter Glasglokken gepflanzt. Die Gewaͤchſe ſtanden ſo hoch, daß aͤzende Kalkerde in das Gefaͤß geſtreut werden konnte, ohne jene zu beruͤhren. Dies Einſtreuen geſchah taͤglich von neuem, ſo daß nicht nur alle Kohlenſaͤure, ſondern auch jedes Atom von atmoſphaͤriſcher Feuchtigkeit verſchlukt ward. Ich bemerkte immer, daß meine Pflaͤnzchen bald abſtarben, und dagegen diejenigen, deren Wurzeln zugleich mit deſtillirtem Waſſer benezt wurden, nicht verdorrten. Darf ich daher nicht vermuthen, daß die aͤuſſerſte Trokkenheit der Luftſchichten, und nicht Mangel an Kohlenſaͤure jene nachtheiligen Folgen hervorbrachte. Jene Saͤure iſt ja ohnedieß in ihrem gasfoͤrmigen Zuſtande, alſo außer ihrer Verbindung mit Waſſer oder mit anderen Stoffen, der Vegetation ſo ſchaͤdlich, daß ſie nach meinen Verſuchen nur von dem unreinen hydrogene peſant (dem Gemenge von Waſſer- und Kohlenſtoffgas, welches man aus dem Agaricus campeſtris zieht) an Schaͤdlichkeit uͤbertroffen wird. Auch von der Erde, glaube ich, daß man ſie allerdings zu den wahren Nahrungsmitteln der Gewaͤchſe zaͤhlen muß. Was berechtiget uns, ſie bloß mechaniſch, als einen Stoff zu betrachten, der der Thier- und Pflanzenfaſer Dichtigkeit und Starrheit giebt? Ich beruͤhre hier nicht die Frage, welche ein kommendes Jahrhundert entſcheiden wird, die Frage, ob Erdarten zuſammen geſezt ſind, und ob viele derſelben erſt waͤhrend der Vegetation entſtehen, d. h. gleich den Laugenſalzen aus gasfoͤrmigen Baſen zuſammen gerinnen, ſondern ich erinnere bloß an das Zuſammenwirken aller Elemente, und ihrer Ziehkraͤfte bei dem großen Prozeß der Vitalitaͤt. In phyſiologiſchen Betrachtungen muß man ſich huͤten, nicht einzelnen Stoffen und Kraͤften zuzuſchreiben, was nur durch das wechſelſeitige Verhaͤltniß aller begruͤndet wird. Einer Pflanze (Chara), in deren Miſchung wir immer Kalcherde finden, iſt die Gegenwart dieſer Erde gewiß eben ſo weſentlich, als die des Kohlenſtoffs, oder Hydrogens. Unter weſentlichen Beſtandtheilen giebt es keine Rangordnung, und mit den Fortſchritten der Scheidekunſt werden wir die Wirkungsart mancher Elemente erkennen, welche izt gleichſam iſolirt in der Kette der Dinge ſtehen. Wir wiſſen freilich noch nichts von den Ziehkraͤften der Erdarten gegen den Sauerſtoff, Kohlenſtoff, oder Waſſerſtoff; aber wir duͤrfen vermuthen, daß in zuſammengeſezten Verwandſchaften (deren Spiel bei allen vitalen Funktionen thaͤtig iſt) Elemente auf einander einwirken, die in einfachen Verwandſchaften ſich unzerſezt laſſen. Kennen wir doch ſchon izt die Affinitaͤten der Kalch- Bitterſalz- und Schwererde gegen Schwefel und Phosphor, oder die der Kieſelerde gegen die Laugenſalze! Beruht daher, wie ich mich in einem eigenen Werke zu entwikkeln bemuͤht habe, die Erregbarkeit der organiſchen Materie vorzuͤglich auf ihren Eigenſchaften, chemiſche Ziehkraͤfte gegen die reizenden Stoffe zu aͤuſſern, und durch die Einwirkung dieſer Stoffe Miſchungsveraͤnderungen zu erleiden; geht in der Thier- und Pflanzenfaſer unaufhoͤrlich ein Wechſel von Bindungen, Umhuͤllungen und Zerſetzungen vor; iſt dieſelbe ſo eingerichtet, daß in dem Kampfe der Elemente die organiſche Materie dennoch ſtets ungeſaͤttiget, und alſo reizbar bleibt; ſo folgt, bei dieſer phyſiologiſchen Anſicht der Dinge, von ſelbſt, daß in dem großen Lebensprozeſſe kein Stoff (ſei er Erde oder Metall) traͤge und unthaͤtig ruhen, ſondern nach den ihm inhaͤrirenden Kraͤften wirkſam werden muß. — In dem 13. und 24. §. zeigt Herr Ingenhouſz, daß es fuͤr die Kenntniß von dem Wachsthume der Vegetabilien ſehr wichtig ſei, zu unterſuchen, wie viel Kohlenſaͤure in der Atmoſphaͤre enthalten ſei. Nach Lavoiſier exiſtire ſie gar nicht in derſelben, nach andern Chemiſten zu 0, 01. Bei dieſen Beſtimmungen ſei es ſchwer zu errathen, woher die Pflanzen die Kohlenſaͤure ziehen, welche ſie in ihren Organen zerſezen. Da meine Verſuche ſeit einem Jahre beſonders auf dieſen Gegenſtand gerichtet geweſen ſind, ſo glaube ich hier einige Bemerkungen beifuͤgen zu duͤrfen. Die Kohlenſaͤure kann auf zweifache Weiſe im Dunſtkreiſe vorhanden ſeyn; frei, gasfoͤrmig, mit Lebens- und Stikluft gemengt, und gebunden von den atmosphaͤriſchen Duͤnſten verſchlukt. Wenn man die Zahl von Thieren uͤberſchlaͤgt, welche durch ihre Lungen- und Hautausduͤnſtung Kohlenſaͤure erzeugen; wenn man berechnet, wie viele tauſend Kubikzoll dieſelbe von den Bluͤthen und Fruͤchten der Pflanzen, ja in der Dunkelheit von ihren Blaͤttern aufſteigen; wenn man bedenkt, daß aus allen gaͤhrenden organiſchen Stoffen, daß aus der vom Sonnenſtrahl erwaͤrmten Dammerde, wie aus vielen vegetationsleeren Gebirgsmaſſen (Thonſchiefer, Hornblendſchiefer) ſich Kohlenſaͤure entbindet; ſo dringen uns dieſe Betrachtungen ein Bild von der ungeheuren Maſſe dieſer Gasart auf, welche taͤglich in die Atmoſphaͤre uͤbergeht. Dieſer Uebergang wuͤrde dieſe bald voͤllig irreſpirabel machen, wenn nicht die waͤſſerigen Duͤnſte aufnaͤhmen, was im luftfoͤrmigen Zuſtande Pflanzen und Thieren gleich ſchaͤdlich iſt. Schwarze humus und Thonſchiefer hauchen in Beruͤhrung mit dem Oxygen des Dunſtkreiſes bei der niedrigen Temperatur von 6 — 8° R. Kohlenſaͤure aus. Daß bei dieſen meinen Verſuchen, deren ich ſchon an andern Orten erwaͤhnt, nicht Taͤuſchung ſtatt fand und daß bei denſelben, unter Mitwirkung des Sonnenlichts und der Feuchtigkeit, die Kohlenſaͤure wirklich neu erzeugt wird, beweiſen die wiederholten Erfahrungen des Herrn Lampadius. Warum ſollten wir uns beide in unſeren Arbeiten auf gleiche Weiſe getaͤuſcht haben? Auf die ſpecifiſche Schwere der Kohlenſaͤure, und auf dies Niederſinken, welches dieſe verurſachen ſoll, waͤre minder zu rechnen, da die unterirdiſchen Grubenwetter uns zeigen, wie wenig verſchiedene Gasarten geneigt ſind, ſich nach jenen Unterſchieden der ſpecifiſchen Schweren zu lagern. Eben die Armuth an gasfoͤrmiger freyer Kohlenſaͤure, welche die Scheidekuͤnſtler in der Atmoſphaͤre finden, beweißt, wie viel davon die Pflanzen zu ihrer Nahrung einziehen, da das atmoſphaͤriſche Waſſer, welches von den Wurzeln und Saugadern der Blaͤtter eingeſogen wird, den vorbeſchriebenen taͤglich aufſteigenden Vorrath von Kohlenſaͤure zur Erde herabfuͤhrt. Haͤtten wir Mittel in Haͤnden, die Menge dieſer Saͤure, welche an Waſſerdaͤmpfe gebunden, im Luftkreiſe ſchwebt, zu meſſen, ſo wuͤrden wir uͤber die Menge derſelben erſtaunen. Aber auch der freyen gasfoͤrmigen Kohlenſaͤure giebt es mehr im Dunſtkreiſe, als unſere Lehrbuͤcher bisher angeben. Die Art, wie man dieſelbe gewoͤhnlich unterſucht, durch Schuͤtteln mit fluͤſſigem reinen Alkali, oder Kalkwaſſer (wobei ſich atmoſphaͤriſche Luft aus den Zwiſchenraͤumen der Fluͤſſigkeit entwikkelt) oder gar in weiten Roͤhren, ohne auf Temperatur und Elaſticitaͤt der Luft Ruͤckſicht zu nehmen, kann nur unvollkommene Reſultate gewaͤhren. Ich habe mit meinem Freunde Herrn Muͤnzmeiſter Goͤdeking zu Bayreuth ein eigenes ſehr tragbares Inſtrument (Kohlenſaͤure-Meſſer) zu Stande gebracht, von dem ich naͤchſtens eine Zeichnung liefern werde, und deſſen ſich izt ſchon mehrere Chemiſten, denen ich es mitgetheilt, vortheilhaft bedienen. Ich nehme eine ſehr geringe Luftmenge ( [Formel] — [Formel] Kubikzoll), deren Abſorption dadurch beſchleunigt wird, daß ſie durch das reine Alkali einen hydroſtatiſchen Druck leidet. Die Meſſung geſchieht mittelſt einer communicirenden Roͤhre, und die auf Glas geaͤzte Skale giebt ſehr bequem und deutlich 0, 001 von [Formel] Kubikzoll der zu pruͤfender Luft an. Durch dieſes einfache Werkzeug, deſſen man ſich zu allen andern Luftzerſetzungen bedienen kann, habe ich gefunden, daß der Kohlenſaͤure-Gehalt des Luftkreiſes an freien, von Menſchenwohnungen entfernten Orten meiſt uͤber 0, 01, gewoͤhnlich 0, 013 — 014 betraͤgt. Bisher ſah ich ihn noch nie weder unter 0, 005 herabſinken, noch uͤber 0, 018 ſteigen. Man ſollte vermuthen, daß in einer feuchten Luft weniger freies kohlenſaures Gas, als in einer trokneren vorhanden waͤre. Vergleichende Verſuche mit dem de Lucſchen Fiſchbein-Hygrometer haben aber bisher dieſe Vermuthung noch nicht ſehr beſtaͤtigt. Ich hebe aus meinen meteorologiſchen Tagebuͤchern von 1797 nur folgende Beobachtungen aus, welche den Sauerſtoff- und Kohlenſaͤure-Gehalt des Dunſtkreiſes, ſeine elektriſche Ladung, Elaſticitaͤt, Waͤrme und Feuchtigkeit unter einen Geſichtspunkt ſtellen. (Die Werkzeuge waren alle von vorzuͤglicher Guͤte; das Eudiometer ein Fontanaſches, welches die ruͤkſtaͤndige Luftſaͤule von gleichen Luftmengen ausdruͤkt; das Elektrometer ein Sauſſureſches mit 4 Fuß hohem Ableiter und brennendem Schwamm nach Volta’s Methode armirt, und das Hygrometer ein de Lucſches). Kohlenſaͤuremeſſer Eudiometer Thermomet. Barometer Hygrometer Elektrometer am 22. November Sonnenſch. bei fernem Schneegewoͤlk. 0,009. 103 [Formel] — [Formel] °R. 26Z.4,5 L. 80° + 1Lin. 23. ganz bezogen 0,006. 110 + 3. 26Z.6,8 L. 43° + 2Lin. 25. truͤbe. 0,009. 107 [Formel] + 8. 26Z.10,7L. 43° — Dagegen (vorige Herbſtbeobachtungen waren in einem Garten von Salzburg angeſtellt) zeigte ſich die Atmoſphaͤre in Wien im Sommer: Kohlenſaͤure Thermometer Barometer Hygromet. Am 22. Aug. blau. Himmel 0,007. +18 [Formel] °R. 27.Z. 8,9L. 36°. 26. Lichte Wolken 0,014. + 17 [Formel] . 27.Z. 10 L. 41°. 29. blau 0,015. + 16 [Formel] . 27.Z. 9,2L. 40°. Ich werde an einem andern Orte eine große Reihe anderer aͤhnlicher Beobachtungen aufſtellen. Hier iſt es genug zu zeigen, daß, ſo wie Durchſichtigkeit der Luftſchichten mir keineswegs allein von ihrer Trokkenheit abzuhaͤngen ſcheint, eben ſo auch ihr Kohlenſaͤuregehalt nicht im umgekehrten Verhaͤltniß zu den Hygrometerſtaͤnden waͤchſt, oder abnimmt. Doch vermuthe ich, was fuͤr die Ernaͤhrung der Gewaͤchſe ſehr wichtig iſt, aber erſt durch eine lange Erfahrung beſtaͤtigt werden muß, daß die Atmoſphaͤre im Ganzen im Sommer mehr Kohlenſaͤure, als im Winter enthaͤlt. In dem 19. §. erwaͤhnt Herr Ingenhouſz der vortreflichen Verſuche des Herrn van Marum uͤber die Zerſtoͤrung vegetabiliſcher Reizbarkeit durch uͤbermaͤßige Elektricitaͤt. Dieſe Erſcheinung habe ich noch einfacher und auffallender im Sommer 1796 bei folgenden Experimenten beobachtet. Ich nahm friſche Bluͤthenſtengel von Galeopſis tetrahit, Pollichia galeobdolon und Lamium purpureum, und leitete wiederholt ſchwache Schlaͤge der Kleiſtiſchen Flaſche dergeſtalt durch dieſelben, daß die Elektricitaͤt von dem oberſten Bluͤthenquirl bis zum untern Stengelende fuhr. Nach wenigen Sekunden verloren die Zweige alle Straffheit der Gefaͤßbuͤndel, bei der ſie vorher ſenkrecht aufwaͤrts ſtanden. Sie neigten ſich izt wie welke Grashalme nieder, und die uͤbermaͤßige Elektricitaͤt brachte auf einmal dieſelbe Wirkung hervor, welche Entziehung von Feuchtigkeit, oder Waͤrme nur allmaͤlig zu erzeugen im Stande iſt. Hier war aber bloß Schwaͤchung der Lebenskraͤfte, nicht mechaniſche Zerſtoͤhrung der Organe eingetreten. Denn bei den Individuen, welche nicht zu heftige elektriſche Schlaͤge empfangen hatten, konnte ich die Laͤhmung durch oxygenirte Kochſalzſaͤure heben. Das Eintauchen des Stengels in dieſe reizende Fluͤſſigkeit gab den Gefaͤßbuͤndeln die vorige Straffheit wieder. Durch Anwendung chemiſcher Potenzen haben wir es in unſerer Gewalt, die Erregbarkeit der vegetabiliſchen Faſer, wie die der animaliſchen zu ſtimmen, und die Thaͤtigkeit der Organe zu modificiren. Auch mit der lezten Klaſſe der Vegetabilien, den Schwaͤmmen, habe ich aͤhnliche Verſuche angeſtellt. Der kleine nach Knoblauch riechende Schwamm, der ſich ſo ſchnell nach dem Regen entwikkelt, Agaricus cepaceus , wurde ſchnell in ſeinem Wachsthume geſtoͤhrt, wenn ich die Kleiſtiſche Flaſche durch ihn entlud. Haͤufig mit dem weit groͤßeren, und von ihm verſchiedenen A. alliaceus verwechſelt. In der Flora Fribergenſis habe ich ihren botaniſchen Unterſchied angegeben. Im Merz 1798. F. A. v. Humboldt.